JudikaturBVwG

W142 2268155-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
24. März 2025

Spruch

W142 2268155-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2023, Zl. 1294375904/220223435, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2025, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger aus Somalia, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 06.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF im Beisein eines Dolmetschs, welcher in die Sprache Somalisch übersetzte, statt.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt, gab der BF an, in XXXX in Somalia geboren worden zu sein. Seine Muttersprache sei Somalisch, welche er in Wort und Schrift beherrsche. Er bekenne sich zum Islam und sei der Volksgruppe Somali - Shanshi zugehörig. Zur Schulbildung gab er an, dass er fünf Jahre die Grundschule besucht habe besucht habe. Er habe keine Berufsausbildung genossen und habe zuletzt als Hilfsarbeiter gearbeitet. Zu seinen Familienangehörigen gab er an, dass sein Vater und zwei seiner Brüder bereits verstorben sei. Seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester würden in Somalia leben. Zur Wohnsitzadresse im Herkunftsland befragt gab er an, dass diese in Suuqa Xoolaha in Mogadischu sei. Den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat habe er vor ca. zwei Jahren gefasst und habe er anlässlich seines Verlassens des Herkunftsstaates kein bestimmtes Reiseziel (Zielland) gehabt („Nein, ich wollte nur nach Europa“). Er sei vor ca. zwei Jahren vom Wohnort illegal mit dem Flugzeug in den Iran gereist. Er habe kein Reisedokument oder sonstigen Identitätsnachweis bei sich gehabt. Zur Reiseroute führte er befragt aus, sich ca. drei Monate im Iran, fünf Monate in der Türkei, ca. ein Jahr in Griechenland aufgehalten zu haben und durch Nordmazedonien, Serbien und Ungarn durchgereist zu sein. Befragt zum Aufenthalt in den durchgereisten EU-Ländern gab er an: „Es ist sehr schwer in Griechenland zu leben, da ich kein Geld hatte, um mir Essen zu kaufen. Ich bekam keine Unterstützung und war obdachlos. In den anderen Ländern bin ich nur durchgereist und hatte keinen Behördenkontakt.“ Er habe in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er wisse nicht, in welchem Stadium sich sein Asylverfahren befinde.

Befragt zur Organisation der Reise gab er an, dass er diese selbst mit Hilfe von Schleppern organisiert habe. Die Kosten der Reise hätten ca. 2.000,- US-Dollar betragen.

Befragt zum Fluchtgrund gab er zu Protokoll: „Vor ca. 2 Jahren habe ich Somalia wegen persönlicher Probleme verlassen. Ich gehöre einer Minderheit (Volksgruppe Shanshi) an und hatte keine Rechte. Mitglieder der Al-Shabaab Terrorgruppe haben meinen Vater getötet und wollten mich rekrutieren. Auch meine beiden Brüder wurden durch diese Leute getötet. Ich wollte nicht zu dieser Gruppe dazugehören und deshalb verließ ich Somalia, da sie mich sonst auch getötet hätten. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe.“

Zur Rückkehrbefürchtung gab er an: „Ich habe Angst um mein Leben, dass mich Al Shabaab tötet.“

Betreffend den BF scheint im Akt ein EURODAC-Treffer Kategorie 1 zu Griechenland (Alimos) vom 21.09.2021 auf.

3. Am 03.11.2022 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in der Sprache Somali niederschriftlich einvernommen. Der BF gab wie folgt an (LA: Leitendes Organ der Amtshandlung; VP: BF) [sprachliche Unzulänglichkeiten teilweise korrigiert]:

„[…]

LA: Können Sie sich mit dem anwesenden Dolmetscher gut verständigen?

VP: Ja

LA: Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie die Vollständigkeit und Richtigkeit der Einvernahme und den Erhalt einer Kopie.

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Sind Sie heute körperlich und geistig gesund und können Sie sich auf die Einvernahme konzentrieren?

VP: Ja.

LA: Wie verstehen Sie den/die anwesende/n Dolmetscher/in?

VP: Ja, sehr gut.

LA: Haben sie im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt, wurde alles richtig protokolliert und wurde Ihnen die Erstbefragung rückübersetzt?

VP: Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich weiß aber nicht mehr, ob alles richtig protokolliert wurde.

[…]

LA: Wohnen Sie nach wie vor an der Adresse XXXX ?

VP: Ja.

LA: Wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Werden Sie vom Staat versorgt, erhalten sie sich selbst, oder werden Sie von irgendjemandem finanziell unterstützt?

VP: Ich bin von niemanden finanziell abhängig, ich bekomme Unterstützung vom Staat.

LA: Sind Sie hier in Österreich Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich irgendwelche soziale Bindungen? (Freunde/Bekannte, die Österreicher sind, oder hier über einen dauerhaften Aufenthalt verfügen)

VP: Ich habe nur Freunde von der Unterkunft.

LA: Machen Sie hier in Österreich Kurse oder Ausbildungen, oder haben Sie solche gemacht?

VP: Nein.

LA: Sprechen sie Deutsch?

VP: Nein.

LA: Sind Sie gesund, oder leiden Sie an irgendwelchen Erkrankungen?

VP: Ich bin gesund.

LA: Nennen Sie bitte nochmals Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Staatsangehörigkeit.

VP: Ich heiße XXXX und wurde am XXXX in XXXX geboren. Ich bin somalischer Staatsangehöriger.

LA: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder haben Sie jemals irgendwelche Dokumente gehabt?

VP: Nein, ich habe keine Dokumente.

LA: Welcher Volksgruppe und Glaubensgruppe gehören Sie an?

VP: Ich gehöre zum Clan der Shanshi und ich bin sunnitischer Moslem.

LA: Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?

VP: Nein, ich bin ledig und habe keine Kinder.

LA: Welche Schulbildung bzw. Ausbildung haben Sie?

VP: Ich bin bis zur 7. Klasse in die Schule gegangen. Ich habe keine Ausbildung gemacht.

LA: Wann waren Sie das letzte Mal in Somalia?

VP: Vor ungefähr zwei Jahren.

LA: Sind Sie 2020 ausgereist?

VP: Ja, das war ungefähr 2020, als ich ausgereist bin.

LA: Wann haben Sie im Jahr 2020 Somalia verlassen?

VP: Ich erinnere mich nicht. Es war im Februar 2020.

LA: Was haben Sie in der letzten Woche vor Ihrer Ausreise aus Somalia gemacht?

VP: Ich wurde bedroht. Ich habe mich versteckt.

LA: An welcher Adresse haben Sie sich vor Ihrer Ausreise aus Somalia zuletzt regelmäßig aufgehalten?

VP: Ich war in XXXX .

LA: Wie lange haben Sie dort gelebt?

VP: XXXX ich bin dort aufgewachsen.

LA: Mit wem haben Sie in Somalia in einem gemeinsamen Haushalt gelebt?

VP: Ich habe dort mit meinen Geschwistern und meinen Eltern gelebt.

LA: Wo haben Sie sich vor Ihrer Ausreise versteckt?

VP: Ich habe mich in Suuqa Xoolaha bei Verwandten versteckt.

LA: Wie haben Sie und Ihre Familie den Lebensunterhalt bestritten?

VP: Mein Vater hat als Viehhändler gearbeitet. Mein älterer Bruder hat als Tucktuck Fahrer gearbeitet.

LA: Haben Sie jemals in Somalia gearbeitet?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie mit der Schule aufgehört?

VP: Ich habe meine Schulausbildung nicht abgeschlossen. Mein Vater wurde ermordet und danach habe ich mit der Schule aufgehört.

LA: Wie würden Sie Ihre wirtschaftliche Situation in Ihrem Heimatland beschreiben?

VP: Es war sehr schlecht.

LA: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, Somalia zu verlassen? Schildern Sie die Gründe für Ihre Ausreise so konkret, detailliert und chronologisch wie möglich, sodass diese auch für eine außenstehende Person nachvollziehbar sind.

VP: Erstens, unsere Familie wurde von meinem Vater und meinem Bruder finanziell versorgt. Mein Vater und meine beiden Brüder wurden ermordet. Ich müsste dann meine Familie versorgen. Das war für mich sehr schwer. Ich hatte keine Ausbildung und die Schule nicht abgeschlossen.

Die einzige Möglichkeit die ich hatte war, dass ich mich als Soldat bewerbe. Ich wurde als Soldat aufgenommen.

Beim ersten Mal haben sie mich nicht aufgenommen. Ich habe alle meine Daten beim Militär hinterlassen. Ich habe auch die Telefonnummer dort abgegeben. Sie haben mir gesagt, dass sie mich zurückrufen werden.

Nach einigen Tagen habe ich ein Foto bekommen, worauf ich abgebildet war, worauf zu sehen war, wie ich vor der Militärkaserne stehe. Ich habe es nicht ernst genommen.

Nach zwei Tagen habe ich einen Anruf bekommen, das war eine unterdrückte Nummer und ich habe nicht abgehoben.

Nach 10 Tagen wollte ich in der Stadt einkaufen gehen. Es ist ein Mann zu mir gekommen und hat mir ein Handy gegeben. Ich habe fragt, was das soll, weil das Handy nicht mir gehört. Dann sagte mir der Mann, dass das Handy dem Mujaheddin [vermutlich: „gehöre“]. Das Handy läutete. Ich habe den Anruf angenommen. Er hat mich bedroht und gesagt, dass sie mich bereits mehrmals angerufen haben und ich jedoch nicht abgehoben habe. Er hat mich weiter bedroht. Sie würden wissen, was ich machen möchte. Sie haben gesagt, dass ich mich als Soldat beworben hätte. Er hat mir gesagt, dass ich entweder sterbe oder ihm zuhöre, was von mir verlangt wird. Er sagte mir, dass ich mit einem Bus fahren soll, um nach Afgooye zu kommen.

Als das alles passiert ist, habe ich Angst um mein Leben bekommen. Ich hätte die Arbeit als Soldat nicht ausüben können. Ich habe auch gewusst, dass mir niemand gegen diese Leute helfen kann. Ich habe einen meiner Verwandten angerufen. Er war ein älterer Herr. Er hat als Seefahrer gearbeitet. Ich erzählte ihm, was passiert ist. Er hat mich dann gefragt, ob ich mich verteidigen kann oder ob ich flüchten möchte. Ich habe gesagt, ich kann mich nicht verteidigen, wie sollte ich das machen. Er hat mir dann gesagt, ich sollte schnellstmöglich zum Militär gehen und die Geschichte dort erzählen, damit ich dort bleiben kann, um in Sicherheit zu sein. Er hat mir gesagt, dass sie mich nicht finden werden, wenn ich als Soldat arbeite. Ich habe ihm gesagt, dass es für mich nicht möglich ist, die Leute kennen mich und sie haben ein Foto von mir gemacht. Sie würden mich so oder so finden, selbst wenn ich beim Militär bin. Er hat mir dann gesagt, dass ich zu ihm kommen soll. Ich habe an diesem Tag das Haus, in dem ich gelebt habe, verlassen und bin zum Haus meines Verwandten gegangen.

Sie haben mich nochmals angerufen. Ich habe nicht abgehoben. Sie haben es bei meiner Mutter versucht und diese angerufen. Meine Mutter hat den Anruf beantwortet und gesagt, dass sie nicht weiß, wo ich wäre.

Ich habe den älteren Herrn, der mein Verwandter ist, gesagt, dass meine Mutter ebenfalls angerufen wurde. Er hat dann Leute organisiert, die mir helfen sollten. Sie sind mit einem Auto zu dem Haus gekommen und sie haben mich zum Hafen in Mogadischu gebracht. Ich bin auf ein Schiff gestiegen und so habe ich mein Heimatland verlassen.

LA: Aus den Länderinformationen zu Somalia geht folgendes hervor:

(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten:

Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 19.7.2022). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z.B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, S. 21).

Das Bundesamt kann Ihrem Vorbringen, nämlich, dass Sie von der Al Shabaab (in weiterer Folge: AS) in Mogadischu rekrutiert werden sollten, keinen Glauben schenken, da dieses keineswegs in Einklang mit den Länderinformationen steht.

Möchten Sie sich hierzu äußern?

VP: Die AS haben meinen Vater und meine zwei Brüder ermordet. Ich wollte keinesfalls mit ihnen arbeiten. LA: Woher wissen Sie, dass Ihr Vater und Ihre Brüder von der AS getötet wurden?

VP: Es ist bekannt, dass sie das gemacht haben.

LA: Woher ist dies bekannt?

VP: Mein erster Bruder wurde bei dem bekannten Bombenanschlag am 14.10.2017 bei der Kreuzung Soobe [vermutlich: „getötet“].

LA: Woher wissen Sie, dass Ihr anderer Bruder und Ihr Vater von der AS getötet wurden?

VP: Mein Vater hat uns erzählt, dass er von der AS angerufen wurde. Der Grund war, mein Vater hat als Händler am Tiermarkt gearbeitet. Er müsste eine Steuer an die AS zahlen. Sie haben immer die Steuer verdoppelt, die sie von meinem Vater verlangt haben. Auf einmal haben sie 7.000 US-Dollar verlangt. Mein Vater hatte das Geld nicht. Er hat der AS nichts gesagt. Sie haben dann gesagt, dass er das Geld nicht bezahlt hat, und er sollte nach Afgooye kommen, dort würde ein Gericht darüber entscheiden. Er musste dort hingehen. Er ist dorthin gegangen und von dort nicht mehr zurückgekehrt.

LA: Wieso wurde nun ihr anderer Bruder von der AS getötet?

VP: Mein älterer Bruder arbeitete als Polizist. Seine Arbeit war, dass er die Kriminellen festnehmen soll. Eines Tages hat er einige Leute festgenommen, unter diesen war ein Sheikh der AS. Daher wurde mein Bruder getötet.

Anm.: Die Einvernahme wird für eine Pause um 10:10 Uhr unterbrochen. Die Einvernahme wird um 10:25 Uhr fortgesetzt.

LA: Haben Sie alles angeben, das Ihnen wichtig erscheint, oder haben Sie noch irgendwelche Ergänzungen zu machen?

VP: Ich habe alles Wichtige erzählt. Sie haben mich nicht genau gefragt, wie mein Vater und meine Brüder getötet wurden.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Verwandten, Bekannten oder Freunden, die sich in Somalia aufhalten?

VP: Ich habe noch immer Kontakt zu meiner Familie. Ich rufe meine Mutter dreimal im Monat an.

LA: Wie geht es Ihrer Mutter in Mogadischu?

VP: Meine Mutter ist in einer sehr schwierigen Situation. Sie arbeitet nicht und sie hat nichts zu leben. Sie ist mittellos.

LA: Ein Bruder und eine Schwester leben noch bei Ihrer Mutter?

VP: Ja, das ist richtig. Befragt, meine Schwester ist ca. 12 Jahre alt und mein Bruder ist ca. 15 Jahre alt.

LA: Was fürchten Sie bei einer eventuellen Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Wenn ich nach Somalia zurückkehre, gibt es für mich eine Gefahr. Ich habe Angst um mein Leben. LA: Wurde Ihre Mutter, nach Ihrer Ausreise aus Somalia, erneut von der AS kontaktiert?

VP: Ja, sie rufen ständig an und sie sagt immer, dass sie nicht weiß, wo ich mich befinde.

LA: Wieso sind Sie in Somalia in Gefahr?

VP: Die AS kennen mich. Sie sind überall in Somalia. Ich kann dort nicht überleben, wenn ich zurückkehre.

LA: Das Bundesamt bleibt bei der Annahme, dass Ihr Vorbringen, wonach Sie in Mogadischu von der AS bedroht worden wären, nicht der Wahrheit entspricht.

Bleiben Sie bei dieser Aussage?

VP: Wie ich vorhin gesagt habe, wurden dort mein Vater und meine Brüder ermordet. Ich bitte das Bundesamt darum, dass mein Fall genau untersucht wird.

LA: Aufgrund der aktuellen Lebensmittelversorgung in Somalia wird Ihnen das Bundesamt subsidiären Schutz gewähren.

Möchten Sie sich dazu äußern?

VP: Ich möchte dennoch, dass sie meiner Geschichte glauben.

Ann.: VP wird über den weiteren Verfahrensablauf erläutert.

LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden, sowohl von der Sprache als auch vom Verständnis her? Haben Sie den/die Dolmetscher/in einwandfrei verstanden?

