JudikaturBVwG

W128 2280076-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
25. März 2025

Spruch

W128 2280076-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael FUCHS-ROBETIN über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Mag. Wolfgang LACKNER, Rechtsanwalt in 4020 Linz, gegen den Bescheid des Vizerektors für Lehre und Studierende an der Johannes Kepler Universität Linz vom 22.05.2023, Zl. JKU-0003/2023/MH, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2024 und am 30.01.2025, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides zu lauten haben:

„1.) Die Beurteilung der Dissertation von Mag. Dr. XXXX mit dem Titel ‚Voraussetzungen und Institutionalisierung sozioökonomischer Kooperation zur Prävention von Geldwäsche‘, beurteilt am 21.01.2005, wird gemäß § 73 Abs. 1 Z 2 Universitätsgesetz 2002 (UG) i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024 i.V.m. § 2a Abs. 3 Z 4 Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS-QSG) i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024 für nichtig erklärt.

2.) Der Bescheid vom 23.02.2005, mit welchem Mag. Dr. XXXX der akademische Grad ‚Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. soc. oec.)‘ verliehen wurde, wird gemäß § 89 Abs. 1 lit. c UG i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024 aufgehoben und eingezogen. Mag. Dr. XXXX hat den Verleihungsbescheid sowie das Abschlusszeugnis beim Vizerektor für Lehre und Studierende im Wege über die Abteilung Prüfungs- und Anerkennungsservice, p.A. Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz, bis spätestens vier Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides abzugeben.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 13.09.2021 übermittelte Dr. XXXX der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) ein Gutachten (Gutachten XXXX ), in welchem er Plagiatsvorwürfe betreffend der vom Beschwerdeführer gemeinsam mit XXXX verfassten Dissertation zum Thema „Voraussetzungen und Institutionalisierung sozioökonomischer Kooperation zur Prävention von Geldwäsche“ aus dem Jahr 2005 erhob.

2. Mit Schreiben vom 30.09.2021 informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer und die beiden Begutachter der Dissertation, em. Univ.-Prof. Dr. XXXX (Erstbegutachter) und ao. Univ.-Prof. i.R. Dr. XXXX (Zweitbegutachter), über die Plagiatsvorwürfe. Weiters informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer darüber, dass beabsichtigt sei, ein Gutachten der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) einzuholen und gewährte ihm eine Frist zur Stellungnahme.

3. In seiner Stellungnahme vom 06.10.2021 führte der Zweitbegutachter zusammengefasst aus, dass sich seine Begutachtung vor allem auf die in der Dissertation behandelten verschiedenen soziologischen Theorien (wie etwa die Konflikttheorie und die Spieltheorie) bezogen habe. Bei der damaligen Begutachtung sei es schwierig bis unmöglich gewesen, die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis hinsichtlich des Vorliegens von Plagiaten zu überprüfen. Im Gutachten XXXX werde zweifelsfrei nachgewiesen, dass in großem Umfang und gerade bei thematisch wichtigen Abschnitten der Dissertation aus nicht in der Dissertation genannten Quellen wörtlich abgeschrieben worden sei. In Kenntnis dieser Plagiate hätte er die Dissertation niemals positiv beurteilt. Die Plagiate seien gerade in den Teilen der Dissertation zu finden, welche für den Inhalt und die wissenschaftliche Qualität der Arbeit zentral seien.

4. Der Erstbegutachter wies in seiner Stellungnahme vom 29.10.2021 darauf hin, dass eine Plagiatsprüfung zur damaligen Zeit nicht einfach durchgeführt hätte werden können und er bei den Besprechungen über den Dissertationsfortschritt mit dem Beschwerdeführer und XXXX den Eindruck gehabt habe, dass die empirischen Untersuchungen eigenständig durchgeführt worden seien.

5. In seiner Stellungnahme vom 13.12.2021, welcher er ein Gutachten zu den Plagiatsvorwürfen von em. Univ.-Prof. Dr. XXXX (Privatgutachter) vom 10. Dezember 2021 (Privatgutachten I) beilegte, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus:

Der Privatgutachter gelange in seinem vorgelegten Gutachten noch zu weiterem Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer müsse die Richtigkeit der Gutachtensergebnisse des Privatgutachters vollinhaltlich bestätigen und zur Kenntnis nehmen, dass er „durch die nicht-gekennzeichnete Übernahme von geistigen Leistungen Dritter in erheblichem Ausmaß eine nicht vorhandene wissenschaftliche Leistung erschlichen habe“. Es sei ihm klar, dass er unter diesen Voraussetzungen den Doktorgrad nicht mehr länger führen könne. Die maßgeblichen Umstände für sein Verhalten seien zwar „subjektiv entschuldbar“, aber für die rechtliche Beurteilung irrelevant. Wenn ihm dies möglich wäre, würde er seinen akademischen Grad „aus freien Stücken“ zurücklegen.

Aus dem Gutachten des Privatgutachters gehe unter anderem hervor, dass der Beschwerdeführer „jedenfalls (vorsätzlich) Daten und Ergebnisse für einen werkprägenden Teil der Dissertation erfunden bzw. gefälscht“ habe. So lasse die Übernahme der Ergebnisse quantitativer Interviews aus ausschließlich einer anderen Quelle vermuten, dass „diese qualitativen Interviews im Zusammenhang mit der gegenständlichen Dissertation entweder […] nicht berücksichtigt worden sind oder – was sehr wahrscheinlich ist – niemals stattgefunden haben“.

Der Beschwerdeführer rege daher die Aufhebung bzw. Einziehung des Verleihungsbescheides und die Nichtigerklärung des von ihm verfassten Teils der Dissertation an.

6. Mit Schreiben vom 31.01.2023 gewährte die belangte Behörde dem Erst- und Zweitbegutachter (jeweils) nochmals die Möglichkeit, Stellung zu den Plagiatsvorwürfen zu nehmen.

