Spruch
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Bernhard KETTL, gegen Spruchpunkt III. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2025, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung den Beschluss (A) und erkennt zu Recht (B):
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unbegründet abgewiesen.
B)Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wird Folge gegeben und Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C)Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger Rumäniens, hält sich (nach einem Voraufenthalt 2013) seit 2019 in Österreich auf. Er wurde seit 2022 im Bundesgebiet mehrmals strafgerichtlich verurteilt; in einem weiteren, aktuell gegen ihn anhängigen Strafverfahren wurde für den XXXX eine Hauptverhandlung anberaumt.
Nach seiner bislang letzten Verurteilung im XXXX leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn ein und forderte ihn mit Schreiben vom XXXX .2025 auf, sich dazu zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zu seinem privat- und Familienleben zu beantworten. Der BF reagierte auf dieses Schreiben nicht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA daraufhin gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein mit drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Letzteres wurde unter Verweis auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Erwägungen damit begründet, dass die sofortige Ausreise des BF geboten sei, weil sein weiterer Aufenthalt aufgrund seiner Straffälligkeit, seines sozialen Verhaltens und der fehlenden Mitwirkung im fremdenrechtlichen Verfahren eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie für das wirtschaftliche Wohl des Landes darstelle. Er schädige den Sozialstaat und sei eine Gefahr für die Rechtsgüter Eigentum sowie körperliche Unversehrtheit.
Gegen sämtliche Spruchpunkte dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde des BF, mit der er neben der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und der Einvernahme von drei Zeugen sowie der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt, diesen ersatzlos zu beheben. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er
Seit XXXX durchgehend in Österreich lebe und hier erwerbstätig sei. Er lebe mit seiner Lebensgefährtin, die ein Kind erwarte, zusammen in einer Wohnung in XXXX . In Rumänien habe er nur seine Schwester und seine Mutter; er wäre nicht in der Lage, seine Lebensgefährtin und sein ungeborenes Kind von dort aus zu unterstützen. Seine Tochter und sein Bruder würden mit ihren Familien in Österreich leben; zu ihnen habe er seine sehr enge Bindung. Er bereue seine Straftaten und habe vor, in Zukunft in geordneten Bahnen zu leben; er stelle keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, erstere als unbegründet abzuweisen. Eine Gegenäußerung zur Beschwerde wurde erstattet.
Feststellungen:
Der BF ist ein am XXXX in der rumänischen Stadt XXXX geborener rumänischer Staatsangehöriger. Er beherrscht die rumänische Sprache.
Nach einem Aufenthalt in Österreich im Jahr 2013 hält er sich nunmehr seit 2019 in Österreich auf, weist jedoch nicht durchgehend Wohnsitzmeldungen auf. Er war im Bundesgebiet seit XXXX 2019 immer wieder (zum Teil geringfügig) unselbständig erwerbstätig, wobei seine Beschäftigungsverhältnisse durchwegs nur einige Tage bis maximal einige Monate lang dauerten und er dazwischen immer wieder Arbeitslosengeld (von XXXX .2021 bis XXXX .2022, von XXXX .2022 bis XXXX .20322, von XXXX .2022 bis XXXX .2022, von XXXX .2022 bis XXXX .2022, am XXXX . und XXXX .2023, von XXXX .2023 bis XXXX .2024, von XXXX .2024 bis XXXX .2024 sowie von XXXX .2024 bis XXXX .2024) bzw. Notstandshilfe (von XXXX .2022 bis XXXX .2022, von XXXX .2023 bis XXXX .2023 sowie von XXXX .2024 bis XXXX .2024) bezog. Am XXXX .2023 wurde ihm einen Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2022, XXXX , wurde er wegen Diebstahls und gefährlicher Drohung (§§ 127, 107 Abs 1 StGB; Datum der letzten Tat XXXX ) rechtskräftig zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die für eine zunächst dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die Probezeit wurde zuletzt auf fünf Jahre verlängert.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen Körperverletzungsdelikten (§§ 83 Abs 1 StGB, teilweise iVm § 15 StGB; Datum der letzten Tat XXXX ) zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die für eine zunächst dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Die Probezeit wurde zuletzt auf fünf Jahre verlängert.
Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen Diebstahls (§§ 15, 127 StGB; Datum der letzten Tat XXXX ) zu einer Geldstrafe verurteilt, die noch nicht vollständig bezahlt wurde.
Zuletzt wurde er mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen Hausfriedensbruchs, gefährlicher Drohung und Sachbeschädigung (§§ 15, 109 Abs 3 Z 1, 2 und 3 StGB; § 107 Abs 1 StGB; § 125 StGB; Datum der Tat XXXX ) zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein einjähriger strafteil für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der unbedingte Strafteil wurde noch nicht (vollständig) verbüßt.
