Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin DERCSALY, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 13.08.2024, Zl. 00998101/004-LPDO/2024, den Beschluss:
A) Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in den zu den Zln. Ro 2024/12/0041 und Ro 2024/12/0042 anhängigen Verfahren ausgesetzt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Mit Schreiben vom 09.07.2014 beantragte die beschwerdeführende Partei die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages und ihrer daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung unter Anrechnung von vor dem 18. Geburtstag liegenden Zeiten gemäß geltender „oberstgerichtlicher Judikatur“.
2. Die Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: die Behörde) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25.06.2015 als unzulässig zurück. Dabei führte die Behörde aus, dass das Außerkrafttreten der Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag gemäß § 175 Abs. 79 Z 3 GehG mit der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung verbunden sei, diese Bestimmungen in laufenden sowie künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht – nach zuvor erfolgter Aussetzung des Verfahrens – mit Erkenntnis vom 24.10.2016, Zl. W106 2113147-1/4E, statt und hob diesen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos auf. Dabei führte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung im Wesentlichen aus, dass die Behörde dazu verpflichtet gewesen wäre, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen.
4. Mit Schreiben vom 04.02.2020 urgierte die beschwerdeführende Partei hinsichtlich ihres o.a. Antrages.
5. Mit Schreiben vom 13.05.2020 übermittelte die Behörde der beschwerdeführenden Partei das Ergebnis der Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung iSd § 169f Abs. 1 GehG.
6. Die beschwerdeführende Partei nahm dazu mit Schreiben vom 02.11.2020 Stellung.
7. Mit Bescheid vom 03.05.2021 setzte die Behörde das Besoldungsdienstalter der beschwerdeführenden Partei gemäß § 169f Abs. 3 und 4 GehG (Spruchpunkt 1.) und den für die Verjährung des Anspruchs maßgeblichen Zeitpunkt mit 01.08.2011 (Spruchpunkt 2.) fest.
8. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei fristgerecht Beschwerde.
9. Diese Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 04.06.2021 vorgelegt.
10. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das vorliegende Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 27.07.2021 bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im zur Zl. Ra 2020/12/0068 anhängigen Verfahren aus.
11. Mit Beschluss vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006, (Ra 2020/12/0068, 0077) legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union bestimmte Fragen (betreffend die Rechtslage nach der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58, und der Dienstrechts-Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153) zur Vorabentscheidung vor.
12. Der Gerichtshof der Europäischen Union antwortete mit Urteil vom 20.04.2023, Landespolizeidirektion Niederösterreich und Finanzamt Österreich, C-650/21, auf die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Fragen dahingehend, dass die Gleichbehandlungs-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen (1.). Der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Grundrechtecharta) sind laut Gerichtshof der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag neu ermittelt werden, so dass eine Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde (2.).
13. Der Verwaltungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 18.07.2023, Ra 2020/12/0068, in der o.a. Rechtssache über die Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters unter Bezugnahme auf das angeführte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union dahingehend, dass die vom Gesetzgeber mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 gewählte Methode der Anknüpfung am altersdiskriminierend ermittelten Besoldungsdienstalter für die Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters die Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt hat.
14. Mit BGBl. I Nr. 137/2023 (Inkrafttreten mit 16.11.2023) änderte der Gesetzgeber die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 169f und 169g GehG.
15. Mit Beschluss vom 20.12.2023, Zl. W246 2243260-1, hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 03.05.2021 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück.
16. Mit dem im Spruch genannten Bescheid setzte die Behörde im fortgesetzten Verfahren das Besoldungsdienstalter der beschwerdeführenden Partei zum Ablauf des 28.02.2015 gemäß § 169f Abs. 3 und 4 GehG (6.084,3334 Tage) (Spruchpunkt 1.) sowie den Verjährungszeitpunkt des Anspruchs gemäß § 169f Abs. 6b leg.cit. (01.08.2011) (Spruchpunkt 2.) fest.
17. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei im Wege ihres Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde.
18. Diese Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt von der Behörde mit Schreiben vom 08.01.2025 vorgelegt und zunächst der Gerichtsabteilung W259 zur Bearbeitung zugewiesen. Nach erfolgter Unzuständigkeitseinrede wurde die gegenständliche Rechtsache am 07.02.2025 der Gerichtsabteilung W246 zur Bearbeitung zugewiesen.
19. Mit Schreiben vom 06.02.2025 nahm die beschwerdeführende Partei im Wege ihres Rechtsvertreters zum Verfahren Stellung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Zu A) Aussetzung des Verfahrens:
1. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 77/2023, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.
Nach § 34 Abs. 3 erster Absatz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 147/2024, (in der Folge: VwGVG) kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3 zweiter Absatz VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (s. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8).
Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleichen Rechtsfragen strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.
Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm. 14 zu § 34 VwGVG).
3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind aktuell bereits über 100 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Verfahren bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden (BVwG 31.07.2024, Zl. W122 2287930-1/5E). Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu diesem Erkenntnis die im Spruch genannten Verfahren, denen dieselbe Rechtsfrage wie dem hier vorliegenden Verfahren (konkret die Frage der Unionsrechtskonformität der nunmehr in Kraft stehenden Bestimmungen betreffend die Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung) zugrunde liegt, anhängig. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage, deren Klärung auch für das vorliegende Verfahren relevant ist, liegt bisher nicht vor.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.