VP: Ja. Ja.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anm.: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach der Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP: Nein, keine.

LA: Möchten Sie Länderfeststellungen der Staatendokumentation des BFA zu Ihrem Heimatland erhalten?

VP: Nein, ich verzichte.

LA: Möchten Sie eine Kopie der niederschriftlichen Einvernahme erhalten?

VP: Ja.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der

Niederschrift und die Rückübersetzung.

[…]“

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.02.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für 1 Jahr (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Der BF habe die angeblichen Vorfälle äußerst vage geschildert und keine näheren Umstände bzw. Vorgänge angegeben. Sein Vorbringen, er sei von Al Shabaab aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, widerspreche den Länderinformationen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Al Shabaab – nachdem der BF ihre Anrufe auf seinem eigenen Telefon nicht entgegengenommen habe – dem BF auf einem Markt ein Handy gegeben hätte, auf dem er sogleich einen Anruf entgegengenommen habe. Wenn ihm eine Nachricht der Al Shabaab überbracht hätte werden sollen, hätte die Person mit dem Handy diese gleich selbst mitteilen können. Wenn sein Aufenthaltsort – wie der BF behauptete – der Al Shabaab tatsächlich jederzeit bekannt gewesen wäre, wäre der BF ohnehin jederzeit greifbar gewesen. Der BF habe nicht darlegen können, woher die Al Shabaab seine Telefonnummer gehabt hätte. Es sei auch nicht glaubhaft, dass sich der (damals jugendliche) BF überhaupt beim Militär hätte bewerben können. Zudem lebe der Bruder des BF weiterhin offenbar unbehelligt in Somalia. Auch die behauptete Diskriminierung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe der BF bloß vage behauptet und nicht glaubhaft gemacht, dass ihm aus diesem Grund eine asylrechtlich relevante Verfolgung drohe. Jedoch sei dem BF fallgegenständlich im Hinblick auf die prekäre humanitäre Situation in Somalia subsidiärer Schutz zu gewähren. Eine innerstaatliche Fluchtalternative in anderen Landesteilen Somalias stehe dem BF mangels sozialer Anknüpfungspunkte nicht zur Verfügung und sei ihm nicht zumutbar, weil ihm die Gefahr drohen würde, in ein IDP-Lager gehen zu müssen.

6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte gegenständliche Beschwerde, wobei im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe. Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderberichte seien unvollständig. Es seien keine Länderberichte zur Minderheitengruppe des BF, den Shanshi, herangezogen worden. Aus dem aktuellen Bericht der EUAA zur Sicherheitslage gehe hervor, dass Al Shabaab aufgrund ihres Netzwerkes im Stande sei, Anschläge durchzuführen, „wobei unter anderem Bewerber für den Militär- bzw. Polizeidienst bevorzugte Ziele“ seien. Die Beweiswürdigung des BFA stelle sich als oberflächlich dar und stütze sich hinsichtlich der Plausibilität des Fluchtvorbringens auf spekulative Argumente. Insofern, das BFA unter Hinweis auf das Alter des BF bezweifelt, dass sich dieser als Soldat bewerben hätte können, sei anzumerken, dass sich der BF nicht beim Militär, sondern bei der Polizei beworben habe. Der BF habe versuchen wollen, nach dem Tod seines Bruders dessen Posten zu übernehmen. Das Foto habe ihn vor einer Ausbildungseinrichtung sowohl des Militärs als auch der Polizei gezeigt. Das Handy sei dem BF jedoch von den ungarischen Behörden abgenommen worden. Hinsichtlich der Familie des BF wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass sich diese den Gefahren durch Flucht entzogen hätten und nunmehr in einem Flüchtlingslager in Äthiopien lebten. Entgegen den Ausführungen des BFA habe der BF die Vorkommnisse, die zur Flucht geführt hätten, detailreich, lebensnah und konsistent wiedergegeben. Aufgrund seiner Weigerungen, die Anweisungen der Al Shabaab zu befolgen, drohe dem BF Verfolgung aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung. Aufgrund seiner Minderheitenzugehörigkeit drohe ihm eine Verfolgung aus ethnischen Gründen.

7. Am 07.03.2023 langten die Beschwerde und der Verwaltungsakt beim erkennenden Gericht ein. Mit Beschwerdevorlage ersuchte das BFA darum, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

8. Mit Schreiben vom 30.11.2023 teilte die Rechtsvertretung des BF mit, dass die Vollmacht vom 01.03.2023 zurückgelegt werden, weil mit dem BF kein Kontakt hergestellt habe werden können.

9. Am 06.12.2023 fand vor dem erkennenden Gericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der der BF unentschuldigt nicht erschien.

10. Am 10.12.2024 fand vor dem erkennenden Gericht eine (weitere) öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Somali statt, an welcher der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung teilnahm. In der Verhandlung brachte der BF wie folgt vor (R: Richterin, BF: Beschwerdeführer, BFV: Rechtsvertretung des BF): „[…]

R: Sind Sie gesund? Geht es Ihnen gut?

BF: Ich bin gesund. Mir geht es gut.

R: Arbeiten Sie?

BF: Im Moment nicht. Ich bin arbeitslos.

R: Aus welchem Grund sind Sie arbeitslos?

BF: Ich habe schon gearbeitet. Mein Vertrag ist abgelaufen. Am 25.03.2025 werde ich wieder als Lagerarbeiter arbeiten bei DPD.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: In XXXX .

R: Wie viele Jahre lang haben Sie eine Schule besucht?

BF: Ca. 5 Jahre.

R: Welche Schule haben Sie besucht?

BF: Primary.

R: Eine Grundschule?

BF: Irgendwie so.

R: Was bedeutet „irgendwie so“?

BF: Ich meine damit, dass die Koranschule und die normale Schule zusammen waren. Am Anfang hat man den Koran gelernt, danach die normale Schule.

R: Wie lange haben Sie eine Koranschule besucht?

BF: Genau kann ich das nicht angeben, ich kann nicht 2 Jahre oder eine begrenzte Zeit nennen. Donnerstags und freitags habe ich die Koranschule besucht. Diese Tage waren am Wochenende. Die anderen Tage habe ich die normale Schule besucht.

R: Was heißt diese Tage waren am Wochenende? Was verstehen Sie unter Wochenende?

BF: Z.B. wenn ich dort war, waren donnerstags und freitags das Wochenende.

R: Donnerstags und Freitags ist kein Wochenende.

BF: Es ist nicht wie hier in Österreich. Donnerstags und freitags war bei uns das Wochenende. Hier in Österreich ist Samstag und Sonntag Wochenende.

R: Wie lange hat Ihre Reise von Somalia bis nach Österreich gedauert?

BF: Ca. 2 Jahre.

R: In welchem Land waren Sie am Längsten aufhältig?

BF: In Griechenland. Ich glaube, dass ich dort 1 Jahr und 1 Monat war.

R: Wo in Griechenland waren Sie aufhältig?

BF: In Athen.

R: Haben Sie einen Asylantrag gestellt?

BF: Ja, das habe ich gemacht.

R: Haben Sie einen Bescheid erhalten?

BF: Nein.

R: Das Asylverfahren war offen in Griechenland, als Sie Griechenland verlassen haben?

BF: Nein. Ich und alle anderen Leute, die in der gleichen Zeit wie ich dort waren, haben nichts bekommen. Wir mussten unsere Autos selbst fahren. Wir schliefen im Park auf der Straße.

R: Das Asylverfahren war offen in Griechenland, als Sie Griechenland verlassen haben? Bitte antworten Sie konkret.

BF: Nein. Ich habe keine Ahnung.

R: Wann haben Sie Athen verlassen, um Richtung Österreich zu reisen?

BF: Ich erinnere mich nicht, aber ich glaube, im Jahr 2021 muss es gewesen sein.

R: Wann haben Sie Somalia verlassen?

BF: 2020.

R: Wissen Sie ein näheres Datum?

BF: Nein, daran erinnere ich mich nicht.

R: Haben Sie, als Sie in Somalia gelebt haben, immer in Mogadischu gelebt?

BF: Meistens ja.

R: Wo haben Sie sonst gelebt außer in Mogadischu?

BF: Ich war an unterschiedlichen Orten nur kurze Zeit. Ich lebte aber in Mogadischu.

R: Können Sie die genaue Adresse angeben, wo Sie in Mogadischu gelebt haben?

BF: Wir hatten keine Adresse, wo ich wohnte war Suuqa Xoolaha. Das ist ein Bezirk.

R: Haben Sie in einem Haus oder in einer Wohnung gelebt?

BF: Das war ein Wellblechhaus.

R: Wer hat mit Ihnen in diesem Wellblechhaus gelebt?

BF: Mein Vater, meine 3 Brüder und meine Schwester und meine Mutter.

R: Wie alt waren Sie, als Sie Somalia verlassen haben?

BF: Ca. 16 Jahre alt. Ich entschuldige mich. Ich war 15 Jahre alt.

R: Wann haben Sie die Schule verlassen? Wie alt waren Sie?

BF: Was meinen Sie?

R: Wann haben Sie die Schule verlassen? Wie alt waren Sie?

BF: Anfang 15 oder Ende 14.

R: Welches Jahr ist das nun?

BF: 2018 oder 2019. Ich bin mir nicht sicher, richtig sagen kann ich das nicht.

R: Was haben Sie gearbeitet bis zur Ausreise aus Somalia?

BF: Ich habe nicht kontinuierlich gearbeitet. Ab und zu habe ich im Geschäft gearbeitet.

R: Was haben Sie gearbeitet?

BF: Es war nicht ein echter Träger, ich habe wie ein Träger gearbeitet, wenn z.B. die Leute im Geschäft etwas kaufen, habe ich diese Sachen getragen.

R: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

BF: Er war ein Händler.

R: Womit hat er gehandelt?

BF: Tierhändler.

R: Was hat Ihre Mutter gearbeitet?

BF: Meine Mutter hat nicht gearbeitet.

R: Können Sie die Namen Ihrer Geschwister und Eltern aufschreiben und das derzeitige Alter?

BF schreibt dies auf die Beilage ./A.

BF: Soll ich alle Geschwister, auch die Verstorbenen aufschreiben?

R: Ja.

BF: XXXX ).

XXXX .

BF: Meine Eltern heißen XXXX ).

BF: Ich kann das Alter meiner Geschwister und meiner Eltern nicht angeben.

R: Hat es einen Bruder gegeben, der älter als Sie war?

BF: Ja. Ich habe 2 ältere Brüder. Diese sind verstorben.

R: Wer ist verstorben?

BF: XXXX (laut Beilage ./A).

Der BF sagt jedoch XXXX .

R: Wann sind Ihre beiden Brüder verstorben?

BF: Einer ist bei einer Explosion 2017 ums Leben gekommen.

R: Wer war das?

BF: XXXX .

BF sagt nun XXXX .

R: Wann ist der 2. Bruder verstorben?

BF: Ende 2019, oder Anfang 2020.

R: Aus welchem Grund ist dieser verstorben?

BF: Er ist getötet worden.

R: Wo wurde dieser 2. Bruder getötet?

BF: Das kann ich nicht sagen, es war vor seinem Revier.

R: Wo war die Explosion des 1. Bruders?

BF: In Sobe.

BF buchstabiert Sope.

R: Wer hat ihn getötet?

BF: Die Al-Shabaab.

R: Können Sie ein näheres Datum angeben, wann Ihr Bruder getötet wurde?

BF: Ich erinnere mich nicht. Ich war unter Schock.

R: Was haben Ihre beiden Brüder gearbeitet?

BF: XXXX war ein Tuc-Tuc-Fahrer und der Andere war ein Soldat.

R: Seit wann war der Andere ein Soldat?

BF: Das weiß ich nicht. Ich war noch ein Kind, als er Soldat wurde.

R: Wie alt waren Sie?

BF: 12, 13 oder 14. Ich weiß es nicht genau.

R: Hat Ihre Mutter Geschwister?

BF: Ja.

R: Wie viele Schwestern und Brüder hat Ihre Mutter?

BF: Ich erinnere mich, dass sie 3 Schwestern hatte.

R: Brüder hat Ihre Mutter keine?

BF: Sie hatte schon Brüder, diese habe ich nicht gesehen. Vielleicht habe ich nur eine einmal gesehen.

R: Sie meinen eine Tante?

BF: Nein. Ich meine einen Onkel. Wir haben ihn Onkel genannt. Er war der Halbbruder von meiner Mutter vs.

R: Hat Ihre Mutter auch Halbschwestern vs?

BF: Soweit ich weiß habe ich sie nicht gesehen.

R: D.h. sie hat Halbschwestern vs?

BF: Es könnte sein. Aber ich habe sie nicht gesehen.

R: Hat Ihr Vater Brüder und Schwestern?

BF: Ja. Er hatte Geschwister.

R: Welche?

BF: Ich habe nur gesehen, dass er 2 Brüder hat, ob er Schwestern hat, weiß ich nicht.

R: Aus welchem Grund wissen Sie das nicht? In Somalia gibt es einen großen Zusammenhalt der Familie.

BF: Ich war ein junger Mann. 13 oder 14 Jahre war ich alt. Ich spielte nur Fußball. Ich habe mich nicht für diese Sachen interessiert.

R: Bis zu welcher Klasse haben Sie die Schule besucht?

BF: Bis zur 8. Klasse.

R: Aus welchem Grund haben Sie die Schule bis zur 8. Klasse besucht, wenn Sie sagen, Sie haben die Schule ca. 5 Jahre lang besucht?

BF: Ich konnte ein paar Klassen überspringen. Ich bin geprüft worden. Ich bekam eine Prüfung. Diese habe ich bestanden.

R: Welche Klassen haben Sie übersprungen?

BF: 4. Klasse, 5. Klasse und 6. Klasse. 4. Klasse und 5. Klasse habe ich übersprungen. Die sechste und achte Klasse habe ich gleichzeitig besucht.

R: Aus welchem Grund konnten Sie diese Klassen überspringen? Wer brachte Ihnen so viel bei?

BF: Ich habe mir viel Mühe gegeben. Alle Unterrichte waren in somalischer Sprache, außer Englisch und Arabisch.

R: Von wann bis wann waren Sie in der Türkei?

BF: Ich bemühe mich, eine konkrete Angabe zu tätigen.

R: Wann waren Sie in der Türkei?

BF: Ich war in der Türkei entweder im März oder im April 2020. Ich habe gesagt März oder April. Ich habe nicht gesagt Mai oder Juli.

R: Wann haben Sie die Türkei verlassen?

BF: Auch 2020, dort war ich nur 4 Monate, danach ging ich weg.

R: Wann sind Sie weggegangen?

BF: Dort bin ich 2021 angekommen. Im selben Jahr, ich weiß nicht, ob das am Ende war, bin ich weggegangen. Ich meine, dass das im September oder Okt. 2020 war. Zuerst musste ich zu einem anderen Ort, z.B. in den Wald, gehen. Dort haben wir gewartet, bis wir weitergehen können.

R: 2021 waren Sie in der Türkei?

BF: Nein.

R: Aus welchem Grund sagten Sie zuvor, dass Sie dort 2021 angekommen sind?

BF: Ich meine, dass Sie immer wieder die Fragen gestellt haben und ich verwirrt bin.

R: Ich stelle Ihnen einfache Fragen. Wenn Sie so viele Klassen überspringen konnten, dann müssten Sie diese einfachen Fragen beantworten können.

BF: Ich war verwirrt. Ich war nicht in meinem Heimatort. Ich hatte kein Handy.

R: Wann waren Sie in der Türkei?

BF: 2020, mehr weiß ich nicht. Ob es im 4. Monat oder im 5. Monat war, das weiß ich nicht.

R: Wer hat Ihre Ausreise aus Somalia organisiert?

BF: Mein Onkel vs hat mir dabei geholfen.

R: Was hat dieser Onkel vs gemacht?

BF: Als mein Bruder getötet wurde, ging ich zu meinem Onkel. Ich wollte mich dort verstecken.

R: Wo lebte der Onkel vs?

BF: In Suuq Bacaad.

R: Was ist Suuq Bacaad?

BF: Ich habe nicht Suuq Bacaad gesagt. Ich habe gesagt „großer Markt“.

R an D: Hat der BF Suuq Bacaad gesagt?

D: Ja. Ich habe mitgeschrieben, was er gesagt hat.

