Spruch
W286 2290317-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a DEUTSCH-PERNSTEINER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist männlicher Staatsangehöriger Somalias. Er reiste im September 2022 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 15.09.2022 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.
2. Am 27.02.2024 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) statt.
3. Mit Bescheid vom 29.02.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 29.02.2024 brachte der Beschwerdeführer rechtzeitig eine Beschwerde ein.
5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten am 16.04.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.05.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Somalias, der im September 2022 ins Bundesgebiet einreiste und am 14.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (AS 9ff, AS 55, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.05.2025= Protokoll der mV S. 4). Er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX (Protokoll der mV S. 4, AS 55).
1.1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX in der Region Galgaduud, Galmudug, geboren und hat dort sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat verbracht (AS 13, AS 57; Protokoll der mV S. 4). Er lebte dort mit seiner Familie in einem Haus, das der Familie gehörte. Seine Familie besaß außerdem ein Feld, auf dem Land- und Viehwirtschaft betrieben wurde (AS 57; Protokoll der mV S. 7).
1.1.3. Die Eltern des Beschwerdeführers leben nach wie vor am Heimatort. Außerdem gibt es Verwandte in XXXX (AS 57). Die Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers sowie deren Ehemann und drei Kinder leben in Mogadischu (AS 58; Protokoll der mV S. 5). Der Beschwerdeführer hat einen leiblichen Bruder sowie mehrere Halbgeschwister väterlicher- und mütterlicherseits, die nach wie vor in Somalia leben (Protokoll der mV S. 7). Eine Cousine väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt in Saudi-Arabien (Protokoll der mV S. 6). Der Beschwerdeführer steht zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat in regelmäßigem Kontakt (AS 57).
1.1.4. Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Tumal an und ist der sunnitisch-muslimischen Religion zugehörig (AS 56, Protokoll der mV S. 6).
1.1.5. Der Beschwerdeführer besuchte in Somalia kurz eine Koranschule. Darüber hinaus verfügt er über keine Schul- und Berufsausbildung (AS 56, Protokoll der mV S. 6). Er kann Somalisch lesen und schreiben, das hat ihm sein Vater beigebracht (AS 9; Protokoll der mV S. 7). Die Familie des Beschwerdeführers verfügt am Heimatort über eine Viehzucht mit fast 100 Ziegen und 10 Kamelen, zudem gibnt es ein kleines Feld, wo, wenn es regnet, Wassermelonen angebaut werden. Vor seiner Ausreise unterstützte der Beschwerdeführer seine Familie in der Landwirtschaft (AS 58f; Protokoll der mV S. 7f).
1.1.6. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder (AS 56; Protokoll der mV S. 6).
1.1.7. Der Beschwerdeführer ist gesund (AS 55) und in Österreich strafgerichtlich unbescholten (OZ 2).
1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer:
1.2.1. Der Beschwerdeführer war im Herkunftsstaat keiner Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab ausgesetzt. Der Vater des Beschwerdeführers wurde nicht von der Al Shabaab getötet.
1.2.2. Dem Beschwerdeführer drohen im Herkunftsstaat weder aufgrund seiner Religionszugehörigkeit noch aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Clanzugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme bzw. eine Verfolgung durch die somalischen Behörden oder einen sonstigen Akteur.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
1.4.1. Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia, Version 7 (16.01.2025):
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung 2025-01-09 08:04
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst (und in noch geringeren Teilen vom sogenannten Islamischen Staat in Somalia), während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 7.8.2024).
Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind auch Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 7.8.2024). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).
Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 28.6.2024 folgendermaßen wieder:
Quelle: PGN 28.6.2024
Critical Threats bietet einen Überblick über die spezifisch auf al Shabaab bezogene Situation für Somalia und Kenia (Karte vom April 2024):
Quelle: CT/Karr/AEI 23.9.2024
ACLED bietet einen Überblick über die Vorfälle in Somalia innerhalb vier unterschiedlicher Monate des Jahres 2024:
Quelle: (ACLED 29.11.2024; ACLED 28.10.2024; ACLED 30.9.2024; ACLED 31.7.2024)
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (29.11.2024): Al-Shabaab targets civilians in Somalia in retaliation for installing CCTV cameras - Situation Update, November 2024, https://reliefweb.int/attachments/7d28f21b-bb6b-4195-8234-d959f6e1cc7b/Al-Shabaab targets civilians in Somalia in retaliation for installing CCTV cameras - Situation Update - November 2024.pdf, Zugriff 13.12.2024
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.10.2024): Controversy over electoral reform sparks debate in Somalia amid al-Shabaab operation, Situation Update, October 2024, https://acleddata.com/2024/10/28/controversy-over-electoral-reform-sparks-debate-in-somalia-amid-al-shabaab-operation-october-2024/, Zugriff 13.12.2024
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30.9.2024): State officials in Somalia crack down on clan militia checkpoints, Situation Update, https://reliefweb.int/attachments/69de2b9e-8074-4e50-9d5c-f3cfbe0af1fc/acleddata.com-State officials in Somalia crack down on clan militia checkpoints.pdf, Zugriff 13.11.2024
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (31.7.2024): The looming threat: A resurgence of Islamic State and inter-clan fighting in Somalia, Situation Update, July 2024, https://acleddata.com/2024/07/31/the-looming-threat-a-resurgence-of-islamic-state-and-inter-clan-fighting-in-somalia-july-2024/, Zugriff 13.12.2024
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
CT/Karr/AEI - Liam Karr (Autor), American Enterprise Institute (Herausgeber), Critical Threats (Herausgeber) (23.9.2024): Africa File Special Edition - External Meddling for the Red Sea Exacerbates Conflicts in the Horn of Africa, https://www.criticalthreats.org/analysis/africa-file-special-edition-external-meddling-for-the-red-sea-exacerbates-conflicts-in-the-horn-of-africa, Zugriff 13.12.2024
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
PGN - Political Geography Now (28.6.2024): Preliminary Somalia Control Map – Approximate Territorial Control, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)
Letzte Änderung 2025-01-10 07:11
Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von ATMIS-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 7.8.2024). Auch Dhusamareb gilt als weitgehend sicher und konsolidiert (BMLV 7.8.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ende August 2023 ist es in mehreren Städten von Galmudug (u. a. in Galkacyo, Guri Ceel, Cabudwaaq und Balanbaale) zu öffentlichen Demonstrationen gegen al Shabaab und in Unterstützung der Regierungsoffensive gekommen (Halqabsi 28.8.2023).
In Galmudug wurden die Bemühungen, lokale Kräfte zu rekrutieren (Darawish und Polizei), nie mit dem gleichen Nachdruck betrieben wie z. B. in Jubaland (BMLV 7.8.2024). Da der Bundesstaat so große Mühe hat, einen robusten Sicherheitsapparat aufzubauen (ICG 25.9.2023), ist Galmudug im Sicherheitsbereich stark von Kräften der Bundesregierung abhängig. Darawish und Polizei sind in Anzahl und Kapazitäten begrenzt (ICG 25.9.2023; vgl. BMLV 7.8.2024; Sahan/SWT 17.1.2024). Die Bundesregierung kontrolliert teilweise die Polizei, allerdings wurden im Rahmen eines Ausbildungsprogramms der UN 400 Polizisten für Galmudug ausgebildet. Präsident Qoorqoor versucht, Clanmilizen in die Darawish einzubinden. Hierbei gibt es aber nur geringe Fortschritte, und die örtlichen Sicherheitskräfte basieren nach wie vor überwiegend auf Clans. Generell ist Galmudug bei den Sicherheitskräften von der Bundesregierung abhängig. In Dhusamareb findet sich die 21. Division der Bundesarmee, in die ehemalige ASWJ-Kämpfer integriert wurden. Auch Teile von Danaab und Gorgor sind in Galmudug stationiert (ICG 25.9.2023).
Ahlu Sunna Wal Jama’a (ASWJ): Die Gruppe spielt gegenwärtig weder militärisch noch politisch eine Rolle (BMLV 7.8.2024). Die im Juni 2024 erstellte Lagekarte von PGN verortete nirgends mehr verbliebene Kräfte der ASWJ (PGN 28.6.2024).
Clans: In Galmudug kommt es regelmäßig zu Clankonflikten, die oft zu kleinen, aber tödlichen Zusammenstößen führen. Die Streitigkeiten konzentrieren sich typischerweise auf den Wettbewerb um Wasser, Weide- und Ackerland. Die Regierung des Bundesstaates hat versucht, einige dieser Probleme anzugehen, allerdings mit gemischtem Erfolg (ICG 25.9.2023). Zwischen 26.6. und 2.7.2024 wurden bei Auseinandersetzungen in den Bereichen Galdogob und Jariiban (Mudug) mehr als 26.000 Menschen vertrieben (UNSC 28.10.2024; vgl. SMN 3.12.2024). Im April 2024 haben sich Clans der Dir und Marehan im Bereich zwischen Xeraale und Cabudwaaq bekämpft, mehr als zehn Menschen wurden dabei getötet (Halqabsi 28.4.2024). Zuvor starben bei Auseinandersetzungen zwischen Clans im Bereich Towfiiq (Mudug) ebenfalls mindestens zehn Menschen (Halqabsi 12.3.2024). Auch im Juni 2024 gab es im Bereich Labi Maygaag (Mudug) zwischen Milizen Kampfhandlungen mit mehreren Dutzend Toten und Verletzten (HO 25.6.2024c). Ebenfalls im Juni 2024 starben erneut im Bereich Xeraale und Cabudwaaq bei Kämpfen zwischen den Milizen der Dir und Marehan mehrere Dutzend Menschen, mehr als 155 sollen verletzt worden sein. Grund für die Auseinandersetzungen war Streit um Weideland und Wasserstellen, aber auch Rache. Die Bundesregierung und die Regierung von Galmudug versuchen zu intervenieren - u. a. unter Entsendung von Truppen (VOA/O. Hassan 10.6.2024; vgl. UNGA 23.8.2024). Nach anderen Angaben verfügt Galmudug über keine Truppen, um bei Clankämpfen maßgeblich intervenieren zu können (BMLV 7.8.2024). Die Vereinten Nationen unterstützen Galmudug dabei, Waffenstillstandsabkommen und Versöhnung zwischen Clans zu fördern - so z. B. zwischen Sa'ad und Lelkase (UNSC 27.9.2024).
Die Zahl an Rachemorden ist in Galmudug im Steigen begriffen (HO 28.1.2024; vgl. SMN 23.1.2024). So wurden etwa am 22.1.2024 20 km von Dhusamareb entfernt vier Personen und im November 2023 in Dhusamareb selbst zwei Männer im Zuge von Clanrache getötet (SMN 23.1.2024). Am 27.1.2024 wurden in einer Fehde weitere fünf Menschen getötet, darunter zwei Frauen und zwei Kinder (HO 28.1.2024). Die Verwaltung ist nicht in der Lage, gegen diese Clanfehden vorzugehen (SMN 23.1.2024).
Gebietskontrolle und al Shabaab: Cadaado, Dhusamareb, Cabudwaaq, Hobyo, Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter Kontrolle von ATMIS und/oder Regierungstruppen (PGN 28.6.2024). Ceel Buur, Wabxo, Osweyne, Budbud und Galcad werden von al Shabaab kontrolliert. Dies gilt auch für den größten Teil der südlichen Hälfte Galgaduuds (PGN 28.6.2024; vgl. UNSC 28.10.2024). Al Shabaab wurde von der Hauptverbindungsroute Belet Weyne - Dhusamareb abgedrängt. Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 7.8.2024). Die Kontrolle von al Shabaab beschränkt sich damit auf den Bezirk und die Stadt Ceel Buur sowie auf Teile der Bezirke Ceel Dheere und Xaradheere (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).
Nach Gebietsgewinnen für die Regierungstruppen im Jahr 2023 gestaltet sich die Frontlage Mitte 2024 im wesentlich so, wie sie sich Anfang 2023 gezeigt hatte. Die gemachten Geländegewinne in Galmudug sind durch al Shabaab nahezu gänzlich wieder rückgängig gemacht worden (BMLV 4.7.2024). Die Gruppe konnte in Mudug und Galgaduud mehrere Gebiete und Ortschaften wieder einnehmen (Horn 18.3.2024). Im Oktober 2024 versuchten Regierungskräfte und Clanmilizen der Abgaal zum dritten Mal nach Feber und Juni, die Kontrolle über den Bezirk Ceel Dheere (Galgaduud) zu erlangen. Die Kräfte wurden dabei von Luftschlägen unterstützt (ACLED 28.10.2024; vgl. CT/Karr/AEI 24.10.2024). Auch im Bereich Xaradheere (Mudug) kam es im Oktober 2024 zu Operationen. In beiden Gebieten griff al Shabaab die somalischen Kräfte vermehrt an (CT/Karr/AEI 24.10.2024).
Galkacyo: Puntland und Galmudug haben im Juni 2020 eine Einigung erzielt, um vergangene Streitpunkte beizulegen (PGN 10.2020). Die Sicherheitslage in Galkacyo hat sich seit Anfang 2021 stabilisiert. Generell hat sich die Kooperation zwischen den Verwaltungen und Sicherheitskräften von Galmudug und Puntland wesentlich verbessert, dadurch konnten auch Mitglieder der al Shabaab in Galkacyo aufgespürt und verhaftet werden (BMLV 7.8.2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 bezeichnet Galkacyo als nicht stabil (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Zwei Quellen erklären, dass sich die Situation in der Stadt gebessert hat, nicht aber am Stadtrand und in den Dörfern des Umlandes (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 1.12.2023). Es gibt dort immer noch Einfluss von und Angst vor al Shabaab, und auch nach wie vor Clankonflikte (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle hat die Gruppe im Norden von Galmudug einen schwächeren Zugriff als im Süden des Landes (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verübt weiterhin Attentate in der Stadt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ob al Shabaab in Galkacyo Steuern eintreibt, ist unklar; es kommt sehr selten zu Attentaten. Die Gruppe hat dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren (BMLV 7.8.2024). Eine Quelle vom August 2024 erklärt, dass die Unsicherheit in der Stadt zugenommen hat, dass aber seitens der jeweiligen Verwaltungen entsprechende Schritte (etwa Waffentrageverbot) unternommen worden sind, um dem entgegenzutreten (Halqabsi 16.8.2024).
Vorfälle: In den beiden Regionen Galgaduud (689.872) und Mudug (1,317.403) leben nach Angaben einer Quelle 2,007.275 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2022 insgesamt 51 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie „Violence against Civilians“). Bei 33 dieser 51 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2023 waren es 58 derartige Vorfälle (davon 41 mit je einem Toten) (ACLED 12.1.2024). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2023 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): Galgaduud 5,80; Mudug 1,37.
In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2023 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie „Violence against Civilians“, in welcher auch „normale“ Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt:
ACLED 12.1.2024
Quellen
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.10.2024): Controversy over electoral reform sparks debate in Somalia amid al-Shabaab operation, Situation Update, October 2024, https://acleddata.com/2024/10/28/controversy-over-electoral-reform-sparks-debate-in-somalia-amid-al-shabaab-operation-october-2024/, Zugriff 13.12.2024
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (12.1.2024): Curated Data - Africa (14 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 23.1.2024 [Login erforderlich]
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1.12.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
CT/Karr/AEI - Liam Karr (Autor), American Enterprise Institute (Herausgeber), Critical Threats (Herausgeber) (24.10.2024): Africa File, October 24, 2024: JNIM Strikes Northern Niger; DRC Peace Talks and M23 Offensive; Egypt-Djibouti Cooperation; Ethiopia-Somalia AUSSOM Tug-of-War; Central Somalia Offensive, https://www.criticalthreats.org/analysis/africa-file-october-24-2024, Zugriff 13.12.2024
Halqabsi - Halqabsi News (16.8.2024): Puntland and Mudug Officials Announce Joint Operation to Disarm Civilians in Galkayo, https://halqabsi.com/2024/08/puntland-and-mudug-officials-announce, Zugriff 16.12.2024
Halqabsi - Halqabsi News (28.4.2024): Over 10 Killed in Clan Clashes in Galmudug, https://halqabsi.com/2024/04/over-10-killed-in-clan-clashes-in-galmudug, Zugriff 7.5.2024
Halqabsi - Halqabsi News (12.3.2024): Clashes between Tribes in Mudug Region Result in Ten Fatalities, https://halqabsi.com/2024/03/clashes-between-tribes-in-mudug, Zugriff 7.5.2024
Halqabsi - Halqabsi News (28.8.2023): Demonstrations Across Galmudug Show Support for Anti-Al-Shabaab Offensive, https://halqabsi.com/2023/08/demonstrations-in-galmudug-support-anti-alshabaab-offensive/, Zugriff 7.11.2023
HO - Hiiraan Online (25.6.2024c): Puntland and Galmudug to deploy military force amid deadly clan conflict in Mudug, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Jun/196840/puntland_and_galmudug_to_deploy_military_force_amid_deadly_clan_conflict_in_mudug.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 27.6.2024
HO - Hiiraan Online (28.1.2024): Five killed, six injured in suspected clan revenge attack in Mudug region, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Jan/194790/five_killed_six_injured_in_suspected_clan_revenge_attack_in_mudug_region.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 19.4.2024
Horn - Horn Observer (18.3.2024): Al-Shabaab seizes control of towns and villages abandoned by Somali army, militia, https://hornobserver.com/articles/2676/Al-Shabaab-seizes-control-of-towns-and-villages-abandoned-by-Somali-army-militia, Zugriff 16.12.2024
ICG - International Crisis Group (25.9.2023): Avoiding a New Cycle of Conflict in Somalia's Galmudug State, https://icg-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/2023-09/b193-somalia-galmudug-state_0.pdf, Zugriff 30.1.2024
INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
IPC - Integrated Food Security Phase Classification (13.12.2022): Nearly 8.3 million people across Somalia face Crisis (IPC Phase 3) or worse acute food insecurity outcomes, https://reliefweb.int/attachments/fc2d405c-ca29-4526-ad96-6618c2756192/Multi-Partner-Technical-Release-on-Updated-IPC-Analysis-for-Somalia-fo-October-2022-to-June-2023-Final-(English)-13-Dec-2022.pdf, Zugriff 10.10.2023
MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
PGN - Political Geography Now (28.6.2024): Preliminary Somalia Control Map – Approximate Territorial Control, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map Timeline - October 2020, per e-Mail, https://controlmaps.polgeonow.com/2020/10/somalia-map-of-al-shabaab-control/, Zugriff 7.7.2022 [kostenpflichtig, Login erforderlich]
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (17.1.2024): Galmudug elections gather steam, in: The Somali Wire Issue No. 636, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
SMN - Shabelle Media Network (3.12.2024): Land disputes: 39 killed in Somalia inter-clan clashes in 2 months – UN, https://shabellemedia.com/land-disputes-39-killed-in-somalia-inter-clan-clashes-in-2-months-un, Zugriff 5.12.2024
SMN - Shabelle Media Network (23.1.2024): Four killed in suspected clan revenge in central Somalia, https://shabellemedia.com/four-killed-in-suspected-clan-revenge-in-central-somalia, Zugriff 24.1.2024
UNGA - United Nations General Assembly (23.8.2024): Report of the Independent Expert on the situation of human rights in Somalia, Isha Dyfan (A/HRC/57/80) [EN/AR/RU/ZH] - Somalia, https://reliefweb.int/attachments/de0a5efb-ba80-4c3f-9692-054f1a04f1cc/g2414208.pdf, Zugriff 13.11.2024
UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
UNSC - United Nations Security Council (28.10.2024): Letter dated 15 October 2024 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 2713 (2023) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council, https://digitallibrary.un.org/record/4066421/files/S_2024_748-EN.pdf?ln=en, Zugriff 3.12.2024
UNSC - United Nations Security Council (27.9.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2024/698], https://www.ecoi.net/en/file/local/2116024/n2426310.pdf, Zugriff 14.11.2024
VOA/O. Hassan - Mohamed Olad Hassan (Autor), Voice of America (Herausgeber) (10.6.2024): ’Dozens dead’ in Somalia clan clashes, https://www.voanews.com/a/dozens-dead-in-somalia-clan-clashes-/7650081.html, Zugriff 28.6.2024
Wehrdienst und Rekrutierungen
Süd-/Zentralsomalia, Puntland - staatliche Kräfte und Milizen
Letzte Änderung 2024-12-04 13:01
Rekrutierung: Das Personal der somalischen Streitkräfte setzt sich ausschließlich aus Freiwilligen zusammen (BMLV 28.3.2023), es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 23.8.2024). Um in der Bundesarmee dienen zu können, unterzeichnen die Freiwilligen einen zeitlich unbegrenzten Anstellungsvertrag. Es gibt weder eine Mindest- noch eine Höchstverpflichtungsdauer (BMLV 28.3.2023). Nur hinsichtlich der nach Eritrea zur Ausbildung verbrachten ersten Kontingente besteht in einigen Fällen der Verdacht einer Zwangsrekrutierung, weil Rekruten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben worden sind (HIPS 1.2023).
Allerdings baut die Bundesarmee bei der Rekrutierung ganz auf Clanverbindungen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Und bei Clanmilizen kann es zu Zwang kommen, so kann ein Ältester Clanmitglieder zwingen, an einem Konflikt teilzunehmen (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Eine Quelle erklärt hierzu, dass die Bundesarmee mit allen möglichen Praktiken rekrutiert und es im Rahmen einer Erfüllung einer vorgegebenen Rekrutierungsquote bei Clans auch zu "Zwangsrekrutierungen" kommen kann (BMLV 7.8.2024). Auch eine andere Quelle erklärt, dass Clans regelmäßig – und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie – junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei al Shabaab rekrutieren. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (AA 23.8.2024). Nach wieder anderen Angaben hat die Bundesarmee hingegen aufgrund der Lage am Arbeitsmarkt keine Schwierigkeiten, neue Rekruten zu finden. Rekrutiert wird dabei flächendeckend, sei es in Baidoa, Belet Weyne oder Mogadischu (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Desertion: Nur wenige Soldaten der Bundesarmee zögern zu desertieren, wenn ihre Verwandten sie zum Kampf in einem Clankonflikt aufgefordert haben (NLM/Barnett 7.8.2023). Deserteure werden zur Fahndung ausgeschrieben. Die für die Fahndung zuständigen Truppenteile verfügen allerdings nur über höchst eingeschränkte Kapazitäten, die noch dazu kaum für die aktive Fahndung nach Deserteuren eingesetzt werden. Desertion wird als Hochverrat angesehen, zuständig dafür ist das Militärgericht. Kommt es zu einer Verurteilung wegen Hochverrats durch Desertion, muss der Angeklagte mit einer langjährigen - möglicherweise auch lebenslangen - Haftstrafe rechnen (BMLV 28.3.2023). Im Jänner 2024 wurden 27 Angehörige der Bundesarmee vom Militärgericht in Galmudug wegen Desertion zu je fünf Jahren Haft verurteilt. Sie hatten ihre Positionen in Mudug verlassen (TSD 29.1.2024).
