Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Bildung vom 23.07.2025, Zl. 2025-0.568.531,
A)
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß als unbegründet abgewiesen.
II. beschlossen:
Der Beschwerdeeventualantrag auf Abänderung der Beurteilung des Pflichtgegenstandes „Gesundheitsmechatronik“ von „Nicht genügend“ auf „Genügend“ wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 23.07.2025, Zl. 2025-0.568.531, wies der Bundesminister für Bildung den Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz des 4. Jahrganges im Schuljahr 2024/2025 der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt XXXX , vom 18.06.2025 zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Einbringung des als „Einspruch“ bezeichneten Widerspruchs noch keine bekämpfbare Entscheidung erlassen worden sei, weshalb sich das erhobene Rechtsmittel als unzulässig erweise.
2. Mit Schriftsatz vom 31.07.2025 erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde an die Bildungsdirektion Wien als belangte Behörde gegen den „Bescheid der Bildungsdirektion Wien vom 23.07.2025, GZ: 2025-0.568.531“. Inhaltlich wurde die Beschwerde damit begründet, dass der verfrüht eingebrachte Widerspruch dadurch saniert sei, dass dem Beschwerdeführer der Inhalt der Entscheidung schon zwingend bekannt gewesen sei.
3. Mit Schreiben vom 05.08.2025 legte der Bundesminister für Bildung die Beschwerde samt dem bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
4. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 11.08.2025, W128 2317266-1/2E, als unzulässig zurück, da die Beschwerde in ihrem klaren Wortlaut die „Bildungsdirektion [für] Wien“, nicht aber den „Bundesminister für Bildung“ als belangte Behörde benannte und auch bei der Bildungsdirektion für Wien eingebracht wurde.
5. In weiterer Folge brachte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde beim Bundesministerium für Bildung ein und benannte nunmehr das Ministerium als vermeintlich belangte Behörde.
6. Mit Begleitschreiben vom 18.08.2025 legte der Bundesminister für Bildung als tatsächlich belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der (volljährige) Beschwerdeführer ist Schüler des 4. Jahrganges (12. Schulstufe), Klasse XXXX , an der Höheren Technischen XXXX Wien XXXX .
1.2. Vor dem 13.06.2025 teilte die Lehrkraft des Pflichtgegenstandes Gesundheitsmechatronik dem Beschwerdeführer, einer Mitschülerin ( XXXX ) und einem Mitschüler ( XXXX ) mit, dass er eine negative Jahresbeurteilung vorschlagen werde.
1.3. Mit Schriftsatz vom 13.06.2025 erhoben der Beschwerdeführer sowie die unter Punkt 1.2. genannte Mitschülerin bzw. der unter Punkt 1.2. genannte Mitschüler einen „Einspruch“ aufgrund der negativen Beurteilung im Fach Gesundheitsmechatronik.
Der Schriftsatz wurde am 18.06.2025 noch vor 16:00 Uhr in der Direktion abgegeben.
1.4. Am 18.06.2025 um 16:00 begann die Klassenkonferenz, von welcher in weiterer Folge die Entscheidung getroffen wurde, dass der Beschwerdeführer aufgrund der negativen Beurteilung im Fach Gesundheitsmechatronik nicht zum Aufsteigen berechtigt sei.
Die vom Vorsitzenden der Klassenkonferenz unterfertigte schriftliche Ausfertigung der Entscheidung vom 18.06.2025 wurde dem Beschwerdeführer am 20.06.2025 persönlich übergeben.
1.5. Mit dem im Spruchkopf bezeichneten Bescheid wies der Bundesminister für Bildung den Widerspruch des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz des 4. Jahrganges im Schuljahr 2024/2025 der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt Wien XXXX , vom 18.06.2025 als unzulässig zurück. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Einbringung des als „Einspruch“ bezeichneten Widerspruchs noch keine bekämpfbare Entscheidung erlassen worden sei, weshalb sich das erhobene Rechtsmittel als unzulässig erweise.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, sowie den Ausführungen im bekämpften Bescheid und dem Inhalt der Beschwerde.
Dass der als „Einspruch“ bezeichnete Schriftsatz des Beschwerdeführers, seiner Mitschülerin und seines Mitschülers am 18.06.2025 noch vor Beginn (16:00 Uhr) der Klassenkonferenz in der Schuldirektion abgegeben wurde, ergibt sich aus der Mitteilung des Abteilungsvorstandes Dr. XXXX an das Bundesministerium für Bildung vom 14.07.2025.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Gemäß § 71 Abs. 2 lit c. SchUG ist gegen die Entscheidung, dass der Schüler zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat (Entscheidung gemäß § 20 Abs. 6, 8 und 10, Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen, jeweils in Verbindung mit § 25) ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E-Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen. Der Schulleiter (der Vorsitzende der Prüfungskommission) hat den Widerspruch unter Anschluss einer Stellungnahme der Lehrer (Prüfer), auf deren Beurteilungen sich die Entscheidung gründet, sowie unter Anschluss aller sonstigen Beweismittel unverzüglich der zuständigen Schulbehörde vorzulegen.