R: Haben Sie sich beim Onkel versteckt?

BF: Ja.

R: Wie lange?

BF: Ca. 1 Monat.

R: Was meinen Sie mit „großer Markt“?

BF: So wie „Downtown“. Dort gab es mehrere Geschäfte, Supermärkte.

R: Wohnte Ihr Onkel am großen Markt?

BF: Er hat dort Geschäfte.

R: Wo haben Sie sich versteckt?

BF: In einem seiner Geschäfte. Er hat auch dort geschlafen.

R: Welche Geschäfte hatte Ihr Onkel?

BF: Kleidung und andere Kleinigkeiten.

R: Wo ist dieser große Markt?

BF: Hamal Jajab, Hamal Weyn, oder Bakaaraha.

R: Sie haben 3 verschiedene Namen angegeben. Was meinen Sie damit?

BF: Alle diese Namen nennt man diesen Markt, z.B. Bakaaraha.

R: Das stimmt nicht.

BF: Wie können Sie das bestätigen?

R: Hamal Jajab, Hamal Weyn sind Bezirke. So kann der Markt dann nicht heißen.

BF: Das stimmt nicht, man kann diesen so oder so nennen, dort gibt es Geschäfte.

R: Bitte beschreiben Sie mir die Bezirke von Mogadischu auf und deren Anzahl.

BF: 27 Gemeinden gibt es. Ich bin mir nicht sicher, ich schreibe sie aber auf.

Der BF schreibt diese auf die Beilage ./B

BF: Xamar Halaweni (BF buchstabiert). Hodan, Suq Bacaad, Hoplan, Karaan, Haklar Waardag, Wardhiigouul, Waabari, Bakare, Suuqa Xoolaha, Warta Nabaad, Suqa Bakad, Xamar Wayne, Xamar Jajaba.

R: In welchem Monat haben Sie sich bei dem Onkel versteckt?

BF: Ich weiß es nicht. Ca. 1 Monat war ich nur bei ihm.

R: Aus welchem Grund haben Sie sich versteckt?

BF: Mein Bruder ist getötet. Ich war unter Schock. Ich hatte etwas Angst. Ich wollte mich mit meinem Onkel unterhalten.

R: Aus welchem Grund wurde Ihr Bruder getötet?

BF: Mein Bruder hat die Männer gekannt, die meinen Vater getötet haben. Sie waren Al-Shabaab. Er wollte sie vor Gericht bringen. Er hatte Beweismittel.

R: Wann ist Ihr Vater getötet worden?

BF: 2019. 2018 oder 2019. Nein. Das war 2019.

R: Können Sie ein näheres Datum angeben?

BF: Ich bin mir nicht sicher, ob es Juni war oder nicht.

R: Welche Beweismittel hatte Ihr Bruder?

BF: Diese Männer waren zuständig, dass sie Geld zahlen. Die Einwohner haben diese Männer gekannt. Der Arbeitsort meines Bruders war nicht weit weg, wo wir wohnten. Mein Bruder hat auch diese Männer gekannt, weil er deren Gesichter gesehen hat.

R: Hat Ihr Bruder diese Männer vor Gericht gebracht?

BF: Er hat sie inhaftiert. Ich war nicht anwesend.

R: Wie heißt der Bruder, der die Männer inhaftiert hat?

BF: Ich weiß es nicht. Wir haben miteinander nichts zu tun.

R: Sie wissen den Namen Ihres Bruders nicht, der die Männer inhaftiert hat?

BF: XXXX heißt mein Bruder. Aber die Namen der Männer, welche er inhaftiert hat, weiß ich jetzt nicht.

R: Was ist dann passiert, als diese Männer inhaftiert wurden?

BF: Die anderen Al-Shabaab-Männer haben meinen Bruder angerufen. Diese haben die Al-Shabaab-Miliz geleitet. Sie haben meinen Bruder angerufen und verlangt, dass er diese Männer frei lässt.

R: Welchen Beruf hat XXXX , also Ihr Bruder?

BF: Er ist mein jüngster Bruder, er hat nichts gemacht.

R: Wie kann dann dieser Bruder diese Männer frei lassen?

BF: Sie stellen immer wieder dieselbe Frage. Es ist ein Durcheinander.

R: Aus welchem Grund hätte dieser Bruder diese Männer freilassen sollen?

BF: Ich meine meinen Bruder XXXX . Ich habe jetzt einen Status. Es interessiert mich nicht, ob ich Asyl bekomme. Ich kann jetzt arbeiten.

R: Sie können Ihre Beschwerde zurückziehen.

BF: Erstens, zweitens und drittens beweise ich, dass ich ein Asylsuchender bin.

BF: Ich mache weiter.

R: Hat Ihr Bruder XXXX diese Al-Shabaab-Männer freigelassen?

BF: Er hat das abgelehnt.

R: Was ist dann passiert?

BF: Danach ist er getötet worden.

Der BF ist immer wieder sehr aufbrausend.

R: Was ist weiterhin passiert?

BF: Er ist getötet worden, das war sein Ende.

R: Welche Arbeit hatte XXXX ?

BF: Ich sagte, dass er Soldat war.

R: Wo waren diese Al-Shabaab-Männer inhaftiert?

BF: Im Revier.

R: In welchem Revier? Wie kann ein Soldat ein Revier haben?

BF: Es gab mehrere Reviere. Wo es genau lag, das weiß ich nicht.

R: Aus welchem Grund haben Sie sich versteckt? Ihr Bruder wurde getötet.

BF: Nachdem mein Bruder getötet wurde, musste ich meine Familie ernähren. Ich hatte keinen Beruf und ich wollte ein Soldat werden.

R: Sind Sie Soldat geworden?

BF: Nein. Ich war noch jung. Ich durfte wegen meines Alters kein Soldat werden.

R: Aus welchem Grund haben Sie sich beim Onkel versteckt?

BF: Ich sagte, dass ich meine Familie versorgen muss, nachdem mein Bruder getötet wurde.

R: Aus welchem Grund haben Sie sich beim Onkel versteckt?

BF: Da ich schon ein paar Mal versuchte, ein Soldat zu werden, hat das die Al-Shabaab erfahren. Ich war am Markt unterwegs. Ein Mann hat mir ein Handy gegeben. Es wurde mir gesagt, ich soll mit dem aufhören, was ich jetzt suche. Danach hatte ich Angst und ging zu meinem Onkel.

R: Welcher Mann hat Ihnen ein Handy gegeben?

BF: Ich kannte ihn nicht. Ich glaube, dass er ein Al-Shabaab-Mann gewesen war. Er überreichte mir nur ein Handy.

R: Aus welchem Grund hat er Ihnen ein Handy überreicht?

BF: Das weiß ich nicht. Ich war unterwegs. Er sagte, jemand ist am Telefon. Ich muss mit ihm reden.

R: Er hat Ihnen ein Handy übergeben, am Handy wollte jemand mit Ihnen sprechen?

BF: Ja.

R: Wer wollte mit Ihnen sprechen?

BF: Ich kannte ihn nicht, er war ein Al-Shabaab.

R: Woher wissen Sie, dass er ein Al-Shabaab ist?

BF: Er hat mir erzählt, dass mein Bruder getötet wurde. Er sagte, dass ich mit einem Bus mitfahren muss und zum Lager gehen muss, wo die Al-Shabaab sind. Sie sagten, ich soll aufhören, ein Soldat zu werden.

R: Wie ist Ihr Bruder getötet worden?

BF: Ich war nicht anwesend. Aber es gab eine Schießerei zwischen dem Revier und der Al-Shabaab.

R: Von wem haben Sie erfahren, dass Ihr Bruder getötet wurde?

BF: Meine Mutter hat mir das erzählt und ich habe das auch von anderen Menschen gehört.

R: Wann ist das geschehen, als Sie das Handy von jemandem bekommen haben?

BF: Meinen Sie die Uhrzeit?

R: Woran können Sie sich erinnern?

BF: Es war am Nachmittag, so in der Art. An das erinnere ich mich nur.

R: Sind Sie dann in den Bus eingestiegen?

BF: Nein.

R: Wohin sind Sie gegangen?

BF: Zu meinem Onkel. Es ist schon lange her. Ich bemühe mich, Ihre Fragen zu beantworten. Damals war ich minderjährig.

R: Als Sie beim Onkel waren, ist etwas passiert?

BF: Ich habe meinem Onkel den Vorfall erzählt.

R: Ist während des Aufenthaltes bei Ihrem Onkel etwas passiert?

BF: Ca. 1 Monat blieb ich bei meinem Monat. Danach verließ ich ihn.

R: Wie viel hat die Reise von Somalia bis nach Österreich gekostet?

BF: Ich hatte kein Geld. Ein bisschen hat mein Onkel bezahlt, ein bisschen haben die anderen Leute für mich gesammelt. Ungefähr 2.000 waren es.

R: Welche Währung?

BF: Ob es US-Dollar oder Euro waren, das weiß ich nicht. Ich sage nur Euro.

R: Welchem Clan gehören Sie an?

BF: Shanshi.

R: Welcher Clan ist das, zu wem gehört dieser Clan?

BF: Ich weiß es nicht, sie gehören nicht zu Darrod und auch nicht zu Isaaq.

R: Was würde Ihnen passieren, wenn Sie in Ihr Heimatland zurückkehren müssten?

BF: Ich werde sterben, auch ist meine Familie nicht mehr dort.

R: Woher wissen Sie, dass Ihre Familie nicht mehr dort ist?

BF: Wir telefonieren.

R: Wo befindet sich Ihre Familie?

BF: In Äthiopien in einem Flüchtlingsheim.

R: Seit wann?

BF: Seit 2024.

R: Wer ist jetzt in Äthiopien im Flüchtlingsheim?

BF: Mein jüngerer Bruder, meine Familie plant, dass er irgendwohin geht. Meine jüngere Schwester und meine Mutter. Nur das.

R: Ihr Onkel, der diese Geschäfte hat und Ihnen geholfen hat, lebt nach wie vor in Mogadischu?

BF: Er hatte nur ein Geschäft. Er ist verstorben.

R: Wann?

BF: 2023.

R: Weshalb ist er verstorben?

BF: Er hatte einen Lebertumor.

R: Von wem wissen Sie das?

BF: Von meiner Familie.

R: Haben Sie, als Sie in Somalia waren, immer in Mogadischu gelebt?

BF: Ja. In Mogadischu.

R: Aus welchem Grund kann Ihre Familie nicht in Mogadischu leben?

BF: Wegen der Sicherheit und aus finanziellen Gründen.

R: Schicken Sie Ihrer Familie Geld?

BF: Manchmal, aber nicht regelmäßig.

R: Können Sie mir die Telefonnummern Ihrer Mutter und Geschwister auf die Beilage ./C aufschreiben?

BF notiert diese.

BF: XXXX ).

R: Wie lautet die Vorwahl?

BF: XXXX .

R: Was meinen Sie mit XXXX ?

BF: Ich weiß es nicht. Es steht XXXX in meinem Telefon usw.

R: Die andere Telefonnummer stammt von wem?

BF: Von meiner jüngeren Schwester. Diese lautet XXXX .

R: Wo leben Ihre Großeltern?

BF: Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass sie noch leben. Keine Ahnung.

R: Aus welchem Grund wissen Sie das nicht?

BF: Väterlicherseits weiß ich nur, dass ich eine Großmutter hatte, welche bei meinem Onkel lebte. Mütterlicherseits kenne ich nicht. Meine Mutter war sehr jung, als sie ihre Familie verließ.

R: Woher stammt Ihre Mutter?

BF: Ihre Mutter war ein XXXX .

R: Woher stammt Ihre Mutter?

BF: Aus Mogadischu glaube ich.

R: Sie müssten Ihre Verwandten kennen, wenn alle Ihre Verwandten aus Mogadischu stammen.

BF: Ich wollte vermeiden, dass ich etwas angebe, was ich nicht weiß. Ich kann Ihnen erzählen, was ich weiß.

R: Wohin hätten Sie mit dem Bus hinfahren sollen, als Sie am Handy mit dem Al-Shabaab-Mann sprachen?

BF: Ich erinnere mich nicht. Ich war unter Schock. Ich glaube, sie sagten, ich soll nach Middle-Shabelle gehen.

R: Wohin genau? Middle-Shabelle ist groß.

BF: Ich erinnere mich nicht. Sie sagten, ich soll wegfahren.

R: Hatten Sie einen Reisepass, als Sie Mogadischu mit dem Flugzeug verlassen haben?

BF: Das kann ich nicht bestätigen. Mein Onkel hat mit einem Mann gesprochen, er hat meine Papiere gezeigt. Ich durfte in das Flugzeug einsteigen, mehr kann ich nicht sagen.

R: Sind Sie im Flugzeug von Ihren Verwandten begleitet worden?

BF: Nein. Mein Onkel ist nicht mitgeflogen. Er hat organisiert, während ich am Flughafen war, dass ich fliegen darf. Er hat mit einem Mann gesprochen, welcher sagte, ich soll mich darüber setzen.

R: Wann genau sind Sie abgeflogen?

BF: Das weiß ich nicht. Es ist schon lange her.

R: Als Sie Mogadischu mit dem Flugzeug verlassen haben, wo sind Sie gelandet?

BF: Im Iran.

R: Sie waren wie lange im Iran?

BF: Ca. 3 Monate.

R: Aus welchem Grund sind Sie in den Iran geflogen?

BF: Ich hatte kein Visum. Das war der Grund, weswegen ich zuerst in den Iran geflogen bin. Dann musste ich weiter in die Türkei, nach Griechenland usw.

R: Wo haben Sie sich ca. 3 Monate im Iran aufgehalten?

BF: Das weiß ich nicht. Glaublich war ich an der Grenze.

R: Bei wem haben Sie sich aufgehalten?

BF: Aus Iran, Irak, Afghanistan waren dort andere Flüchtlinge.

R: Bei wem haben Sie sich aufgehalten?

BF: Alle waren wir Flüchtlinge.

R: Bei wem haben Sie sich aufgehalten 3 Monate im Iran?

BF: Ich kann es nicht beantworten.

R: In welcher iranischen Stadt haben Sie sich aufgehalten?

BF: Ich weiß es nicht, wie die Stadt heißt. Es war nicht Teheran.

R: Hatten Sie einen Reisepass, als Sie im Iran aufhältig waren?

BF: Nein.

R: Auf welche Weise konnten Sie ohne Reisepass den Iran verlassen?

BF: Ich weiß es nicht.

Erörtert werden folgende Berichte:

o) LIB vom 16.01.2025, Version 7;

o) IPC Integrated Food Security, Oktober bis Dezember 2024

o) Auszüge FEWS NET, Dezember 2024 bis Jänner 2025, Februar bis Mai 2025, Juni bis September 2024, Oktober 2024 bis Jänner 2025

o) IPC Population Estimates: Projection (Oct-Dec.2024)

o) Landkarte

o) Stadtplan von Mogadischu

R: Möchten Sie etwas angeben zur Situation in Ihrem Heimatland?

BF: Wenn Sie etwas Konkretes fragen.

R: Möchten Sie etwas angeben zur Situation in Ihrem Heimatland?

BF: Meine Heimat ist nichts. Es gibt kein System. Sie wissen nicht, was System heißt.

R: Der Al-Shabaab-Mann hat Ihnen das Handy übergeben, als bereits der andere Mann am Handy war?

BF: Ja.

[…]“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger Somalias und stellte am 06.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Der BF bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Er gehört dem Clan Shanshi an.

Seine Muttersprache ist Somalisch, welche er in Wort und Schrift beherrscht.

Er ist ledig und kinderlos.

Der BF stammt aus XXXX , wo er XXXX aufgewachsen ist. Er hat in Somalia die Schule besucht. Nicht festgestellt werden kann, dass der BF in seiner Heimat keiner Erwerbstätigkeit nachging. Es ist nicht glaubhaft, dass sich der BF in Somalia als Soldat bzw. Polizist beworben hat.

An Familienangehörigen verfügt der BF insbesondere über seine Eltern, (zumindest) einen Bruder und eine Schwester. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein Bruder des BF bei einem Bombenanschlag der Al Shabaab getötet worden ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein weiterer Bruder von Al Shabaab getötet worden ist, weil er als Polizist bzw. Soldat Mitglieder der Al Shabaab festgenommen hat. Es ist nicht glaubhaft, dass der Vater des BF von Al Shabaab getötet worden ist, weil er deren Steuern nicht bezahlt hat.