7. Mit Schreiben vom 01.02.2023 und vom 02.03.2023 teilten der Erst- und Zweitbegutachter der belangten Behörde zusammengefasst mit, dass die Arbeit des Beschwerdeführers „in Kenntnis der vorliegenden Plagiate […] eindeutig weniger günstig beurteilt worden“ wäre. Der Erstbegutachter führte darüber hinaus aus, dass „es bei der Note Gen4 geblieben“ wäre, wenn die „plagiierten Passagen korrekt zitiert“ worden wären.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 12.04.2023 hielt der Zweitbegutachter hingegen fest, dass die Arbeit des Beschwerdeführers „auch bei korrekter Zitation der plagiierten Textpassagen […] eindeutig weniger günstig beurteilt worden“ wäre.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Beurteilung der Dissertation gemäß § 74 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG) i.d.F. BGBl. I Nr. 120/2002 für nichtig (Spruchpunkt 1.). Weiters hob sie den Bescheid vom 23.02.2005, mit welchem dem Beschwerdeführer der akademische Grad „Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. soc. oec.)“ verliehen wurde, gemäß § 89 UG i.d.F. BGBl. I Nr. 120/2002 auf, zog diesen Bescheid ein und hielt fest, dass der Beschwerdeführer den Verleihungsbescheid bis spätestens vier Wochen nach Zustellung des (angefochtenen) Bescheides bei der belangten Behörde abzugeben habe (Spruchpunkt 2.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Der Beschwerdeführer habe wesentliche Textpassagen seines Beitrags zur Dissertation ohne Kenntlichmachung aus diversen Quellen wörtlich bzw. mit vereinzelten Anpassungen in Täuschungsabsicht übernommen. Die Täuschungsabsicht ergebe sich bereits aus der Qualität und Quantität der festgestellten Plagiate, da irrtümliche Textübernahmen in diesem Umfang lebensfremd seien. Zumal der Beschwerdeführer in Teilen der Dissertation korrekt zitiert habe, weshalb nicht von einem Unverständnis hinsichtlich der wissenschaftlichen Zitierweise auszugehen sei.

Der Beschwerdeführer habe eine eigene wissenschaftliche Leistung vorgetäuscht, weil er den Anschein erweckt habe, Interviews durchgeführt zu haben. Auch habe der Beschwerdeführer davon ausgehen müssen, dass die Dissertation bei entsprechenden Hinweisen weniger günstig beurteilt worden wäre. Eine Wesentlichkeit hinsichtlich der Quelle von Sandra LASSNIG sei bereits aufgrund des Umfangs der übernommenen Textstellen (auf 39 dem Beschwerdeführer zuzuordnenden Seiten der Dissertation) gegeben. Überdies habe sich die vom Beschwerdeführer vorgenommene Täuschungshandlung insofern tatsächlich auf die Notengebung ausgewirkt, weil er vom Zweitbegutachter bei Kenntlichmachung der übernommenen Passagen weniger günstig beurteilt worden wäre. Selbst wenn der Erstbegutachter bei seiner Beurteilung geblieben wäre, wäre die Begutachtung durch eine dritte Person erforderlich gewesen. Somit hätte die Täuschungshandlung jedenfalls eine Auswirkung auf das Prozedere der konkreten Notengebung gehabt.

Der Beschwerdeführer habe daher wesentliche Abschnitte seines Teils der Dissertation ohne Kenntlichmachung der Quellen in Täuschungsabsicht abgeschrieben, bzw. Daten und Ergebnisse als eigene wissenschaftliche Leistung vorgetäuscht, und damit die Beurteilung der Dissertation erschlichen. Weil dadurch der Nachweis der Befähigung zur selbständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen – als zentrale Leistung des Doktoratsstudiums – durch eine positiv beurteilte Dissertation nicht mehr gegeben sei, sei auch die Verleihung des akademischen Grades aufzuheben.

9. Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in welcher er zusammengefasst vorbrachte:

Dem Erstbegutachter sei ein Rohentwurf mit der Bitte um kritische Durchsicht übergeben worden. Daraufhin habe der Erstbegutachter umfangreiche Änderungen bezüglich der Gliederung und der Zuteilung einzelner Passagen auf andere Kapitel vorgeschlagen. Im Hinblick auf die in wenigen Monaten zu erfolgende Abgabe sei der Beschwerdeführer unter Zeitdruck gestanden. Dabei sei es offensichtlich zu von ihm „nicht beabsichtigten […] Ungenauigkeiten“ gekommen, die dazu geführt hätten, dass er „einzelne übernommene Textstellen in der überarbeiteten Version nicht ausgewiesen habe“. Nach dem damaligen Rechtsverständnis habe ein Plagiat nur dann vorgelegen, wenn „jeglicher Hinweis auf das übernommene Werk“ gefehlt hätte.

10. Mit Schreiben vom 26.08.2024 ersuchte der Beschwerdeführer aufgrund eines Wechsels des rechtsfreundlichen Vertreters um Vertagung der für den 10.09.2024 anberaumten mündlichen Verhandlung.

11. Mit Schreiben vom 17.10.2024 beantragte der Beschwerdeführer eine Erstreckung der Frist für eine Stellungnahme um drei Monate und führte zusammengefasst aus:

Von der belangten Behörde sei im gesamten Verfahren nicht aufgearbeitet worden, welcher Teil der Dissertation von XXXX und welcher vom Beschwerdeführer verfasst worden sei. Somit sei Grundlage für die eingeholten Beweise eine „unrichtige Kapitelzuordnung“. Im gegenständlichen Verfahren müsse die tatsächliche wissenschaftliche Leistung des Beschwerdeführers und nicht „eine nachträglich grob und unrichtig vorgenommene Kapitelzuordnung“ herangezogen werden. Zudem seien die heute bekannten Standards guter wissenschaftlicher Praxis zum Zeitpunkt der Dissertationserstellung „kein Thema“ gewesen, weshalb der Beschwerdeführer keinen Vorsatz und keine wie immer geartete Absicht eines Vortäuschens bzw. Erschleichens eingestehen könne.

12. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 28.10.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht das gegenständliche Beschwerdeverfahren zur Erleichterung der weiteren Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Beschwerdeverfahren zur Zl. W227 2280011-1 zusammen.

13. Am 03.12.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, welcher der Beschwerdeführer fernblieb und in welcher die Sach- und Rechtslage erörtert wurde. Im Zuge dieser Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aufgetragen, die tatsächliche Kapiteleinteilung zu konkretisieren.

14. Mit Schreiben vom 22.01.2025 übermittelte der Beschwerdeführer eine „Eidesstattliche Erklärung“ vom 21.01.2025, wonach er die Themen „Geldwäsche“ und „Praxisteil Befragungen“ übernommen habe. Er habe keinen Vorsatz gehabt, durch das Unterlassen von erforderlichen Verweisen eine bessere Beurteilung der Dissertation zu erhalten. Ihm könne allenfalls schlampiges Zitieren unterstellt werden. Die im Gutachten XXXX in den Fragmenten 1 bis 4, 10 bis 13, sowie 80 und 81 angeführten Textpassagen würden vom Beschwerdeführer und nicht von XXXX stammen. Weiters verzichte der Beschwerdeführer auf die Parteieneinvernahme.

Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, dass er auf eine Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichte. Zudem rege er an, das Bundesverwaltungsgericht möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung der Formulierung „in einer Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit […] der Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit“ in § 89 Abs. 2 UG i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024 beantragen.

15. In der fortgesetzten Verhandlung am 30.01.2025, welcher der Beschwerdeführer trotz Ladung (ebenfalls) fernblieb, wurden ein Gutachter der ÖAWI, die beiden Begutachter und der Privatgutachter als Zeugen befragt.

16. Am 13.02.2025 erstattete der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme, in welcher er zusammengefasst ausführte, dass sich die Beurteilungsmaßstäbe der beiden Begutachter sowie der Gutachter im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich der Relevanz der konkreten Textübereinstimmungen und deren Einfluss auf die Beurteilung deutlich unterscheiden würden. Ursache dafür sei, dass vor 20 Jahren andere Beurteilungsmaßstäbe gegolten hätten und sich diese in Deutschland und Österreich unterscheiden würden.

Für den Zweitbegutachter habe die seitenlange wortidente Textübernahme von Ulrike SUENDORF keine große Bedeutung gehabt, da es für ihn ausgereicht hätte, wenn die Quelle zitiert worden wäre. Ebenso habe der Erstbegutachter angegeben, dass die Dissertation bei korrekter Zitation weiterhin positiv beurteilt worden wäre. So habe der Erstbegutachter die Dissertation als Literaturarbeit angesehen, weshalb die Zitation weiterer Quellen keine schlechtere Note rechtfertigen würde.

Überdies sei eine „strenge Kapitelaufteilung“ vom Zweitbegutachter nicht verlangt worden, da dieser die Dissertation als „gemeinsame Arbeit“ angesehen habe. Für den Erstbegutachter sei die Kapitelaufteilung ebenfalls „nicht von Relevanz“ gewesen. Die Qualität der Dissertation entspreche „den Standards und der damals üblichen Praxis von positiven Dissertationen externer Dissertanten“. Zum damaligen Zeitpunkt habe ein „lockerer Umgang mit Zitierregeln und das Weglassen von Anführungszeichen der üblichen Praxis am gegenständlichen Institut“ entsprochen. Da bei der Dissertation über Seiten hinweg keine oder nur eine Quelle angeführt worden sei, sei augenscheinlich gewesen, dass Quellenangaben gefehlt hätten. Auch dass 20 Quellen im Literaturverzeichnis nicht aufscheinen würden, sei für die beiden Begutachter bei der Beurteilung der Dissertation nicht von Relevanz gewesen. Die thematische Idee und die Zusammenstellung wesentlicher Literatur hätten den Ausschlag für die Beurteilung gegeben. Wenn diese Mängel bei der Beurteilung tatsächlich von Relevanz gewesen wären, hätten diese den beiden Begutachtern auffallen müssen. Da sie die Dissertation dennoch beurteilt hätten, sei ihnen allenfalls eine Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen, was jedoch eine Aberkennung ausschließe.

17. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom 04.03.2025 trennte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeverfahren wieder voneinander und berichtigte die Verhandlungsniederschrift vom 30.01.2025 (VHS).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer absolvierte vom Sommersemester 2002 bis zum Wintersemester 2004/2005 das Doktoratsstudium „Sozial- und Wirtschaftswissenschaften“ an der JKU. Im Rahmen dieses Doktoratsstudiums verfasste der Beschwerdeführer gemeinsam mit XXXX eine Dissertation zum Thema „Voraussetzungen und Institutionalisierung sozioökonomischer Kooperation zur Prävention von Geldwäsche“. Diese Dissertation wurde am 21.01.2005 von den beiden Begutachtern (jeweils) mit „Genügend“ beurteilt. Am 23.02.2005 wurde dem Beschwerdeführer der akademische Grad „Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. soc. oec.)“ verliehen.