Gemäß § 71 Abs. 2a SchUG tritt mit Einbringen des Widerspruches die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des § 70 Abs. 1 und des § 71 Abs. 2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.
Gemäß § 71 Abs 3 SchUG beginnt die Frist für die Einbringung des Widerspruchs im Falle der mündlichen Verkündung der Entscheidung mit dieser, im Falle der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung jedoch mit der Zustellung.
3.2. Zweifelsfrei wurde im gegenständlichen Fall der von der belangten Behörde als Widerspruch gewertete Schriftsatz vom 13.06.2025 noch vor Beginn der Klassenkonferenz vom 18.06.2025 eingebracht.
Die Unzulässigkeit eines verfrühten Widerspruchs ergibt sich zunächst einmal aus der eindeutigen und ausdrücklichen Bestimmung des § 71 Abs 3 SchUG, wonach die Frist für die Einbringung eines Widerspruches im Fall einer schriftlichen Ausfertigung erst mit der Zustellung beginnt, im gegenständlichen Beschwerdefall somit mit 20.06.2025 (persönliche Übernahme der schriftlichen Ausfertigung durch den Beschwerdeführer).
Auch die Rechtsschutzarchitektur des österreichischen Verwaltungsrechts setzt das Vorliegen einer bekämpfbaren (hier) Entscheidung als tauglichen Anfechtungsgegenstand voraus (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, Rz 527, 554 oder 697); fehlt es an einer bekämpfbaren Entscheidung, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Die Rechtsansicht des Beschwerdeführers, wonach aus mehreren (näher) genannten Judikaten des VwGH und BVwG abzuleiten sei, dass eine Zurückweisung eines vorzeitig eingebrachten Rechtsmittels unzulässig sei, wenn dem Entscheidungsadressaten der Inhalt der Entscheidung bekannt und im Zeitpunkt der Entscheidung über ein Rechtsmittel zwischenzeitlich die Zustellung der Entscheidung wirksam erfolgt sei (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 63 Rz 63), vermag aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen.
Auch wenn die negative Beurteilung dem Beschwerdeführer durch die Lehrkraft in den Tagen vor dem 13.06.2025 angekündigt wurde und der Nichtaufstieg aufgrund der negativen Beurteilung desselben Pflichtgegenstandes (bereits) im Schuljahr 2023/24 feststand, ist festzuhalten, dass der Schriftsatz vom 13.06.2025, gemeinsam eingebracht von zwei Schülern (darunter der Beschwerdeführer) und einer Schülerin, zweifelsfrei nur gegen die Durchführung der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung des Lehrers und nicht gegen eine (spätere) Entscheidung der Klassenkonferenz in Bezug auf das Nichtaufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe gerichtet war. Da der Schriftsatz in den Stunden vor Beginn der Klassenkonferenz eingebracht wurde, konnte dem Beschwerdeführer der Inhalt der noch nicht existenten Entscheidung der Klassenkonferenz somit auch formell auch gar nicht bekannt gewesen sein. Dazu kommt, dass nach der Rechtsschutzarchitektur des § 70 SchUG die Entscheidung der Klassenkonferenz mit Einbringung eines Widerspruchs ex lege außer Kraft tritt; umgelegt auf den gegenständlichen Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Klassenkonferenz gar nicht entscheiden hätte können, da der Widerspruch zum Entscheidungszeitpunkt bereits eingebracht war.
3.3. Aus den genannten Gründen ist der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, wenn sie den gegenständlichen Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen hat.
3.4. Soweit in der vorliegenden Beschwerde der Eventualantrag auf Abänderung der Beurteilung im Pflichtgegenstand Gesundheitsmechatronik gestellt wird, ist die fehlende Kognitionsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes einzuwenden: Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Mit einer meritorischen Entscheidung würde die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten werden (vgl. zuletzt VwGH 27.06.2022, Ra 2021/03/0301, sowie VwGH 01.09.2017, Ra 2016/03/0055, mwN). Ein Beschwerdeantrag auf Entscheidung in der Sache ist daher zurückzuweisen.
3.5. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG als auch gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen (siehe etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 24 VwGVG Anm. 7 bzw. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Zu B) (Un-)Zulässigkeit der Revision:
3.6. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Vorliegen eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes stellt ein Grundprinzip eines Rechtsmittelverfahrens im österreichischen Verwaltungsrecht dar. Soweit der Beschwerdeführer auf Judikate des Verwaltungsgerichtshofes verweist, konnten diese im gegenständlichen Beschwerdefall nicht berücksichtigt werden, da (a) der Inhalt der Entscheidung dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt sein konnte, (b) die Mitteilung einer negativen Note nicht gleichzusetzen ist mit der rechtlich gebotenen Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe und (c) diese Mitteilung auch nicht durch das zuständige Organ (Klassenkonferenz) erfolgte.
Somit weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.