JudikaturBVwG

W220 2302571-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
21. Juli 2025

Spruch

W220 2302571-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.10.2024, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 88 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, welcher im Besitz eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG („Aufenthaltsberechtigung“) ist, stellte am 04.10.2024 den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses nach § 88 Abs. 2a FPG.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 08.10.2024 gemäß § 88 Abs. 2a FPG ab, da der Beschwerdeführer über einen afghanischen Reisepass verfüge und darüber hinaus im Bundesgebiet nicht subsidiär schutzberechtigt sei.

Der Beschwerdeführer brachte am 16.10.2024 bei der belangten Behörde per E-Mail ein Schreiben ein, wonach er einen Trag auf Ausstellung eines Fremdenpasses eingebracht habe, der leider abgewiesen worden sei. Er habe seinen afghanischen Reisepass verloren und verfüge über keine Möglichkeit, bei der afghanischen Botschaft einen neuen Reisepass zu beantragen. Er verweise auf die Verlustanzeige im Anhang und bitte um Verständnis.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom 18.11.2024 trug das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer auf, sein Anbringen binnen 14 Tagen zu verbessern.

Diesem Auftrag kam die Beschwerdeseite rechtzeitig mit Schriftsatz vom 04.12.2024 nach und brachte eine Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in vollem Umfang ein. Zunächst erfolgte die Darstellung des Sachverhalts erneut und wurde in der Folge vorgebracht, dass die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt habe. Die Beschwerdeseite verwies auf die jüngste Rechtsprechung des VfGH und des EGMR. Der Beschwerdeführer habe sich bei seiner Antragstellung auf Abs. 2a des § 88 FPG gestützt. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er den falschen Absatz angekreuzt habe. Es sei daher auch zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein Fremdenpass gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG ausgestellt werden könne. Es sei bereits festgestellt worden, dass eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer auf Dauer nicht zulässig sei. Ihm sei mit 10.04.2024 eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG erteilt worden und wolle der Beschwerdeführer bald auf eine Rot-Weiß-Rot – Karte plus umsteigen. Die Ausstellung eines Fremdenpasses sei daher grundrechtlich geboten und dem Beschwerdeführer ein solcher Pass auszustellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführten Personalien; seine Identität steht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger.

Im Bundegebiet verfügt der Beschwerdeführer über den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 AsylG, gültig von 10.04.2024 bis 10.04.2025. Zuvor war der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem unstrittigen Akteninhalt und den im Akt einliegenden, aktuellen Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister sowie dem Strafregister.

Der Beschwerdeführer wies sich in der Vergangenheit mit seinem afghanischen Reisepass aus, weshalb seine Identität feststeht. Dass der Beschwerdeführer über den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ verfügt, ergibt sich insbesondere auch aus einem aktuellen Auszug aus dem Fremdenregister und der vorgelegten Kopie seines Aufenthaltstitels.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

Zum Spruchteil A)

3.2. Zu A) Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses:

Der mit „Ausstellung von Fremdenpässen“ betitelte § 88 FPG lautet:

„(1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Paßgesetzes entsprechend.“

Eingangs ist hinsichtlich des Beschwerdegegenstandes festzuhalten, dass der Beschwerdeführer dem Antragsformular zufolge zwar einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte nach § 88 Abs. 2a FPG einbrachte, doch ließ er die ergänzenden Angaben zum Fremdenpass für subsidiär Schutzberechtigte unausgefüllt. In seinem E-Mail vom 16.10.2024 führte der Beschwerdeführer sodann selbst aus, dass er einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gestellt, er seinen afghanischen Reisepass verloren habe und über keine Möglichkeit verfüge, bei der afghanischen Botschaft einen neuen Reisepass zu beantragen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Antrag einen Fremdenpass erlangen wollte, wobei es ihm nicht auf eine spezifische Rechtsgrundlage ankam. Dies ergibt sich auch neuerlich aus der Beschwerde vom 04.12.2024, wonach dem Beschwerdeführer nicht bewusst gewesen sei, dass er den falschen Absatz angekreuzt habe. Insgesamt ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens unvertreten war und auch zum Entscheidungszeitpunkt ist. Der Beschwerdeführer wollte mit seinem Antrag einen Fremdenpass erlangen, weil er seinen afghanischen Reisepass verloren hat. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der von ihm gestellte Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses auf sämtliche Absätze des § 88 FPG bezieht, weil das Ziel des Beschwerdeführers schlicht die Erlangung eines Fremdenpasses war und es ihm nicht auf eine bestimmte Rechtsgrundlage ankam.