Kindersoldaten - allgemein: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren (BS 2024). Es gibt Berichte über die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten durch Sicherheitskräfte des Bundes, alliierte Milizen und al Shabaab (USDOS 22.4.2024), durch Regionalkräfte in Galmudug, Puntland und Jubaland sowie durch Clanmilizen (USDOL 26.9.2023). Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (AA 23.8.2024). Die UNO berichtet für das Jahr 2022 von insgesamt 1.094 rekrutierten Kindern - 902 durch al Shabaab, 68 durch regionale Kräfte (davon 44 durch Puntland), 80 durch Clanmilizen und Bürgerwehren und 37 durch Kräfte des Bundes (UNGA 5.6.2023). Das Verteidigungsministerium versucht, der Rekrutierung von Kindern mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (USDOS 22.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (28.3.2023): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024
HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (1.2023): Security Sector Reform in Somalia: Challenges and Opportunities, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/01/Security-Sector-Reform-Jan-31.pdf, Zugriff 22.1.2024
INGO-V/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), International NGO V (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
NLM/Barnett - James Barnett (Autor), New Lines Magazine (Herausgeber) (7.8.2023): Inside the Newest Conflict in Somalia’s Long Civil War, https://newlinesmag.com/reportage/inside-the-newest-conflict-in-somalias-long-civil-war/, Zugriff 2.10.2023
TSD - The Somali Digest (29.1.2024): SNA Deserters Sentenced, https://thesomalidigest.com/sna-deserters-sentenced, Zugriff 8.5.2024
UNGA - United Nations General Assembly (5.6.2023): Children and armed conflict. Report of the Secretary-General, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/{65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9}/S_2023_363.pdf, Zugriff 14.6.2024
USDOL - United States Department of Labor [USA] (26.9.2023): 2022 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2098558.html, Zugriff 26.4.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024
Al Shabaab - (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten
Letzte Änderung 2025-01-16 14:09
Kindersoldaten: Al Shabaab entführt auch weiterhin Kinder, um diese zu rekrutieren (UNSC 2.2.2024; vgl. HRW 11.1.2024; BS 2024). Hauptsächlich betroffen sind hiervon die Regionen Hiiraan, Bay, Lower Shabelle, Bakool und Middle Juba (UNSC 2.2.2024). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 22.4.2024). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2024). Nach anderen Angaben bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan/SWT 6.5.2022). Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan/SWT 6.5.2022). Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 22.4.2024). Mitunter wird hierbei auch Gewalt angewendet (BS 2024). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 23.8.2024). Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (USDOS 22.4.2024). Laut einer Quelle kann es zwar sein, dass al Shabaab auch Kinder von 8-12 Jahren aushebt; tatsächlich ist demnach der Einsatz von Kindern im Kampf aber unwahrscheinlich. Es gibt keine Bilder derart junger Kämpfer der al Shabaab unter den Gefallenen. Die Jüngsten sind mindestens 16 Jahre alt, entsprechend somalischer Tradition gelten sie damit als Männer. Die überwiegende Mehrheit der Kämpfer der Gruppe sind jedenfalls Männer über 18 Jahren (BMLV 7.8.2024).
Schulen und Lager: Viele der den Clans abgerungenen Kinder kommen zunächst in Schulen, wo sie indoktriniert und rekrutiert werden (USDOS 22.4.2024; vgl. UNSC 6.10.2021). Die Gruppe betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum (VOA/Maruf 16.11.2022) und hat ein Bildungssystem geschaffen, das darauf ausgerichtet ist, Rekruten hervorzubringen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe verbot andere islamische Schulen und hat eigene gegründet, die als „Islamische Institute“ firmieren. Diese orientieren sich an Clangrenzen, werden von Clans finanziert und stehen unter strenger Aufsicht der örtlichen Behörden der al Shabaab. Von den Clans wird erwartet, dass sie entweder Geld oder Schüler zur Verfügung stellen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). In diesen Schulen werden die Schüler weltanschaulich indoktriniert, propagiert werden die Illegitimität der Bundesregierung und die Verpflichtung zum Dschihad (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). In einem Fall wird berichtet, dass Schüler dort nach zwei Jahren ein Abschlusszeugnis erhalten haben (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Nach der Absolvierung einer solchen Schule werden die Absolventen normalerweise in Trainingslager der al Shabaab verbracht (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; vgl. VOA/Maruf 16.11.2022). Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt (VOA/Maruf 16.11.2022). Nach Angaben eines Augenzeugen konnten Absolventen in seinem Fall über ihren weiteren Weg innerhalb der Organisation selbst entscheiden, etwa ob sie religiöse Studien betreiben oder in eine Teilorganisation eintreten wollten (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). In einigen Gegenden betreibt al Shabaab auch „reguläre“ Schulen. Doch auch diese agieren nach der Ideologie der Gruppe (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).
Aus Lagern oder anderen Einrichtungen der al Shabaab können Kinder nur mit Schwierigkeit entkommen. Sie sind dort brutalem physischen und psychischen Stress ausgesetzt, die der Folter nahekommen; sie sollen gebrochen werden (Sahan/SWT 6.5.2022). Kinder werden dort einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren (USDOS 22.4.2024). Mädchen werden auf eine Ehe vorbereitet, manchmal aber auch auf Selbstmordmissionen. Armeeinheiten - wie Danaab - haben immer wieder Operationen unternommen, um Kinder aus solchen Ausbildungslagern zu befreien (Sahan/SWT 6.5.2022).
Rekrutierung über Clans: Üblicherweise rekrutiert al Shabaab über die Clans (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clans auf dem Territorium von al Shabaab müssen in Form junger Männer Tribut an die Gruppe abführen. Die Gruppe kommt in Dörfer, wendet sich an Älteste und fordert eine bestimmte Mannzahl (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; MBZ 6.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, S. 105). Der Clan wird die geforderte Zahl stellen. Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 verfügt die Gruppe in den Clans über „Agenten“, welche die Auswahl der Rekruten vornehmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Nach anderen Angaben wendet sich al Shabaab in den Gebieten unter ihrer Kontrolle an Familien, um diese zur Herausgabe von Buben aufzufordern (Sahan/SWT 6.5.2022).
Jedenfalls treten oft Älteste als Rekrutierer auf (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. AQ21 11.2023). Nach anderen Angaben sind alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet für die Gruppe als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z. B. bei militärischen Operationen im Umfeld oder zur Aufklärung. Wehrfähig sind demnach auch Jugendliche mit 16 Jahren, die gemäß somalischer Tradition als erwachsen gelten (BMLV 7.8.2024).
Wo al Shabaab rekrutiert: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB Nairobi 10.2024). Rekrutiert wird vorwiegend in Gebieten unter Kontrolle der Gruppe, im südlichen Kernland, in Bay und Bakool (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Dort fällt al Shabaab dies einfacher, die Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus diesen beiden Regionen (Marchal 2018, S. 107). Auch bei den Hawiye / Galja'el und Hawiye / Duduble hat die Gruppe bei der Rekrutierung große Erfolge (AQ21 11.2023). Viele Kämpfer stammen auch von den Rahanweyn. Generell finden sich bei al Shabaab Angehörige aller Clans (MBZ 6.2023). Auch viele Menschen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten melden sich freiwillig zu al Shabaab (BMLV 7.8.2024).
Eine informierte Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, noch nie von Zwangsrekrutierungen an Straßensperren gehört zu haben (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Dahingegen wird in IDP-Lagern - etwa im Umfeld von Kismayo - sehr wohl (freiwillig) rekrutiert (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).
Wen al Shabaab rekrutiert: Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren eine relevante Quelle an Fußsoldaten (EASO 1.9.2021, S. 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu, bzw. marginalisierten Gruppen (Ingiriis 2020; vgl. Sahan/SWT 30.9.2022). Viele der Rekruten haben das Bildungssystem von al Shabaab durchlaufen (BMLV 7.8.2024). Die Gruppe nutzt in den von ihr kontrollierten Gebieten zudem gegebene lokale Spannungen aus. Minderheiten wird suggeriert, dass ein Beitritt zur Gruppe sie in eine stärkere Position bringen würde. Daher treten Angehörige von Minderheiten oft freiwillig bei und müssen nicht dazu gezwungen werden (MBZ 6.2023).
Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 1.9.2021, S. 18).
Warum al Shabaab beigetreten wird: Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 1.9.2021, S. 21; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können - trotz fehlenden religiösen Verständnisses - auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020a, S. 17; vgl. Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 33), bei anderen ist es Abenteuerlust (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 33). Laut einer Quelle sind 52 % der Mitglieder von al Shabaab der Gruppe aus ökonomischen Gründen beigetreten, 1 % aus Abenteuerlust (ÖB Nairobi 10.2024). Nach anderen Angaben sind etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, S. 120f; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha/SIGLA 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019b, S. 4). So lange die Gruppe über Geld verfügt, verfügt sie auch über ein großes Rekrutierungspotenzial. Zudem hat sie aufgrund von xenophoben - insbesondere anti-äthiopischen - Ressentiments Zulauf an Freiwilligen (BMLV 7.8.2024).
Nur manche Menschen folgen al Shabaab aus ideologischen Gründen, die meisten tun es aus pragmatischen Gründen. Vielen geht es um Schutz - und in vielen Bezirken des Landes bleibt al Shabaab diesbezüglich die sichtbarste und praktikabelste Option (Sahan/SWT 25.8.2023). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite (FIS 7.8.2020b, S. 21) und sonstige Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan/SWT 30.9.2022; vgl. Sahan/Menkhaus 23.8.2023).
Gerade in den seit vielen Jahren von der Gruppe kontrollierten Gebieten ist die Bevölkerung im Austausch gegen Sicherheit und Stabilität eher bereit, Rekruten abzugeben (MBZ 6.2023). Und speziell Angehörige marginalisierter Gruppen treten der Gruppe mitunter bei, um sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S. 34). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit, Rache an Angehörigen anderer Clans zu üben (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 14f; vgl. EASO 1.9.2021, S. 20). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 22.4.2024) - so z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020). Schlussendlich darf auch Angst vor al Shabaab als Motivation nicht vergessen werden. Demonstrationen extremer Gewalt halten viele Menschen bei der Stange (Sahan/SWT 12.6.2023).
Entlohnung bei al Shabaab: Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab vor einigen Jahren mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 50-100 US-Dollar (UNSC 10.10.2022; vgl. ÖB Nairobi 10.2024), Finanzbedienstete 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022). Eine andere Quelle nennt als Einstiegssold fertig ausgebildeter Kämpfer einen Betrag von 80-100 US-Dollar, bar oder in Gutscheinen (BMLV 7.8.2024). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten der al Shabaab 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (Gov Som 2022, S. 99). Ein Mann, der in Mogadischu von einem Militärgericht wegen Anschlägen für al Shabaab verurteilt worden war, hat angegeben, einen Sold von 70 US-Dollar im Monat erhalten zu haben (GN 10.7.2023). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha/SIGLA 2019).
Zwangsrekrutierung: Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; Ingiriis 2020), jedenfalls nur eingeschränkt, in Ausnahmefällen bzw. unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92; vgl. BMLV 7.8.2024; MBZ 6.2023). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021). Die meisten Menschen treten der Gruppe freiwillig bei (MBZ 6.2023). Laut Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 kann man allerdings auf dem Gebiet der al Shabaab eine Rekrutierungsanfrage nicht einfach verneinen. Auch wenn al Shabaab Rekruten als Freiwillige präsentiert, haben diese i.d.R. keine wirkliche Option (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zudem erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023, dass al Shabaab die Forderung nach Rekruten auch als Bestrafung einsetzt, etwa gegen Gemeinden, die zuvor mit der Regierung zusammengearbeitet haben. In anderen Gebieten, wo die Gruppe versucht, Clans auf die eigene Seite zu ziehen, hat sie hingegen damit aufgehört, Kinder wegzunehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).
Jedenfalls kommen Zwangsrekrutierungen vor - nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Bei zwei Studien aus den Jahren 2016 und 2017 haben 10-11 % der befragten ehemaligen Angehörigen von al Shabaab angegeben, von der Gruppe zwangsrekrutiert worden oder ihr aus Angst vor Repressalien beigetreten zu sein (MBZ 6.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass 13 % der Angehörigen der Gruppe Zwangsrekrutierte sind (ÖB Nairobi 10.2024). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen oder Versprechungen (FIS 7.8.2020a, S. 18; vgl. MBZ 6.2023), eine Unterscheidung zwischen "freiwillig" und "erzwungen" ist nicht immer möglich (MBZ 6.2023).
Wo Zwangsrekrutierungen vorkommen: Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023; FIS 7.8.2020, S. 17f). Überhaupt werden dort nur wenige Leute rekrutiert, und diese nicht über die Clans (AQ21 11.2023). Dort hat al Shabaab die Besteuerung im Fokus und nicht das Rekrutieren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) und hätte auch keine Kapazitäten dafür (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies gilt laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch für andere städtische Gebiete wie etwa Kismayo oder Baidoa (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 1.9.2021, S. 21).