Auf Seite 3 der Dissertation findet sich folgende (unter anderem) vom Beschwerdeführer unterzeichnete eidesstattliche Erklärung vom Jänner 2005:

„Wir erklären an Eides statt, dass wir die vorliegende Dissertation selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht verwendet und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen deutlich als solche kenntlich gemacht haben.“

Darunter findet sich zur „Aufteilung der Arbeit“ folgender Absatz:

„Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeit von zwei Personen verfasst wurde ist – soweit als möglich – eine eindeutige Aufteilung vorzunehmen. Folgende Kapitel wurden von Mag. XXXX erstellt: 1, 2, 3, 8, 10 und 14. Die Kapitel 4, 5, 6, 7, 9, 11, 12, 13 und 15 von Mag. XXXX .“

Textpassagen auf den Seiten 176 bis 178, 182 bis 188 und 193 bis 196 in Kapitel 6 der Dissertation sowie auf den Seiten 205 bis 226 und 233 bis 237 in Kapitel 7 der Dissertation übernahm der Beschwerdeführer nahezu wortident aus der Diplomarbeit „Die Bekämpfung der Korruption und Geldwäscherei auf nationaler und internationaler Ebene“ von Sandra LASSNIG aus dem Jahr 2002. Jedoch wies der Beschwerdeführer auf diese Quelle weder auf den betreffenden Seiten, noch im Literaturverzeichnis der Dissertation hin. Vielmehr findet sich in der gesamten Dissertation kein Hinweis auf diese Diplomarbeit.

Auf Seite 18 der Dissertation findet sich folgender Absatz:

„Um unsere Hypothesen nicht nur theoretisch zu fundieren, wurden im Rahmen von Problem zentrierten [sic!] Experteninterviews,8 Fachkenner dieser ‚Branche‘ interviewt, um ihr Meinung bezüglich genügend Kooperation zu hören. Die Ergebnisse dieser Gespräche, die anhand eines lnterviewleitfadens methodisch ausgewertet werden, werden ebenfalls Inhalt des Kapitels 7 sein. Zu diesem Zweck wurden sieben Experten befragt (z.B. Justizministerium, Österreichische Nationalbank, Bankenaufsicht, Geldwäschebeauftragte der Banken, Bundeskriminalamt und Kammer der Wirtschaftstreuhänder)9.“

Textpassagen auf den Seiten 270 bis 275 in Kapitel 7 der Dissertation übernahm der Beschwerdeführer teilweise nahezu wortident, teilweise paraphrasiert aus dem Werk „Geldwäsche: Eine kriminologische Untersuchung“ von Ulrike SUENDORF aus dem Jahr 2001. Jedoch wies der Beschwerdeführer auf diese Quelle weder auf den betreffenden Seiten, noch im Literaturverzeichnis der Dissertation hin. Vielmehr findet sich in der gesamten Dissertation kein Hinweis auf dieses Werk.

Der Beschwerdeführer wies auf die genannten Quellen nicht hin, um die beiden Begutachter über seine – tatsächlich nicht erbrachte – wissenschaftliche Leistung zu täuschen und dadurch eine bessere (bzw. überhaupt positive) Beurteilung zu erlangen.

Bei – dem Umfang der Textübernahmen – entsprechenden Hinweisen in der Dissertation hätte der Beschwerdeführer mit einer weniger günstigen bzw. negativen Beurteilung zu rechnen gehabt.

Die ÖAWI ist ein Verein, dessen Zweck es ist, die Wissenschaft und Forschung durch die Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis zu fördern; die Methodik der Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis zu erforschen und zu dokumentieren; durch die Kommission für wissenschaftliche Integrität unabhängige Untersuchungsverfahren zu gewährleisten; die Grundsätze der wissenschaftlichen Integrität in der öffentlichen Diskussion zu verankern und zu verteidigen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur (ursprünglichen) Beurteilung der Dissertation, zur Absolvierung des Doktoratsstudiums und zur Verleihung des akademischen Grades ergeben sich aus der Aktenlage und sind unstrittig.

2.2. Vorab ist bezüglich der ÖAWI festzuhalten:

Der Vereinszweck der ÖAWI ergibt sich aus § 2 ihrer Statuten (vgl. https://oeawi.at/wp-content/uploads/2019/04/2024_Statuten_OeAWI-1.pdf, abgerufen am 20.03.2025).

Angesichts der Mitglieder – 32 österreichische (Privat-)Universitäten – und der Zusammensetzung des Vorstandes der ÖAWI, welcher derzeit aus dem Präsidenten des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, VertreterInnen der Österreichischen Universitätenkonferenz, der Akademie der Wissenschaften, des Austrian Institute of Technology, der Universität Wien und der Medizinischen Universität Innsbruck zusammengesetzt ist, ist von einer Vertrauenswürdigkeit der ÖAWI auszugehen.

Der von der ÖAWI beauftragte Ersteller eines fünfseitigen Gutachtens zu dem von XXXX verfassten Teil der Dissertation (Gutachten ÖAWI), Univ.-Prof. Dr. XXXX , welcher als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2025 befragt wurde, legte nachvollziehbar dar, dass keine Befangenheit hinsichtlich des Beschwerdeführers vorliege (vgl. VHS, Seite 7). Auch konnte der Beschwerdeführer keinerlei Gründe glaubhaft machen, die für eine Befangenheit des Zeugen sprechen würden. Da der Zeuge einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftspolitik, an der XXXX innehat (vgl. VHS, Seite 8 sowie XXXX , abgerufen am 20.03.2025), ist auch seine Befähigung zur Beurteilung der gegenständlichen Dissertation unzweifelhaft. Weiters erstattete der Beschwerdeführer keinerlei (substantiiertes) Vorbringen, welches die fachliche Kompetenz des Zeugen in Zweifel ziehen könnte.

2.3. Zu den nicht zitierten Textübernahmen:

Die Feststellungen zu den Textübernahmen auf den Seiten 176 bis 178, 182 bis 188, 193 bis 196, 205 bis 226 und 233 bis 237 der Dissertation ergeben sich aus den Fragmenten 31 bis 71 des Gutachtens XXXX und deren Abgleich mit der Dissertation (vgl. Dissertation in ON 4.1.1. des Verwaltungsaktes). So sind die betreffenden Textpassagen in der Dissertation, abgesehen von einzelnen Ausnahmen (wie etwa „Zudem“ statt „Außerdem“ auf Seite 178, der Verwendung von Wertangaben in „€“ statt „ATS“ etwa auf Seite 220 oder Formulierungen im Indikativ statt im Konjunktiv auf Seite 235), nahezu wortident mit den Ausführungen auf den Seiten 69 bis 106 der Diplomarbeit „Die Bekämpfung der Korruption und Geldwäscherei auf nationaler und internationaler Ebene“ von Sandra LASSNIG aus dem Jahr 2002.

