JudikaturBVwG

G305 2303004-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
10. April 2025

Spruch

G305 2303004-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Haracic + Partners, Rechtsanwälte in Sarajevo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2024, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots samt Nebenentscheidungen nach einer am 04.03.2025 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge so oder kurz: BF) wurde am XXXX .2024 durch Beamte der Finanzpolizei bei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit auf einer Baustelle in XXXX betreten.

2. Am XXXX .2024 wurde er von Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen.

3. Mit Bescheid vom XXXX .2024 erging die Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Namhaftmachung eines Zustellbevollmächtigten für das Verfahren vor dem BFA.

4. Mit Schreiben vom XXXX .2024 informierte ihn das BFA, dass beabsichtigt sei, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme wider ihn zu erlassen und forderte ihn zur Stellungnahme binnen 14 Tagen auf. Der BF übermittelte per E-Mail vom XXXX .2024 eine in bosnischer Sprache verfasste Stellungnahme.

5. Mit Schreiben vom XXXX .2024 wurde der BF darüber informiert, dass gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und wurde er zur Ausreise in seien Herkunftsstaat bis XXXX .2024 aufgefordert.

6. Am XXXX .2024 reiste der BF nach Bosnien und Herzegowina aus; eine entsprechende Information langte am XXXX 2024 beim BFA ein.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass gegen den BF gemäß § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 1 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen werde (Spruchpunkt III.).

Ihre Entscheidung begründete die Behörde im Kern mit der Betretung des BF bei einer Baustellenkontrolle im Bundesgebiet und dass er mit seinem Verhalten gezeigt habe, dass er nicht gewillt sei, sich an die europäischen und österreichischen Gesetze zu halten. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein Privat- oder Familienleben im Bundesgebiet, weshalb von einer nachhaltigen Integration nicht ausgegangen werden könne. Aus diesen Gründen sei eine Rückkehrentscheidung wider ihn zu erlassen. Da er bewusst zur illegalen Arbeitsaufnahme eingereist sei und eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung von ihm ausgehe, sei ein mit zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn zu erlassen.

8. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, verband der BF mit den Anträgen, die Dauer des Einreiseverbots zu mildern, dieses auf Österreich zu beschränken oder das Einreiseverbot nach Möglichkeit aufzuheben (gemeint wohl zu beheben).

In der Begründung heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass er für das Unternehmen XXXX tätig sei und für den Zeitraum vom XXXX .2024 bis XXXX .2024 eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis für Ungarn gehabt habe. Die Aufenthaltserlaubnis gelte für seinen ständigen Aufenthalt und habe er angenommen, dass die Entsendung durch den Arbeitgeber von Ungarn nach Österreich hiermit umfasst gewesen sei. Er sei nicht freiwillig nach Österreich gereist, sondern im Auftrag seines Arbeitgebers, der sämtliche Strafen, die ausgestellt waren, beglichen habe.

9. Am XXXX .2024 brachte die belangte Behörde den Bescheid vom XXXX 2024, die dagegen erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens zur Vorlage.

10. Mit Eingabe vom XXXX 2024 übermittelte die Rechtsvertretung des BF Dokumente hinsichtlich der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis des BF in Ungarn.

11. Am 04.03.2025 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, anlässlich welcher der BF als Partei befragt wurde. Ein Behördenvertreter blieb der Verhandlung ebenso fern wie die Rechtsvertretung des BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF wurde am XXXX . XXXX in der Stadt XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Seine Muttersprache ist Bosnisch; über weitere Sprachkenntnisse verfügt er nicht.

Er ist Informatiker und als solcher seit etwa vier bis fünf Jahren im Bereich Wartung von XXXX für die Firma XXXX tätig.

1.2. Er ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen im Alter von XXXX und XXXX Jahren. Die gesamte Familie des BF lebt in Bosnien und Herzegowina.

Es bestehen keine familiären oder tiefergehenden privaten oder beruflichen Verbindungen zu Österreich.

1.3. Dem BF wurde zu keinem Zeitpunkt ein Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis für das Bundesgebiet erteilt, noch hat er einen solchen je beantragt.

1.4. Zum Zeitpunkt seiner Betretung am XXXX .2024 war er im Besitz eines ungarischen Aufenthaltstitels und einer Arbeitserlaubnis für Ungarn. Ein entsprechendes Dokument, das ihm eine Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet ermöglicht hätte, besaß er nicht. Auch derzeit ist er im Besitz eines vom XXXX .2024 bis XXXX .2016 gültigen Aufenthaltstitels für Ungarn.