Verweigerung einer Rekrutierung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wie viele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan (BMLV 7.8.2024). So kann es dann z. B. zur Entführung oder Ermordung unkooperativer Ältester kommen (MBZ 6.2023). Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufs (BMLV 7.8.2024; vgl. MBZ 6.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 7.8.2024). Generell haben größere Clans aufgrund gegebener Ressourcen eher die Möglichkeit, sich von Rekrutierungen freizukaufen, als dies bei Minderheiten der Fall ist (MBZ 6.2023). Insgesamt besteht offenbar Raum für Verhandlungen. Wenn die Gruppe beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Schülern für ihre Schulen verlangt, kann ein Clan entweder Kinder zum Besuch dieser Schulen schicken oder für eine bestimmte Anzahl von Schülern anderer Clans bezahlen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).
Eine andere Möglichkeit besteht in der Flucht (MBZ 6.2023). Eltern schicken ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022). Junge Männer flüchten mitunter nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 7.8.2024). Andererseits berichtet ein Augenzeuge, dass jene Jugendlichen, die nach Absolvierung einer Schule der al Shabaab vor einer möglichen Zwangsrekrutierung nach Mogadischu geflohen sind, bald wieder in die Heimat zurückkehrten, weil ihre Eltern bestraft worden sind (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). In anderen Fällen sind gleich ganze Familien vor einer Rekrutierung der Kinder geflohen, viele endeten als IDPs (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023).
Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 7.8.2024). Eine andere Quelle erklärt, dass, wer sich generell Rekrutierungen widersetzt, bedroht oder in Haft gesetzt wird (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, S. 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es meist zu Gewalt (BMLV 7.8.2024; vgl. UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).
Rekrutierung von Mädchen und Frauen: Auch Mädchen werden in den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab für Zwangsehen mit Kämpfern der Gruppe entführt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BS 2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass al Shabaab sich auch in solchen Fällen an die Clans wendet und fordert, dass Frauen als Ehefrauen bereitgestellt werden. Dieser Aufforderung wird dann aus Angst nachgegeben. In Gebieten, die nicht unter Kontrolle von al Shabaab stehen, verfügt die Gruppe diesbezüglich demnach nicht über ausreichend Druckmittel (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Frauen und Mädchen der Bantu werden mitunter auch mittels Todesdrohungen in Ehen gezwungen, die sich in der Praxis eher als temporäre sexuelle Versklavung erweisen (Benstead/Lehman 2021). Al Shabaab bezahlt kein Brautgeld. Wird der Gruppe eine Tochter verweigert, kann es vorkommen, dass ersatzweise ein Sohn als Rekrut verlangt wird (AQ21 11.2023). Kann eine Abgabe nicht entrichtet werden, dann entführt al Shabaab ersatzweise Frauen und zwingt diese zur Ehe (MBZ 6.2023).
Abseits der Ehe werden Frauen bei al Shabaab zumeist in unterstützender Rolle eingesetzt (UNSC 10.10.2022; vgl. AQ21 11.2023): als Steuereinheberinnen, Lehrer- oder Predigerinnen in Madrassen, Wächterinnen in Gefängnissen; zum Kochen und Putzen, in der Spionage oder der Waffenpflege (UNSC 10.10.2022), beim Waffenschmuggel und bei der Waffenlagerung. Manche betreiben auch Fundraising, andere dienen als Selbstmordattentäterinnen (AQ21 11.2023; vgl. ICG 27.6.2019a, S. 7f). Frauen, die mit Soldaten oder AMISOM bzw. ATMIS Kleinhandel treiben, werden als Spione und Informationsbeschafferinnen rekrutiert (ICG 27.6.2019a, S. 12).
Quellen
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Minderheiten und Clans
Letzte Änderung 2025-01-16 14:12
Das westliche Verständnis der Zivilgesellschaft ist im somalischen Kontext irreführend, da kaum zwischen öffentlicher und privater Sphäre unterschieden wird. In ganz Somalia gibt es starke Traditionen sozialer Organisation außerhalb des Staates, die vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Verwandtschaftsgruppen fußen. Seit Beginn des Bürgerkriegs haben sich die sozialen Netzwerkstrukturen neu organisiert und gestärkt, um das Überleben ihrer Mitglieder zu sichern (BS 2024).
Clans [zu Clanschutz siehe auch Rechtsschutz, Justizwesen ]: Der Clan ist die relevanteste soziopolitische und ökonomische Einheit in Somalia. Für den Somali stellt er die wichtigste Identität dar, für die es zu streiten und zu sterben gilt (NLM/Barnett 7.8.2023). Clans kämpfen für das einzelne Mitglied. Gleichzeitig werden alle Männer im Clan als Krieger erachtet (AQSOM 4 6.2024). Der Clan bildet aber eine volatile, vielschichtige Identität mit ständig wechselnden Allianzen (NLM/Barnett 7.8.2023). Er bestimmt das Leben des Individuums, seinen Zugang zu Sicherheit und Schutz, Ressourcen (z. B. Arbeit, Geschäfte, Land) und bildet das ultimative Sicherheitsnetz (AQSOM 4 6.2024; vgl. SPC 9.2.2022). Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessensvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des traditionellen Rechts (Xeer). Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler (Sahan/SWT 26.10.2022).
Clanwissen: Laut Experten gibt es bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 2f/37/39f). Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung. Dieses Wissen dient zur Identifikation und zur Identifizierung (Shukri/TEL 3.5.2021). Auch junge Menschen im urbanen Umfeld kennen ihren Clan, allerdings fehlen ihnen manchmal die Details - etwa zu Clanältesten. Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 betrifft dies tendenziell eher junge Frauen (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).
Diskriminierung im Clanwesen: Diskriminierung steht in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke besitzen (AA 23.8.2024). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2024). Selbst relativ starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan/SWT 30.9.2022). Gleichzeitig mag auf einer Ebene innerhalb eines Clans oberflächlich betrachtet Einheit herrschen, doch wenn man näher heranzoomt, treten Konflikte zwischen den unteren Clanebenen zutage (NLM/Barnett 7.8.2023).
Ohnehin marginalisierte Gruppen werden diskriminiert und stoßen auf Schwierigkeiten, ihr Recht auf Teilhabe an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen wahrzunehmen (UNSOM 5.8.2023; vgl. BS 2024). Die Marginalisierung führt zu einer ungerechten und diskriminierenden Verteilung der Ressourcen (UNSOM 5.8.2023) - etwa beim Zugang zu humanitärer Hilfe (AA 23.8.2024). Menschen, die keinem der großen Clans angehören, sehen sich in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021b, S. 56); und auch von Politik und Wirtschaft werden sie mitunter ausgeschlossen. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2024). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UN OCHA 14.3.2022).
Recht [siehe hierzu auch Rechtsschutz, Justizwesen]: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Weder Xeer (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020b, S. 21). Es kommt mitunter zu staatlicher Diskriminierung. So wurde beispielsweise in Mogadischu ein Strafprozess, bei welchem Rahanweyn und Bantu als Kläger gegen einen Polizeioffizier, der von einem großen Clan stammt, aufgetreten waren, vom Gericht ohne Weiteres eingestellt (Horn 6.5.2024).
Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen (Gashanbuur) einem anderen Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen (AQSOM 4 6.2024; vgl. DI 6.2019, S. 11). Diese Resilienzmaßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das System des Xeer eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).
Netzwerke abseits von Clans: Die Mitgliedschaft in islamischen Organisationen und Verbänden gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie bietet eine Möglichkeit zur sozialen Organisation über Clangrenzen hinweg. Mit einer Mitgliedschaft kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden. Zumindest in bestimmten Teilen Somalias entsteht auch eine Form von Sozialkapital unter Mitgliedern der jüngeren Generation, die biografische Erfahrungen und Interessen (Bildung oder Beruf) teilen und manchmal in Jugendorganisationen organisiert sind oder sich in informellen Diskussionsgruppen und online treffen (BS 2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024
DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report_Towards-an-improved-understanding-of-vulnerability-and-resilience-in-Somalia.pdf, Zugriff 15.12.2023
FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020b): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 12.10.2023
Horn - Horn Observer (6.5.2024): Controversial Somali court decision grants immunity to perpetrator of human rights abuses, https://hornobserver.com/articles/2744/Controversial-Somali-court-decision-grants-immunity-to-perpetrator-of-human-rights-abuses, Zugriff 7.5.2024
LIFOS - LIFOS-Migrationsverket [Schweden] (1.7.2019): Somalia - Rätts- och säkerhetssektorn Version 1.0, https://www.ecoi.net/en/file/local/2012758/190704400.pdf, Zugriff 3.6.2024
NLM/Barnett - James Barnett (Autor), New Lines Magazine (Herausgeber) (7.8.2023): Inside the Newest Conflict in Somalia’s Long Civil War, https://newlinesmag.com/reportage/inside-the-newest-conflict-in-somalias-long-civil-war/, Zugriff 2.10.2023
ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (26.10.2022): The deaths of clan elders in the struggle against Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 468, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024
Shukri/TEL - The Elephant (Herausgeber), Saeed Shukri (Autor) (3.5.2021): Unrecognized Vote: Somaliland’s Democratic Journey, https://www.theelephant.info/long-reads/2021/05/03/unrecognized-vote-somalilands-democratic-journey/, Zugriff 13.10.2023
SOMNAT/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Somaliland National (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
SPC - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOM_PAU_Somalia-Protection-Analysis_Feb2022.pdf, Zugriff 15.11.2023
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (22.12.2021b): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065866/61c97bea4.pdf, Zugriff 6.10.2023
UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA SOMALIA HUMANITARIAN BULLETIN - FEBRUARY 2022.pdf, Zugriff 12.3.2024
UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (5.8.2023): Muna Mohamed Abdi: Helping include marginalised communities in Kismayo, https://unsom.unmissions.org/muna-mohamed-abdi-helping-include-marginalised-communities-kismayo, Zugriff 17.1.2024
Bevölkerungsstruktur
Letzte Änderung 2024-12-04 10:43
Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021a). Die Landesbevölkerung ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings ist der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung demnach unklar (AA 23.8.2024). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine gemeinsame ethnische Herkunft (USDOS 22.4.2024). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UN OCHA 14.3.2022). Die UN gehen davon aus, dass ca. 30 % aller Somali Angehörige von Minderheiten sind (MBZ 6.2023). Abseits davon trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017).
Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2024). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (Landinfo 4.4.2016).
Große Clanfamilien: Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:
Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.
Hawiye leben v. a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.
Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).
Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet (SEM 31.5.2017). Sie selbst erachten sich nicht als Teil der Dir (AQSOM 4 6.2024).
Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017).
Territorien: Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).
Minderheiten: Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_(Stand_Januar_2021),_18.04.2021.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024
Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (4.4.2016): Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia, https://landinfo.no/asset/3569/1/3569_1.pdf, Zugriff 12.3.2024
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin information report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_June_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024
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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA SOMALIA HUMANITARIAN BULLETIN - FEBRUARY 2022.pdf, Zugriff 12.3.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024
Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A
Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation
Letzte Änderung 2025-01-16 14:11
Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021a). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021a, S. 57; vgl. SEM 31.5.2017) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (MBZ 6.2023). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017; vgl. AQSOM 4 6.2024). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021a).
Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (Landinfo 21.5.2019b). Ein Experte erklärt, dass Gabooye zwar nicht angegriffen werden, diese aber davor Angst haben. Minderheiten werden demnach nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Minderheit angegriffen, es sei denn, dass sie bei einem Vorhaben im Weg stehen (AQSOM 4 6.2024).
Allerdings sind Angehörige berufsständischer Kasten Belästigung und Ausbeutung ausgesetzt (Sahan/SWT 1.12.2023). Sie werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017). Es kommt zu Beschimpfungen, Ausschluss von bestimmten Berufen, Einschränkungen beim Landbesitz sowie zu Diskriminierung im Bildungs- und Gesundheitssystem (AQSOM 4 6.2024). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017).
Aufgrund der oft schlechten Ausbildung treffen Gabooye außerhalb ihrer traditionellen Berufe am Arbeitsmarkt auf Schwierigkeiten (MBZ 6.2023). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017).
Mischehe: In dieser Frage kommt es weiterhin zu einer gesellschaftlichen Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch (SEM 31.5.2017; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Aufgrund dieser Stigmatisierung (FH 2024a) kommen Mischehen äußerst selten vor (SEM 31.5.2017; vgl. FIS 5.10.2018). Diesbezüglich bestehen aber regionale Unterschiede: Im Clan-mäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. SEM 31.5.2017). Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). In Mogadischu sind Mischehen möglich (FIS 5.10.2018). Auch al Shabaab hat Hindernisse für Mischehen beseitigt, in ihren Gebieten kommt es zunehmend zu solchen Eheschließungen (ICG 27.6.2019a). Die Gruppe hat Fußsoldaten, die zu Gruppen mit niedrigem Status gehören, dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).