Die Feststellungen zu den Textübernahmen auf den Seiten 270 bis 275 der Dissertation ergeben sich aus den Fragmenten 73 bis 78 des Gutachtens XXXX und deren Abgleich mit der Dissertation (vgl. Dissertation in ON 4.1.1. des Verwaltungsaktes). So sind die betreffenden Textpassagen in der Dissertation hinsichtlich der Wortwahl und des Inhaltes absatz- bzw. seitenweise sehr nahe an Ausführungen auf den Seiten 374 bis 376, 378 bis 382, 402 und 403 des Werkes „Geldwäsche: Eine kriminologische Untersuchung“ von Ulrike SUENDORF aus dem Jahr 2001.

Dass die genannten Quellen in der Dissertation nicht aufscheinen, ergibt sich aus der Durchsicht der Dissertation durch den erkennenden Richter (vgl. Dissertation in ON 4.1.1. des Verwaltungsaktes). Zudem fallen diese Textstellen, wie auf Seite 3 der Dissertation angegeben, in den vom Beschwerdeführer verantworteten Teil der Dissertation, was der Beschwerdeführer, ebenso wie die Übernahme der festgestellten Textstellen, auch nicht bestritt. Vielmehr gab der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme vom 13.12.2021 an, „durch die nicht-gekennzeichnete Übernahme von geistigen Leistungen Dritter in erheblichem Ausmaß eine nicht vorhandene wissenschaftliche Leistung erschlichen“ zu haben. Überdies führte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2025 aus, dass der Beschwerdeführer „unter zeitlichen Druck geraten [ist], seine Interviews fertigzustellen und in dieser Situation hat er die Abkürzung genommen, diese Interviews offenbar jedenfalls zum Teil aus dieser Quelle [gemeint: Ulrike SUENDORF] zu übernehmen“ (siehe VHS, Seite 5).

Unter Berücksichtigung dieser Angaben und des vom Privatgutachter im Gutachten vom 10.12.2021 auf Seite 22 gezogenen Schlusses, die „Übernahme der Ergebnisse quantitativer Interviews aus ausschließlich einer anderen Quelle (Suendorf) lässt vermuten, dass diese qualitativen Interviews im Zusammenhang mit der gegenständlichen Dissertation entweder von Herrn XXXX nicht berücksichtigt worden sind oder – was sehr wahrscheinlich ist – niemals stattgefunden haben. Hätten diese qualitativen Interviews nämlich tatsächlich stattgefunden, so hätten sich daraus zweifellos ‚mehr Seiten‘ (quantitativ) für die Dissertation gewinnen lassen“, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die „Experteninterviews“ gar nicht durchgeführt hat.

Da die festgestellten Textübernahmen somit unzweifelhaft sind, erübrigt sich auch die beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens (vgl. VHS, Seite 38).

2.4. Zur Täuschungsabsicht:

Angesichts der eidesstattlichen Erklärung auf Seite 3 der Dissertation, der absatzweisen Textübernahmen aus nicht angeführten Quellen, der korrekten Hinweise auf verwendete Quellen in anderen Teilen der Dissertation und der – entgegen der Ausführungen auf Seite 18 der Dissertation – vom Beschwerdeführer nicht durchgeführten „Experteninterviews“ ergibt sich unzweifelhaft, dass dem Beschwerdeführer bewusst war, dass er alle verwendeten Quellen hätte angeben bzw. die aus fremden Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen deutlich als solche hätte kennzeichnen müssen. Auch können die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 13.12.2021, „durch die nicht-gekennzeichnete Übernahme von geistigen Leistungen Dritter in erheblichem Ausmaß eine nicht vorhandene wissenschaftliche Leistung erschlichen“ zu haben sowie seines Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2025, wonach der Beschwerdeführer „unter zeitlichen Druck geraten“ sei „seine Interviews fertigzustellen“ und daher „die Abkürzung genommen“ habe, „diese Interviews offenbar jedenfalls zum Teil“ aus dem Werk von Ulrike SUENDORF zu übernehmen (siehe VHS, Seite 5), wohl nur als ein Eingeständnis der beabsichtigten Täuschung der beiden Begutachter verstanden werden.

Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer entsprechende Hinweise auf die Quellen von LASSNIG und SUENDORF wider besseren Wissens unterließ und damit bewusst eine wissenschaftliche Leistung vortäuschte, um eine günstigere Beurteilung zu erlangen.

Da bereits aus den äußeren Umständen des Verhaltens des Beschwerdeführers unzweifelhaft auf eine Täuschungsabsicht zu schließen ist, erübrigt sich dessen Befragung; auf welche er ohnehin verzichtet hat.

2.5. Zur Wesentlichkeit:

Der Zweitbegutachter legte in seinen Stellungnahmen vom 06.10.2021 und 12.04.2023, sowie in der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2025 nachvollziehbar dar, dass die Textübernahmen thematisch wichtige Abschnitte der Dissertation betreffen, die „für den Inhalt und die wissenschaftliche Qualität der Arbeit zentral“ seien und die Dissertation auch bei korrekter Zitation der plagiierten Textpassagen weniger günstig beurteilt worden wäre (siehe VHS, Seite 23).

Zwar gab der Zweitbegutachter an, den Stellenwert des empirischen Teils – ergo der „Experteninterviews“ – als nicht hoch zu bewerten (vgl. VHS, Seite 24; widersprüchlich dazu der Erstbegutachter auf Seite 16 der VHS, wonach er die Interviews als wesentlichen Bestandteil der Dissertation ansehe). Anschließend schilderte der Zweitbegutachter jedoch nachvollziehbar, dass vor allem aufgrund der Textübernahmen in wesentlichen Teilen bzw. an Kernpunkten der Dissertation, keine eigene Leistung erbracht worden sei, da der Beschwerdeführer Schlussfolgerungen – diese finden sich auf den Seiten 233 bis 237 der Dissertation – übernommen habe (vgl. VHS, Seite 23 und 27). Überdies handelt es sich laut dem vom Erstbegutachter verfassten Beurteilungsgutachten zur Dissertation bei Kapitel 7 – in welchem internationale Vergleiche angestellt und Schlussfolgerungen abgeleitet werden – um ein „wichtiges Kapitel“ der Dissertation.

Der Erstbegutachter führte sowohl in seiner Stellungnahme vom 02.03.2023 als auch in der mündlichen Verhandlung aus, dass seine Beurteilung bei korrekter Zitation bei Genügend geblieben wäre (vgl. VHS, Seite 17). Diesen Ausführungen widersprach er jedoch etwa durch Folgende Aussage: „Es gab andere Dissertationen, die reine Literaturarbeiten waren. In diesem Fall ist das einfach übernommen worden. Deswegen sehe ich es als gravierender an als sonstige fehlende Zitate. Das hätte ich nie durchgehen lasse[n]“ (siehe VHS, Seite 16). Schließlich hätte er es mit dem Wissen aus dem Gutachten XXXX „nicht so weit kommen lassen“ bzw. „strenger sein können“ und den Beschwerdeführer und XXXX „negativ“ bewerten können (siehe VHS, Seite 21).

Die Textübernahmen betreffen wesentliche Teile der Dissertation – für den Erstbegutachter die „Experteninterviews“, für den Zweitbegutachter die Schlussfolgerungen auf den Seiten 233 bis 237 der Dissertation. Zudem handelte es sich gegenständlich ohnehin bereits um ein „knappes“ Genügend (vgl. VHS, Seite 20 und 27) und die Dissertation konnte für den Zweitbegutachter – selbst in Unkenntnis der festgestellten Textübernahmen – damals nur „schwer“ positiv beurteilt werden (vgl. VHS, Seite 26). Daher ist die Aussage des Erstbegutachters, dass es bei korrekter Zitation nicht zu einer ungünstigeren Beurteilung gekommen wäre, nicht nachvollziehbar.

Auch legte der als Zeuge befragte Ersteller des Gutachten ÖAWI II in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dar, dass die gegenständliche Dissertation nicht die Verleihung eines akademischen Grades rechtfertigen könne (vgl. VHS, Seite 12), negativ beurteilt hätte werden müssen und es diesbezüglich „keine Spielräume“ gäbe (siehe VHS, Seite 13). Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen konnte der Beschwerdeführer – insbesondere durch die Behauptungen in seiner Stellungnahme vom 13.02.2025 – nicht substantiiert entgegentreten.

Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Umfangs und der Werkprägung der betreffenden Textpassagen davon ausgehen musste, bei entsprechenden Hinweisen auf die verwendeten Quellen weniger günstig (also negativ) beurteilt zu werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Die (hier) maßgeblichen Bestimmungen des UG i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024 lauten (auszugsweise):

„Nichtigerklärung von Beurteilungen

§ 73. (1) Das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ hat die Beurteilung mit Bescheid für nichtig zu erklären, wenn

1. […]

2. bei einer Prüfung oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit die Beurteilung, insbesondere durch schwerwiegendes wissenschaftliches oder künstlerisches Fehlverhalten im Sinne des § 2a Abs. 3 Z 2 bis 5 HS-QSG, erschlichen wurde.

(2) Die Prüfung, deren Beurteilung für nichtig erklärt wurde, ist auf die Gesamtzahl der Wiederholungen anzurechnen.

(3) […]

Widerruf inländischer akademischer Grade oder akademischer Bezeichnungen

§ 89. (1) Der Verleihungsbescheid ist vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ aufzuheben und einzuziehen, wenn sich nachträglich ergibt, dass der akademische Grad oder die akademische Bezeichnung insbesondere

a. durch gefälschte Zeugnisse,

b. durch gefälschte Urkunden oder

c. durch schwerwiegendes wissenschaftliches oder künstlerisches Fehlverhalten im Sinne des § 2a Abs. 3 Z 2 bis 5 HS-QSG

erschlichen worden ist. […]

(2) Die Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides aufgrund eines Plagiats in einer Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit ist nur im Zeitraum von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt der Beurteilung der Bachelor-, Diplom- oder Masterarbeit zulässig.“

Die (hier) maßgeblichen Bestimmungen des UG i.d.F. BGBl. I Nr. 120/2002 lauten (auszugsweise):

„Diplom- und Magisterarbeiten

§ 81. (1) […]

(3) Die gemeinsame Bearbeitung eines Themas durch mehrere Studierende ist zulässig, wenn die Leistungen der einzelnen Studierenden gesondert beurteilbar bleiben. […]

Dissertationen

§ 82. (1) […]

(2) § 80 Abs. 2 und § 81 Abs. 3 gelten auch für Dissertationen.“

§ 2a Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz (HS-QSG) lautet (auszugsweise):

„Integrität im wissenschaftlichen und künstlerischen Studien-, Lehr- und Forschungsbetrieb

§ 2a. (1) […]

(3) Jedenfalls als wissenschaftliches oder künstlerisches Fehlverhalten zu qualifizieren ist, wenn jemand

1. […]

4. Texte, Ideen oder künstlerische Werke gänzlich oder in Teilen übernimmt und als eigene ausgibt, insbesondere davon umfasst ist, wenn jemand Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnisse oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme, ohne die Quelle und die Urheberin oder den Urheber entsprechend kenntlich zu machen und zu zitieren, verwendet (Plagiat) oder