Der BF ist gesund und strafrechtlich unbescholten.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 06.02.2023 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt.

1.2. Zum Fluchtvorbringen sowie einer möglichen Rückkehr des BF nach Somalia:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in seinem Herkunftsstaat Somalia verfolgt wird.

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia wird auf folgende Feststellungen verwiesen:

(Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation vom 16.01.2025, Version 7)

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-12-12 12:03

Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 23.8.2024). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Staatlichkeit: Somalia ist nach allen internationalen Maßstäben eines der fragilsten Länder der Welt (Obsiye/AFRA 31.8.2023) und wird mitunter als der am meisten gescheiterte Staat der Welt beschrieben. Das Land verfügt seit dem Zusammenbruch des Regimes von Mohamed Siyad Barre im Jahr 1991 über keine einheitliche Regierung (Rollins/HIR 27.3.2023). Al Shabaab kontrolliert fast 70 % von Süd-/Zentralsomalia (Rollins/HIR 27.3.2023) und gilt als Proto-Staat (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022) bzw. als de-facto-Regime (AA 23.8.2024).

Nach anderen Angaben ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 23.8.2024; vgl. Obsiye/AFRA 31.8.2023). Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, es gibt keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt (AA 23.8.2024). Denn obwohl das Land nominell von Präsident Hassan Sheikh Mohamud regiert wird, steht ein Großteil des Landes nicht unter staatlicher Kontrolle (Rollins/HIR 27.3.2023). Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, ihren Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag (nach westlicher Konzeption des Nationalstaates) in und um Mogadischu auch nur teilweise nachzukommen, geschweige denn ein landesweites Gewaltmonopol zu errichten (Sahan/SWT 5.6.2023). Sie tut sich schwer dabei, Kontrolle über das beanspruchte Gebiet oder auch über Mogadischu auszuüben (BS 2024; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024). Da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2024) und sie es nicht schafft, sich außerhalb von Mogadischu durchzusetzen (ÖB Nairobi 10.2024), verfügt die Bundesregierung kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2024b).

Die Bundesregierung bietet ihren Bürgern derzeit nur wenige wesentliche Dienstleistungen an. Die ständige Instabilität bleibt ein prägendes Merkmal des Lebens. Viele Menschen verlassen sich hinsichtlich grundlegender Dienstleistungen und Schutz weiterhin auf bestehende traditionelle, informelle Institutionen (Sahan/SWT 5.6.2023). Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist gering (BS 2024). Denn der Staat leidet an gescheiterten Institutionen, vom Gesundheitswesen bis zu den Sicherheitskräften. Persönlichkeitsorientierter Politik wird Vorrang gewährt (Sahan/Awad 28.8.2023). Politiker verfolgen persönliche und Claninteressen, sie streben nach Macht und wirtschaftlichen Ressourcen - und nicht nach dem Erreichen gemeinsamer Ziele (BS 2024). Informelle politische und Clanbeziehungen dominieren einen fragilen Staat. Und die immer noch offene institutionelle Lücke wird durch eine Reihe anderer Akteure – darunter al Shabaab – aufgefüllt (Sahan/Awad 28.8.2023). Zudem ist die politische Landschaft durch ein komplexes Zusammenspiel von Clandynamiken, regionalen Rivalitäten und Machtkämpfen auf oberen Ebenen gekennzeichnet. Clanbasierte Politik und Identitäten haben die Bildung politischer Allianzen und Konflikte im ganzen Land erheblich beeinflusst. Verschiedene Fraktionen und regionale Regierungen wetteifern um die Macht, was zu politischer Fragmentierung und einem Mangel an kohärenter Regierungsführung geführt hat (Sahan/SWT 7.7.2023).

Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet (HO/Ainashe 9.6.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023), und gleichzeitig ist die Regierung zum Überleben stark auf internationale Hilfe angewiesen (Rollins/HIR 27.3.2023). Laut einer Quelle ist die Korruption unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud schlimmer, als sie schon in seiner ersten Amtszeit gewesen ist (BMLV 4.7.2024). Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen und untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen (BS 2024). All dies führt zu Fragen hinsichtlich der Legitimität und politischen Relevanz der Bundesregierung (HO/Ainashe 9.6.2024).

Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln. Die innenpolitische Lage ist durch systemische Konflikte zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten geprägt, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (AA 23.8.2024).

Regierung: Unter der bestehenden Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 wird der Präsident für eine Amtszeit von vier Jahren von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt. Der Präsident teilt sich seine exekutive Macht mit dem Premierminister, der wiederum nur mit Unterstützung des Parlaments arbeiten kann (FH 2024b). Mit der erneuten Wahl des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud (2012-2017) am 15.5.2022 wurde der Wahlprozess mit großer Verzögerung abgeschlossen. Trotz aller Bekundungen konnten die - eigentlich für Ende 2020 geplanten - Parlamentswahlen nicht demokratisch gestaltet werden. Stattdessen wurde wieder auf einen Selektionsprozess ähnlich wie bei den Wahlen 2016 zurückgegriffen (AA 23.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Am 9.6.2022 wurde der neue Präsident ins Amt eingeführt (UNSC 1.9.2022b). Hamza Abdi Barre trat im Juni 2022 sein Amt als Premierminister an. Im August 2022 wurde ein neues Kabinett bestehend aus 75 Ministern, stellvertretenden Ministern und Staatsministern ernannt (FH 2024b).

Parlament: Die provisorische Verfassung sieht ein Zweikammernparlament mit einem 275-köpfigen Unterhaus und einem 54 Senatoren umfassenden Oberhaus vor (HIPS 1.11.2021). Die Mitglieder zum Oberhaus werden von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt. Die Wahlen zum Oberhaus begannen im Juli 2021 und konnten nach Monaten der Streitigkeiten im November 2021 abgeschlossen werden (FH 2024b). Sie wurden auf voller Breite manipuliert, nur um 15 der 54 Sitze gab es tatsächlich einen Wettstreit. Die meisten Senatoren sind nunmehr de facto von den Präsidenten der Bundesstaaten nominierte (HIPS 8.2.2022) Alliierte, Freunde und manchmal auch Familienangehörige. Insgesamt hat es sich nicht um einen glaubwürdigen Wahlbewerb gehandelt, der Vorgang kann kaum als "Wahl" bezeichnet werden (HIPS 1.11.2021).

Bei der Wahl zum Unterhaus wählen Älteste und Gruppen der Zivilgesellschaft eines bestimmten Subclans Wahlmänner, welche als Delegierte dann wiederum einen Abgeordneten küren. Senatoren und Abgeordnete wählen schlussendlich den Präsidenten. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet (FP/Ainte/Mahmood 22.9.2021; vgl. BS 2024). Die Abgeordneten werden also in indirekter Wahl von Delegierten gewählt (AA 23.8.2024; vgl. UNSC 13.5.2022). Eigentlich war für die Wahlen vorgesehen, dass jeder einzelne Unterhausabgeordnete von 101 Wahldelegierten seines Clans gewählt wird (2017 waren es 51 Delegierte pro Sitz). Später wurde die Zahl auf 67 Delegierte pro Sitz gesenkt (HIPS 1.11.2021), ca. 27.000 Personen konnten am Wahlprozess teilnehmen (BS 2024). Insgesamt wurden die Wahlen durch innenpolitische Streitigkeiten für mehr als ein Jahr verzögert (AA 23.8.2024; vgl. UNSC 13.5.2022). Es musste eine allseits akzeptierte Repräsentation der verschiedenen Clans sowie der Gliedstaaten sichergestellt werden, was den Prozess der Delegiertenbestimmung sehr langwierig und intransparent gemacht hat. Der gesamte Prozess wurde von verschiedenen nationalen und internationalen Politikern und Beobachtern hinsichtlich seiner Legitimität in Frage gestellt (AA 23.8.2024). Tatsächlich ist es auf breiter Front zu Wahlmanipulationen gekommen (HIPS 8.2.2022) bzw. gab es Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten und einen Mangel an Transparenz (UNSC 8.2.2022; vgl. ÖB Nairobi 10.2024) sowie hinsichtlich Bestechung (AA 23.8.2024; vgl. Sahan/SWT 18.8.2023), Korruption, Stimmenkauf, Gewalt und Einschüchterung (BS 2024). Der Wahlvorgang wird als die korrupteste, intransparenteste und teuerste Wahl in der jüngeren Geschichte Somalias bezeichnet. Viele der Abgeordneten haben demnach ihre Stimme an den Höchstbietenden verkauft (Sahan/SWT 18.7.2022; vgl. FH 2024b). Zudem haben der Präsident sowie die Präsidenten der Bundesstaaten und andere Akteure maßgeblich die Nominierung der Wahldelegierten manipuliert (BS 2024). Am 28.4.2022 wurde der Wahlprozess der am 29.7.2021 begonnenen Parlamentswahlen - die eigentlich 2020 stattfinden hätten sollen - abgeschlossen (AA 23.8.2024). 20 % der 275 Abgeordneten zum Unterhaus sind Frauen (UNSC 13.5.2022).

Demokratie: Zwar gab es die o. g. indirekten Wahlen, doch hat es seit Jahrzehnten keine allgemeinen, direkten Wahlen auf kommunaler, regionaler oder nationaler Ebene mehr gegeben (AA 23.8.2024; vgl. FH 2024b). In Süd-/Zentralsomalia gibt es keine demokratischen Institutionen. Somalia ist keine Wahldemokratie und hat auch keine strikte Gewaltenteilung (BS 2024). Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft hilfsweise unter Einbeziehung demokratisch nicht legitimierter traditioneller Strukturen (v. a. Clanstrukturen) vergeben (AA 23.8.2024). Auch auf der Ebene der Bundesstaaten wurden bislang ausschließlich indirekte Wahlen abgehalten (BS 2024), zur Bildung ihrer Legislative verwenden sie ebenfalls Clan-basierte Machtteilungssysteme (FH 2024b). Generell sind zwar immer wieder progressive Bemühungen zu beobachten, jedoch scheint der Druck der konservativen Eliten im Land oftmals größer zu sein als das tatsächliche Bewusstsein in Bezug auf Demokratie und Menschenrechte (ÖB Nairobi 10.2024). Allerdings hat die Mehrparteiendemokratie in Somalia weder Geschichte noch Tradition. Dafür sind im System von gemeinsamen Verhandlungen und Entscheidungen in und zwischen Clans durchaus demokratisch Werte zu finden (BS 2024).

Insgesamt erfolgte die Zusammensetzung des parlamentarischen Unterhauses entlang der 4.5-Formel, wonach den vier Hauptclans jeweils ein Teil der Sitze zusteht, den [sogenannten] kleineren Clans und Minderheiten zusammen ein halber Teil (USDOS 20.3.2023; vgl. ÖB Nairobi 10.2024; BS 2024). Beim 4.5-System handelt es sich um eine Machtteilungsformel, die politische Vertretung und Ressourcen unter Somalias großen Clans und Minderheitengruppen aufteilt (HO/Ainashe 9.6.2024). Seit dem Jahr 2000 gilt diese Formel, die eigentlich dazu bestimmt war, Somalia vorübergehend Stabilität zu verleihen. Allerdings hat sie sich bezüglich der Entwicklung des Landes als kontraproduktiv erwiesen. Denn mit ihr sind Clanzugehörigkeit und -Loyalität wieder wichtiger geworden als die Loyalität zum Staat (Sahan/SWT 28.3.2022; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024). Zudem fördert die Formel Korruption, Vetternwirtschaft und Stimmenkauf, was die allgemeine Funktionsfähigkeit der Regierung untergräbt (HO/Ainashe 9.6.2024). Nach Angabe anderer Quellen ist das 4.5-System zwar in vielerlei Hinsicht unfair; doch es ist gegenwärtig jenes System, das wenigstens ein Minimum an Stabilität garantiert (AQ21 11.2023; vgl. HO/Ainashe 9.6.2024) und es dem Land ermöglicht, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten und friedliche Machtübergaben zu erleichtern (HO/Ainashe 9.6.2024).

Die Toppositionen der Bundesregierung sind im Rahmen der Formel für die Clans der Darod und Hawiye reserviert (ACLED 28.7.2023), die Minderheiten sind hingegen unterrepräsentiert (BS 2024). Seit 20 Jahren stellen Hawiye und Darod folglich den Präsidenten und den Premierminister, die Rahanweyn den Parlamentssprecher. Die Dir halten hingegen die Toppositionen am Obersten Gericht (TANA/ACRC 9.3.2023).

Staatsgliederung: Die Übergangsverfassung sieht drei Verwaltungsebenen vor: Die Bundesebene (Bundesregierung); Bundesstaaten (Federal Member States) und Bezirke (BS 2024; vgl. ICG 25.9.2023). Während Puntland, das 1998 als Bundesstaat gegründet wurde, bereits zuvor existierte, gründete die Bundesregierung die übrigen Bundesstaaten zwischen 2013 und 2016 - namentlich Galmudug, HirShabelle, den South West State (SWS) und Jubaland (ICG 25.9.2023). Somaliland wird als sechster Bundesstaat erachtet, weist diese Zuordnung allerdings zurück (BS 2024). Die Hauptstadtregion Benadir (Mogadischu) verbleibt als Banadir Regional Administration (BRA) unter direkter Kontrolle der Bundesregierung (HIPS 8.2.2022). Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clanbalance: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir. Allerdings finden sich in jedem Bundesstaat Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden (STDOK 8.2017; vgl. MBZ 6.2023). Eine dritte Regierungsebene besteht aus Bezirksverwaltungen. Deren Bildung schreitet in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich schnell voran (ICG 25.9.2023). Mit eigenen Programmen soll der Aufbau von Lokalverwaltungen gefördert werden. 2024 hat das Dowlad-Kaab Local Governance Program ein Vorgängerprogramm abgelöst. Es umfasst: Abschluss laufender Projekte von Lokalregierungen; Überwachung und Umsetzung neuer Projekte in den nächsten fünf Jahren; Erweiterung und Verbesserung der Aktivitäten; Bereitstellung von Fördermitteln durch den Bund (Halqabsi 27.8.2024).

Aktuelle politische Lage: Nach anfänglichen Versuchen, das durch die Vorgängerregierung mit vielen Bundesstaaten gestörte Verhältnis wieder herzustellen, verhärteten sich ab März 2024 wieder die Fronten. Auslöser dafür war v. a. die vom Präsidenten eingeleitete Überarbeitung der Übergangsverfassung. Der eingeschränkte Personenkreis, der daran beteiligt war, und die Art und Weise, wie die überarbeiteten Verfassungsartikel durch das Parlament „gepeitscht“ (teilweise war nicht einmal das Mindestquorum für eine gültige Abstimmung vorhanden) wurden, sorgte bei den Regierungen der Bundesstaaten für massive Ablehnung (BMLV 7.8.2024). Nicht alle von ihnen waren zuvor konsultiert worden. V. a. Puntland stemmt sich gegen die Änderungen (Horn 30.4.2024), hat sich danach aus dem föderalen System zurückgezogen und seine Absicht bekräftigt, unabhängig zu handeln (EPC 24.5.2024; vgl. UNSC 3.6.2024; UNGA 23.8.2024; RANE/Stratfor 16.4.2024). Dieser Schritt Puntlands hat die Legitimität der Bundesregierung erheblich geschwächt und einen Präzedenzfall für andere Regionen geschaffen, ihre Autonomie geltend zu machen (HO/Ainashe 9.6.2024).