Eine Mischehe führt so gut wie nie zu Gewalt oder gar zu Tötungen. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017). Trotzdem können diese Ehen negative Folgen für die Ehepartner mit sich bringen – insbesondere, wenn der Mann einer Minderheit angehört (ÖB Nairobi 10.2024). So kommt es häufig zur Verstoßung des aus einem "noblen" Clan stammenden Teils der Eheleute durch die eigenen Familienangehörigen. Letztere besuchen das Paar nicht mehr, kümmern sich nicht um dessen Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck (SEM 31.5.2017). Diese Art der Verstoßung kann vor allem in ländlichen Gebieten vorkommen. Eine Mischehe sorgt auf jeden Fall für Diskussionen und Getratsche, nach einer gewissen Zeit wird sie nach Angaben einer Quelle aber meist akzeptiert (FIS 5.10.2018).
Quellen
AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024
FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Somaliland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2109065.html, Zugriff 8.7.2024
FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia_Fact_Finding Mission to Mogadishu and Nairobi January 2018.pdf/2abe79e2-baf3-0a23-97d1-f6944b6d21a7/Somalia_Fact_Finding Mission to Mogadishu and Nairobi January 2018.pdf.pdf, Zugriff 12.3.2024
ICG - International Crisis Group (27.6.2019a): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011897/b145-women-and-al-shabaab_0.pdf, Zugriff 12.3.2024
Ingiriis - M.H. Ingiriis (2020): The anthropology of Al-Shabaab: the salient factors for the insurgency movement’s recruitment project, in: Small Wars Insurgencies, Vol. 31/2, 2020, pp. 359-380, zitiert in: EASO - European Asylum Support Office (9.2021): Somalia – Targeted Profiles, S.18, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060580/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf
Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (21.5.2019b): Somalia Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu, https://www.ecoi.net/en/file/local/2009629/Respons_Somalia_Rer_Hamar-befolkningen_i_Mogadishu_21052019.pdf, Zugriff 12.3.2024
MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin information report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_June_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024
ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]
Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (1.12.2023): Clans and displacement in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 622, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (22.12.2021a): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065866/61c97bea4.pdf, Zugriff 12.3.2024
Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A
Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit, Clanlose
Letzte Änderung 2024-12-04 11:37
Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als "Gast" ist schwächer als jene des "Gastgebers". Im System von "hosts and guests" sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S. 11f/32f). Ein Beispiel derartiger Auswirkungen stammt aus Puntland. Dort haben Sicherheitskräfte mehrere junge Männer festgenommen, von denen angenommen wird, dass sie hinter einer Reihe von Angriffen auf Mitglieder der Ogadeni [Anm.: Der in Jubaland und kenianischen Somali-Gebieten vorherrschende Clan] in Garoowe stecken. Die Übergriffe wurden ausgelöst, weil eine Gruppe Jugendlicher in Nairobi einen jungen Mann aus Garoowe angegriffen und die Tat gefilmt hat. Die Angriffe in Garoowe gelten als Vergeltung für den Angriff in Nairobi (HO 8.9.2024).
Diskriminierung: In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus. Diskriminierung erfolgt etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Gerichtsverfahren (USDOS 22.4.2024). Angehörige eines (Sub-)Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 18.4.2021, S. 12). Auch kann es vorkommen, dass Personen, die einer kleinen Gruppe innerhalb eines großen Clans angehören, von den Nachbarn als Minderheit wahrgenommen und diskriminiert werden (AQSOM 4 6.2024).
Menschen aus Somaliland werden in Süd-/Zentralsomalia nicht diskriminiert. Sie haben Vertreter im System, in der Regierung, im Parlament. Einige junge Somaliländer gehen trotz der schlechten Sicherheitslage der Möglichkeiten wegen nach Süd-/Zentralsomalia, insbesondere im humanitären Bereich (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).
Ashraf und Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter Mohammeds; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status. Beide Clans werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye / Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil-Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014, S. 46f/103).
Für eine Person ohne Clanidentität ist gesellschaftlicher Schutz nicht vorhanden. Dies führt nicht automatisch zu Misshandlung, fördert aber die Vulnerabilität. Sollte eine Person ohne Clanidentität und ohne Ressourcen zurückkehren, wird es im gegenwärtigen somalischen Kontext für diese physisch und wirtschaftlich sehr schwierig, zu überleben. Allerdings gibt es laut Experten so gut wie niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 2f/37/39f).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_(Stand_Januar_2021),_18.04.2021.pdf, Zugriff 17.10.2024 [Login erforderlich]
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche
EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/EASO-COIreport-Somalia_EN.pdf, Zugriff 18.10.2024
HO - Hiiraan Online (8.9.2024): Puntland security arrests youth over TikTok-inspired clan attacks, https://www.hiiraan.com/news4/2024/Sept/197917/puntland_security_arrests_youth_over_tiktok_inspired_clan_attacks.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 18.10.2024
SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024
SOMNAT/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Somaliland National (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023
USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024
Bewegungsfreiheit und Relokation
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2025-01-16 14:10
Gesetze schützen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land und das Recht zur Ausreise. Diese Rechte sind in einigen Landesteilen eingeschränkt (USDOS 22.4.2024) – v. a. durch die Unsicherheit entlang der wichtigsten Straßen (MBZ 6.2023), durch Checkpoints und Straßenblockaden der jeweiligen Machthaber in bestimmten Gebieten, aber auch durch Kampfhandlungen. IDPs sind in den Lagern in und um Mogadischu teils strikten Beschränkungen bezüglich ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen. Davon abgesehen sind keine Einschränkungen für bestimmte Gruppen bekannt (ÖB Nairobi 10.2024).
Überlandreisen: Straßensperren (Checkpoints), welche von Regierungstruppen, verbündeten Gruppen, bewaffneten Milizen, Clan-Fraktionen und al Shabaab betrieben werden, behindern die Bewegungsfreiheit. Dort kommt es mitunter zu Raub, Erpressung, Belästigung und Gewalt (USDOS 22.4.2024; vgl. FH 2024b). Derartige Verbrechen werden laut einer Quelle in erster Linie Straßensperren von Clanmilizen zugeschrieben, während jene von al Shabaab oder Regierungskräften als besser organisiert und sicherer gelten (TANA/ACRC 9.3.2023). Nach anderen Angaben bleibt al Shabaab die größte Bedrohung hinsichtlich Bewegungsfreiheit entlang von Hauptversorgungsrouten in Süd-/Zentralsomalia. Die Gruppe verwendet entlang dieser Straßen Sprengsätze und legt Hinterhalte. Manchmal placiert al Shabaab Sprengsätze auch deswegen, um dadurch den Verkehr auf Straßen umzulenken, an welchen sie Checkpoints unterhält, wo Gebühren eingehoben werden (BMLV 5.11.2024).
Generell können vier Arten von Straßensperren genannt werden: 1. solche, die nur zum Raub an Reisenden errichtet werden - unabhängig von Clankonflikten oder Machtkämpfen; 2. solche, die im Rahmen von Clankonflikten errichtet werden (auch dort kann es zu Gewalt kommen); 3. Sperren von al Shabaab [Anm.: siehe dazu weiter unten]; und 4. Sperren von Regierungskräften (TANA/ACRC 9.3.2023). An Checkpoints schließen die Sicherheitskräfte oft aufgrund des Akzents auf die Herkunft eines Passanten. Fremde werden hinsichtlich ihrer Bewegung befragt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 müssen sich an Straßensperren lediglich die Fahrer ausweisen, Fahrgäste können ungehindert passieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Allerdings kommt es an Checkpoints zwischen Clanmilizen, aber auch mit und unter staatlichen Einheiten, die sich um die Kontrolle und um Einnahmen streiten, immer wieder auch zu Kampfhandlungen (AA 23.8.2024). Auch abseits von Straßensperren kann das Aufflammen bewaffneter Auseinandersetzungen ein Risiko darstellen (FH 2024b). Gegen einige Städte unter Regierungskontrolle führt al Shabaab eine Blockade durch (HRW 11.1.2024).
Die normale Bevölkerung kann sich problemlos bewegen bzw. eine Überlandreise antreten (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Researcher/STDOK/SEM 4.2023; EUAA 2.2023). Allerdings sind solche Bewegungen nicht ohne Risiko. Das diesbezügliche Risiko hat sich seit Beginn der Offensive in Zentralsomalia dort verstärkt (MBZ 6.2023; vgl. BMLV 5.11.2024) bzw. versucht al Shabaab, Spione frühzeitig zu erkennen, und agiert dabei mitunter paranoid (BMLV 5.11.2024). Trotzdem bereisen Zivilisten und Wirtschaftstreibende tagtäglich die Überlandverbindungen. Die Menschen reisen nicht uninformiert (BMLV 5.11.2024; vgl. Landinfo 28.6.2019, S. 4/7/9). Reisende und Fahrer versuchen ihre Reise nach neuesten sicherheitsrelevanten Informationen zu adaptieren Landinfo 28.6.2019, S. 4/7/9). So werden etwa Passagiere, die durch Gebiet von al Shabaab reisen, ihr Smartphone nicht mit sich führen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Generell können Menschen aber jedes Ziel in Süd-/Zentralsomalia erreichen. Um in kleinere Dörfer zu gelangen, muss meist in der nächstgelegenen Bezirkshauptstadt umgestiegen werden (Landinfo 28.6.2019, S. 4/7/9).
Überlandreisen werden bevorzugt mit Minibussen (9-Sitzer), auf Lastwägen oder aber zu Fuß unternommen. Es ist einfach, sich in Mogadischu eine solche Fahrt zu organisieren (Landinfo 28.6.2019, S. 4/7/9). Es gibt Busse z. B. nach Belet Weyne, Dhusamareb und Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Auch von Kismayo oder Middle Juba fahren Kleinbusse überall hin, auch nach Kenia und über Gebiet von al Shabaab nach Mogadischu (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Straßenzustand und Sicherheitsüberlegungen können den Zugang zu einzelnen Destinationen fallweise verunmöglichen (Landinfo 28.6.2019, S. 4/7/9). 90 % der rund 22.000 Straßenkilometer befinden sich in sehr schlechtem Zustand (TANA/ACRC 9.3.2023).
Spezifische Überlandrouten:
Baidoa - Mogadischu: Al Shabaab kontrolliert den Ort Leego an der Straße zwischen Wanla Weyne und Buur Hakaba. Damit ist die Route von Mogadischu nach Baidoa für Zwecke der Regierung geschlossen. In Bay bzw. Lower Shabelle kann es dort zu Übergriffen durch unterschiedliche Akteure kommen. Al Shabaab hat Zugriff auf die gesamte Straße, sie kontrolliert die Verbindung von Baidoa nach Buur Hakaba und weiter nach Bali Doogle. Rund um Baidoa betreibt die Gruppe Straßensperren (BMLV 5.11.2024).
Baidoa - Bakool: Der strategisch relevante Ort Goof Gaduud an der Route zwischen Baidoa und Bakool und weiter nach Luuq hat in den vergangenen Monaten mehrfach den Besitzer gewechselt und ist einer der meistumkämpften Orte Somalias. Die Verbindung von Baidoa nach Waajid befindet sich zumindest abschnittsweise unter Kontrolle von al Shabaab (BMLV 5.11.2024).
Baidoa - Luuq - Doolow (Äthiopien): Dies ist eine der am besten gesicherten Straßenabschnitte in Somalia, es handelt sich um die Hauptversorgungsroute der äthiopischen Kräfte für Baidoa und die Regionen Bay und Bakool. Im Gebiet zwischen Doolow und Luuq kommt es nur selten zu Zwischenfällen (BMLV 5.11.2024).
