JudikaturBVwG

I416 2304149-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
25. Juli 2025

Spruch

I416 2304149-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von mj. XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch: Rechtsanwaltskanzlei Mag. Dr. Blum Mag. Blum, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 31.10.2024, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, am 05.06.2025 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 88 Abs. 2a FPG stattgegeben.

XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI ist gemäß § 88 Abs. 2a FPG ein Fremdenpass auszustellen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der mj. Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, beantragte durch seine Mutter beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.07.2024 die Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte.

2. Am 28.08.2024 wurde durch die bevollmächtigte Rechtsvertretung eine schriftliche Stellungnahme zum verfahrensgegenständlichen Antrag eingebracht.

3. Mit Schreiben vom 17.09.2024 teilte das Bundesamt der Mutter des BF mit, dass Reisepässe für türkische Staatsangehörige nach türkischem Gesetz ausgestellt werden und Personen die in Österreich subsidiären Schutz genießen, neue Reisepässe bei der Botschaft beantragen können. Der Mutter des BF wurde aufgetragen schriftlich darzulegen, weshalb es ihr nicht möglich sei, einen Reisepass bei der türkischen Botschaft zu beantragen. Darüberhinaus wurde die Mutter seitens des Bundesamtes aufgefordert eine Bestätigung der armenischen Botschaft vorzulegen, dass sie nicht dem armenischen Staatsverband angehören würde und räumte das Bundesamt Ihr die Möglichkeit ein, bis zum 15.10.2024 eine Stellungnahme abzugeben.

4. Am 15.10.2024 wurde eine Stellungnahme unter Anschluss diverser Unterlagen durch die Rechtsvertretung eingebracht.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesamt sodann den Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen. Begründend führte das Bundesamt unter anderem aus, dem BF sei es zumutbar, sich ein Reisedokument seiner in Österreich etablierten Vertretungsbehörde zu beschaffen und habe er keine Bestätigung seiner in Österreich etablierten Vertretungsbehörde vorgelegt, dass ihm kein nationaler Reisepass ausgestellt werden kann. Zudem könne er sich bei der zuständigen Behörde von Armenien registrieren lassen und dadurch einen Reisepass beantragen.

6. Dagegen erhob der BF, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, diese verteten durch die ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 03.12.2024 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte Gesetzwidrigkeit.

7. Mit Schriftsatz vom 09.12.2024 (eingelangt am 11.12.2024) legte das BFA die Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

8. Am 05.06.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in der der BF in deutscher Sprache im Beisein seiner gesetzlichen Vertretung (Mutter) und seiner Rechtsvertretung einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Die minderjährige und in Österreich unbescholtene BF ist Staatsangehöriger der Türkei. Die Mutter und die Schwester des BF halten sich in Österreich auf und sind subsidiär schutzberechtigt. Der Vater des BF befindet sich in der Türkei, es besteht kein Kontakt. Der BF verfügt über keine weiteren Verwandten in der Türkei.

Im Jahr 2017 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und bekam er mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2018 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Bislang wurde der BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten alle zwei Jahre verlängert.

Am 22.07.2024 stellte der BF vertreten durch seine Mutter den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte.

Nach einem schriftlichen Vorhalt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden Unterlagen der armenischen Botschaft vorgelegt, sowie Unterlagen mit denen die Vorsprache beim türkischen Konsulat in Salzburg dokumentiert wurde.

Der BF hat zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester mehrmals versucht im Konsulat vorzusprechen, zuletzt im Juli 2024. Der BF ist weder im Besitz der für die Ausstellung eines Reisepasses der Türkei erforderlichen Dokumente noch kann er sich diese beschaffen. Dem BF ist es nicht möglich einen nationalen Reisepass der türkischen Vertretungsbehörde in Österreich zu erhalten. Eine Bestätigung über die Vorsprache beim türkischen Konsulat wurde durch diese nicht ausgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in die Vorverfahren hinsichtlich der Zuerkennung und Verlängerung des Status der subsidiär Schutzberechtigten, sowie Allgemeine Informationen zur Antragstellung eines Reisepasses abgerufen von der Homepage der türkischen Botschaft in Wien am 24.06.2025 https://www.konsolosluk.gov.tr/Procedure und das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zur Türkei.

Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2025 und wurden Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Strafregister der Republik Österreich, dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) und dem AJ-WEB ergänzend eingeholt.

2.2. Zum Beschwerdeführer:

Die Feststellungen ergeben sich primär aus dem eingeholten Auszug aus dem Fremdenregister, dem verfahrenseinleitenden Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses, dem Schreiben vom 28.08.2024 sowie dem Schreiben vom 15.10.2024 inkl. der mitübermittelten Unterlagen und aus den Angaben der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2025.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des BF in der Verhandlung am 05.06.2025 über die Versuche beim türkischen Konsulat in Salzburg vorzusprechen und über seine fehlenden familiären Anknüpfungspunke in der Türkei, nicht den Tatsachen entsprechen würden oder nicht glaubhaft sind, liegen nicht vor. Die insbesondere, da auch die belangte Behörde bei der Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, immer davon ausging, dass in der Türkei weder Verwandte leben, noch ein soziales Netzwerk besteht. Dass der BF zudem zu seinem Vater in die Türkei keinen Kontakt mehr hat, ist seinen glaubhaften Angaben, in Zusammenschau mit den Angaben seiner Mutter und Schwester in der mündlichen Beschwerdeverhandlung zu entnehmen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich einer aktuellen Abfrage aus dem Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Ausstellung eines Fremdenpasses:

Gemäß § 88 Abs. 2a FPG sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag Fremdenpässe auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

Im konkreten Fall hat die gesetzliche Vertetung des BF mit ihren glaubhaften Schilderungen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung über Ihre persönlichen Vorsprachen im türkischen Generalkonsulat in Salzburg und Ihrer Angaben, dass Ihr mangels der erfoderlichen Dokumente kein Reisepass ausgestellt werden könne, hinreichend dargelegt, sich um die Ausstellung eines türkischen Reisepasses bemüht zu haben, jedoch nicht in der Lage zu sein, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen (vgl. VwGH vom 27. Februar 2025, Ra 2024/21/0078-11).

Wenn die belangte Behörde dazu ausführt, dass die türkische Botschaft subsidiär Schutzberechtigten nationale Reisepässe ausstellen würde, so verkennt die belangte Behörde, dass solche Anträge nur unter Vorlage der im Gesetz taxativ aufgezählte Dokumente erfolgt, dass der BF nicht in der Lage ist, sich diese zu besorgen, wurde seitens seiner Mutter schlüssig und nachvollziehbar im Rahmen der mündlichen Beschwerdverhandlung dargelegt. Dahingehend ist es auch nachvollziehbar, dass seitens des türkischen Generalkonsulates keine Bestätigung über die Vorsprachen ausgestellt wurde.

Dem BF steht keine zumutbare Möglichkeit offen, sich die benötigten Dokumente: „Original-Personalausweis (mit TR-ID-Nummer), bzw. andere Dokumente, die je nach Situation des Antragstellers angefordert werden können, iesbsondere die aufgrund seiner Minderjährigkeit erforderliche notariell beglaubigte Einverständniserklärung des Vaters“ zu besorgen. Ihm kommt aktuell der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu, eine persönliche Reise in die Türkei zur Beschaffung der erforderlichen Dokumente, wäre aufgrund seiner Minderjährigkeit nur mit Zustimmung der Mutter möglich, was aufgrund der Aktenlage nicht zumutbar erscheint. Er hat auch, mit Ausnahme von seinem Vater, zudem unbestritten kein Kontakt besteht, keine Verwandten in der Türkei, welche die Ausstellung und Übermittlung der entsprechenden Dokumente veranlassen könnten, wobei die Zustimmung des Vaters aufgrund der Vorgeschichte auszuschließen ist. Eine Kontaktaufnahme mit seinem Vater ist aufgrund der Vorfälle in der Türkei nicht zumutbar.