Initiierte Verfassungsänderungen betreffen die Verlängerung der Amtszeiten in den Bundesstaaten; die Einführung eines präsidentiellen Regierungssystems und die Abschaffung des Amtes des Premierministers; sowie die Begrenzung der Zahl der nationalen politischen Parteien auf zwei (HO/Wasuge 29.5.2024; vgl. UNSC 2.2.2024; AA 23.8.2024). Denn ein derartiges Zweiparteiensystem könnte dazu führen, dass faktisch nur noch die zwei stärksten Clans die Wahlen für sich entscheiden (AA 23.8.2024). Außerdem soll das vorherrschende Clan-Quotensystem durch ein allgemeines Wahlrecht abgelöst werden. Das Bundesparlament hat diesen Änderungen am 30.3.2024 zugestimmt (EPC 24.5.2024; vgl. UNSC 3.6.2024; UNGA 23.8.2024). Bei dieser Abstimmung gab es - wie erwähnt - teils kein ausreichendes Quorum, teils kam es zu Stimmenkauf (BMLV 4.7.2024; vgl. Horn 2.4.2024). Laut einer Quelle soll jeder Abgeordnete mit 20.000 US-Dollar bestochen worden sein (Horn 2.4.2024). Am 11.11.2024 stimmten beide Parlamentskammern letztendlich über ein Gesetzespaket zu allgemeinen Wahlen ab. Allerdings haben nur 170 der 310 Abgeordneten überhaupt an der Abstimmung teilgenommen. Laut Plan sollen im Juni 2025 Lokal- und Regionalwahlen stattfinden, im September 2025 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Jubaland und Teile der Opposition haben die neue Gesetzeslage als verfassungswidrig kritisiert (ÖB Nairobi 19.11.2024), Jubaland hat nun ebenfalls mit der Bundesregierung gebrochen (SMN 28.11.2024). Gleichzeitig hat die Forderung der Bundesregierung, dass alle äthiopischen Soldaten mit Jahresende 2024 das Land verlassen müssen, zu Unstimmigkeiten mit dem SWS sowie mit Gedo und Hiiraan geführt. Überall dort wird die weitere Präsenz der äthiopischen Truppen unterstützt (Sahan/SWT 4.9.2024)

Somalias föderale Architektur bricht also zunehmend auf, und die Bundesregierung läuft Gefahr, dass sie nur noch die Hawiye vertritt. Mit Ausnahme des Präsidenten des SWS, Abdiaziz Laftagareen, nahmen am National Consultative Council (NCC) [Anm.: eine gemeinsame Einrichtung von Bund und Bundesstaaten] im Oktober 2024 nur noch Vertreter der Hawiye teil. Die beiden von Darod dominierten Bundesstaaten Puntland und Jubaland haben ihre Zusammenarbeit mit Mogadischu eingestellt. Die Digil-Mirifle im SWS stehen in Opposition zur Forderung der Bundesregierung, dass mit Ende 2024 alle äthiopischen Truppen aus Somalia abgezogen sein müssen. Und mit den Hawadle in Hiiraan stehen sogar Hawiye in Opposition zur Bundesregierung. Letztere präsentiert sich nunmehr als nicht viel mehr als ein brüchiges Bündnis aus Abgaal und Habr Gedir (Galmudug) (Sahan/SWT 30.10.2024). Der Bruch Jubalands mit der Bundesregierung (November 2024) gibt Anlass zur Sorge, dass Somalia noch weiter fragmentiert (SMN 28.11.2024). Ohne Jubaland und Puntland können wichtige Verfassungsänderungen jedenfalls nicht umgesetzt werden (Sahan/SWT 25.11.2024).

Islamismus: Die moderat-islamische politische Ausrichtung des Präsidenten (BMLV 1.12.2023; vgl. Sahan/SWT 28.6.2022) entspricht de facto der Ausrichtung der Muslimbruderschaft (BMLV 1.12.2023). Der Präsident stützt sich dabei auf die von ihm gegründete politische Partei, Union for Peace and Development (AQ13 6.2023; vgl. BMLV 1.12.2023; Sahan/Bryden 5.7.2024), der fast alle vom Präsidenten ernannten Personen angehören und über deren Inhalte wenig bekannt ist (AQ13 6.2023), und die islamische Gruppierung Damul Jadiid (Neues Blut) (BMLV 1.12.2023). Generell spielen in der somalischen Politik islamistische Gruppen nun eine direktere Rolle, und religiöse Normen gewinnen an Einfluss und Bedeutung. Die Nominierung des [Anm.: desertierten] Mitgründers der al Shabaab zum Religionsminister unterstreicht diesen Trend (BS 2024).

Insgesamt sind die islamistischen Gruppen die am besten organisierten politischen Kräfte des Landes. Sie können zudem auf Ressourcen und Verbindungen in den Golfstaaten zurückgreifen. Seit 2009 rotiert die Macht im Staat zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Muslimbrüder. Prominente Fraktionen sind Damul Jadiid, al Islah, Aala Sheikh und Daljir. Gleichzeitig war unter Präsident Farmaajo auch die salafistische al I'tisaam an der Macht beteiligt (Sahan/SWT 16.2.2024). Diese Gruppe erachtet die Demokratie als Verletzung der Scharia (Sahan/SWT 5.9.2022) und gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Al I'tisaam verfolgt de facto die gleichen Ziele wie al Shabaab – aber ohne Gewalt. Dafür versucht die Gruppe die Wirtschaft zu beeinflussen. Gleichzeitig gibt es zwischen beiden Gruppen einen Dialog (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Davon abgesehen gibt es Hinweise darauf, dass die Bundesregierung über Vermittlung durch Katar mit al Shabaab in Verhandlungen getreten ist. Einige Minister der Regierung stehen Arrangements mit der Terrororganisation positiv gegenüber (BMLV 4.7.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.7.2023): Situation Update; July 2023; Somalia: Political Crisis Deepens Amid Transition to Direct Elections, https://acleddata.com/2023/07/28/somalia-situation-update-july-2023-electoral-crisis-deepens-as-somalia-transitions-to-direct-elections/, Zugriff 26.9.2023

AQ13 - Anonyme Quelle 13 (6.2023): Bei der Quelle handelt es sich um einen analytischen Newsletter

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1.12.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

EPC - Emirates Policy Center (24.5.2024): Expansion of the Islamic State in Puntland: A New Round of Jihadist Infighting in Somalia, https://epc.ae/en/details/featured/expansion-of-the-islamic-state-in-puntland-a-new-round-of-jihadist-infighting-in-somalia, Zugriff 28.5.2024

FH - Freedom House (2024b): Freedom in the World 2024 - Somalia, https://freedomhouse.org/country/somalia/freedom-world/2024, Zugriff 8.7.2024

FP/Ainte/Mahmood - Foreign Policy (Herausgeber), Omar S. Mahmood (Autor), Abdihakim Ainte (Autor) (22.9.2021): Could Somalia Be the Next Afghanistan?, https://foreignpolicy.com/2021/09/22/could-somalia-alshabab-taliban-next-afghanistan/, Zugriff 6.10.2023

Halqabsi - Halqabsi News (27.8.2024): Somalia Launches Dowlad-Kaab Local Governance Program, https://halqabsi.com/2024/08/somalia-launches-dowlad-kaab/, Zugriff 12.12.2024

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8.2.2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (1.11.2021): The Dangers of rigged indirect Elections in Somalia, https://heritageinstitute.org/wp-content/uploads/2021/11/Election-Brief-English-Nov-24-2021.pdf, Zugriff 6.10.2023

HO/Ainashe - Hiiraan Online (Herausgeber), Mukhtar Ainashe (Autor) (9.6.2024): Is the Somali federal government losing legitimacy and political relevance?, https://www.hiiraan.com/op4/2024/jun/196626/is_the_somali_federal_government_losing_legitimacy_and_political_relevance.aspx, Zugriff 28.6.2024

HO/Wasuge - Hiiraan Online (Herausgeber), Mahad Wasuge (Autor) (29.5.2024): Somalia’s (eternal) election conundrum: time for a realistic assessment, https://www.hiiraan.com/op4/2024/may/196479/somalia_s_eternal_election_conundrum_time_for_a_realistic_assessment.aspx, Zugriff 28.6.2024

Horn - Horn Observer (30.4.2024): Confusion and Instability: Hassan Sheikh Mohamud’s tangled web of alliances, https://hornobserver.com/articles/2732/Confusion-and-Instability-Hassan-Sheikh-Mohamuds-tangled-web-of-alliances, Zugriff 7.5.2024

Horn - Horn Observer (2.4.2024): Root Out The Decay: Bribery and Corruption in Somali Parliament, https://hornobserver.com/articles/2692/Root-Out-The-Decay-Bribery-and-Corruption-in-Somali-Parliament, Zugriff 7.5.2024

ICG - International Crisis Group (25.9.2023): Avoiding a New Cycle of Conflict in Somalia's Galmudug State, https://icg-prod.s3.amazonaws.com/s3fs-public/2023-09/b193-somalia-galmudug-state_0.pdf, Zugriff 30.1.2024

MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin information report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_June_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024

ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (19.11.2024): Wochenbericht 11.11.-17.11.2024, per e-Mail an die Staatendokumentation

ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]

Obsiye/AFRA - Liban Obsiye (Autor), African Arguments (Herausgeber) (31.8.2023): Understanding the local context is key to addressing fragility in Somalia, https://africanarguments.org/2023/08/understanding-local-context-is-key-to-addressing-fragility-in-somalia/, Zugriff 15.12.2023

RANE/Stratfor - RANE Network (Autor), Stratfor (Herausgeber) (16.4.2024): Somalia's Constitutional Changes Widen Rifts at Home and Abroad, https://worldview.stratfor.com/article/somalias-constitutional-changes-widen-rifts-home-and-abroad?id=743c2bc617 e=43cabd063c uuid=d4f590da-2381-4c65-95b7-82eb04d7d040 mc_cid=14ee3f6272 mc_eid=43cabd063c, Zugriff 17.4.2024 [kostenpflichtig, Login erforderlich]

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Sahan/Bacon/Guiditta - Tricia Bacon (Autor), Maria Guiditta (Autor), Sahan (Herausgeber) (7.8.2023): Estimating Al-Shabaab’s Size, in: The Somali Wire Issue No. 575, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/Bryden - Matt Bryden (Autor), Sahan (Herausgeber) (5.7.2024): The Road to Kabul: Villa Somalia and Negotiations with Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 701, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30.10.2024): The Return of the 'Hiiraan State', in: The Somali Wire Issue No. 749, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (4.9.2024): Egypt – The Latest Wedge Exacerbating Somalia's Divisions, in: The Somali Wire Issue No. 727, per e-Mail

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (16.2.2024): Islam and State: The Elephant Not in the Room, in: The Somali Wire Issue No. 649, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (18.8.2023): The Spectre of Corruption, in: The Somali Wire Issue No. 580, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (7.7.2023): Somalia’s political discord, in: The Somali Wire Issue No. 562, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (5.6.2023): The nation state in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 549, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (5.9.2022): Somaliland’s embattled democracy, in: The Somali Wire Issue No. 447, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (18.7.2022): The Somali government’s culture of corruption – a clear and present danger, in: The Somali Wire Issue No. 421, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (28.6.2022): The counter-reform will not be televised, in: The Somali Wire Issue No. 414, per e-Mail 29.6.2022 [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (28.3.2022): The Somali government’s culture of corruption – a clear and present danger, in: The Somali Wire Issue No. 358, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SMN - Shabelle Media Network (28.11.2024): Jubaland Cuts Supends Cooperation with Somali Government Amid Tension, https://shabellemedia.com/jubaland-cuts-supends-cooperation-with-somali-government-amid-tension, Zugriff 5.12.2024

STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia; Sicherheitslage in Somalia; Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf, Zugriff 6.10.2023

TANA/ACRC - Tana Copenhagen (Herausgeber), African Cities Research Consortium (Autor) (9.3.2023): Understanding Systems in Mogadishu City, https://tanacopenhagen.com/wp-content/uploads/2023/03/ACRC-Tana-Mogadishu-City-System-Analysis.pdf, Zugriff 23.5.2024

TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen - Sif Heide-Ottosen (Autor), James Khalil (Autor), Yahye Abdi (Autor), Abdullahi Ahmed Nor (Autor), Martine Zeuthen (Autor), The Resolve Network (Herausgeber) (2022): Journeys through Extremism: The Experiences of Former Members of Al-Shabaab, https://resolvenet.org/system/files/2023-09/RSVE_RR_CBAGS_JourneysAlShabaab_Heide-Ottosenetal_Sept2022_UpdatedAug2023.pdf, Zugriff 29.1.2024

UNGA - United Nations General Assembly (23.8.2024): Report of the Independent Expert on the situation of human rights in Somalia, Isha Dyfan (A/HRC/57/80) [EN/AR/RU/ZH] - Somalia, https://reliefweb.int/attachments/de0a5efb-ba80-4c3f-9692-054f1a04f1cc/g2414208.pdf, Zugriff 13.11.2024

UNSC - United Nations Security Council (3.6.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General (S/2024/426) [EN/AR/RU/ZH], https://reliefweb.int/attachments/2ee6cff6-d8b3-4bac-bf53-5c07f96b1a9f/n2414191.pdf, Zugriff 28.6.2024

UNSC - United Nations Security Council (2.2.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/758], https://www.ecoi.net/en/file/local/2106391/n2401965.pdf, Zugriff 4.6.2024

UNSC - United Nations Security Council (1.9.2022b): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/665], https://www.ecoi.net/en/file/local/2078696/N2257941.pdf, Zugriff 6.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (13.5.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/392], https://www.ecoi.net/en/file/local/2073538/N2233663.pdf, Zugriff 6.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (8.2.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/101], https://www.ecoi.net/en/file/local/2068141/S_2022_101_E.pdf, Zugriff 6.10.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Somalia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089065.html, Zugriff 4.10.2023

Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

De facto wird Mogadischu von der Bundesregierung verwaltet (SDP/SPA 14.9.2022). Benadir ist die einzige Region, über welche die Bundesregierung volle Kontrolle ausübt (HIPS 8.2.2022). Gleichzeitig spielen al Shabaab, ATMIS, die internationale Gemeinde und der Privatsektor bedeutende Rollen in Mogadischu (HIPS 8.2024). Die Übergangsverfassung sieht vor, dass das Bundesparlament über den Status der Region Benadir - und damit den Status von Mogadischu - entscheiden muss. Bislang wurde keine Entscheidung gefällt, der Status von Benadir bleibt unklar. Die Bundesregierung wehrt sich dagegen, dass Benadir ein eigener Bundesstaat wird. Dadurch würde sie stark an Einfluss verlieren (HIPS 8.2.2022). Die Entscheidung über den Status von Benadir ist eines der wichtigsten, nach wie vor unentschiedenen politischen Themen (SDP/SPA 14.9.2022).

Da die Hauptstadt direkt der Bundesregierung untersteht, ernennt der somalische Präsident Bürgermeister (gleichzeitig Gouverneur von Benadir) und Stellvertreter (HIPS 8.2.2022; vgl. SDP/SPA 14.9.2022) sowie alle District Commissioners. Zudem verwaltet die Bundesregierung alle in der Stadt eingehobenen Erträge (SDP/SPA 14.9.2022).

Die Benadir Regional Administration (BRA) verfügt über eine funktionierende Regionalregierung und wird vom Bürgermeister von Mogadischu geführt (BMLV 7.8.2024). Die BRA konnte ihre Autorität innerhalb der Mischung informeller Machtmakler in Mogadischu langsam stärken. So werden z. B. Mietverträge zwischen IDP-Siedlungen und Grundbesitzern – zuvor mündlich – nunmehr schriftlich niedergelegt und bei der BRA hinterlegt. Damit ist auch die Zahl der Zwangsräumungen zurückgegangen (NH 17.8.2023b).

In Mogadischu spielen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und Murusade aufgrund der Bevölkerungsstruktur auch weiterhin eine dominante Rolle (BMLV 7.8.2024; vgl. HIPS 8.2024). Der Bürgermeister, seine vier Stellvertreter und die meisten District Commissioners gehören diesen drei Clans an. Clanzugehörigkeit und Loyalität spielen eine entscheidende Rolle bei der Besetzung der wichtigsten Posten in der Stadt (HIPS 8.2024).

Quellen

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8.2024): Mogadishu – City Report, https://heritageinstitute.org/wp-content/uploads/2024/08/Mogadishu-City-report.pdf, Zugriff 5.12.2024

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (8.2.2022): State of Somalia Report 2021, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2021-English-version.pdf, Zugriff 6.10.2023

NH - New Humanitarian, The (17.8.2023b): ‘There’s no future in this IDP camp’: Why Somalia’s crisis needs a rethink, https://www.ecoi.net/de/dokument/2096012.html, Zugriff 9.10.2023

SDP/SPA - Somali Dialogue Platform, Somali Public Agenda (14.9.2022): Policy options for resolving th status of Mogadishu, Policy paper SDP.F20.05, https://somalipublicagenda.org/wp-content/uploads/2022/09/SPA_Policy_Paper_03_ENGLISH-in-partnership-with-Somali-Dialogue-Platform.pdf, Zugriff 9.10.2023

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Letzte Änderung 2025-01-09 08:04

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst (und in noch geringeren Teilen vom sogenannten Islamischen Staat in Somalia), während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 7.8.2024).

Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind auch Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 7.8.2024). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 28.6.2024 folgendermaßen wieder:

Das Bild zeigt eine Landkarte von Somalia, in welcher verzeichnet ist, welche Teile von welchem Akteur beeinflusst oder kontrolliert werden PGN 28.6.2024

Critical Threats bietet einen Überblick über die spezifisch auf al Shabaab bezogene Situation für Somalia und Kenia (Karte vom April 2024):

Landkarte zeigt Gebiete der al Shabaab in Somalia CT/Karr/AEI 23.9.2024

ACLED bietet einen Überblick über die Vorfälle in Somalia innerhalb vier unterschiedlicher Monate des Jahres 2024:

ACLED Vorfälle auf Landkarten notiert für vier Monate

(ACLED 29.11.2024; ACLED 28.10.2024; ACLED 30.9.2024; ACLED 31.7.2024)

Quellen

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (29.11.2024): Al-Shabaab targets civilians in Somalia in retaliation for installing CCTV cameras - Situation Update, November 2024, https://reliefweb.int/attachments/7d28f21b-bb6b-4195-8234-d959f6e1cc7b/Al-Shabaab targets civilians in Somalia in retaliation for installing CCTV cameras - Situation Update - November 2024.pdf, Zugriff 13.12.2024

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.10.2024): Controversy over electoral reform sparks debate in Somalia amid al-Shabaab operation, Situation Update, October 2024, https://acleddata.com/2024/10/28/controversy-over-electoral-reform-sparks-debate-in-somalia-amid-al-shabaab-operation-october-2024/, Zugriff 13.12.2024

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (30.9.2024): State officials in Somalia crack down on clan militia checkpoints, Situation Update, https://reliefweb.int/attachments/69de2b9e-8074-4e50-9d5c-f3cfbe0af1fc/acleddata.com-State officials in Somalia crack down on clan militia checkpoints.pdf, Zugriff 13.11.2024

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (31.7.2024): The looming threat: A resurgence of Islamic State and inter-clan fighting in Somalia, Situation Update, July 2024, https://acleddata.com/2024/07/31/the-looming-threat-a-resurgence-of-islamic-state-and-inter-clan-fighting-in-somalia-july-2024/, Zugriff 13.12.2024

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (2023): Curated Data - Africa (6 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 16.1.2023 [kostenpflichtig, Login erforderlich]

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

CT/Karr/AEI - Liam Karr (Autor), American Enterprise Institute (Herausgeber), Critical Threats (Herausgeber) (23.9.2024): Africa File Special Edition - External Meddling for the Red Sea Exacerbates Conflicts in the Horn of Africa, https://www.criticalthreats.org/analysis/africa-file-special-edition-external-meddling-for-the-red-sea-exacerbates-conflicts-in-the-horn-of-africa, Zugriff 13.12.2024

INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

PGN - Political Geography Now (28.6.2024): Preliminary Somalia Control Map – Approximate Territorial Control, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

Die Sicherheitslage bleibt volatil (UNGA 23.8.2024). Weiterhin fordert der Konflikt Opfer, es kommt zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und anderen Kriegsverbrechen durch alle Konfliktbeteiligten. Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖB Nairobi 10.2024), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet (AA 23.8.2024). Al Shabaab bleibt weiterhin die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Somalia (UNSC 28.10.2024; vgl. HIPS 7.5.2024). Die Gruppe führt komplexe Angriffe gegen Regierungskräfte und ATMIS, aber auch gegen Zivilisten und Wirtschaftstreibende durch (UNSC 28.10.2024). Weite Teile des Hinterlandes verbleiben unter Kontrolle der dschihadistischen al Shabaab. Weitere Teile werden von Clanmilizen oder Bundesstaaten kontrolliert, die nicht mit der Bundesregierung kooperieren (BS 2024). Laut UN verteilen sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle in Berichten der Jahre 2024 und 2023 wie folgt:

Sicherheitsrelevante Vorfälle in unterschiedlichen Berichten der VN

(UNSC 27.9.2024; UNSC 3.6.2024; UNSC 2.2.2024; UNSC 13.10.2023; UNSC 15.6.2023)

Im Zusammenhang mit der laufenden Offensive am meisten betroffen sind Middle Shabelle, Mudug, Galgaduud und Hiiraan (BMLV 7.8.2024) sowie Lower Shabelle und Lower Juba (FSNAU/IPC 23.9.2024a). Seit Dezember 2023 verstärkt al Shabaab ihre Aktivitäten in Lower Shabelle, Bay (UNSC 2.2.2024) und Bakool. In diesen drei Regionen sind jene Positionen bzw. Orte hart umkämpft, von denen aus größere Räume kontrolliert werden können. Das beste Beispiel dafür ist der seit Monaten andauernde Kampf um Goof Gaduud Burey in der Nähe von Baidoa (BMLV 7.8.2024).

In den vergangenen Jahren wurden Offensiven gegen al Shabaab durchgeführt, die sich zunächst aus militärischer Sicht als erfolgreich erwiesen haben. Anfängliche territoriale Erfolge bringen aber oft eine weitaus schwierigere Herausforderung mit sich: die Stabilisierung eroberter Gebiete. Das Versäumnis, befreite Gebiete wirksam zu stabilisieren, hat wiederholt zum Rückzug von Regierungskräften geführt (Sahan/SWT 4.8.2023). Die Sicherheitskräfte sind fragmentiert, es mangelt ihnen an Kapazitäten, weiteres Gebiet zu erobern. Die Offensive der Jahre 2022 und 2023 konnte nur unter Zuhilfenahme lokaler Milizen durchgeführt werden - und trotzdem wurden die meisten der damals eingenommenen Gebiete wieder verloren (Sahan/SWT 5.1.2024). Gleichzeitig hat das Versäumnis, gespaltene Gemeinschaften zu versöhnen, dazu geführt, dass auch in Absenz von al Shabaab neue Konflikte entstehen konnten. So wurde al Shabaab etwa im Rahmen der Operation Badbaado in Lower Shabelle in den Jahren 2019–2020 aus mehreren Städten vertrieben. Drei Jahre danach kämpft die Bundesregierung aber immer noch darum, die befreiten Gebiete zu stabilisieren. Hilfsleistungen und staatliche Dienstleistungen bleiben unzureichend und oberflächlich (Sahan/SWT 4.8.2023).

Die Bundesregierung hat es nach wie vor nicht geschafft, die Reichweite staatlicher Institutionen in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums über Mogadischu hinaus auszuweiten (BMLV 7.8.2024). Generell ist die Regierung nicht in der Lage für Sicherheit zu sorgen. Dafür ist sie in erster Linie auf ATMIS, aber auch auf Unterstützung anderer Staaten angewiesen (BMLV 7.8.2024; vgl. BS 2024). Andererseits leben und arbeiten in Somalia laut einer Quelle mehr als 60.000 Gastarbeiter aus Kenia und Uganda (TEA/Barigaba 28.4.2024).

Armee und Schutztruppe (ATMIS) als relevanter Faktor: ATMIS wurde im Juni 2023 um 2.000 Mann reduziert, im Dezember 2023 um 3.000 Mann und im Juni 2024 um weitere 2.000. Die Ausbildung neuer Soldaten für die Bundesarmee machte 2023 gute Fortschritte, es mussten aber auch hohe Verluste hingenommen werden. Das größte Problem ist neben der Truppenstärke die fehlende Ausrüstung (schwere Waffen, Luftkomponente etc.). Eine Nachfolgemission für ATMIS steht im Raum (BMLV 7.8.2024). [siehe auch Ausländische Kräfte]

ATMIS ist maßgeblich an der Kontrolle des Territoriums beteiligt. V. a. in städtischen Gebieten fungiert ATMIS als Haltetruppe und ist für die Sicherheit der somalischen Führung und der Wirtschaftsquellen des Landes, einschließlich Häfen und Flughäfen, maßgeblich verantwortlich. Dahingegen konzentrieren sich die somalischen Sicherheitskräfte auf das Vordringen in weniger besiedelte Gebiete (ACAPS 17.8.2023). Die Bundesarmee ist aber überdehnt (Sahan/STDOK/SEM 4.2023; vgl. UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist das Szenario, wonach al Shabaab bei einem Abzug von ATMIS das Land übernimmt, nicht mehr plausibel (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine weitere Quelle gibt an, dass die Bundeskräfte nach einem Abzug von ATMIS nicht kollabieren werden, und al Shabaab nicht nach Mogadischu zurückkehren wird (Think/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle erklärt, dass es für al Shabaab nun sehr schwer geworden ist, die Bundesregierung zu überrennen (AQ21 11.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass nur bei völligem Wegfall jeglicher externen Unterstützung der Fall eintreten könnte, dass die Bundesregierung zusammenbricht (BMLV 1.12.2023). Mit Unterstützung einer Nachfolgemission von ATMIS sowie externen Partnern (etwa der Türkei, UN und EU) wird demnach das Halten von Mogadischu möglich sein (BMLV 7.8.2024). Schlussendlich gibt eine Quelle an, dass größere Städte - z. B. Mogadischu, Kismayo, Baidoa - aufgrund der dort gegebenen Massierung an Mannschaften und Gerät nicht von al Shabaab eingenommen werden können; dahingegen geht diese Quelle davon aus, dass die Gruppe nach einem Abzug von ATMIS wieder weite Teile des ländlichen Raumes zurückgewinnen wird können (Sahan/SWT 6.3.2024). Eine andere Quelle geht davon aus, dass Baidoa oder Kismayo nur gehalten werden können, wenn Äthiopien bzw. Kenia ihre dort stationierten Kontingente aufrechterhalten (BMLV 7.8.2024).

Macawiisley-Offensive: Unter Einbeziehung lokaler Clanmilizen gelang es der Regierung in einer großen Offensive seit August 2022 erstmals, al Shabaab aus weiten Teilen HirShabelles und Galmudugs zurückzudrängen (AA 23.8.2024). An der Spitze des Kampfes standen die Macawiisley-Milizen (Economist 3.11.2022; vgl. Sahan/SWT 4.8.2023, ICG 21.3.2023). Diese lokalen Milizen werden von den Vereinten Nationen "Community Defence Forces" genannt (UNSC 15.6.2023). Im Rahmen der Offensive konnten die größten territorialen Gewinne seit Mitte der 2010er-Jahre erzielt werden. Bundesarmee und lokale Milizen haben al Shabaab aus signifikanten Teilen Zentralsomalias vertrieben (ICG 21.3.2023; vgl. Economist 3.11.2022; Sahan/SWT 13.9.2023), und zwar in den Regionen Middle Shabelle, Hiiraan, Galgaduud und Mudug. Die Gruppe verlor die Kontrolle über mehrere strategische Städte wie die Hafenstadt Xaradheere (Mudug), Ceel Dheere, Adan Yabaal (BBC 15.6.2023; vgl. ICG 21.3.2023), Galcad und Runirgod (Galgaduud und Middle Shabelle). Diese Städte wurden fast 15 Jahre lang von al Shabaab kontrolliert und leisteten einen erheblichen Beitrag zu ihren Finanzen (BBC 15.6.2023). Zudem hält al Shabaab derzeit keine Räume oder Orte mehr an der Küste in Galmudug oder HirShabelle, allerdings wird diese auch nicht lückenlos von der Regierung kontrolliert (BMLV 7.8.2024).

Allerdings hat die Offensive ab Mitte 2024 Rückschläge erlitten, einige Orte und Gebiete gingen wieder an al Shabaab verloren (UNSC 28.10.2024; vgl. AA 23.8.2024). Auch in der Vergangenheit ist es der somalischen Regierung nicht gelungen, grundlegende staatliche Kernaufgaben in den befreiten Gebieten wahrzunehmen, sodass al Shabaab sich nach Rückzug immer wieder neu aufstellen und Gebiete zurückerobern konnte. Dieses Phänomen ist nun erneut zu beobachten und kostet die Regierung Unterstützung bei den Clanmilizen (AA 23.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Die Rückschläge sind u. a. auf einen Mangel an Truppen zurückzuführen (ÖB Nairobi 10.2024). Generell stehen keine bzw. zu wenige leistungsfähige und verlässliche Truppen zur Verfügung, um eroberte Orte zu halten, wenn die Angriffstruppen weiterziehen (BMLV 7.8.2024). Zudem kam es zu logistischen Problemen, einem Mangel an Ressourcen und einem Aufbrechen von Clankonflikten (HIPS 7.5.2024).

Die Beziehungen der Bundesregierung zu manchen im Kampf gegen al Shabaab erfolgreichen Clans (v. a. die Hawadle) haben sich aufgrund politischer Verwerfungen abgekühlt (ACLED 15.9.2023). Gleichzeitig zwingt die Unfähigkeit der Regierung, die Kontrolle über gewonnene Gebiete aufrechtzuerhalten und eine starke Präsenz aufzubauen, lokale Clans zu Friedensabkommen mit al Shabaab, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten (HI 4.2023; vgl. ACLED 15.9.2023; BMLV 7.8.2024). Während al Shabaab nun versucht, den einen Teil der Hawiye gegen die Bundesregierung zu mobilisieren (v. a. Habr Gedir / Mohamud Hirab, Murusade und Abgal / Wacaysle), versucht die Bundesregierung, den anderen Teil (z.B. Habr Gedir) gegen al Shabaab in Stellung zu bringen (ACLED 15.9.2023; vgl. BMLV 7.8.2024). Al Shabaab hat versucht sich anzupassen – etwa im Umgang mit der Lokalbevölkerung. Die Gruppe setzt nun mehr auf Anreize als auf Zwang und Erpressung. Bereits Ende Dezember 2022 wurde mit Teilen der Saleban ein neues Abkommen geschlossen (ICG 21.3.2023). Gleichzeitig schürt al Shabaab unter den Clans Angst, dass fremde Clanmilizen über sie herzufallen drohen. Diese Propaganda dient auch als Rekrutierungsmittel, z. B. bei den Murusade in Zentralsomalia (BMLV 7.8.2024).

Spannungen in neu eroberten Gebieten haben zudem teils zu Kampfhandlungen zwischen Clans geführt (AQ21 11.2023). Der Konkurrenzkampf zwischen den Clans um die Kontrolle über befreite Gebiete in Teilen von HirShabelle löste wochenlange angespannte Auseinandersetzungen und in einigen Fällen tödliche Zusammenstöße aus (Sahan/SWT 9.8.2023).

Aktueller Trend: Laut zweier Quellen ist al Shabaab nun stärker als zuvor (BMLV 4.7.2024; vgl. Sahan/SWT 3.7.2023). Es kam zu zusätzlichen Rekrutierungen, wobei al Shabaab gleichzeitig größere Verluste vermeiden konnte – anders als die Bundesarmee. Selbst während der intensiven Phase der Gefechte erlitt die Gruppe geringere Verluste als ihr Gegner (BMLV 1.12.2023). Ab Jänner 2023 hat die Bundesarmee zwar 12.000 neue Soldaten in Dienst bestellt. Davon ist aber nur noch die Hälfte einsatzbereit. Von Jänner 2023 bis April 2024 musste die Armee 4.600 Gefallene verzeichnen. Die Armee ist ausgeblutet, die Spezialeinheit Gorgor - die im Zuge der Offensive breit eingesetzt worden ist - ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Alleine beim Angriff der al Shabaab auf das Lager Osweyne hat sich eine ganze Brigade aufgelöst. Von 2.400 Mann sind dort 800 gefallen, viele weitere wurden verwundet oder sind desertiert. Auch die Darawish von Galmudug sind stark dezimiert worden. Insgesamt wird attestiert, dass die Bundesarmee nicht mehr handlungsfähig ist. Seit Ende 2023 sind auch keine Bemühungen bekannt, Lücken durch neue Rekrutierungen zu füllen. Lediglich für Gorgor werden neue Soldaten ausgebildet. Gleichzeitig ist die "Volksmobilisierung" über die Macawiisley zum Erliegen gekommen, während der Abzug von ATMIS weiter fortschreitet. Tatsächlich gibt es aber keine Truppen, die ATMIS ersetzen könnten. Somalia ist nach Angaben einer Quelle Lichtjahre davon entfernt, Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen zu können (BMLV 4.7.2024).

