Spruch
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Manuela WILD über die Beschwerde der ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Mag. Johannes AIGNER, Mag. Julia HUBER RAe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht und wird beschlossen:
A)
1. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2.Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
B)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die BF ist am XXXX in XXXX , Ungarn, geboren, ledig und ungarische Staatsbürgerin, somit EU Bürgerin.
Sie wurde am XXXX der Ausübung der Wohnungsprostitution im Bundesgebiet, ohne Wohnsitzmeldung, betreten, aufgrund dessen nach dem GeschlechtskrankheitenG und dem Tiroler LandespolizeiG bestraft. Trotzdem verblieb sie weiterhin in Österreich und ging der illegalen Prostitution (ohne vorgeschriebenen gesetzlichen Untersuchungen) nach.
Am 13.05.2025 wurde ihr ein Parteiengehör zum laufenden Verfahren vor dem BFA zugestellt, sie gab bis dato dazu keine Stellungnahme ab.
Mit XXXX meldete sich die BF mit Hauptwohnsitz in Innsbruck an und wurde am XXXX erneut bei der Ausübung der Prostitution ohne die gesetzlich geforderten Untersuchungen betreten und dies zur Anzeige gebracht. Am XXXX wurde gegen die BF Anklage gemäß § 146 StGB erhoben.
Mit Bescheid vom XXXX wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von 2 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG ihr kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Der Bescheid wurde ihr persönlich am 25.07.2025 durch PI Organe zugestellt.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig sei. Ihre sofortige Ausreise sei dringend erforderlich, da ihr Gesamtverhalten – sie gehe, teils unter Umgehung des Meldegesetzes, im Bundesgebiet der Ausübung der Prostitution außerhalb von behördlich bewilligten Bordellen nach und halte sich ausschließlich deshalb in Österreich auf – die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Sie übe diese Prostitution aus, ohne die für die Ausübung der Prostitution vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Aidsgesetz und der Verordnung des BM für Gesundheit wahrzunehmen. Ihr Verhalten stelle eine gegenwärtige erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an der Bekämpfung ansteckender Krankheiten, berühre. Sie sei bis dato strafrechtlich in Österreich unbescholten, gehe hier keiner geregelten legalen Arbeit nach, verfüge über keine Anmeldebescheinigung nach dem NAG und über keine, für Österreich gültige Sozial- und Krankenversicherung. Sie sei hier weder beruflich noch sozial verankert, sie verfügen im Bundesgebiet über keine Familienangehörige.
Die rechtsfreundliche Vertretung übermittelte am 22.08.2025 einen Schriftsatz, mit dem die BF über ihre Rechtsvertretung die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beantragt und gleichzeitig vollinhaltlich Beschwerde gegen den oa Bescheid erhebt. Die Beschwerde hinsichtlich Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass sie mittlerweile eine Jobzusage erhalten habe, welche keine irgendartigen Tätigkeiten im Bereich der Prostitution umfassen würden. Die BF habe sich bereits einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen und werden die Ergebnisse unter einem in Vorlage gebracht, somit gefährde sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht mehr, die Interessen der BF würden somit jenen der Öffentlichkeit überwiegen. Die BF habe zu keinem Zeitpunkt die Absicht, irgendeine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit darzustellen und gehe mangels sexuellen Kontakt auch keinerlei Gefährdungspotenzial von ihr aus. Es sei die Plattform gelöscht worden und sie habe sich einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen. Es werde angeregt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Bescheid zur Gänze zu beheben und das Verfahren wider die BF einstellen in eventu den aberkannten Durchsetzungsaufschub zu erteilen.
Das BFA übermittelte die Beschwerde samt Verwaltungsakten und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakte des BFA sowie des Gerichtsakts des BVwG, insbesondere aus der Beschwerde, aus Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und im Strafregister.
Rechtliche Beurteilung:
A)
1. Im Rahmen des § 18 BFA-VG kann sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284).
Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher zurückzuweisen.
Zu 2.
Gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Betroffenen oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Aufgrund der Erklärung, dass vollinhaltlich Beschwerde gegen den angeführten Bescheid erhoben wird sowie den Ausführungen zur aufschiebenden Wirkung, ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids richtet, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.
Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise der BF oder die sofortige Durchsetzung im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172). Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).
Eine solche Begründung lässt sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde nicht nur mit den bereits für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründen begründet, sondern auch, dass die BF mit ihrem Verhalten eine gegenwärtige, schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Sie gehe unter Umgehung der Meldegesetze der Wohnungsprostitution nach, ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen zu absolvieren.
Die BF reiste – laut eigenen Angaben – zur Arbeitsuche bzw. um eine Fixanstellung zu erhalten, ins Bundesgebiet ein und wurde bei der (illegalen) Wohnungsprostitution betreten und bestraft. Trotzdem verblieb sie im Bundesgebiet und übte die angeführte illegale Prostitution (ohne entsprechende, regelmäßige ärztliche Untersuchungen) weiter aus. Dieses Verhalten stellt eindeutig eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Mit der Beschwerde übermittelte sie die mittlerweile durchgeführte amtsärztliche Untersuchung, sowie eine Einstellzusage.
In Anbetracht des Verhaltens der BF kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass sie erneut die öffentliche Ordnung beeinträchtigt, indem sie die für die Prostitution erforderlichen regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen nicht nachweislich vornehmen lässt. Vor diesem Hintergrund ist die sofortige Ausreise der Beschwerdeführerin im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Der VwGH hat mehrmals ausgesprochen, dass die Nichtvornahme der ärztlichen Untersuchungen geeignet sind, die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen (VwGH 21.05.2023, Ra 2012/21/0343; VwGH 24.01.2012, 2010/18/0311; VwGH 19.06.2008, 2007/18/0632). Dem kann auch die Vorlage einer Einstellzusage nicht entgegenwirken, da – bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit – eine gewisse Zeit an Wohlverhalten (in Freiheit) gezeigt werden muss. Dies vor allem, da die BF – trotz mehrmaliger Betretung durch die PI bei dem oben angeführten Fehlverhalten – nicht davon abgewichen ist und dem weiter nachgegangen ist.
Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat der BF (Ungarn) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG. Angesichts dessen ist mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keine Verletzung von Art 8 EMRK verbunden.
Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid ist somit ausreichend und im Hinblick auf das Gesamtverhalten der BF als nachvollziehbar anzusehen. Die vom BFA vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden.
Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit – vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt – die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.
Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher mit Teilerkenntnis zu bestätigen und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG keine Folge zu erteilen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren.