Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Christian BAUMGARTNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA. Arabische Republik Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Traiskirchen vom 13.7.2024, Zl. 1334220310/223673945, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.6.2025 zu Recht:
A)Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.11.2022 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.11.2022 gab der Beschwerdeführer an, er sei aus Syrien geflüchtet, um seine Familie und sich selbst vor dem Krieg zu schützen. Bei einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden.
3. Am 31.8.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, aus dem Bezirk Mahmoudia in der Stadt Afrin zu stammen. Syrien habe er im Juli 2018 verlassen, weil sowohl die „Free Syrian Army“ (FSA) als auch die türkische Armee Afrin im Januar 2018 angegriffen hätten. Er sei auch wenige Tage, bevor er Syrien verlassen habe, von der FSA festgenommen und entführt worden, weil er Kurde sei. Zugleich sei auch sein Haus geplündert worden. Nach Zahlung eines Lösegeldes sei er wieder freigekommen. Nach der Ausreise aus Syrien sei seine Familie von den türkischen Behörden nach Syrien abgeschoben und dort vom türkischen Geheimdienst entführt und nach vier Monaten wieder freigelassen worden. Befragt zu seinem Pflichtwehrdienst gab der Beschwerdeführer an, er habe diesen von März 2002 bis September 2004 geleistet. Noch vor dem Angriff auf Afrin im Jahr 2018 habe er erfahren, dass er vom syrischen Regime per Haftbefehl für den Reservedienst gesucht werde, weshalb er auch aus diesem Grund nicht zurückkehren könne.
4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.11.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine glaubhafte asylrelevante Verfolgung vorgebracht. Da er nicht persönlich zur Leistung des Reservedienstes aufgefordert worden sei, sei ihm auch keine Wehrdienstverweigerung vorzuwerfen. Der Beschwerdeführer habe auch sonst kein Verhalten gezeigt, dass das syrische Regime als oppositionell betrachten würde. Schließlich sei die Entführung durch die FSA keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung im Sinne der GFK.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die Beschwerde vom 23.8.2024 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den BF günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Nach einer Darlegung der Vertretungsverhältnisse, des Verfahrensganges und des Sachverhaltes führt die Beschwerde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer drohe bei seiner Rückkehr nach Syrien asylrelevante Verfolgung durch das türkische Militär und die arabische FSA aus Gründen der Rasse und Nationalität, politischen sowie religiösen Gründen aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit der Kurden aus Afrin. Außerdem drohe ihm auch eine Verfolgung aus politischen Gründen, da er sich nicht bei einer Einberufung als Reservist an Verbrechen des Regimes beteiligen wolle und ihm als Reservedienstverweigerer eine unverhältnismäßige Bestrafung drohe. Schließlich werde ihm wegen seiner Herkunft aus einem Oppositionsgebiet, seiner illegalen Ausreise, des langen Auslandsaufenthalts und der Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle Gesinnung seitens des syrischen Regimes zumindest unterstellt.
6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt.
7. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte mit Schreiben vom 6.5.2025 eine mündliche Beschwerdeverhandlung für den 26.6.2025 an und brachte mit diesem Schreiben die auch noch anschließend aktualisierten Länderberichte in das Verfahren ein.
8. Mit Schreiben vom 23.5.2025 gab die belangte Behörde ihren Teilnahmeverzicht für die mündliche Beschwerdeverhandlung am 26.6.2025 bekannt und ersuchte um Übersendung des aufgenommenen Protokolls.
9. In der mündlichen Verhandlung am 26.06.2025 wurde der Beschwerdeführer zu seinen möglichen Verfolgungsgründen befragt.
Hier wiederholte der Beschwerdeführer seine vor der belangten Behörde getätigten Aussagen und ergänzte diese entsprechend auf Nachfrage. Zudem brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme betreffend die in allen aktuellen Länderberichten erwähnte Verfolgung der Kurden aus Afrin durch die „Syrian National Army“ (SNA)/FSA und türkische Truppen ein.
10. Mit elektronisch eingebrachten Schreiben vom 8.7.2025 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu der im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 26.6.2025 in das Verfahren eingeführten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 4.6.2025 zur Kontrolle über Afrin. Darin wird ausgeführt, dass aufgrund dieser Anfragebeantwortung und weiterer jüngerer Quellen davon auszugehen sei, dass Kurden in Afrin weiterhin von durch die Türkei unterstützte SNA-Gruppen verfolgt werden würden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in:
den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den Beschwerdeführer;
die Länderinformationen der Staatendokumentation aus dem COI-CMS zu Syrien, Version 12 vom 08.05.2025 (im Folgenden: Länderinformationsblatt);
EUAA Interim Country Guidance: Syria, June 2025
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Afrin, Kontrolle vom 4.6.2025
2. Feststellungen:
2.1. Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Afrin, einer Stadt in der Provinz Aleppo, geboren. Er ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Kurdisch, er spricht noch Arabisch auf Muttersprachenniveau. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.
Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre die Schule und absolvierte anschließend im Zeitraum 2002 bis 2004 seinen Wehrdienst in Daraa. Vor seiner Ausreise aus Syrien arbeitete der Beschwerdeführer ca. zwölf Jahre als Installateur und Elektriker in seiner Heimatstadt Afrin. Im Juni 2018 zog der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie in die Türkei, wo er bis zum November 2022 lebte. Danach reiste er über Griechenland, Serbien und Ungarn nach Österreich ein und stellte am 17.11.2022 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Heimatregion des Beschwerdeführers, die Stadt Afrin, befindet sich unter Kontrolle der von den Türken unterstützten SNA bzw. ehemaligen FSA.
Der Beschwerdeführer ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
2.2.1. Zur behaupteten Verfolgung durch die syrische Regierung
Bis zum Jahr 2024 bestand in Syrien die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige konnten bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden.
Nach dem Sturz der Regierung von Bashar Al-Assad am 8. Dezember 2024 durch die von Ahmed al-Scharaa geführte HTS-Miliz wurde eine Übergangsverwaltung geschaffen. Der ehemalige Premierminister Mohammed Al-Jalali übertrug die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Aufgaben einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst zu gewährleisten, wie Al-Jalali erklärte. Ende Januar erklärte die Übergangsregierung die Verfassung Syriens aus dem Jahr 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsorgane der früheren Regierung auf. Übergangspräsident Al-Sharaa erklärte, er werde einen legislativen Interimsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.
Übergangspräsident Al-Sharaa schaffte außerdem die Wehrpflicht ab und hat wiederholt angegeben, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und sich von der Wehrpflichtpolitik entfernen möchte, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Viele junge Männer ließen sich Berichten des syrischen Fernsehens zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat aber gerade erst begonnen. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden.
Aufgrund der sich aus den Länderberichten ergebenden aktuellen Lage kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seiner Heimatregion asylrelevanter Verfolgung durch die (neue) syrische Regierung ausgesetzt wäre.
2.2.2. Zur Verfolgung durch die FSA bzw. SNA
Im Juni 2018 wurde der kurdische Beschwerdeführer in seiner Heimatstadt Afrin von Mitgliedern der FSA entführt, misshandelt und erpresst, sodass der Beschwerdeführer seinen gesamten Besitz übergeben musste. Daraufhin hat der Beschwerdeführer mit seiner Familie Syrien verlassen.
Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsort droht dem Beschwerdeführer daher auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, wegen seiner Ethnizität als Kurde von der SNA, die aus der FSA entstand, verfolgt zu werden.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers
2.3.1. Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS zu Syrien, Version 12 vom 8.5.2025:
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024). […]
In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO 9.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1 5.2.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT 25.3.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC 23.1.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon 11.12.2024). Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW 19.12.2024). Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ 15.12.2024a). Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC 23.1.2025). […]
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara’ kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und „ für kurze Zeiträume“. Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara’ an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara’, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara’ hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte „Versöhnungszentren“ eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein „Versöhnungszentrum“, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen „Versöhnungszentren“ erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert“. Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [Weitere Informationen zu „Versöhnungszentren“ finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den „Versöhnungszentren“ in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). […]
Folter und unmenschliche Behandlung
Gebiete unter der Kontrolle der Opposition (HTS, SNA, etc.) […]
Die COI hat festgestellt, dass die Syrische Nationalarmee (Syrian National Army - SNA) im Zusammenhang mit der Inhaftierung Kriegsverbrechen, wie Folter und grausame Behandlung, Geiselnahme, Vergewaltigung und sexuelle Gewalt sowie Handlungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen, begangen hat (UNHRC 12.7.2023). Ebenso dokumentierten die Nichtregierungsorganisationen Ceasefire und Yasa Fälle von Inhaftierung, Folter, Tötung und Verschwindenlassens von Zivilisten, darunter Frauen und ältere Menschen (CCR/YASA 5.2024). Türkische Militär- und Geheimdienstkräfte, Splittergruppen der SNA und die Militärpolizei sind in Misshandlungen im Zusammenhang mit Inhaftierungen verwickelt. Zahlreiche von HRW und der COI dokumentierte Berichte zeichnen ein erschreckendes Bild dieser Bedingungen. Derzeit wird die Beteiligung türkischer Beamter an diesen Misshandlungen vermutet, wobei Berichten zufolge die meisten Misshandlungen in Haftanstalten der SNA-Fraktion oder provisorischen Einrichtungen der Militärpolizei stattgefunden haben (HSC 6.5.2024). Zu den Einrichtungen, in denen seit 2020 solche Folterhandlungen dokumentiert wurden, gehören Gefängnisse und provisorische Einrichtungen, die von einzelnen SNA-Gruppierungen geführt werden, sowie Einrichtungen, die von der Zivil- und Militärpolizei der SNA betrieben werden (UNHRC 12.7.2023). Die COI dokumentierte die Anwesenheit von türkischen Beamten in Haftanstalten der SNA und teilweise auch bei Folter- und Misshandlungen (UNHRC 12.7.2023; vgl. STJ 26.6.2024). Die Nichtregierungsorganisation Synergy Associations for Victims dokumentierte Kriegsverbrechen in Form von Folter und Misshanldungen in Afrin, Ra’s al-’Ayn, Serê Kaniyê und Tell Abyad (SAV 25.2.2024). Die CoI stellte Fälle von Folter und Misshandlungen in mehreren Gefängnissen der SNA in ’Afrin, A’zaz, Ma’arratah, Raju und Hawar Kilis fest (UNGA 9.2.2024). Ehemalige Häftlinge berichten von albtraumhaften Folterungen während der Verhöre, um falsche Geständnisse zu erpressen, die teilweise zu Todesfällen führten (HSC 6.5.2024). Zu den Opfern der Foltermaßnahmen der SNA gehören insbesondere Personen, die unter Verdacht standen, Verbindungen zu den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (Yekîneyên Parastina Gel - YPG) und den Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) zu haben. Inhaftierte waren vorwiegend Kurden (UNHRC 12.7.2023). […]
2.3.2. EUAA Interim Country Guidance: Syria, June 2025 (dt. Übersetzung durch das Gericht):
Jüngste Entwicklungen in Syrien
Ende November 2024 begannen syrische Rebellen, angeführt von Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), eine bedeutende Offensiv, die zum Sturz des Assad -Regimes am 8. Dezember 2024 führte. Die Rebellen eroberten schnell Schlüsselstädte, einschließlich Aleppo, Hama und Damaskus, was zum Ende der jahrzehntelangen Herrschaft der Familie Assads führte, wobei die Familie ins Ausland floh.
Eine von HTS und anderen Milizen gegründete Übergangsregierung versprach, die Nation zu stabilisieren und innerhalb von drei Jahren eine neue Verfassung zu entwerfen. Ahmad al-Sharaa, auch als Abu Mohamed al-Jolani bekannt, wurde am 29. Januar 2025 zum Übergangspräsidenten ernannt und skizzierte Pläne zur Förderung von Versöhnung und Inklusivität, betonte aber gleichzeitig die Bedeutung der Erhaltung der nationalen Einheit. Ende Januar annullierte die Übergangsverwaltung die Verfassung von Syrien aus dem Jahr 2012 und löste das Parlaments, Militär- und Sicherheitsbehörden der früheren Regierung auf. Al-Sharaa kündigte die Schaffung eines vorläufigen Legislativrates an und erklärte eine allgemeine Amnestie für syrische Armeesoldaten, schaffte die Wehrpflicht ab und initiierte einen Reintegrationsprozess für ehemaliges Regierungs- und Militärpersonal, einschließlich hochrangiger Beamter.