Im März und April 2024 scheiterte ein letzter Versuch der Bundesregierung, eine neue Offensive voranzutreiben. Letztendlich gibt es keine Kräfte mehr, welche nun eine neue Offensive führen könnten. Das Momentum liegt bei al Shabaab, die Bundesregierung befindet sich in der Defensive (BMLV 7.8.2024). Die Gruppe hat viele der von der Bundesregierung seit August 2022 erzielten Erfolge wieder zunichtegemacht (VOA/Babb 18.6.2024). Während der Gebietsgewinn in HirShabelle nachhaltiger ist, wurde das in Galmudug gewonnene Gelände nahezu gänzlich wieder verloren (BMLV 4.7.2024). Al Shabaab konnte mehr als die Hälfte des verlorenen Gebietes wieder besetzen (BMLV 7.8.2024).

Zentralsomalia aus Sicht von Critical Threats im Herbst 2024:

Das Bild zeigt Kontrollzonen in Zentralsomalia Anfang Oktober 2024 CT/Karr/AEI 24.10.2024

Al Shabaab [siehe auch Al Shabaab] hat trotz der nominell hohen Verluste, die der Gruppe durch Luftangriffe und Gefechte zugefügt worden sind, keinen Mangel an Kämpfern. Zumindest ist es nicht gelungen, Angriffe von al Shabaab auf Militärstützpunkte einzudämmen. Sie ist auch immer noch in der Lage, Angriffe in Mogadischu, gegen Stützpunkte der ATMIS und über die Grenzen der ATMIS-Mitgliedsstaaten Äthiopien und Kenia hinweg zu verüben (Soufan 3.7.2023; vgl. BMLV 7.8.2024). Das sogenannte "Hafenabkommen" zwischen Äthiopien und Somaliland hat al Shabaab viele neue Rekruten gebracht (VOA/Babb 18.6.2024).

Die Gruppe hat zwar signifikant an Gebiet und Kämpfern eingebüßt, ist aber weit von einer Niederlage entfernt (BMLV 7.8.2024; vgl. BS 2024). Al Shabaab greift weiterhin regierungsnahe Kräfte und Ziele sowie Zivilisten im ganzen Land an. Die Gruppe übt Druck auf Zivilisten aus, ihre extremistische Ideologie zu unterstützen (USDOS 15.5.2023). Angegriffen werden Regierungseinrichtungen sowie Sicherheitskräfte und deren unmittelbare Umgebung. Auch der Flughafenbereich ist betroffen (AA 3.6.2024). In Zentralsomalia hält sich al Shabaab weiterhin im freien Gelände zwischen den Ortschaften auf und greift bei jeder Gelegenheit die Orte selbst bzw. die Bewegungen zwischen den Ortschaften an (BMLV 7.8.2024).

Al Shabaab verwendet gewalttätige, extremistische Taktiken. Die Gruppe bleibt die signifikanteste Bedrohung für Frieden, Stabilität und Sicherheit. Sie ist in hohem Maß anpassungsfähig und mobil und kann ihren Einfluss auch in Gebieten außerhalb der eigenen Kontrolle geltend machen. Die Gruppe bedient sich neben politischen und kriminellen Mitteln (wie Einschüchterung, Erpressung etc.) zur Kontrolle der Bevölkerung im militärischen Bereich zur Erreichung der Ziele der gesamten Bandbreite der asymmetrischen Kriegsführung. Mit unterschiedlichen Methoden gelingt es al Shabaab, die Bevölkerung zu kontrollieren, Einfluss auf die Politik zu nehmen und in Süd-/Zentralsomalia für ein Klima der Angst zu sorgen: Kontrolle großer Gebiete; sogenannte Hit-and-Run-Angriffe gegen Städte und militärische Positionen; Ausnutzung von Clanstreitigkeiten mit einer Taktik des "teile und herrsche"; Unterbrechung von Hauptversorgungsrouten und Blockade von Städten; und in wichtigen Städten (z. B. Mogadischu, Baidoa, Galkacyo, Jowhar) gezielte Attentate, Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Mörserangriffe. Zusätzlich ist die Gruppe auch weiterhin in der Lage, größere - sogenannte "komplexe" - Angriffe durchzuführen. Dabei verfolgt al Shabaab insgesamt eine klassische Guerilla-Doktrin: Die Einkreisung von Städten aus dem ländlichen Raum heraus (BMLV 7.8.2024).

Während eines Großteils der Trump-Jahre konnten Kämpfer der al Shabaab aufgrund der Intensität der Luftangriffe nicht in Konvois reisen (Sahan/SWT 2.8.2023). Heute ist besorgniserregend, wie leicht sich die Gruppe in weiten Teilen Somalias bewegen kann. Al Shabaab ist nun wieder in der Lage, Hunderte Kräfte zu konzentrieren, um Stützpunkte der Bundesarmee oder ihrer Verbündeten zu vernichten (BMLV 7.8.2024).

Kampfhandlungen: In Teilen Süd-/Zentralsomalias (südlich von Puntland) kommt es regelmäßig zu örtlich begrenzten Kampfhandlungen zwischen somalischen Sicherheitskräften/Milizen bzw. ATMIS und al Shabaab (AA 23.8.2024; vgl. AA 3.6.2024). Die aktuelle Offensive konzentriert sich im Wesentlichen auf die Bundesstaaten Galmudug und HirShabelle (AA 23.8.2024; vgl. ACAPS 17.8.2023). Auch entlang der Hauptversorgungsrouten unternimmt al Shabaab weiterhin Angriffe, und die Gruppe hat einige davon einnehmen können (USDOS 20.3.2023). Wie zuvor auf den Vorfallskarten von ACLED im Kapitel Sicherheitslage ersichtlich, konzentrierten sich Kampfhandlungen im Wesentlichen auf den SWS, mit vereinzelten Vorfällen in HirShabelle, Galmudug und Jubaland (ACLED 29.11.2024; vgl. ACLED 28.10.2024; ACLED 30.9.2024; ACLED 31.7.2024). In den Monaten Oktober und November 2024 trugen sich 50 % der sicherheitsrelevanten Vorfälle als Gewalttaten zwischen al Shabaab und ATMIS bzw. somalischen Sicherheitskräften in der Region Lower Shabelle zu (ACLED 29.11.2024; vgl. ACLED 28.10.2024). Laut einer anderen Quelle ereignet sich der Großteil der Angriffe im Umfeld von Mogadischu, namentlich in Lower und Middle Shabelle (UNSC 28.10.2024). Im Folgenden zeigt eine Landkarte die Schwerpunkte von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und somalischen Sicherheitskräften im Zeitraum 1.10.-22.11.2024:

Kampfhandlungen zwischen al Shabaab und Sicherheitskräften in Süd-/Zentralsomalia ACLED 29.11.2024

Vereinzelt kommt es seitens al Shabaab auch zu Angriffen mit Artillerie. So wurden etwa am 13.6.2024 Mörsergranaten auf den Flughafen in Baidoa abgeschossen, am 1.7.2024 auf ein Krankenhaus in Baidoa, am 20.8.2024 wurden Raketen auf das UN-Areal in Mogadischu abgefeuert, am 1.9.2024 auf jenes von ATMIS, am 5.9.2024 auf den Flughafen in Mogadischu (UNSC 27.9.2024; vgl. UNSC 28.10.2024).

Gebietskontrolle: Innerhalb der letzten zehn Jahre ist es der Regierung und den Truppen von AMISOM/ATMIS gelungen, die Kontrolle über viele Teile des Landes zurückzuerlangen (THLSC 20.3.2023). Al Shabaab wurde erfolgreich aus den großen Städten gedrängt (ÖB Nairobi 10.2024). Während ATMIS und die Armee die Mehrheit der Städte halten, übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes die Kontrolle aus oder kann dort zumindest Einfluss geltend machen (USDOS 15.5.2023; vgl. BS 2024; ÖB Nairobi 10.2024). Gleichzeitig hat al Shabaab die Fähigkeit behalten, in Mogadischu zuzuschlagen (USDOS 15.5.2023). Die Gebiete Süd-/Zentralsomalias befinden sich also teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle von al Shabaab oder anderer Milizen. Allerdings ist die Kontrolle der somalischen Bundesregierung im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkt; die Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete liegt bei den Regierungen der Bundesstaaten, welche der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen (AA 23.8.2024). In Baidoa und Jowhar hat sie stärkeren Einfluss. Ihre Verbündeten kontrollieren viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten (BMLV 7.8.2024).

Einerseits hält al Shabaab gegen einige Städte unter Regierungskontrolle Blockaden aufrecht (HRW 11.1.2024; vgl. BMLV 7.8.2024). Andererseits reicht der Aktionsradius lokaler Verwaltungen oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "Urban Island Scenario" besteht also weiterhin. Das heißt, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und ATMIS sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Gebessert hat sich die Lage in Ost-Hiiraan und in Middle Shabelle, wo auch Bewegungen zwischen den Orten möglich sind. Als "Inseln" zu bezeichnen sind hingegen z. B. Xudur, Waajid, Diinsoor, Wanla Weyne und Baraawe (BMLV 7.8.2024). Dabei operiert al Shabaab v. a. aus dem ländlichen Raum heraus, übt aber auch auf Städte und Gebiete, die nicht direkt von der Gruppe kontrolliert werden, erheblichen Einfluss aus (BS 2024). In Gebieten, in welchen al Shabaab keine direkte Kontrolle ausübt - sei es wegen der Präsenz von somalischen oder internationalen Sicherheitskräften, sei es wegen der Präsenz von Clanmilizen - versucht die Gruppe die lokale Bevölkerung und die Ältesten durch Störoperationen entlang der Hauptversorgungsrouten zu bestrafen bzw. deren Unterstützung zu erzwingen (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023).

Wie auf der Karte von PGN im Kapitel Sicherheitslage ersichtlich, befinden sich große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss von al Shabaab. Die wesentlichen, von al Shabaab verwalteten und kontrollierten Gebiete sind:

1. das Juba-Tal mit den Städten Buale, Saakow und Jilib; de facto die gesamte Region Middle Juba;

2. Jamaame und Badhaade in Lower Juba;

3. Gebiete um Ceel Cadde und Qws Qurun in der Region Gedo;

4. Gebiete nördlich und entlang des Shabelle in Lower Shabelle, darunter Sablaale und Kurtunwaarey;

5. der südliche Teil von Bay mit Ausnahme der Stadt Diinsoor;

6. Gebiete rechts und links der Grenzen von Bay mit Bakool bzw. Bakool und Hiiraan, inklusive der Stadt Tayeeglow;

7. die südliche Hälfte von Galgaduud mit der Stadt Ceel Buur (PGN 28.6.2024);

Generell kann aber kein Gebiet in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden. Insbesondere durch die Infiltration mittels verdeckter Akteure kann die Gruppe nahezu überall aktiv werden. Ein Vordringen größerer Kampfverbände von al Shabaab in unter Kontrolle der Regierung stehende Städte kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch ATMIS und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure von al Shabaab kommt in manchen Städten vor. Städte mit konsolidierter Sicherheit – i.d.R. mit Stützpunkten von Armee und ATMIS – können von al Shabaab zwar angegriffen, aber nicht eingenommen werden. Immer wieder gelingt es al Shabaab, kurzfristig kleinere Orte oder Stützpunkte einzunehmen, um sich nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurückzuziehen (BMLV 7.8.2024). Al Shabaab hat sich – in begrenztem Ausmaß – fähig gezeigt, Territorien, die bereits durch die Bundesarmee und ATMIS befreit wurden, wieder zurückzuerobern. In der Vergangenheit war das Scheitern, eroberte Territorien erfolgreich zu halten, mit dem Mangel an Polizeipräsenz in den eroberten Gebieten und der allgemein schlechten Moral in der Bundesarmee verbunden, die auf sehr geringe und oftmals verzögerte Besoldung zurückzuführen war (ÖB Nairobi 10.2024).

Andere Akteure: Kämpfe zwischen Clans und Subclans - v. a. um Wasser- und Landressourcen - sind weit verbreitet, insbesondere in den Regionen Hiiraan, Galmudug, Lower und Middle Shabelle bzw. in Regionen, in denen die Regierung oder staatliche Behörden schwach oder nicht vorhanden sind (ÖB Nairobi 10.2024). Es kommt immer wieder auch zu Auseinandersetzungen somalischer Milizen untereinander (AA 3.6.2024; vgl. BS 2024), zwischen Clanmilizen und Sicherheitskräften (BS 2024) sowie zwischen Milizen einzelner Subclans bzw. religiöser Gruppierungen (AA 23.8.2024). Bei durch das Clansystem hervorgerufener (teils politischer) Gewalt kommt es auch zu Rachemorden und Angriffen auf Zivilisten (USDOS 20.3.2023).

Die Offensive in Zentralsomalia - und auch die Verwendungen von Clanmilizen ("Community Defence Forces") gegen al Shabaab - hat Clanrivalitäten teils verstärkt (BS 2024; vgl. UNGA 23.8.2024; HIPS 7.5.2024). Die Abhängigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte von Clanmilizen birgt erhebliche Risiken. Es gibt tiefe Spaltungen zwischen Clans, und Bündnisse mit bestimmten Clans können andere Clans entfremden. Manche haben sich entsprechend mit al Shabaab verbündet (BS 2024). Al Shabaab wiederum zündelt und fördert Clankonflikte. Insgesamt ist nach der Offensive in Zentralsomalia ein Klima der Straflosigkeit entstanden: Clans, die Rechnungen begleichen wollen, müssen keinen Widerstand von staatlicher Seite erwarten – weder von der Bundesarmee noch von den Darawish, die entweder gebunden oder aber nicht existent sind. Neben der Ablenkung durch den Kampf gegen al Shabaab lähmen auch die Wiederwahlambitionen diverser Präsidenten der Bundesstaaten und die Schwäche der Regionalkräfte die Kapazitäten und Handlungsmöglichkeiten der Verwaltungen hinsichtlich von Clankonflikten. Alles in allem gibt es nun mehr und stärkere Clanauseinandersetzungen, z. B. in Qoryooley zwischen den Digil-Clans Jidde und Garre; im Raum Dhusamareb zwischen den Hawiye-Clans Habr Gedir und Duduble; in Mudug zwischen den Hawiye / Sa’ad und Darod / Leelkase; oder in Middle Shabelle zwischen den Hawiye-Clans Abgal und Hawadle (BMLV 4.7.2024). Derartige Clankonflikte führen immer wieder auch zur Vertreibung von Zivilisten (UNSC 27.9.2024). Die Vereinten Nationen berichten in diesem Zusammenhang von Vorfällen in Diinsoor und Qoryooley (SWS), Jowhar (HirShabelle), Luuq (Jubaland) und Cabudwaaq (Galmudug) (UNSC 28.10.2024).

Seit dem Jahr 1991 gibt es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden (AA 23.8.2024). Gewaltakte durch bewaffnete Gruppen und Banden und Armutskriminalität sind im gesamten Land weit verbreitet. Bewaffnete Überfälle, Autoraub ("Carjacking"), sexueller Missbrauch und auch Morde kommen häufig vor (AA 3.6.2024). Laut einer Schätzung aus dem Jahr 2017 befinden sich mehr als 1,1 Millionen Handfeuerwaffen in Privatbesitz. Nur ein Bruchteil davon ist registriert (Sahan/SWT 4.12.2023).

Sogenannter Islamischer Staat in Somalia (ISS): Im Jahr 2021 bekannte sich der ISS zu 36 Angriffen, im Jahr 2022 zu 32, bis November 2023 nur zu 9 - davon 3 in Puntland und 6 in Mogadischu (TSD 12.11.2023) [zum ISS siehe insbesondere Sicherheitslage / Puntland].

Durch Konflikte Vertriebene: 2024 wird von UNHCR angegeben, dass bis August des Jahres 343.000 Menschen aus unterschiedlichen Gründen zu Vertriebenen im eigenen Land geworden sind (UNHCR 2024); 2023 waren es insgesamt über 1,5 Millionen Menschen (UNHCR 2023). Bis August 2024 wurden 159.000 Personen durch Konflikte vertrieben. Die meisten neuen IDPs aufgrund von Konflikten gab es - abseits von Somaliland - 2024 bis inklusive August in den Regionen Gedo (50.000), Lower Juba (22.000), Bay (18.000), Mudug (16.000), Middle Juba (15.000) und Lower Shabelle (15.000). Dahingegen wurden in Benadir/Mogadischu (300), Bari (500) und Galgaduud (2.000) deutlich weniger Menschen neu vertrieben, in Nugaal gar keine (UNHCR 2024).