Er ist somit nicht in der Lage, sich ein gültiges Reisedokument seines Herkunftsstaates zu beschaffen.

Sofern die belangte Behörde damit argumentiert, dass der BF die Möglichkeit hätte sich bei der zuständigen Behörde von Armenien registrieren zu lassen und dadurch einen Reisepass zu erhalten, lässt diese Behauptung jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Erfordernissen einer solchen Registrierung vermissen, zudem stellt sich berechtigter Weise die Frage, weshalb die belangte Behörde dem BF einen Status eines subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich seines Herkunfstaates Türkei zuerkannt hat. Da die belangte Behörde zudem selbst lediglich „annimmt“, dass die Mutter des BF die türkische und armenische Staatsangehörigkerit besitzt, war darauf nicht näher einzugehen.

Richtig ist zwar, dass einem Antragsteller insofern eine Mitwirkungspflicht trifft, dass er die Erlangung eines nationalen Reisepasses versuchen muss, es sei denn die Beschaffung eines solchen Dokuments ist ihm nicht zumutbar oder (von vornherein) unmöglich, etwa weil er nicht im Besitz hierfür notwendiger Dokumente ist und sie auch nicht besorgen kann oder weil die Botschaft des Herkunftsstaates aus sonstigen, nicht in der Sphäre des Antragstellers liegenden Gründen die Ausstellung eines nationalen Reisepasses verweigert. Diese Mitwirkungspflicht habe aber nicht zur Konsequenz, dass den subsidiär Schutzberechtigten Antragsteller die Beweispflicht und Beweislast für das Nichtvorliegen des - als Ausnahme vom grundsätzlich bestehenden Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Fremdenpasses konzipierten - Versagungstatbestandes trifft. Dazu ist insbesondere festzuhalten, dass ein Nachweis für die Erfüllung der diesbezüglichen Mitwirkungspflicht könne vielmehr auf jede andere taugliche Weise erbracht werden, wie dies zweifelsfrei im Rahmnen der mündlichen Verhandlung erfolgt ist.

Im Übrigen greift es auch zu kurz, auf einen schriftlichen Nachweis für das erfolglose Aufsuchen der Botschaft abzustellen, denn der Verwaltungsgerichtshof habe bereits festgehalten, dass weder dem FPG noch der FPG-DV eine Bestimmung zu entnehmen ist, die für die Erstattung eines Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses besondere Angaben oder gar die Beibringung irgendwelcher Unterlagen anordnet. Das Bundesamt für Fremdenwesen hat die Feststellung, dass es ihr zumutbar sei, sich ein Reisedokument ihres Herkunftsstaates zu besorgen, einerseits auf eine allgemeine Anfrage der Staatendokumentation, die zudem keinen Konnex zum verfahrensgegenständlichen Fall aufweist und andererseits auf die Nichtvorlage einer Bestätigung der Behörde über die Nichtausstellung gestützt und auch in Ihren beweiswürdigenden Erwägungen insbesondere darauf verwiesen hat, dass der Antragsteller einen Besuch bei der türkischen Botschaft nicht habe (offenbar gemeint: durch eine aktuelle schriftliche Bestätigung der Botschaft) „belegen“ können. Eine konkrete inhaltliche Auseinandersetzung erfolgte nicht.

Der BF ist in Österreich unbescholten und im Verfahren ist nicht hervorgekommen, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung einer Ausstellung eines Fremdenpasses entgegenstünden.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG liegen somit vor. Folglich war der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid stattzugeben und hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der BF einen Fremdenpass auszustellen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend die Prüfung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Beurteilung der (Un-)Zumutbarkeit bzw. der faktischen (Un-)Möglichkeit der Beschaffung eines gültigen Reisedokuments iSd § 88 Abs. 2a FPG stellt eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG bekämpft werden kann (siehe etwa VwGH 27.7.2023, Ra 2021/21/0363, Rn. 10, mwN).