Am XXXX hatte der BF in der von ihm bewohnten Wohnung in XXXX eine tätliche Auseinandersetzung mit seiner obdachlosen Freundin, einer in Österreich daueraufenthaltsberechtigten serbischen Staatsangehörigen, wobei der Verdacht wechselseitiger Körperverletzungen besteht und gegen diese ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG erlassen wurde. Aktuell ist gegen ihn ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung anhängig.
Der BF hat eine volljährige Tochter, die sich immer wieder in Österreich aufgehalten hat. Ihr aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt. Der Bruder des BF lebt mit seiner Familie seit XXXX als Arbeitnehmer in Österreich. In Rumänien leben die Schwester und die Mutter des BF.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungsrelevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten des BVwG, insbesondere aus den Sozialversicherungsdaten des BF sowie aus Abfragen im Zentralen Melderegister (ZMR), im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und im Strafregister.
Rumänischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft plausibel, zumal jedenfalls im letzten Strafverfahren ein Rumänischdolmetscher beigezogen wurde.
Der BF war laut ZMR in Österreich 2013 mit Nebenwohnsitz gemeldet, im Zeitraum XXXX 2019 bis XXXX 2020 hatte er als Obdachloser eine Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG mit einer Kontaktstelle in XXXX . Im Zeitraum XXXX 2020 bis XXXX 2021 und wieder seit XXXX 2021 ist er mit Hauptwohnsitz in verschiedenen Wohnungen in XXXX gemeldet, wobei es sich laut BFA zum Teil um Scheinmeldungen handeln soll.
Die Erwerbstätigkeit und der Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe sind im Versicherungsdatenauszug dokumentiert, die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung im IZR. Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus dem Strafregister und dem vorliegenden Strafurteil. Da im Strafregister weder der Vollzug der Geldstrafe noch des unbedingten Teils der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe eingetragen sind, ist davon auszugehen, dass diese noch nicht (vollständig) vollzogen wurden.
Die Dokumentation des Betretungsverbots und die Anzeige des BF wegen Körperverletzung betreffend den Vorfall vom XXXX liegen vor, ebenso die Ladung zur Hauptverhandlung am XXXX .
XXXX , die Freundin des BF, ist laut IZR eine in Österreich daueraufenthaltsberechtigte serbische Staatsangehörige; laut ZMR ist sie nicht an derselben Adresse wie der BF gemeldet, sondern obdachlos (Hauptwohnsitzbestätigung gemäß § 19a MeldeG mit Kontaktstelle in XXXX ). Dies ergibt sich auch aus der Dokumentation des Betretungsverbots. Aktenkundige Anhaltspunkte für die in der Beschwerde angedeutete Schwangerschaft liegen nicht vor.
Der Bruder des BF, XXXX , ist laut ZMR in Österreich seit XXXX gemeldet; laut IZR wurde ihm am XXXX eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.
Der BF behauptet in der Beschwerde, dass sich seine volljährige Tochter mit ihrer Familie ebenfalls in Österreich aufhält. Sie weist jedoch aktuell laut ZMR keine Wohnsitzmeldung auf und verfügt laut IZR auch nicht über eine Anmeldebescheinigung. Eine sichere Feststellung zu ihrem aktuellen Aufenthaltsort kann somit nicht getroffen werden. Ihr in der Beschwerde genannter Mann ( XXXX , geb. XXXX ) scheint weder im ZMR noch im IZR auf.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Als Staatsangehöriger von Rumänien ist der BF Fremder iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (soweit fallbezogen relevant) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf – insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen – einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat (vgl. VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0172). Es bedarf daher einer über die Erwägungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbots nach § 67 FPG hinausgehenden besonderen Begründung, weshalb die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Fremden während der Dauer des Beschwerdeverfahrens gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit derart, dass die sofortige Ausreise bzw. Abschiebung schon nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids erforderlich ist (vgl. VwGH 16.01.2020, Ra 2019/21/0360).
Eine solche Begründung lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde vielmehr nur mit den bereits für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Gründen, konkret mit dem strafrechtlich geahndeten Fehlverhalten des BF, begründet. Da er aktuell offenbar berufstätig ist und in geordneten Verhältnissen lebt, ist trotz der Vorstrafenbelastung und der einschlägigen Rückfälle derzeit nicht davon auszugehen, dass seine sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten ist. Dazu kommt, dass eine sofortige Aufenthaltsbeendigung angesichts des laufenden Strafverfahrens unzweckmäßig erscheint.
Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher mit Teilerkenntnis zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren.