Spruch
W165 2277618-1/3EW165 2277623-1/3EW165 2277621-1/3EW165 2277620-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK über die Beschwerden der 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, die mj Zweit- bis ViertbeschwerdeführerInnen gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen die Bescheide des Österreichischen Generalkonsulates Istanbul vom 09.06.2023, GZ: IST/2422/2022, beschlossen:
A)
Die Verfahren werden gemäß den §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG als gegenstandslos eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), und deren minderjährige Kinder (im Folgenden: BF2 - BF4), alle Staatsangehörige Syriens, brachten am 20.06.2022 schriftlich und am 18.10.2022 persönlich beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul (im Folgenden: ÖGK Istanbul), Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein.
Als Bezugsperson wurde der am 28.01.2005 geborene Sohn der BF1 (Bruder der BF2 - BF4) angegeben, dem nach Asylantragstellung vom 19.09.2021 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), vom 11.05.2022, Zl. 1285123500/211354544, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden war.
Nach Erhalt der Antragsunterlagen teilte das BFA dem ÖGK Istanbul mit Schreiben vom 24.05.2023 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status einer Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde angeführt, dass die Volljährigkeit der Bezugsperson bereits gegeben sei, sodass die Einreise des antragstellenden Elternteils mangels gesetzlicher Familieneigenschaft zu verweigern sei.
Mit Schreiben des ÖGK Istanbul vom 24.05.2023 wurde den BF die Mitteilung und die bezugnehmende Stellungnahme des BFA vom 24.05.2023 mit der Möglichkeit zur Erstattung einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt des Schreibens übermittelt (Parteiengehör).
Mit Schreiben der rechtlichen Vertretung an das ÖGK Istanbul vom 06.06.2023 gaben die BF bekannt, dass eine Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. Unter einem wurde im Hinblick darauf, dass nunmehr § 46 NAG Rechtsgrundlage für die Familienzusammenführung bilde, um Bekanntgabe eines Termins zur persönlichen Vorsprache der Familienmitglieder ersucht.
Mit Bescheiden vom 09.06.2023 wies das ÖGK Istanbul die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 mit bisheriger Begründung ab.
Gegen die Bescheide wurden am 06.07.2023 fristgerecht Beschwerden eingebracht, mit denen im Wesentlichen vorgebracht wurde, dass die Verweigerung der Familieneigenschaft aufgrund eingetretener Volljährigkeit der Bezugsperson die aktuelle unionsrechtliche wie innerstaatliche Rechtslage verkennen würde.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 22.08.2023 wurden die Beschwerden gemäß § 14 VwGVG abgewiesen.
Am 24.08.2023 brachten die BF Vorlageanträge gemäß § 15 VwGVG ein.
Mit Schreiben vom 04.09.2023, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.09.2023, wurden die Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.
Am 10.11.2023 wurden den BF Visa D zur Abholung eines Aufenthaltstitels (gültig: 16.12.2023 - 15.04.2024) erteilt.
In weiterer Folge reisten die BF in das Bundesgebiet ein und stellten laut IZR-Auszügen am 08.01.2024 Anträge auf internationalen Schutz, die derzeit noch beim BFA anhängig sind.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Einstellung der Verfahren:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht kommen. Dies grundsätzlich sowohl bei formeller Klaglosstellung wegen Beseitigung des für den Beschwerdeführer belastenden Abspruchs als auch bei materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses (Art 132 B-VG); vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren² (2018) § 28 VwGVG, Anm. 5).
Auf den gegenständlichen Sachverhalt finden diese allgemeinen Erwägungen Anwendung wie folgt:
Den BF wurde mit Bescheiden vom 09.06.2023 die Ausstellung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 verweigert. Den BF wurden am 10.11.2023 Visa D zur Abholung eines Aufenthaltstitels (gültig: 16.12.2023 - 15.04.2024) erteilt. In weiterer Folge reisten die BF in das Bundesgebiet ein und stellten am 08.01.2024 Anträge auf internationalen Schutz, die derzeit noch beim BFA anhängig sind.
Da die BF somit in Österreich Asylanträge gestellt haben, wurde der ursprünglich mit der Erteilung eines Einreisetitels angestrebte Zweck, nämlich einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, erreicht. Ein ungeachtet dessen nach wie vor bestehendes Rechtsschutzinteresse an der Erteilung eines Einreisetitels ist somit zu verneinen.
Im Sinne eines nicht mehr vorhandenen rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung waren die Verfahren als gegenstandslos einzustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im vorliegenden Fall auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diese wird durch die Erläuterungen (ErlRV 2009 BlgNR XXIV. GP, 7) gestützt, wonach eine Einstellung des Verfahrens durch Beschluss zu erfolgen hat.