Mogadischu - Belet Weyne - Dhusamareb: Die Verbindung von Mogadischu nach Belet Weyne ist offen (BMLV 5.11.2024; vgl. AQ21 11.2023). Allerdings werden die ATMIS-Stützpunkte entlang dieser Straße nach und nach an die Bundesarmee übergeben oder aufgelöst, und es waren diese Stützpunkte, welche wesentlich zur Sicherheit der Route beigetragen haben (BMLV 4.7.2024). Die Route von Belet Weyne nach Dhusamareb ist weitgehend sicher (BMLV 5.11.2024).
Kismayo - Kenia: Al Shabaab kontrolliert an der Hauptversorgungsroute von Kismayo nach Dhobley (BMLV 5.11.2024). Die Gruppe verfügt an allen Ausfallstraßen aus Kismayo – sowohl in Richtung Jamaame als auch in Richtung Dhobley oder Kolbiyow – über Checkpoints (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Generell kann es an den Straßenverbindungen in der Region Lower Juba zu Übergriffen durch al Shabaab kommen (BMLV 5.11.2024).
Gedo: An den Verbindungen in Gedo südlich von Garbahaarey kann es zu Übergriffen durch al Shabaab kommen (BMLV 5.11.2024).
Bakool: In Bakool kommt es entlang der Verbindungsstraßen zwischen Waajid, Yeed und Ceel Barde nur selten zu Zwischenfällen. Die Verbindungen von und nach Xudur unterliegen wiederkehrenden Angriffen von al Shabaab. Xudur ist von al Shabaab eingekreist (BMLV 5.11.2024).
Mogadischu: Zur Bewegungsfreiheit innerhalb von Mogadischu siehe Sicherheitslage - Banadir Regional Administration.
Straßensperren von al Shabaab: Das Netzwerk an Straßensperren bzw. Checkpoints bleibt stabil, es ist auch für einen großen Teil der Einnahmen von al Shabaab verantwortlich. Die Gruppe betreibt über 100 Checkpoints in Süd-/Zentralsomalia (UNSC 10.10.2022, Abs. 41f). In ländlichen Gebieten der gesamten Südhälfte Somalias ist jederzeit auch mit spontan errichteten Checkpoints von al Shabaab zu rechnen (AA 3.6.2024). Die Gruppe kontrolliert einige der wichtigsten Versorgungsrouten (BS 2024). Außerhalb der tatsächlich von der Regierung und ihren Alliierten kontrollierten Gebieten besteht eine große Wahrscheinlichkeit, auf eine Straßensperre von al Shabaab zu stoßen, die in erster Linie auf die Einhebung von Steuern und Abgaben abzielen, und in zweiter Linie darauf, Spione zu identifizieren. Generell ist es weder Ziel von al Shabaab, Menschen am Reisen zu hindern, noch sind Reisende selbst ein Ziel (Landinfo 28.6.2019, S. 4/9f; vgl. BMLV 5.11.2024). Die Gruppe hat i.d.R. kein Interesse daran, den Verkehr lahmzulegen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Menschen können z. B. aus den Gebieten von al Shabaab in Städte reisen, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen (Landinfo 28.6.2019, S. 4/9f). Ein Bericht über die „Besteuerung“ von Straßenverkehr und Gütern an Checkpoints von al Shabaab zeigt, dass der Verkehr in Süd-/Zentralsomalia aus, in und durch das Territorium von al Shabaab möglich ist (GITOC/Bahadur 8.12.2022).
Allerdings verhält sich al Shabaab an Straßensperren unberechenbar und in Zeiten von Kampfhandlungen auch zunehmend paranoid. Menschen können nie voraussehen, wie sie dort behandelt werden. Gebühren werden eingehoben, die Identität aller Reisenden wird verifiziert. Al Shabaab kennt den Hintergrund vieler Menschen, ihr Nachrichtendienst ist effizient (BMLV 5.11.2024). Wenn also eine Person in eine solche Kontrolle gerät, und über diese Person im Rahmen der ausführlichen Netzwerke von al Shabaab eine Meldung vorliegt, dass diese Person z. B. vor ein paar Monaten negativ aufgefallen ist, dann kann dies zu Repressalien führen (ACCORD 31.5.2021, S. 40). Mitunter wurden sogar Angehörige von Soldaten der Bundesarmee an Checkpoints der Gruppe herausgefiltert (BMLV 5.11.2024). Generell ist die größte Gefahr, dass ein Reisender an einer Straßensperre für dem Feind zugehörig gehalten wird. Daher versuchen Reisende, sich unauffällig zu verhalten und keinen Verdacht zu erregen (TANA/ACRC 9.3.2023).
Angst vor al Shabaab müssen in erster Linie jene Reisenden haben, die Beamte, Politiker oder militärisches Personal sind. Sie tragen ein Risiko, entführt zu werden (MBZ 6.2023) oder befinden sich in Lebensgefahr. Dies gilt insbesondere an Straßensperren in jenen Gebieten, die nicht vollständig unter Kontrolle von al Shabaab stehen. Dort dürfen Spione standrechtlich – ohne Verfahren – exekutiert werden. In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab werden Verdächtige i.d.R. verhaftet und vor Gericht gestellt. Auch dies hat - bei einem Schuldspruch - den Tod zur Folge. Außerdem kann es Personen treffen, die von al Shabaab – etwa wegen des Mitführens von bestimmten Objekten (Smartphones, Regierungsdokumente, Symbole, die mit der Regierung assoziiert werden etc.) – als mit der Regierung in Zusammenhang stehend oder als Spione verdächtigt werden. Auch Reisende, die im Gebiet der Reisebewegung weder über Familien- noch Clanverbindungen verfügen, können von al Shabaab unter Umständen als Spione verdächtigt werden (außer sie haben einen Bürgen). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Reiseziel der Person im von al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt (Landinfo 28.6.2019, S. 4/9f/11).
Alleine die Tatsache, dass jemand in einem westlichen Land gewesen ist, stellt im Kontext mit al Shabaab an solchen Straßensperren kein Problem dar. Allerdings ruft westliches Verhalten oder westliche Kleidungsart Sanktionen hervor – etwa Auspeitschen. Reisende passen sich daher üblicherweise den Kleidungs- und Verhaltensvorschriften von al Shabaab an, um nicht herauszustechen (Landinfo 28.6.2019, S. 4/11).
Ausweichmöglichkeiten und Binnenmigration: Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen jedenfalls für einen Teil der Bevölkerung (ÖB Nairobi 10.2024). Im Fall einer nicht durch individuelle Verfolgung begründeten Flucht aus von al Shabaab kontrollierten Gebieten bieten urbane Zentren und ländliche Gebiete unter staatlicher Kontrolle relativ größere Sicherheit. Dabei ist es schwierig, relativ sichere Zufluchtsgebiete pauschal festzulegen, denn je nach Ausweichgrund und persönlichen Umständen ist eine Person möglicherweise in einem anderen Gebiet Somalias einem anderen Risiko ausgesetzt (AA 23.8.2024).
Die soziale und wirtschaftliche Integration in „clanfremden“ Gebieten kann zum Teil schwierig sein (AA 23.8.2024). Menschen aus Süd-/Zentralsomalia können sich in Somaliland und Puntland ansiedeln. Dort werden sie jedoch nur "halb" akzeptiert, in Somaliland kommen ihnen keine Staatsbürgerrechte zu (ACCORD 31.5.2021, S. 25f). Trotzdem herrscht in Somaliland und Puntland (außer in den umstrittenen Gebieten) mehr Freiheit (AA 23.8.2024). Üblicherweise genießen Somalis außerdem den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB Nairobi 10.2024). Selbst IDPs tun sich bei einer Integration leichter, wenn sie z. B. in Mogadischu über Beziehungen und Clanverbindungen verfügen. Manchmal helfen bei einer Integration auch spezielle berufliche Fähigkeiten (FIS 7.8.2020a, S. 36). Abseits somalischer Bantu (BMLV 5.11.2024) gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. In Mogadischu und anderen großen Städten ist es nicht automatisch nachvollziehbar, welchem Clan eine Person angehört (Landinfo 4.4.2016, S. 9). In Mogadischu leben Angehörige aller somalischen Clans, sie können sich dort frei bewegen, niederlassen und eine Unterkunft mieten (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. FIS 7.8.2020a, S. 39). Üblicherweise suchen Neuankömmlinge aber die Nähe ihres eigenen Clans, da sie sich dort wesentlich mehr Unterstützung erwarten (BMLV 5.11.2024).
Generell hat die Binnenmigration seit 2012 stark zugenommen, v. a. der Zuzug in urbane Gebiete. Menschen erhoffen sich in der Stadt eine bessere Zukunft und bessere Lebensbedingungen als etwa auf dem Land, wo wiederkehrende Dürren und Überschwemmungen ein nomadisches oder landwirtschaftliches Leben schwer gemacht haben (FIS 7.8.2020a, S. 36; vgl. ACCORD 31.5.2021, S. 16/24). Immer mehr Menschen flüchten und kommen nach Mogadischu (Guardian/Mohamed Ahmed 8.6.2022). [siehe dazu auch Binnenflüchtlinge (IDPs)]
Luftweg: Die sicherste Art des Reisens in Süd-/Zentralsomalia ist das Fliegen (FIS 7.8.2020a, S. 29; vgl. Landinfo 28.6.2019, S. 6f). Regierungsvertreter nutzen das Flugzeug, wo es nur geht. Von Mogadischu aus können Baidoa, Kismayo, Garoowe, Galkacyo, Bossaso, Cadaado, Guri Ceel sowie Hargeysa mit Linienflügen erreicht werden (MBZ 6.2023). Anbieter ab Mogadischu gibt es auch für Flüge nach Cabudwaaq, Belet Weyne und Dhobley (EASO 9.2021). Laut einer Quelle verfügen alle größeren Städte außer Afgooye und Balcad über Flughäfen oder Landebahnen. Die Kosten für ausgewählte Flüge von Mogadischu aus werden von einer Quelle der FFM Somalia 2023 wie folgt angegeben (in US-Dollar): Jowhar 90; Kismayo 170-190; Garoowe 190-210; Hargeysa 250. Flüge werden nicht online, sondern über Reisebüros gebucht. Laut dieser Quelle wird für einen Inlandsflug (außer Hargeysa) kein Ausweis benötigt, es kann dann aber zu einer Befragung durch Sicherheitskräfte kommen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Seeweg: Der Passagiertransport per Boot ist nicht sehr verbreitet (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Zwischen Mogadischu und Merka gibt es einen Bootsbetrieb für Passagiere. Eine Strecke kostet 30 US-Dollar (MBZ 6.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).
Ausreisekontrolle: Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somalia in die Nachbarländer findet nicht statt. Sowohl die Landgrenze als auch die Seegrenze werden weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Mogadischu, Garoowe und Bossaso durchgeführt (AA 23.8.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2024): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somaliasicherheit/203132#content_1, Zugriff 3.6.2024
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022
AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (5.11.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail
BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten
BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024
EASO - European Asylum Support Office (9.2021): Somalia – Key socio-economic indicators, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060581/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Key_socio_economic_indicators.pdf, Zugriff 17.5.2022
EUAA - European Union Agency for Asylum (2.2023): Somalia: Security Situation (February 2023), https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2023-02/2023_02_COI_Report_Somalia_Security_Situation_EN.pdf, Zugriff 2.5.2024
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FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020a): Somalia: Tiedonhankintamatka Mogadishuun maaliskuussa 2020, Mogadishun turvallisuustilanne ja humanitääriset olosuhteet, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf/f58d6cd5-271a-55fd-9b89-b3d32e4ff80b/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf?t=1596797440011, Zugriff 12.3.2024
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UNSC - United Nations Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
2.1.1. Die Feststellungen zum Namen und zum Geburtstdatum des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, wobei es sich bei dem Alias-Namen XXXX um den bei der Erstbefragung protokollierten Namen handelt (Protokoll der mV S. 4, AS 55, AS 79). Der Beschwerdeführer konnte keine Identitätsdokumente (Reisepass, Personalausweis) in Vorlage bringen, sodass lediglich eine Verfahrensidentität vorliegt. Das Datum der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich ergibt sich aus dem Akteninhalt. Der Zeitpunkt seiner Ausreise ergab sich aus seinen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben in der Erstbefragung (AS 15ff) und vor der belangten Behörde (AS 57).
