JudikaturBVwG

W150 2316550-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
21. August 2025

Spruch

W150 2316550-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KLEIN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX .1998, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, FN 525828b, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz, vom 10.06.2025, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer (im Folgenden auch: „BF“) wurde mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch: „BFA“ oder „belangte Behörde“) vom 07.01.2025 mitgeteilt, dass am 03.01.2025 ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten eingeleitet worden sei, weil sich aufgrund des Regimewechsels in Syrien die Umstände bzw. Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt haben, wesentlich geändert hätten. Das BFA hole aktuell Informationen zur allgemeinen Lage in Syrien ein und werde den BF dann auffordern, dazu und zu seinen persönlichen Umständen Stellung zu nehmen. Der BF müsse auf dieses Schreiben weder antworten noch mit der Behörde in Kontakt treten. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass der BF bis zur rechtskräftigen Beendigung oder der Einstellung des Aberkennungsverfahrens jedenfalls zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

2. Am 10.03.2025 stellte der BF im Zuge einer Stellungnahme einen Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens.

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 10.06.2025 wies das BFA den Antrag auf Einstellung des am 03.01.2025 eingeleiteten Aberkennungsverfahrens zurück.

4. Am 13.06.2025 stellte das BFA dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: auch „BVwG“) zur Seite.

5. Am 08.07.2025 wurde beim BFA Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.06.2025 eingebracht.

In der Beschwerde wurde auf das Antragsbegehren verwiesen und zusammengefasst ausgeführt, dass sich an die Einleitung des Aberkennungsverfahrens direkte Rechtsfolgen knüpfen würden (§ 34 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005, § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005, § 11a Abs. 7 StbG).

Die Einleitung des Aberkennungsverfahrens gegenüber dem BF als Bezugsperson stehe einer positiven Prognoseentscheidung im Verfahren zur Familienzusammenführung entgegen. Der Umstand, dass der BF nicht selbst antragstellende Partei des Verfahrens gemäß § 35 AsylG 2005 sei, spreche ebenso wenig gegen ein Rechtschutzinteresse. Das Recht auf Familienzusammenführung würde sich gerade auch aus dem subjektiven Recht des BF gemäß Art. 8 EMRK über den Schutz seines Familienlebens und dem Recht auf Familienzusammenführung gemäß der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familienzusammenführungs-RL) ergeben. Aus Art. 1 der Familienzusammenführungs-RL ergebe sich unzweifelhaft, dass es sich beim „Recht auf Familienzusammenführung“ um ein Recht der im Mitgliedstaat aufhältigen Bezugsperson handle. Somit werde schon mit der Einleitung des Aberkennungsverfahren in eine Rechtsposition des BF eingegriffen, da ihm die Eigenschaft genommen werde, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln seiner Familienangehörigen zu fungieren. Die belangte Behörde hätte daher meritorisch über den Antrag absprechen müssen.

6. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde dem BVwG am 25.07.2025 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2021 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuerkannt.

1.2. Mit Schreiben des BFA vom 07.01.2025 wurde dem BF gemäß § 7 Abs. 2a AsylG 2005 mitgeteilt, dass ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich seines Schutzstatus eingeleitet wurde, weil sich aufgrund des Regimewechsels in seinem Herkunftsstaat Syrien die Umstände bzw. Voraussetzungen, die zur Zuerkennung seines Schutzstatus geführt haben, wesentlich geändert haben.

1.3. Mit Schriftsatz vom 10.03.2025 stellte der BF den Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF sowie der Verfahrensgang ergeben sich zweifelsfrei und unbestritten aus dem vorliegen Verwaltungsakt im Zusammenhang mit der gegenständlichen Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde

3.1.1. Zum Antrag auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens:

Zunächst ist festzuhalten, dass im AsylG 2005 kein Recht auf Einstellung eines eingeleiteten Aberkennungsverfahrens normiert ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum rechtlichen Interesse an der bescheidmäßigen Feststellung der Einstellung eines Verfahrens ausgesprochen, dass ein solches Interesse zu verneinen sei, wenn erst durch die Bescheiderlassung im amtswegig eingeleiteten Verfahren ein Eingriff in die Rechtsposition der Partei erfolgt (vgl. VwGH 31.01.2001, 98/09/0159; 04.05.2023, Ra 2023/09/0014).

Im gegenständlichen Antrag macht der BF in der Begründung des Einstellungseintrags geltend, dass schon mit der Einleitung des Aberkennungsverfahrens in eine seiner Rechtspositionen eingegriffen werde, da ihm die Eigenschaft genommen werde, als Bezugsperson im Verfahren zur Erteilung von Einreisetiteln seiner Familienangehörigen zu fungieren. Er verweist diesbezüglich auf die Familienzusammenführungs-RL.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Die Familienzusammenführungs-RL hat nicht zum Regelungsinhalt, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern enthält nur Vorgaben dazu, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist. Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, steht es einem Antragsteller frei, einen anderen Weg im Rahmen weiterer ebenfalls die Familienzusammenführungs-RL umsetzender Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungs-RL führen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, Rz 37-39).

Der BF ist trotz Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens Asylberechtigter und steht ihm und seinen Familienangehörigen deshalb auch § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG für die Zwecke der Familienzusammenführung zur Verfügung.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass obgleich das gegen den BF eingeleitete Aberkennungsverfahren dazu führt, dass das BFA im Verfahren auf Erteilung von Einreisetiteln keine positive Mitteilung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Stattgabe der Anträge auf internationalen Schutz seiner Familienmitglieder abgeben darf, damit noch kein absoluter Verlust der Möglichkeit der Familienzusammenführung auf diesem Wege einhergeht. Im Falle einer Einstellung des Aberkennungsverfahrens seitens des BFA oder dem rechtskräftigen Abschluss des Aberkennungsverfahrens zugunsten des BF steht den Familienangehörigen jedenfalls eine erneute Antragstellung auf Erteilung von Einreisetiteln offen.

Soweit die Beschwerde auf § 11a Abs. 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG hinweist, ist festzuhalten, dass diese Bestimmung unter anderem auf einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens zehn Jahren im Bundesgebiet abstellt. Der BF hat nicht dargetan, dass diese zeitliche Voraussetzung auch nur annähernd erfüllt wäre und es gibt diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte im Verwaltungsakt.

In einer Gesamtbetrachtung ist somit nicht zu erkennen, dass bereits durch die Einleitung des Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Status des Asylberechtigten in die Rechtspositionen des BF eingegriffen wird. Eine Antragslegitimation liegt dementsprechend nicht vor und es wurde somit der Antrag auf Einstellung des eingeleiteten Aberkennungsverfahrens vom BFA zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil sich das Gericht bei allen Sachverhaltselementen auf eine klare Sachlage stützen konnte. Die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks war im vorliegenden Fall nicht erforderlich, weil der Sachverhalt eindeutig geklärt erscheint. Bei Berücksichtigung aller Fakten wäre auch bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den BF kein günstigeres Ergebnis zu erwarten gewesen. Vor allem wurden vom BF die entscheidungsrelevanten Tatsachenannahmen nicht substantiiert bestritten und kein neuer maßgeblicher Sachverhalt behauptet, wodurch für den erkennenden Richter keine Fragen der Beweiswürdigung aufgetreten sind und keine neuen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen waren. Eine mündliche Verhandlung konnte damit unterbleiben.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision somit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.