JudikaturBVwG

W239 2311059-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
30. April 2025

Spruch

W239 2311059-1/5E

IM namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN, LL.M. in Zusammenhang mit den am 19.03.2025 eingebrachten Feststellungsanträgen XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, Abteilung Kinder- und Jugendhilfe, diese vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmBH, zu Recht:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2025, Zl. XXXX , wird ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet als unbegleiteter Minderjähriger am 11.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde dem Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.11.2023, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG 2005 stattgegeben und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem Antragsteller kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. Mit Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens vom 13.02.2025, zugestellt am 18.02.2025, wurde der Antragsteller seitens des BFA im Wege seiner Vertretung darüber in Kenntnis gesetzt, dass am 13.02.2025 gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein Aberkennungsverfahren hinsichtlich des Status des Asylberechtigten eingeleitet wurde, weil sich aufgrund des Regimewechsels in Syrien die Umstände bzw. Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Schutzstatus geführt hätten, wesentlich geändert hätten.

3. Am 19.03.2025 brachte der Antragsteller durch seine Vertretung Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens und auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft ein.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.03.2025, Zl. XXXX , zugestellt am 31.03.2025, wies das BFA „aufgrund der Beschwerde gegen die Erledigung vom 13.02.2025“ die „Beschwerde“ zurück.

5. Einem im Akt aufliegenden E-Mail-Verkehr zwischen der Vertretung des Antragstellers und dem BFA lässt sich entnehmen, dass die Vertretung am 01.04.2025 beim BFA nachfragte, weshalb (u.a.) im gegenständlichen Fall eine Beschwerdevorentscheidung erlassen wurde, obwohl im Verfahren keine Beschwerde eingebracht wurde, und, ob es sich hier eventuell um ein Versehen handle. Geantwortet wurde seitens des BFA, dass „die Bescheide aufgrund der jeweiligen Anträge und deren Inhalt“ erlassen wurden.

6. Am 09.04.2025 brachte die Vertretung des Antragstellers beim BFA einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Beantragt wurde, das BFA möge den Antrag vom 19.03.2025 „dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorlegen“.

Geltend gemacht wurde unrichtige rechtliche Beurteilung: Das BFA habe die gestellten Anträge unrichtigerweise als Beschwerde gegen die Mitteilung über die Einleitung des Asylaberkennungsverfahrens gewertet. Inhaltlich sei in der Beschwerdevorentscheidung in keiner Weise auf die Anträge eingegangen worden. Vielmehr habe das BFA ausgeführt, es sei in der „Beschwerde“ vorgebracht worden, dass der Einleitung des Aberkennungsverfahrens Bescheidcharakter zukomme. Dies sei in den Anträgen jedoch gar nicht argumentiert worden. Bei den vom BFA fälschlicherweise als Beschwerde gewerteten Schriftsätzen handle es sich richtigerweise – wie auch hinreichend begründet – um einerseits einen Antrag auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft und andererseits um einen Antrag auf Einstellung des Asylaberkennungsverfahrens. Über beide Anträge sei noch nicht bescheidmäßig abgesprochen worden, sie seien somit noch als unerledigt zu betrachten und es werde beantragt, diese schnellstmöglich und ohne unnötigen Aufschub zu bearbeiten.

7. Der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt langte am 15.04.2025 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Ersatzlose Behebung der Beschwerdevorentscheidung:

§ 14 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2021, lautet:

„Beschwerdevorentscheidung

§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig hat die Behörde den Parteien eine Mitteilung über die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht zuzustellen; diese Mitteilung hat den Hinweis zu enthalten, dass Schriftsätze ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht unmittelbar bei diesem einzubringen sind.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 5 Z 11, BGBl. I Nr. 138/2017)“

Schon aus dem Wortlaut des § 14 VwGVG ergibt sich, dass eine Beschwerdevorentscheidung nur „im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG“ erlassen werden kann, was voraussetzt, dass im Verfahren auch tatsächlich eine Beschwerde erhoben wurde.

Im gegenständlichen Verfahren ist es erklärter Wille des Antragstellers, Feststellungsanträge einzubringen, nicht jedoch eine Beschwerde. Dieser Wille des Antragstellers ergibt sich einerseits ganz klar aus der im Schriftsatz vom 19.03.2025 gewählten Formulierung „Anträge auf Einstellung des Aberkennungsverfahrens und auf Feststellung des (Weiter-)Bestehens der Flüchtlingseigenschaft“ (vgl. AS 171), aber auch aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 19.03.2025. Entgegen der Ansicht des BFA findet sich darin nicht die rechtliche Argumentation, dass der Mitteilung über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens vom 13.02.2025 etwa Bescheidcharakter zukomme und daher mit Beschwerde anfechtbar sei. Von daher waren die eindeutig als solche bezeichneten Feststellungsanträge auch nicht als Beschwerde umzudeuten.

Mangels Beschwerde fehlt es der vom BFA erlassenen Beschwerdevorentscheidung an einer rechtlichen Grundlage. Da nicht normiert ist, dass die Beschwerdevorentscheidung durch den Vorlageantrag außer Kraft tritt und dies offenbar vom Gesetzgeber beabsichtigt war (Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Praxiskommentar, 2. Aufl., § 14 VwGVG, E 1), ist die zu Unrecht erlassene Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, weshalb sie ersatzlos zu beheben war.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es dem im Vorlageantrag geäußerten Wunsch, das Bundesverwaltungsgericht möge nunmehr über die Anträge vom 19.03.2025 inhaltlich entscheiden, an einer rechtlichen Grundlage betreffend die Zuständigkeit. Eingebracht wurden die Anträge beim BFA; dieses hat die Anträge zu bearbeiten.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die – bisher noch unerledigten – Anträge vom 19.03.2025 am heutigem Tag dem BFA zuständigkeitshalber gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG weitergeleitet werden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil zur Lösung der Rechtsfrage, wie mit Beschwerdevorentscheidungen umzugehen ist, die erlassen wurden, ohne dass zuvor im Verfahren eine Beschwerde erhoben worden wäre, höchstgerichtliche Judikatur fehlt.