2.1.2. Dass der Beschwerdeführer aus XXXX in Galgaduud stammt, ergibt sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, dort geboren zu sein (AS 13, AS 57; Protokoll der mV S. 4). Hinischtlich seines Aufenthaltsortes vor der Ausreise verstrickte sich der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens in Widersprüche: Während er gegenüber der belangten Behörde sowie zunächst auch in der mündlichen Verhandlung erklärte, sich von Geburt an bis zur Ausreise durchgehend in XXXX aufgehalten zu haben (AS 57, Protokoll der mV S. 7), schilderte er im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung plötzlich, seine Familie habe als Nomaden gelebt und keinen festen Wohnsitz gehabt. Kurz darauf gab er an, man habe sich für etwa einen Monat im Dorf XXXX aufgehalten, der feste Wohnsitz sei jedoch in XXXX gewesen. Auf weitere Nachfrage erklärte er, er habe sich für einige Monate in XXXX , in der Nähe von XXXX sowie in XXXX aufgehalten. Auf Vorhalt korrigierte er sich dahingehend, dass der Hauptwohnsitz in XXXX gelegen habe, man jedoch bei Nahrungsmittelknappheit in andere Dörfer gezogen sei (Protokoll der mV S. 10f). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer keine stringenten Angaben hinsichtlich seiner Aufenthaltsorte machte und sich hierbei in Widersprüche verwickelte, weshalb sich der Beschwerdeführer daher in diesem Kontext als persönlich unglaubwürdig erwies. Es war daher anhand seinen ersten Darstellungen vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung festzustellen, dass der Beschwerdeführer sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX verbrachte (AS 13, AS 57; Protokoll der mV S. 4). Die Feststellungen zu den Lebensumständen der Familie dort, beruhen auf den überzeugenden Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung (AS 57; Protokoll der mV S. 7).
2.1.3. Dass der Vater des Beschwerdeführers nicht gestorben ist, ergibt sich aus den unter Punkt 2.2. dargestellten Erwägungen, auf die an dieser Stelle verwiesen wird. Im Lichte des unglaubwürdigen Fluchtvorbingens (siehe dazu ebenfallss 2.2.) ist es auch unglaubwürdig, dass seine Mutter nach XXXX gezogen wäre, wie der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde wie auch vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete (AS 57; Protokoll der mV S. 7). Außerdem begab er sich hierzu auch in einen Widerspruch: Zunächst in der Einvernahme vor der belangten Behörde gab er nämlich an, seine Mutter wäre wegen der Dürre nach XXXX gegangen und dass sie dort bei Bekannten lebe (AS 61). Davon abweichend behauptete er in der Beschwerdeverhandlung, seine Mutter hätte den Heimatort verlassen müssen, weil ihr die Al Shabaab das Hab und Gut (insbesondere die Tiere) weggenommen hätte (Protokoll der mV S. 17f). Zudem behauptete der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung abweichend von seiner bisherigen Darstellung, dass seine Mutter in XXXX nicht bei Bekannten lebe, sondern gab er hier unvermittelt an, dass sie bei einer Verwandten, nämlich ihrer Cousine XXXX zweiten Grades wäre (Protokoll der mV S. 7f), später sprach er erneut von weitschichtigen Verwandten (Protokoll der mV S. 17). So unterstreichen die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zum Umzug seiner Mutter nach XXXX das Beweisergebnis zur Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens: da dieses rein gedanklich konstruiert war, fällt damit auch der in der Beschwerdeverhandlung behauptete Grund für den Umzug (Wegnahme des Hab und Guts durch die Al Shabaab) weg, dass der Beschwerdeführer sich hierzu auch sonst widersprach, zeigt auf anderen Ebenen, dass das Vorbringen zum Umzug der Mutter nicht den Tatsachen entspricht.
Dass er zu seinen Familienangehörigen im Herkunftsstaat in regelmäßigem Kontakt steht, gab der Beschwerdeführer glaubhaft vor der belangten Behörde im Februar 2024 selbst an (AS 57, dort sprach er von Anrufen ein Mal im Monat). Dass die Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers sowie deren Familie in Mogadischu lebt, gab dieser glaubhaft an, sodass dies entsprechend festgestellt wurde (Protokoll der mV S. 5f, AS 58). Die Feststellungen zu seinen übrigen Familienangehörigen in Somalia ergeben sich ebenso aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (Protokoll der mV S. 6f).
2.1.4. Die Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers konnte aufgrund seiner glaubhaften und im Verfahren gleichgebliebenen Angaben festgestellt werden (AS 56, Protokoll der mV S. 6).
2.1.5. Dass der Beschwerdeführer in Somalia eine Koranschule besuchte, ergibt sich aus seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung (Protokoll der mV S. 6). Dass er Somalisch lesen und schreiben kann, gab er selbst an (AS 9; Protokoll der mV S. 7). Dass er darüber hinaus keine Schul- und Berufsausbildung hat, war festzustellen, da er eine solche nicht vorbrachte. Die Tätigkeit in der Landwirtschaft ergibt sich aus den schlüssigen Angaben vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (AS 58f; Protokoll der mV S. 7).
2.1.6. Dass der Beschwerdeführer ledig ist und keine Kinder hat, gab er glaubhaft vor der belangten Behörde an (AS 56), ebenso in der Beschwerdeverhandlung (Protokoll der mV S. 6).
2.1.7. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (AS 55) sowie seine strafgerichtliche Unbescholtenheit in Österreich konnten aufgrund seiner glaubhaften Angaben im Verfahren und dem Auszug aus dem Strafregister (OZ 2) festgestellt werden.
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Eingangs ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zwar nunmehr volljährig ist, er jedoch im Zeitpunkt der geschilderten Ereignisse minderjährig war (AS 59). Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist daher eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich und darf die Dichte dieses Vorbringens nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Wie nachstehend dargelegt, ist jedoch das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung seiner damaligen Minderjährigkeit nicht glaubhaft und ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer deswegen in Somalia individuell und konkret aufgrund bestimmter in seiner Person gelegener Eigenschaften bedroht oder verfolgt worden ist bzw. im Fall einer Rückkehr eine solche Verfolgung zu befürchten hätte.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, insbesondere zu dem Vorfall, bei dem er selbst anwesend gewesen wäre, erwies sich insgesamt als vage. Dazu führte er vor der belangten Behörde aus, dass Ende Mai 2021, als er mit seinem Vater und den Tieren auf der Weide gewesen wäre, Al Shabaab Mitglieder zu ihnen gekommen wären und an seinen Vater herangetreten wären, um die Zahlung von Zakat sowie die Übergabe von Tieren zu verlangen. Dabei hätten Al Shabaab seinem Vater mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in sechs Monaten mitgenommen werde, da man ihn als Kämpfer benötige (AS 58). In der Beschwerdeverhandlung zur Beschreibung genau dieser Situation aufgefordert, vermochte er sich nicht einmal zu der Anzahl an Personen, die da gekommen wären, konkret zu äußern, sondern ließ er diese im Ungefähren (Protokoll der mV S: 12: „Ich habe drei Personen wahrgenommen, ob es mehr waren, kann ich nicht sagen.“). Dass der Beschwerdeführer keine genaueren Angaben dazu machen konnte, ob es sich um drei oder mehr Personen gehandelt habe, die an ihn herangetreten seien, ist vor dem Hintergrund seiner eigenen Darstellung, wonach der Vorfall mit Al Shabaab 30 Minuten gedauert hätte (Protokoll der mV S. 13), und weil es sich zudem um eine überschaubare Personenanzahl (von einigen wenigen) gehandelt hätte, die anwesend gewesen wären, nicht nachvollziehbar – vielmehr müsste der Beschwerdeführer, wenn er 30 Minuten lang diese Situation tatsächlich erlebt hätte, imstande sein, die tatsächliche und konkrete Anzahl der in dieser Situation anwesenden Al Shabaab Mitglieder zu nennen (AS 58; Protokoll der mV S. 12f). Sein Unvermögen zeigt, dass er nicht von tatsächlich Erlebtem spricht, sondern den Sachverhalt rein gedanklich konstruiert.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb Al Shabaab dem damals bereits 17-jährigen (AS 59) Beschwerdeführer – nach dessen eigenen Angaben – eine Frist von sechs Monaten eingeräumt hätte, bevor dieser sich der Gruppe anschließen hätte sollen. Der Beschwerdeführer erklärte hierzu vor der belangten Behörde, sein Vater hätte ihn in dieser Zeit „vorbereiten“ sollen (AS 58). Diese – erste – Antwort ist schon an sich unschlüssig, schließlich ist der Vater des Beschwerdeführers Viehwirt und eben kein Al Shabaab Mitglied (AS 59), sodass es schon nicht nachvollziehbar ist, inwiefern sein Vater den Beschwerdeführer für die Al Shabaab vorbereiten hätte sollen. Die (erste) Erklärung des Beschwerdeführers auf die Nachfrage, was er mit „vorbereiten“ meine, nämlich, dass sein Vater dem Beschwerdeführer hätte erklären sollen, dass er für die Al Shabaab kämpfen und ein Mitglied werden solle, ist daher wenig überzeugend. Es erschließt sich nämlich nicht, inwiefern der Vater eine Vorbereitung auf die Eingliederung in die Organisation hätte leisten können. Auf weitere Nachfragen dazu verstrickte sich der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde auch noch in einen Widerspruch, in dem er nun – genau anders gewendet – die Situation so darstellte, als wäre die sechsmonatige Frist nicht dazu gegeben worden, dass der Beschwerdeführer vom Vater auf den Einsatz bei der Al Shabaab vorbereitet worden wäre, sondern dass diese „Vorbereitungszeit“ dem Vater für dessen eigenen Belange eingeräumt worden wäre – der Beschwerdeführer behauptete nämlich sodann, dass er es so verstanden hätte, dass sein Vater wissen sollte, dass die Al Shabaab den Beschwerdeführer mitnehmen und zum Kampf ausbilden würde und sein Vater selbst damit klarkommen und nicht mehr auf den Beschwerdeführer zählen solle (AS 58, AS 59). Das Aussageverhalten des Beschwerdeführers, nämlich, dass er unschlüssige Erklärungen auf Nachfragen durch ebenso unschlüssige Erklärungen austauscht und sich damit selbst widerspricht, zeigt erneut deutlich, dass er den behaupteten Sachverhalt nur gedanklich konstruiert hat.
Nicht nachvollziehbar ist außerdem, dass der Beschwerdeführer trotz einer behaupteten Bedrohungslage bzw. einer latenten Gefahr, von der Al Shabaab rekrutiert zu werden, über mehrere Monate hinweg in seinem Herkunftsort verblieben wäre. Nach seinen Angaben hätte die Androhung durch die Al Shabaab, dass er in sechs Monaten mitgenommen würde, im Mai 2021 stattgefunden. Das Heimatdorf hätte er jedoch erst Anfang November 2021 verlassen – also genau in dem sechsten Monat nach der Androhung und in jenem Monat, in dem die Androhung schlagend geworden wäre (AS 15, 57f, 59; Protokoll der mV S. 14). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer über Monate hinweg am Heimatort geblieben wäre, wenn ihm eine Rekrutierung durch die Al Shabaab bevorgestanden hätte und es ist lebensfremd, dass er so lange zugewartet hätte, bis der „Termin“ mit der Al Shabaab beinahe eingetreten wäre, also auch darauf „vertraut“ hätte, dass diese (erst) zu dem vorhergesagten Termin (und nicht etwa bereits einige Monate oder Wochen früher) zurückgekommen wären, um ihn zu rekrutieren.