1.5. Er ist im Besitz eines am XXXX ausgestellten, bis XXXX gültigen bosnischen Reisepasses zur Nummer XXXX .

1.6. Er hatte zu keinem Zeitpunkt einen Wohnsitz im Bundesgebiet, noch war er hier jemals (legal) erwerbstätig.

1.7. Am XXXX .2024 ist der BF in den Schengenraum eingereist, um zunächst in Ungarn einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Am XXXX .2024 wurde er von Beamten der Finanzpolizei bei Tätigkeiten auf einer Baustelle in XXXX betreten, ohne über die hierfür notwendigen Bewilligungen zu verfügen. Für diese Tätigkeit wurde er von seinem Arbeitgeber ausgehend von Ungarn nach Österreich geschickt, ohne dass dieser die hierfür notwendigen Bewilligungen beantragt hätte.

Nachdem er festgenommen und von Organen der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen wurde, hat er das Bundesgebiet und den Raum der Schengenstaaten am XXXX .2024 freiwillig verlassen und ist in seinen Herkunftsstaat zurückgekehrt.

Entgegen den Angaben des BFA in der Aufforderung zur Ausreise vom XXXX .2024 gab es zu diesem Zeitpunkt keine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den BF.

1.8. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Hinweise über weitere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung liegen nicht vor.

1.9. Er ist weitestgehend gesund und arbeitsfähig und steht nicht in ärztlicher Behandlung.

1.10. Er verfügt keine über die bisher festgestellten hinausgehenden tiefergehenden Bindungen zu Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des BVwG.

Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF werden anhand der konsistenten Angaben zu seiner Person im Verwaltungsakt und vor dem BVwG festgestellt. Eine Datenblattkopie seines Reisepasses liegt vor (AS 41).

Die Konstatierung zur familiären Situation des BF und seiner beruflichen Ausbildung folgen seinen Angaben vor dem BVwG (PV vom 04.03.2025, Seite 4 ff).

Mangels jeglicher Eintragungen des BF im ZMR und auch im System der Sozialversicherungsträger konnte festgestellt werden, dass er hier bisher weder über eine aufrechte Meldung verfügt hat, noch Erwerbstätigkeit war.

Der BF gab selbst an, zu keinem Zeitpunkt einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet gehabt zu haben, noch ist ein solcher oder ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im IZR dokumentiert, weshalb dementsprechende Feststellungen getroffen werden konnten.

Der für Ungarn ausgestellte Aufenthaltstitel wurde dem BVwG vorgelegt, ebenso die ihm erteilte Arbeitserlaubnis weshalb festgestellt.

Die Betretung bei einer Beschäftigung ohne dementsprechende Bewilligungen am XXXX .2024 ist durch die Dokumentation der Finanzpolizei belegt und wurde vom BF auch nicht bestritten. Dass er im Auftrag seines Arbeitgebers im Bundesgebiet war ergibt sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt, ebenso seine Einreise am XXXX .2024.

Die freiwillige Ausreise am XXXX .2024 ist im IZR dokumentiert. Dem gesamten Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, dass am XXXX .2024 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den BF bestanden hätte, vielmehr datiert erst zu diesem Tag das erste Schreiben hinsichtlich eines schriftlichen Parteiengehörs. Insgesamt war daher festzustellen, dass am XXXX .2024 eine Rückkehrentscheidung gegen den BF nicht aufrecht war.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für schwerwiegende medizinische Probleme des BF zumal er sich vor dem BVwG selbst als gesund bezeichnete; seine Arbeitsfähigkeit folgt aus seinem erwerbsfähigen Alter und der auch von ihm im Bundesgebiet ausgeübten Erwerbstätigkeit.

Im Strafregister finden sich keine Eintragungen für den BF, weshalb dessen Unbescholtenheit festgestellt werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das BVwG hat sich nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH an die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu halten (vgl. VwGH vom 27.07.2017, Ra 2016/22/0066).

3.1. Zu Spruchteil A: Stattgebung der Beschwerde

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab der Ausreise eingeleitet wurde.

Eine Rückkehrentscheidung, die in sein Privat-oder Familienleben eingreift, ist gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH vom 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist. Der BF ist als bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger Fremder iSd FPG. Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Staatsangehörige der Republik Bosnien und Herzegowina, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 4 Abs. 1 iVm Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 vom 14.11.2018 von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerkfreie Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2), oder wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen (Z 3).