Am 13. März unterzeichnete der syrische Interimspräsident Ahmad al-Sharaa eine verfassungsrechtliche Erklärung, die eine fünfjährigen Übergangszeit skizzierte. Die Erklärung sieht vor, dass der Islam die Religion des Präsidenten und die islamische Rechtsprechung die Hauptquelle der Gesetzgebung ist. Sie garantiert auch richterliche Unabhängigkeit, Meinungs- und Medienfreiheit sowie politische, Bildungs- und Arbeitsrechte für Frauen. Am 29. März kündigte Sharaa die Bildung einer Übergangsregierung bestehend aus 23 Ministern mit unterschiedlichem ethnischen und religiösen Hintergrund an, einschließlich Alawiten, Christen, Drusen und kurdischer Vertreter. Eine Frau wurde zum Posten des Ministers für soziale Angelegenheiten und Arbeit ernannt. Die Übergangsregierung hat keinen Premierminister und Sharaa soll die Exekutive in seiner Rolle als Interimspräsident leiten. Die Regierung wird von mit HTS verbundenen Ministern dominiert. Sie schließt auch Minister ein, die vor 2011 in der Assad-Regierung dienten. Im Kabinett befindet sich kein Mitglied der Demokratischen Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) oder der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). […]
Kurden […]
Das Assad -Regime setzte Kurden verschiedenen Formen der Diskriminierung aus (siehe EUAA, 4.10.2. Kurden in Länderleitlinien: Syrien, April 2024). Wie oben erwähnt, ist das Risiko, das mit dem Assad Regime zusammenhängt, verschwunden. Vor dem Fall des Assad -Regimes setzte die syrische Nationalarmee (SNA) Kurden der Verfolgung aus (z. B. Gewalt von Miliz, illegale Inhaftierung, Entführung, Folter und eine Misshandlung von Zivilisten) und es sind keine Informationen verfügbar, die darauf hinweisen, dass sich ihr Ansatz gegenüber Kurden geändert hat.
Im Rahmen der Vereinbarung zwischen der SDF und der Übergangsverwaltung erklärte Letztere ihre Absicht, die kurdische Minderheit als integralen Bestandteil von Syrien anzuerkennen und ihre politische Vertretung und Teilnahme sicherzustellen. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Berichts konnte die praktische Umsetzung der Vereinbarung nicht überwacht werden (siehe Syrische Demokratische Kräfte (SDF).
Daher kann der Schluss gezogen werden, dass:
Handlungen, die angeblich von der SNA gegen Kurden begangen wurden, sind so schwerwiegend, dass sie einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Milizgewalt, willkürliche Inhaftierung, Entführung, Tötung, gewaltsames Verschwinden).
Für Kurden aus Gebieten unter der Kontrolle der SNA würde die wohlbegründete Angst vor Verfolgung
im Allgemeinen substantiiert sein.
2.3.3. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation: Syrien ´Afrin, Kontrolle vom 4. Juni 2025:
Aus den im Folgenden zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass zwar Kräfte der zur Zentralregierung gehörenden Allgemeinen Sicherheit ‘Afrin kontrollieren bzw. dort für Sicherheit sorgen sollen, es in der Region ‘Afrin aber weiterhin zu Übergriffen und Menschenrechtsverletzungen durch von der Türkei unterstützte Gruppierungen kommt [Stand Anfang Juni 2025]. Besonders sticht dabei die Gruppierung Suleiman Shad Divison hervor, auch genannt al-Amshat. Die bewaffneten Gruppierungen halten sich nach wie vor in der Region ‘Afrin auf und unterhalten auch weiterhin Stützpunkte.
3. Beweiswürdigung:
3.1. Zur Person des Beschwerdeführers (Pkt. 2.1):
Die Feststellungen zur Herkunft, Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, den Sprachkenntnissen und Familienstand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften und stringenten Angaben im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem im Original vorgelegten syrischen Personalausweis des BF, der bei der Einvernahme vor dem BFA am 31.8.2023 vorgelegt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und mit den Kopien des Familienbuches und der ersten Seiten der Reisepässe seiner Familie übereinstimmenden – Aussagen zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Lebenslauf des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner schulischen Ausbildung, seinem Wehrdienst, seiner beruflichen Laufbahn und zu seiner Ausreise, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, in der Beschwerde, in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie den Daten aus der Kopie seines Militärbuches, welche in den zentralen Punkten mit seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung übereinstimmen.
Die Feststellungen zum Heimatort des Beschwerdeführers und seiner Familie ergeben sich aus den schlüssigen Schilderungen des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie den Ausführungen in der Beschwerde. Folglich ist die Stadt Afrin auch als seine Heimatregion anzusehen.
Die Feststellung zur Kontrolle über den Heimatort ergibt sich aus einer Einsicht in die „Live Universal Awareness Map, Map of Syrian Civil War“ (abrufbar unter https://syria.liveuamap.com/de, letzter Zugriff am 31.07.2025).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen auf seinen Angaben im Verfahren. Zuletzt gab der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG an, dass er gesund sei (Niederschrift vom 26.06.2025, S. 3). Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig ist.
Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauskunft (OZ 2).
3.2. Die Feststellungen zu Pkt. 2.2.1 ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt, insbesondere die Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) sowie dem EUAA Interim Country Guidance: Syria, Kapitel Jüngste Entwicklungen in Syrien.
In den Länderinformationen wird dargelegt, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 sei berichtet worden, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden.
Auch der EUAA Interim Country Guidance: Syria legt dar, dass Scharaa die Wehrpflicht abgeschafft hat.
Andererseits hat auch der Beschwerdeführer selbst in der Beschwerdeverhandlung nichts dargelegt, was auf die Gefahr einer Zwangsrekrutierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit hinweist.
3.3. Die Feststellungen bezüglich der Entführung des BF in Pkt. 2.2.2. ergeben sich zum einem aus den detailreichen Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 26.6.2025, mit denen der Beschwerdeführer seine schon in der Einvernahme vor der belangten Behörde getätigten Aussagen nachdrücklich untermauerte. Zudem stehen diese Ausführungen in Einklang mit dem Länderinformationsblatt, Kapitel Folter und unmenschliche Behandlung, dem EUAA Interim Country Guidance: Syria, Kapitel Kurden sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Kontrolle in Afrin, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an diesen glaubhaften Aussagen zu zweifeln. Es war somit auch festzustellen, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit eine Verfolgung droht.
3.4. Die Feststellungen stützen sich auf die zitierten Quellen. Angesichts der Aktualität, Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Die Quellen konnten daher allesamt dem Verfahren zugrunde gelegt werden.
4. Rechtliche Beurteilung:
4.1. Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
4.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl.Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist), dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 14.7.2021, Ra 2021/14/0066, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); diese muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet.
Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.6.1997, 95/01/0627).
„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.9.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. die Erkenntnisse des VwGH 23.1.1997, 95/20/0303, sowie 28.05.2009, 2007/19/1248) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).
Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN). Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann allerdings nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht – unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) –, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).
Die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden ist grundsätzlich daran zu messen, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 14.4.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 8.10.1980, VwSlg 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 8.9.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; 22.10.2002, 2000/01/0322).
4.1.2. Zum Fluchtvorbringen einer drohenden Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN, VwGH 4.7.2023, Ra 2023/18/0108)).
Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, wurde das Regime von Präsident Assad gestürzt. Es besteht kein verpflichtender Militärdienst mehr, es besteht für den Beschwerdeführer daher nicht mehr die Gefahr, zwangsweise zum Militär eingezogen zu werden.
4.1.3. Zum Fluchtvorbringen einer Verfolgung durch die SNA bzw. ehemalige FSA wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:
Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, dass er von der FSA entführt, misshandelt und erpresst worden ist. Er vermochte auch darzulegen, dass ihm im Fall seiner Rückkehr in seine Heimatstadt eine Verfolgung durch die SNA, die aus der FSA hervorging, aufgrund seiner Ethnizität als Kurde droht.
Die Annahme einer innerstaatlichen Schutzalternative scheidet aus, da sie im Widerspruch zu der mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten rechtskräftigen Gewährung von subsidiärem Schutz stehen würde (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054). Es besteht daher keine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative für den Beschwerdeführer.
4.1.4. Ergebnis:
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die SNA aus ethnischen Gründen außerhalb Syriens befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Das Vorliegen eines Asylausschlussgrundes (Art 1 Abschnitt D und F GFK und § 6 AsylG 2005) oder eines Asylendigungsgrundes (Art 1 Abschnitt C GFK) ist nicht hervorgekommen.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 1 und 4 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Dem Beschwerdeführer kommt daher gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer verlängert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingeleitet wird. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4.2. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die Judikatur unter Punkt II.4.1.); weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen ist der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – sowie diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).