5. Daten oder Ergebnisse erfindet oder fälscht.

(4) In den Satzungen der Bildungseinrichtungen gemäß § 1 Abs. 1 sind nähere Regelungen zur Integrität im wissenschaftlichen und künstlerischen Studien-, Lehr- und Forschungsbetrieb, zur guten wissenschaftlichen oder künstlerischen Praxis und hinsichtlich wissenschaftlichem oder künstlerischem Fehlverhalten aufzunehmen. Darüber hinaus können Bestimmungen betreffend Maßnahmen bei wissenschaftlichem oder künstlerischem Fehlverhalten insbesondere im Rahmen von Seminar- und Prüfungsarbeiten, Bachelorarbeiten sowie wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten aufgenommen werden. Das entscheidungsbefugte Organ der Bildungseinrichtung gemäß § 1 Abs. 1 kann über einen allfälligen Ausschluss vom Studium in der Dauer von höchstens zwei Semestern entscheiden, wenn das wissenschaftliche oder künstlerische Fehlverhalten schwerwiegend ist und die bzw. der Studierende dabei vorsätzlich gehandelt hat. Gegen diesen Bescheid ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.“

§ 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) i.d.F. BGBl. I Nr. 33/2013 lautet (auszugsweise):

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. […]

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.“

3.1.2. Ein „Erschleichen“ der Beurteilung einer Arbeit ist anzunehmen, wenn in Täuschungsabsicht wesentliche Teile der Arbeit ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden, wobei Wesentlichkeit dann anzunehmen ist, wenn bei objektiver Betrachtung der Verfasser der Arbeit davon ausgehen musste, dass bei entsprechenden Hinweisen die Arbeit nicht positiv oder zumindest weniger günstig beurteilt worden wäre, entsprechende Hinweise daher zu einem ungünstigeren Ergebnis geführt hätten (siehe VwGH 27.05.2014, 2011/10/0187, m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zu § 69 AVG) setzt Täuschungsabsicht voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (siehe wiederum VwGH 27.05.2014, 2011/10/0187, m.w.N.).

Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Judikatur zwar von einer Sorgfaltspflicht der Prüfer aus, legt jedoch keinen strengen Maßstab an: So sei der Begutachter einer wissenschaftlichen Arbeit zwar bei auftauchendem Plagiatsverdacht verpflichtet, dem Verdacht nachzugehen, er habe aber nicht die Pflicht, von Vornherein an die Beurteilung jeder Arbeit mit diesem Verdacht heranzugehen (vgl. Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.02 § 73 Rz 2 (Stand 01.09.2023, rdb.at), mit Hinweis auf VwGH 03.02.2010, 2008/10/0088).

Der Widerruf ist durch rechtsgestaltenden Bescheid zu verfügen. Mit ihm werden die mit der Verleihung des akademischen Grades verbundenen Rechte ex nunc entzogen. Gleichzeitig ist die Person zu verpflichten, den Verleihungsbescheid zu übergeben. Dies soll verhindern, dass die Berechtigung zur Führung des akademischen Grades vorgetäuscht werden kann. Mit Rechtskraft des Widerrufsbescheides ist das Führen des akademischen Grades unberechtigt (siehe Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.02 § 89 Rz 3 (Stand 01.09.2023, rdb.at)).

3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:

3.1.3.1. Vorab ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht die Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt anzuwenden hat (vgl. etwa VwGH 25.06.2019, Ra 2019/10/0012, m.w.N.), weshalb die gegenständlich maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen – entgegen der Annahme der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid – in ihrer derzeit gültigen Fassung anzuwenden sind.

Weiters teilt das Bundesverwaltungsgericht die vom Beschwerdeführer geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der in § 89 Abs. 2 UG vorgesehenen Verjährungsfristen mangels des Vorliegens einer unsachlichen Ungleichbehandlung nicht (vgl. RV 2504 BlgNR 27. GP, 12). So dienen Dissertationen gemäß § 51 Abs. 2 Z 13 UG „anders als die Diplom- und Masterarbeiten dem Nachweis der Befähigung zur selbstständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen“. Hingegen dienen Diplom- und Masterarbeiten gemäß § 51 Abs. 2 Z 8 UG (lediglich) „dem Nachweis der Befähigung […], wissenschaftliche Themen selbstständig sowie inhaltlich und methodisch vertretbar zu bearbeiten“. Zudem stellen Dissertationen den Hauptteil von Doktoratsstudien, welche gemäß § 51 Abs. 2 Z 12 UG „der Weiterentwicklung der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit sowie der Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Grundlage von Diplom- und Masterstudien dienen“, dar. Im Gegensatz dazu fungieren Diplom- und Masterstudien gemäß § 51 Abs. 2 Z 3 und 5 UG als „Berufsvorbildung“, „Berufsausbildung“ bzw. „Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten“. Die Aufhebung des Verleihungsbescheides eines Bachelor-, Diplom- oder Mastergrades kann daher zum Wegfall des Berufserfordernisses führen. Hingegen dient eine Dissertation vor allem dazu, einen Beitrag für die Wissenschaft zu leisten. Daher erscheint die unbefristete Möglichkeit der Aufhebung des Doktorgrades im Falle eines schwerwiegenden wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht unverhältnismäßig.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach Plagiate „damals noch kein Thema“ gewesen seien, ist festzuhalten, dass eine Nichtigerklärung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit bereits nach der alten Rechtslage (vgl. § 46 Abs. 2 Universitäts-Studiengesetz, BGBl. I Nr. 48/1997) vorgesehen war, wenn wesentliche Teile der Dissertation ohne entsprechende Hinweise abgeschrieben wurden (vgl. dazu VwGH 22.11.2000, 99/12/0324). Zudem ist dem Vorwurf zur Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die beiden Begutachter entgegenzuhalten, dass die Begutachter – mangels Plagiatsverdachts – nicht von vornherein mit einem Plagiatsverdacht an die Dissertation herangehen mussten (vgl. VwGH 03.02.2010, 2008/10/0088) und die damaligen Überprüfungsmöglichkeiten mit den heutigen technischen Mitteln nicht vergleichbar waren.