In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 52 Abs. 6 FPG vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen ist. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer „Verpflichtung“ des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben (VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310). Die Frage der „Unverzüglichkeit“ stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der „Verpflichtung“ ergangen ist. Wird ihr „unverzüglich“ entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen. (VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Der dem § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) entsprechende - Gefährdungsmaßstab nach § 52 Abs. 6 FrPolG 2005 erfordert einen höheren Gefährdungsgrad als § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 („schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“). Stellen Verstöße, die nur eine Gefährdungsannahme iSd. § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 rechtfertigen, aber nicht einmal einen für die Bejahung einer Gefährdung nach § 53 Abs. 3 FrPolG 2005 ausreichenden Tatbestand dar, so gilt dies aufgrund der Abstufung der Gefährdungsmaßstäbe umso mehr für die Annahme einer Gefährdung iSd. § 67 Abs. 1 bzw. § 52 Abs. 6 FrPolG 2005. Demnach können jedenfalls im Regelfall einmalige Verstöße gegen das AuslBG keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr begründen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (VwGH vom 02.09.2021, Ra 2021/21/0103).

Zum Familienleben des BF ist auszuführen, dass sich dieses auf seinen Herkunftsstaat beschränkt und in Österreich auch kaum private Kontakte bestehen, ist der BF doch im XXXX erstmalig nach Österreich zur Arbeitsaufnahme eingereist. Eine tiefergehende soziale Integration, die sich auch in Form einer sprachlichen Entwicklung der Deutschkenntnisse manifestiert, ist nicht geschehen.

Der BF reiste am XXXX .2024 in den Schengenraum ein und hielt sich bis zu seiner freiwilligen Ausreise am XXXX .2024 in Österreich auf. Da er einer Erwerbstätigkeit in Österreich nachging, ohne im Besitz eines dafür notwendigen Rechtstitels zu sein, galt sein Aufenthalt in Österreich somit als unrechtmäßig.

§ 52 Abs. 6 FPG normiert, dass ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger, welcher im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben hat. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 leg. cit., zu erlassen. Nach der Rechtsprechung des VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0234, Rz. 14f, ist ein Fremder zuerst nachweislich zum Verlassen des Bundesgebietes aufzufordern. Erst wenn dieser Aufforderung nicht Rechnung getragen wird, könnte eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 leg. cit. erlassen werden, es sei denn die sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Im Sinne der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des VwGH sind nach Erlassung des Bescheides eingetretene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen. Der gegenständlichen Entscheidung ist somit die zum Entscheidungszeitpunkt des BVwG bestehende Sach- und Rechtlage zu Grunde zu legen. Bezogen auf den zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF aufgrund der Tatsache, dass er nunmehr über einen gültigen Aufenthaltstitel von Ungarn verfügt (wie auch bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheids), aus formalen Gründen als unzulässig erweist. Daher tritt der formale Umstand ein, dass der BF zuerst gemäß § 52 Abs. 6 FPG nachweislich zum Verlassen des Bundesgebietes aufzufordern wäre und erst nach seiner Weigerung, das Bundesgebiet zu verlassen und nach Ungarn auszureisen, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG ergehen könnte. Die einstweilen erfolgte Ausreise des BF ist dabei, im Sinne der zitierten Judikatur des VwGH zu Ra 2017/21/0234, unerheblich. Eine solche Aufforderung hätte auch von Seiten der belangten Behörde bereits im XXXX 2024 erfolgen müssen. Ob des damals vorliegenden Sachverhalts und der Information durch den BF, er sei in Ungarn berechtigt zu arbeiten, hätte die belangte Behörde bereits zum damaligen Zeitpunkt ermitteln müssen, ob er in Ungarn aufenthaltsberechtigt war.

Auch eine verfahrensrelevante Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit iSd § 52 Abs. 6 FPG liegt nicht vor: In Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH zu Ra 2021/21/0103 bedingt eine einmalige Betretung des BF bei einer Tätigkeit, die in Verstoß gegen das AuslBG ausgeübt wird, den für die Erfüllung des in § 52 Abs. 6 FPG für die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise geforderten Gefährdungsmaßstab nicht. Weitere gefährdungsbegründende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verhängte Rückkehrentscheidung ist daher schon deswegen ersatzlos zu beheben, weil diese auf der Basis der nunmehr vorliegenden Sachlage nicht hätte ergehen dürfen. Zumal die Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung, sowie die in den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides (Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise und Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes) erfolgten Aussprüche untrennbar mit der Rückkehrentscheidung verbunden sind, sind auch diese ersatzlos zu beheben.

3.2. Zu Spruchteil B: Unzulässigkeit der Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Einreiseverboten und zur Interessensabwägung gemäß § 9 BFA-VG ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.