Die für den so langen Verbleib am Heimatort gebotene Erklärung des Beschwerdeführers, dass sein Vater ihn aus finanziellen Gründen nicht früher wegschicken hätte können (AS 58: „Mein Vater hatte zu diesem Zeitpunkt aber kein Geld.“), ist nicht glaubwürdig. Er erklärte, man hätte lediglich Tiere und ein Feld, auf dem Wassermelonen angebaut worden seien, besessen. Gleichzeitig gab er jedoch an, die Familie habe über zehn Kamele und 100 Ziegen verfügt, wobei ein Kamel durchschnittlich rund 500 US-Dollar wert gewesen sei. Damit verfügte der Vater des Beschwerdeführers also jedenfalls über ausreichend Vermögen, das dem Beschwerdeführer das Verlassen des Heimatortes (und auch das Verlassen Somalias) ermöglicht hätte – schließlich hätte dies durch den Verkauf einiger Nutztiere finanziert werden können. Die konkreten Ausreisekosten bezifferte der Beschwerdeführer mit EUR 3.000 (AS 19), die von seiner Tante und seiner Cousine finanziert worden wären (AS 57f; Protokoll der mV S. 14). Es ist daher offensichtlich, dass auch der Vater des Beschwerdeführers dies (zu einem viel früheren Zeitpunkt) finanzieren hätte können, sodass die Behauptung des Beschwerdeführers, dass er aus Geldmangel so lange zuhause geblieben wäre, unglaubwürdig ist. Auch auf dieser Ebene zeigt sich, dass der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbare und unglaubwürdige Angaben macht.
Außerdem steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen in unglaubwürdiger Weise: Schilderte er vor der belangten Behörde nur ein Ereignis, bei dem er persönlich mit der Al Shabaab konfrontiert gewesen wäre, behauptete er in der Beschwerdeverhandlung erstmals, dass es noch eine weitere Konfrontation gegeben hätte – nämlich im 7. oder 8. Monat des Jahres 2021, als ein Al Shabaab Mitglied mit ihm über den Jihad gesprochen und zur Teilnahme daran motiviert hätte (Protokoll der mV S. 15). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein derartiges Ereignis nicht bereits vor der belangten Behörde erwähnt hätte – die nachträgliche Steigerung seines Vorbringens unterstreicht seine Unglaubwürdigkeit.
Hinzu kommt, dass die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Rekrutierungsversuchs durch die Al Shabaab von den Länderinformationen abweichen. Diesen zufolge richtet Al Shabaab überlicherweise ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Der Beschwerdeführer behauptete jedoch, dass Al Shabaab ihn persönlich aufgesucht hätte (AS 58f). Zudem wird direkter Zwang bei einer Rekrutierung nur selten angewendet und die trägt die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung üblicherweise der Clan. Außerdem besteht die Möglichkeit des Freikaufs in Form einer Kompensationszahlung und versuchen Eltern durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (LIB, Wehrdienst und Rekrutierungen). Aus diesem Kontext heraus erweisen sich die Angaben des Beschwerdeführers daher zusätzlich als unplausibel.
Im Weiteren brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Al Shabaab den Vater des Beschwerdeführers getötet hätte, als sie gekommen wären und der Vater ihnen gesagt hätte, dass der Beschwerdeführer geflohen wäre (AS 58). Auch hierzu divergieren die Angaben des Beschwerdefürhers: brachte der vor der belangten Behörde lediglich vor, dass sein Vater von der Al Shabaab getötet worden wäre (AS 58), fügte er dem in der Beschwerdeverhandlung ein neues Sachverhaltselement hinzu, in dem er (erstmals) behauptete, sein Vater wäre von Mitgliedern der Al Shabaab mitgenommen und anschließend erschossen worden (Protokoll der mV S. 16). Auch hier zeigt das Hinzufügen neuer Sachverhaltselemente („Mitnahme“ des Vaters), dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen rein gedanklich konstruiert.
Außerdem bestehen Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers zur Frage, wann er vom Tod seines Vaters erfahren hätte. Während er in der Einvernahme vor der belangten Behörde erklärte, er hätte dies einen Tag nach dem Tod seines Vaters durch seine Tante erfahren (AS 61), gab er in der Beschwerdeverhandlung vor, seine Tante hätte die Nachricht erst etwa eine Woche nach seinem Tod erhalten (Protokoll der mV S. 10).
Der Beschwerdeführer steigerte in der Beschwerdeverhandlung sein Vorbringen auch dahingehend, dass die Al Shabaab seiner Mutter nach der Tötung seines Vaters Tiere weggenommen hätte, was er allerdings vor der belangten Behörde noch nicht erwähnt hatte, vielmehr hatte er dort angegeben, dass „sonst nichts passiert“ sei, (AS 60; Protokoll der mV S. 8, 15), was die Unglaubwürdigkeit seiner Angaben erneut unterstreicht.
Ebenfalls nicht nachvollziehbar sind die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Tante väterlicherseits in Somalia. In der Erstbefragung sowie zu Beginn der Einvernahme vor der belangten Behörde verneinte der Beschwerdeführer – abgesehen von seiner Mutter und seinem Bruder – das Vorhandensein weiterer Familienangehöriger in Somalia bzw. machte hierzu keine Angaben (AS 13, 57). Erst im weiteren Verlauf der Einvernahme brachte er vor, eine Tante väterlicherseits in Mogadischu zu haben. Diese habe aufgrund einer medizinischen Behandlung in die Türkei reisen müssen, weshalb er nach Mogadischu zwecks seiner Ausreise geschickt worden sei (AS 58). Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer diese – für den Ablauf seiner Flucht und seinen Aufenthalt in Mogadischu wesentliche – Information nicht bereits zu Beginn der Verfahren angegeben hat, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Befragung gezielt nach etwaigen Familienangehörigen in Somalia gefragt wurde (AS 57).
Ferner war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, plausibel darzulegen, weshalb seine Tante eine medizinische Behandlung in der Türkei in Anspruch genommen habe. Auf entsprechende Nachfrage erklärte er lediglich, sie habe Brustschmerzen gehabt, konnte jedoch keine genaue Diagnose benennen. Er führte lediglich aus, seine Tante habe befürchtet, an Krebs erkrankt zu sein, letztlich seien ihr jedoch lediglich Medikamente verschrieben worden. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer sich über einen Zeitraum von fünf Monaten gemeinsam mit seiner Tante in der Türkei aufgehalten hat, ist nicht glaubhaft, dass ihm nähere Informationen über die Erkrankung oder die ärztliche Diagnose gänzlich unbekannt geblieben wären (Protokoll der mV S. 9ff). Auch hinsichtlich seiner weiteren Familienangehörigen blieb der Beschwerdeführer vage. Er erklärte, er habe sich 20 Tage in Mogadischu im Haushalt seiner Tante, deren Ehemann sowie deren drei Kindern aufgehalten. Eine Tochter lebe in Saudi-Arabien. Auf die Frage der erkennenden Richterin, welche beruflichen Tätigkeiten seine Cousins- und Cousinen ausübten, machte der Beschwerdeführer zunächst keine Angaben. Erst nach Vorhalt, dass er zuvor mehrere Monate mit seiner Tante in der Türkei verbracht habe und folglich von deren beruficher Tätigkeit etwas mitbekommen habe müssen, ergänzte er, deren Söhne hätten keine festen Anstellungen gehabt, sondern am Markt als sogenannte „Träger“ gearbeitet und gelegentlich sonstige Hilfstätigkeiten verrichtet hätten. Die Tochter, die sich in Saudi-Arabien befinde, sei als Haushälterin tätig (Protokoll der mV S. 5ff). Diese zögerlichen und nachgeschobenen Ausführungen lassen den Schluss zu, dass er seine tatsächlichen familiären Verhältnisse zuerst bewusst verschleiern wollte, sodass er persönlich unglaubwürdig ist.
Dass der Beschwerdeführer sich in mehrere, teils gravierende Widersprüche hinsichtlich seines Fluchtvorbringens verstrickte, zeigt, dass der Beschwerdeführer einen recht allgemeinen Sachverhalt (geplante Rekrutierung durch Al Shabaab und Ermordung des Vaters) rein gedanklich konstruierte, und dann den zugehörigen Sachverhalt nicht stringent wiederzugeben vermochte. Es ist daher nicht nur die Ermordung des Vaters unglaubwürdig, sondern auch das gesamte der behaupteten Ermordung vorgelagerte Vorbringen des Beschwerdeführers zu einer beabsichtigten Rekrutierung seiner Person durch die Al Shabaab.
In Zusammenschau der Widersprüche und Unstimmigkeiten im Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass die vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Fluchtgründe nicht glaubhaft sind.
Da der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hat, dass er selbst von der Al Shabaab rekrutiert werden hätte sollen und sein Vater von der Al Shabaab umgebracht worden wäre oder ein sonstiges Bedrohungsszenario durch Al Shabaab vorläge, war es als Konsequenz auch unglaubwürdig, dass seine Mutter aus diesem Grund aus dem Heimatdorf geflüchtet wäre und der Vater tot wäre. Angesichts des unglaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers zu deren Schicksal (Tod/Umzug) war festzustellen, dass die Eltern nach wie vor am Heimatort leben.
2.2.2. Zwar gab der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren an, der Volksgruppe der Tumal anzugehören, er machte jedoch zu keinem Zeitpunkt im Verfahren Angaben dazu, diskriminiert worden oder Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein, die aufgrund seiner Clanzugehörigkeit gegen ihn geübt worden wären. Dem Länderinformationsblatt kann diesbezüglich auch entnommen werden, dass sich die Situation für die Gabooye bzw. Tumal im Vergleich zur Jahrtausendwende, als diese nicht einmal die Schule besuchen konnten, gebessert hat. Zudem ist insbesondere unter jungen Somali die Einstellung zu ihnen positiver geworden und mittlerweile ist es für viele Angehörige des Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Dem Länderinformationsblatt kann zudem entnommen werden, dass es keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye gibt. Berufsständische Kasten werden jedoch diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet. Zu ihrer Diskriminierung trägt dabei etwa bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und viel ärmer sind. Insgesamt ist daher die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem (LIB S. 222f). Der Beschwerdeführer machte keine Angaben, die auf eine Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit schließen lassen würden und eine solche ergibt sich wie dargelegt auch nicht aus den zitierten Länderinformationen.
Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat weder aufgrund seiner Religionszugehörigkeit noch aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Clanzugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme bzw. eine Verfolgung durch die somalischen Behörden drohen.
2.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf eine Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Darüber hinaus sind im Beschwerdeschriftsatz der Beschwerdeführerin keine Länderberichte enthalten, die den Feststellungen des erkennenden Gerichtes zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin entgegenstünden oder eine andere Beurteilung erfordern würden. Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in das Verfahren eingeführten Länderberichte blieben schlussendlich unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention – GFK, droht.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031; 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 28.11.2019, Ra 2018/19/0203) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
3.2.1. Aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen hat der Beschwerdeführer sein Vorbringen zu einer Verfolgung durch die Al Shabaab wegen einer beabsichtigten Zwangsrekrutierung, und in diesem Kontext auch die Ermordung seines Vaters nicht glaubhaft gemacht. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dazu auf die obenstehende Beweiswürdigung unter Punkt 2.2.1. verwiesen.
Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz – wie im gegenständlichen Fall – im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380). Wie in der Beweiswürdigung dargetan, ergibt sich der Schluss auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Fluchtgründe aus einer Gesamtschau seiner Angaben, zudem aus dem in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck.
Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia aus Konventionsgründen.
3.2.2. Aus den in der Beweiswürdigung dargelegten Gründen machte der Beschwerdeführer auch keine asylrelevante Verfolgung aufgrund einer Zugehörigkeit zum Clan der Tumal glaubhaft, dies war auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen nicht zu objektivieren. Auch sonst ergaben sich keine Gründe für die Annahme einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers in Somalia aus Konventionsgründen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dazu auf Punkt 2.2.2. der Beweiswürdigung verwiesen.
Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. In allgemeinen schlechten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen kann keine Verfolgung gesehen werden (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0597 unter Bezugnahme auf VwGH 24.10.1996, Zl. 95/20/0321, 0322; VwGH 17.02.1993, Zl. 92/01/0605) und ist auch eine existenzgefährdende Schlechterstellung des Beschwerdeführers aus Gründen der GFK nicht ersichtlich.
3.3. Demzufolge lässt sich eine aktuelle Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe nicht erkennen.
3.4. Aufgrund der getroffenen Feststellungen und der durchgeführten Beweiswürdigung ist die Entscheidung der belangten Behörde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zu bestätigen und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abzuweisen.
3.5. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht legte der gegenständlichen Entscheidung insbesondere folgende Rechtsprechung zugrunde: zur Notwendigkeit der Glaubhaftmachung der behaupteten Fluchtgründe (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380); zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit bzw. dem Ungenügen einer entfernten Möglichkeit einer Verfolgung (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031; 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.