Ziffer 1 des § 88 Abs. 1 FPG kommt in concreto nicht in Betracht, da es sich bei dem Beschwerdeführer weder um eine staatenlose noch um eine Person ungeklärter Staatsangehörigkeit handelt. Nachweise dafür, dass der Beschwerdeführer nicht mehr über die afghanische Staatsangehörigkeit verfügt, wurden nicht vorgelegt und haben sich auch sonst keine Hinweise dafür ergeben.

Gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG können Fremdenpässe ausgestellt werden für ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen. Beim Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 AsylG, in dessen Besitz der Beschwerdeführer ist, handelt es sich – entgegen der Ansicht der Beschwerdeseite – um einen bloß befristeten Aufenthaltstitel (siehe § 54 Abs. 2 AsylG), der zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit sowie unselbstständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG ist, dass beim ausländischen Staatsangehörigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) vorliegen, was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht nachgewiesen hat. Diese wären neben einer fünfjährigen Niederlassung die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung. Der Beschwerdeführer ist erst seit 2024 im Besitz des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“, weshalb er die Voraussetzung der fünfjährigen Niederlassung nicht erfüllt. Eine Ausstellung gemäß § 88 Abs. 1 Z 3 FPG ist daher ebenfalls nicht möglich.

Es wurde auch keine Auswanderungsabsicht des Beschwerdeführers für die Erfüllung der Voraussetzung nach § 88 Abs. 1 Z 4 FPG vorgebracht und ergab sich diese auch nicht im Verfahren. Der Beschwerdeführer brachte ausschließlich vor, dass er seinen afghanischen Reisepass verloren habe. Sohin mangelt es bereits an dieser genannten Voraussetzung für die Erteilung eines Fremdenpasses.

Ferner wurde eine gemäß § 88 Abs. 1 Z 5 FPG erforderliche Bestätigung des zuständigen Bundesministers oder der Landesregierung, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder Landes liege, vom Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens nicht vorgebracht und konnten auch keine Leistungen im Sinne dieser Bestimmung erkannt werden.

Eine weitere Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Interesse an der Ausstellung des Fremdenpasses kann somit aufgrund der Nichterfüllung des geforderten Personenkreises unterbleiben.

Der Beschwerdeführer ist weder staatenlos, noch ungeklärter Staatsbürgerschaft, weshalb § 88 Abs. 2 FPG nicht zur Anwendung gelangt. Da der Beschwerdeführer nicht subsidiär schutzberechtigt ist, kommt § 88 Abs. 2a FPG ebenso wenig in Betracht.

Der Beschwerdeführer ist zurzeit daran gehindert, einen Fremdenpass zu erlangen, weil er über keinen unbefristeten Aufenthaltstitel in Österreich bzw. nicht über die Voraussetzungen für die Erteilung des Titels „Daueraufenthalt – EU“ verfügt. Damit steht ihm jedoch die Erlangung eines Fremdenpasses in der Zukunft, nach Erfüllen der notwendigen Voraussetzungen für einen unbefristeten Aufenthalt in Österreich, offen und ist seine Freizügigkeitsbeschränkung daher voraussichtlich nicht dauerhaft.

Die gegenständliche Beschwerde war somit abzuweisen.

3.3. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12.11.2014, Ra 2014/20/0029, vom 02.09.2015, Ra 2014/19/0127, vom 15.03.2016, Ra 2015/19/0180, vom 18.05.2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20.06.2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für die getroffenen Feststellungen auf den Akt gestützt. Überdies wurden in der Beschwerde keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, die einer mündlichen Erörterung bedurft hätten.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (vgl. z.B. VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0149, mwN).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.