3.1.3.2. Wie sich aus den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, müssen für die Nichtigerklärung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit (insbesondere) nachstehende Voraussetzungen vorliegen:

Schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten:

Gemäß § 2a Abs. 3 Z 4 HS-QSG handelt es sich insbesondere bereits dann um ein Plagiat – und damit jedenfalls um ein wissenschaftliches Fehlverhalten –, wenn „Textpassagen […] durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme, ohne die Quelle und die Urheberin oder den Urheber entsprechend kenntlich zu machen und zu zitieren, verwendet“ werden.

Folglich sind gegenständlich die massiven und absatzweisen wortgetreuen Übernahmen aus Texten der festgestellten Autoren relevant für die Beurteilung, ob ein Plagiat vorliegt.

Im Ergebnis handelt es sich bei den festgestellten Textpassagen schon deshalb um Plagiate – und damit ein wissenschaftliches Fehlverhalten –, da der Beschwerdeführer diese Textpassagen aus den Werken von Sandra LASSNIG und Ulrike SUENDORF übernommen und – mangels entsprechender Hinweise – als eigene ausgegeben hat. In Anbetracht des festgestellten Umfangs der übernommenen Textstellen und der Vortäuschung der Durchführung einer empirischen Untersuchung handelt es sich gegenständlich unzweifelhaft um ein schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten.

Täuschungsabsicht:

Aufgrund der – trotz der eidesstattlichen Erklärung auf Seite 3 der Dissertation – erfolgten massiven Textübernahmen aus nicht angeführten Quellen ist, wie festgestellt und in der Beweiswürdigung dargelegt, von einem Handeln des Beschwerdeführers wider besseren Wissens auszugehen. Insbesondere wiegt hier die Vortäuschung der Durchführung einer empirischen Untersuchung schwer. Auch unterließ der Beschwerdeführer die entsprechenden Hinweise, um die beiden Begutachter über seine – tatsächlich nicht erbrachte – wissenschaftliche Leistung zu täuschen und dadurch eine günstigere (bzw. überhaupt positive) Beurteilung zu erlangen. Demnach handelte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall unzweifelhaft in Täuschungsabsicht.

Wesentlichkeit:

Zwar widersprachen sich die beiden Begutachter hinsichtlich der Wesentlichkeit der betreffenden Textstellen in der Dissertation. In einer Gesamtbetrachtung ergiebt sich jedoch, dass der Beschwerdeführer angesichts der von den beiden Begutachtern geäußerten Unzufriedenheit, der – damals in Aussicht gestellten – Beurteilung der Dissertation mit (gerade noch) „Genügend“ und des Umfangs der Textübernahmen davon ausgehen musste, bei entsprechenden Hinweisen negativ beurteilt zu werden.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die gegenständliche Beurteilung auf der Grundlage einer – von ihm und XXXX selbst auf Seite 3 der Dissertation angegebene – unrichtigen Kapitelzuordnung erfolgt sei, geht ins Leere. So war eine (richtige) Kapitelzuordnung für die Möglichkeit einer gesonderten Beurteilung und damit die Zulässigkeit der gemeinsamen Bearbeitung der wissenschaftlichen Arbeit (bereits damals) gemäß § 81 Abs. 3 i.V.m. § 82 Abs. 2 UG i.d.F. BGBl. I Nr. 120/2002 (nunmehr gemäß § 81 Abs. 3 i.V.m. § 83 Abs. 2 UG i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2024) erforderlich. Demnach hätte eine unrichtige Kapitelzuordnung zu einer Unzulässigkeit der gemeinsamen Bearbeitung und damit jedenfalls zu einer weniger günstigen Beurteilung des Beschwerdeführers geführt.

Schließlich vermag eine (dem Beschwerdeführer zuzurechnende) fehlerhafte Kapitelzuordnung ein schwerwiegendes wissenschaftliches Fehlverhalten – wie es gegenständlich zweifellos vorliegt – nicht zu rechtfertigen. Vielmehr stellt eine (bewusst vorgenommene) falsche Kapitelzuordnung für sich bereits ein wissenschaftliches Fehlverhalten dar, da auch dadurch fremde Texte als eigene ausgegeben werden.

Demnach erfolgte die Nichtigerklärung der Beurteilung der Dissertation durch die belangte Behörde zu Recht.

Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt und vom Beschwerdeführer nicht bestritten, stellte die Dissertation als Nachweis der Befähigung zur selbständigen Bewältigung wissenschaftlicher Fragestellungen die zentrale Leistung des Doktoratsstudiums dar. Somit erfolgte auch die Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides (nunmehr gemäß § 89 Abs. 1 lit. c UG) zu Recht. Da das Führen des akademischen Grades (erst) mit Rechtskraft des Widerrufsbescheides unberechtigt ist (vgl. wieder Perthold-Stoitzner in Perthold-Stoitzner, UG3.02 § 89 Rz 3 (Stand 01.09.2023, rdb.at)), war der Zeitpunkt des Beginns der vierwöchigen Frist zur Abgabe des Verleihungsbescheides spruchgemäß zu korrigieren.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist – unter der Maßgabe der im Spruch angeführten Anpassungen der Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides – abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass gegenständlich die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung der Beurteilung der wissenschaftlichen Arbeit gemäß § 73 Abs. 1 Z 2 UG i.V.m. § 2a Abs. 3 Z 4 HS-QSG sowie für die Aufhebung und Einziehung des gegenständlichen Verleihungsbescheides gemäß § 89 Abs. 1 lit. c UG vorliegen, ergibt sich aus der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie der eindeutigen Rechtslage (zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes siehe etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 28.02.2018, Ra 2017/04/0120).