Zivile Opfer: Nach Angaben von Amnesty International war al Shabaab im Jahr 2023 für 312 von 945 getöteten oder verletzten Zivilisten verantwortlich (AI 24.4.2024). Der UN-Sicherheitsrat gibt die Verantwortung von al Shabaab für zivile Opfer im Zeitraum Jänner-Mai 2024 mit 54 % an. An zweiter Stelle folgen staatliche Sicherheitskräfte, danach Clanmilizen und Unbekannte (UNSC 3.6.2024). Zivilisten sind insbesondere in Frontbereichen, wo Gebietswechsel vollzogen werden, einem Risiko von Racheaktionen durch al Shabaab oder aber von Regierungskräften ausgesetzt (BMLV 7.8.2024).

Zwar richten sich Angriffe von al Shabaab üblicherweise gegen Personengruppen, die von der Gruppe als Feinde erachtet werden, doch kommen dabei auch Zivilisten zu Schaden, welche sich am oder in der Nähe des Ziels aufhalten (BMLV 7.8.2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Al Shabaab greift Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, nicht spezifisch an (BMLV 7.8.2024). Auch mit Sprengstoffanschlägen greift die Gruppe meist nicht mutwillig Zivilisten an und verwendet diese Taktik - im Vergleich zu anderen Terrorgruppen - gezielter. Dennoch wählt sie in regelmäßigen Abständen Ziele aus, bei denen die Gruppe weiß, dass viele Zivilisten Kollateralschäden erleiden werden - etwa bei Angriffen auf Hotels, Kaffee- oder Teehäuser, Restaurants oder belebte Straßenkreuzungen (FDD/Roggio 11.10.2023).

Für Zivilisten besteht das größte Risiko darin, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 7.8.2024; FIS 7.8.2020b, S. 24ff) und so zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 7.8.2024; vgl. LIFOS 3.7.2019, S. 25; FIS 7.8.2020b, S. 24). So hat Mogadischu über die Jahre Dutzende Arbeiter der Straßenreinigung verloren, die durch versteckte Sprengsätze getötet wurden, welche entlang von Straßen im dahinter liegendem Müll platziert waren (AJ 21.7.2022). Nach anderen Angaben ist es zwar Zufall, wer konkret einem Anschlag zum Opfer fällt; aber al Shabaab greift wahllos und doch gezielt auch Zivilisten an. Die Intention ist, der Bevölkerung vor Augen zu führen, dass die Regierung sie nicht beschützen kann (ACCORD 31.5.2021, S. 10ff). So stattet al Shabaab etwa beim Zurückgehen im Rahmen einer Regierungsoffensive mitunter verlassene Gebäude mit Sprengfallen aus, die später auch zurückkehrende Zivilisten treffen können (Sahan/SWT 26.2.2024; vgl. Sahan/SWT 29.9.2023). Ein Ziel von al Shabaab ist es, Angst zu verbreiten (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zivilisten werden in eine Art endemisch-alltägliche Unsicherheit in allen Lebensbereichen versetzt, und das, obwohl die Wahrscheinlichkeit, von einem Anschlag getroffen zu werden, relativ gering ist (ACCORD 31.5.2021, S. 27). Unklar ist, ob auch der Anschlag auf ein Restaurant am Lido Beach in Mogadischu am 2.8.2024 für diese Kategorie gewertet werden kann. Bei diesem komplexen Anschlag wurden mindestens 37 Personen getötet und 250 verletzt - nahezu allesamt Zivilisten (UNSC 27.9.2024; vgl. UNSC 28.10.2024).

Eine [Anm.: ältere, aber weiterhin zutreffende] Grafik des Hiraal Institute bestätigt, dass der wesentliche Fokus von al Shabaab auf den Sicherheitskräften liegt [Anm.: Erklärung zur Grafik: SNA - Bundesarmee; SPF - Polizei; FMS - Bundesregierung; PSF - puntländische Sicherheitskräfte; blau - ca. 5.2021-4.2022; orange - ca. 5.2022-4.2023]:

Die Grafik zeigt den Angriffsfokus der al Shabaab auf unterschiedliche Ziele zwischen Mai 2021 und April 2023 HI 5.2023

Allgemein ist die Datenlage zu Zahlen ziviler Opfer jedenfalls unklar und heterogen. Der Experte Matt Bryden veranschaulichte dies im Jahr 2021 mit den Angaben mehrerer Organisationen. So gab es laut UNMAS (Mine Action Service) 2020 wesentlich weniger zivile Tote (454) als im Jahr davor (1.140). Dahingegen berichtet US-AFRICOM von 776 Vorfällen mit insgesamt 2.395 Opfern im Jahr 2020 und 676 Vorfällen mit 1.799 Opfern 2019. US-AFRICOM zählt zivile und militärische Opfer zusammen. Dementsprechend wären 2020 wesentlich mehr Sicherheitskräfte untern den Opfern gewesen als Zivilisten – ein Widerspruch zu den Angaben der UN, wonach Zivilisten die Hauptlast der Sprengstoffanschläge tragen würden. Dies wird auch von ATMIS bestätigt: Demnach richteten sich 2019 28 % der Anschläge direkt gegen Zivilisten, 2020 waren es 20 % (Sahan/Bryden 6.4.2021).

Von den Vereinten Nationen werden die Zahlen ziviler Opfer (Tote und Verletzte) über die letzten Jahre wie folgt angegeben:

Diese Tabelle zeigt die zivilen Opferzahlen, wie sie in Berichten der UN von 2021 bis 2024 angegeben worden sind

(UNSC 27.9.2024; UNSC 3.6.2024; UNSC 2.2.2024; UNSC 13.10.2023; UNSC 15.6.2023; UNSC 16.2.2023; UNSC 1.9.2022a; UNSC 13.5.2022; UNSC 8.2.2022; UNSC 11.11.2021; UNSC 10.8.2021; UNSC 19.5.2021; UNSC 17.2.2021)

Die letzte halbwegs glaubwürdige Volkszählung wurde im Jahr 1975 durchgeführt - auch diese mit signifikanten Einschränkungen (Sahan/SWT 10.5.2023). Neueste Schätzungen gehen von 18,7 Millionen (FSNAU/IPC 23.9.2024b), andere von rund 17 Millionen Einwohnern aus (WFP 26.9.2024; vgl. IPC 13.12.2022). Bei Herannahme von 17 Millionen Einwohnern lag die Quote getöteter oder verletzter Zivilisten in Relation zur Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia zuletzt bei 1:10.780 [Anm.: Berechnung auf Basis der in vorgenannten Quellen angegebenen Zahlen] (UNSC 27.9.2024).

Luftangriffe: Immer wieder kommt es zu Luftschlägen, v. a. durch die USA. Unter der Trump-Regierung wurden innerhalb von vier Jahren fast 220 Luftangriffe durchgeführt (Sahan/SWT 2.8.2023). Dahingegen waren es 2021 nur 11 (HRW 13.1.2022), 2022 waren es 15 (BMLV 9.2.2023) und 2023 mindestens 13 - v. a. in Zentralsomalia (HRW 11.1.2024). Außerdem führen folgende Länder Luftschläge in Somalia durch: Kenia, z. B. am 22.6.2022 im Grenzgebiet von Gedo zu Kenia (GN 22.6.2022); Äthiopien (VOA 8.8.2022), z. B. am 30.7.2022 in der Region Bakool (SG 31.7.2022); die Türkei führt Drohnenangriffe gegen al Shabaab durch (HRW 11.1.2024; vgl. VOA/Maruf 30.11.2022). Drohnen werden von somalischen und verbündeten Kräften vermehrt eingesetzt (UNGA 23.8.2024). Generell hat die Zahl an Luftangriffen aber erheblich abgenommen, die durchgeführten konzentrieren sich i.d.R. auf höherrangige Angehörige der al Shabaab oder dienen der unmittelbaren Unterstützung der Regierungskräfte im Gefecht, v. a. wenn diese Gefahr laufen, von al Shabaab überwältigt zu werden (BMLV 7.8.2024).

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Banadir Regional Administration (BRA; Mogadischu)

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Die Sicherheitslage in Mogadischu ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass al Shabaab Angriffe auf Behörden und ihre Unterstützer verübt. Zugleich stecken hinter der Gewalt in der Stadt neben al Shabaab auch Regierungskräfte, der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISS) und Unbekannte (BMLV 7.8.2024). In der Stadt befinden sich die Polizei, die Präsidentengarde, die Bundesarmee, die National Intelligence and Security Agency (NISA), private Sicherheitskräfte und Clanmilizen in unterschiedlichem Umfang im Einsatz (Sahan/SWT 6.9.2023). Nichtstaatliche Sicherheitskräfte, darunter Clanmilizen, üben trotz wiederholter Versuche, sie auf Linie zu bringen, erheblichen Einfluss in der Stadt aus. Die Teile dieser Patchwork-Sicherheitsarchitektur konkurrieren regelmäßig um Checkpoints und den Zugang zu Ressourcen (Sahan/SWT 6.9.2023). Dabei konnten aufgrund der verbesserten Lage zuletzt etliche Checkpoints innerhalb der Stadt abgebaut werden (BMLV 4.7.2024).

Insgesamt durchläuft die Sicherheitslage Mogadischus eine positive Entwicklung (AQSOM 4 6.2024). Noch vor zehn Jahren kontrollierte al Shabaab die Hälfte der Stadt, die gleichzeitig Schauplatz heftiger Kämpfe war (BBC 18.1.2021; vgl. Sahan/SWT 18.1.2022). 2011 war Mogadischu eine halb entleerte Ruinenstadt, Einschusslöcher, zerstörte Häuser und Milizen in Kampfwagen prägten das Bild. Es gab keinerlei staatliche Dienste (Sahan/SWT 18.1.2022). Seit 2014 ist das Leben nach Mogadischu zurückgekehrt (SRF 27.12.2021) und die Stadt befindet sich unter Kontrolle von Regierung und ATMIS (PGN 28.6.2024). Die Sicherheitslage hat sich in den vergangenen zehn Jahren im Allgemeinen verbessert (Sahan/SWT 6.9.2023). V. a. unter der aktuellen Regierung wurde al Shabaab aus der Stadt weitgehend abgedrängt (ÖB Nairobi 11.1.2024). Immer neue Teile von Mogadischu werden wieder aufgebaut. Es herrscht große Aktivität, viel Geld wird investiert (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) - auch in ganze neue Stadtteile an der Peripherie (AQSOM 4 6.2024). Nun ist Mogadischu eine pulsierende Stadt mit hohen Apartmentblocks und Einkaufszentren. Der berühmte Lido-Strand ist am Wochenende voll mit Familien. Historische Gebäude und Monumente wurden renoviert und sind der Öffentlichkeit zugänglich. Unzählige Kaffeehäuser sind aus dem Boden geschossen. Der private und der öffentliche Sektor sind aufgrund der relativen Stabilität der Stadt stark gewachsen. Sechs Banken und Dutzende internationaler Firmen haben in Mogadischu eine Niederlassung eröffnet. Es gibt Investitionsmöglichkeiten, und es sind neue Arbeitsplätze entstanden (Sahan/SWT 18.1.2022; vgl. TEV/Odour 24.6.2024). Händler können ihre Waren auf den Markt bringen, und überhaupt können die Menschen relativ frei zirkulieren (ÖB Nairobi 11.1.2024). Die Stimmung der Menschen in der Stadt ist laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 relativ positiv. Dies hat mit den Bemühungen der Regierung im Kampf gegen al Shabaab zu tun (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Nach der Wahl von Hassan Sheikh Mohamed hat sich die Atmosphäre in Mogadischu dramatisch verändert, die Stadt ist ruhiger geworden (Sahan/SWT 8.6.2022).

Gleichzeitig bietet die Stadt für al Shabaab alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Innerhalb der Stadt hat sich die Sicherheit zwar verbessert, al Shabaab kann aber nach wie vor Anschläge durchführen. In Mogadischu besteht aber kein Risiko, von der Gruppe zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (BMLV 7.8.2024). Laut einer Quelle gibt es für normale Bewohner kein echtes Sicherheitsproblem. Dieses beschränkt sich demnach auf Ausländer, Personen, die für diese Ausländer arbeiten und allenfalls jene, die für die Regierung arbeiten (ÖB Nairobi 11.1.2024).

Noch im Jahr 2022 sind Quellen davon ausgegangen, dass Mogadischu im Falle eines Abzugs von ATMIS die Rückkehr von al Shabaab drohte (Robinson/TGO 27.1.2022; vgl. Meservey/RCW 22.11.2021). Nun aber geben mehrere Quellen an, dass diese Gefahr nicht (mehr) zu sehen ist (Sahan/SWT 1.9.2024; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023; Think/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Eine Quelle erklärt, dass ein rascher Zusammenbruch des Staates nur noch dann zu erwarten ist, wenn jegliche externe Unterstützung eingestellt wird (BMLV 1.12.2023). Doch selbst bei einem vollständigen und ersatzlosen Abzug von ATMIS ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung Mogadischu halten wird können - wenn sie alle verfügbaren Kräfte dort zusammenzieht (BMLV 4.7.2024).

Generell haben sich seit 2014 die Lage für die Zivilbevölkerung sowie die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden verbessert (BMLV 7.8.2024). Die Regierung hat in Maßnahmen investiert, um das Risiko komplexer Angriffe durch al Shabaab in der Stadt zu reduzieren (UNSC 28.10.2024). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt seit 2017 weiter verbessert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer anderen Quelle der FFM ist die Lage heute ähnlich wie 2017, jedenfalls aber besser als etwa 2012-2014 (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu im Jahr 2023 gegenüber 2022 verbessert hat, und auch besser ist als 2016 oder 2017 (BMLV 14.9.2023). Auch eine anonymisierte Quelle betont im März 2024, dass sich die Sicherheitslage in Mogadischu in den Vormonaten verbessert hat - gerade im Vergleich zu dem Jahrzehnt davor (AQSOM 1 3.2024). Eine weitere Quelle vom Oktober 2023 erklärt, dass sich die Sicherheitslage in der Stadt verbessert hat (RD 26.10.2023). In einem Jahresbericht zum Jahr 2023 wird vermerkt, dass sich die Lage in Mogadischu in diesem Jahr wesentlich verbessert hat (HIPS 7.5.2024). Mehrere lokale Quellen der norwegischen COI-Einheit beschrieben im Mai 2022 die Sicherheitsentwicklungen in der Stadt als positiv. Jedenfalls ist die Zahl an Vorfällen und Todesopfern in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben. Diesbezüglich muss zudem berücksichtigt werden, dass gleichzeitig die Zahl an Einwohnern deutlich gestiegen ist (Landinfo 8.9.2022). So hat UNFPA die Einwohnerzahl im Jahr 2014 mit 1,65 Millionen angegeben (UNFPA 10.2014), während die Zahl im Jahr 2022 auf fast 2,9 Millionen geschätzt wird (IPC 13.12.2022). Laut Vereinten Nationen leben in Mogadischu nun mehr als 900.000 IDPs (Sahan/SWT 6.9.2023). Eine neuere Quelle erklärt, dass sich die Sicherheitslage mit der Überdehnung der somalischen Sicherheitskräfte im Umland von Mogadischu verschlechtert hat. Mehrere Stützpunkte wurden hier von ATMIS an lokale Kräfte übergeben. Dies hat zu einem Anstieg an Angriffen und Anschlägen durch al Shabaab in Mogadischu geführt (Sahan/SWT 1.9.2024). Auch eine andere Quelle erklärt im August 2024, dass die Angriffe von al Shabaab in der Vorstadt eine alarmierende Intensität erreicht haben. Die Gruppe nützt dabei die Schwächung der äußeren Verteidigungslinien der Stadt aus (TSD 22.8.2024).

Sicherheitskräfte: Die Stadt hat 17 Bezirke und mehrere sogenannte Residential Areas, die noch nicht zu Bezirken gemacht worden sind. Mit ca. 18.000 Mann verfügt die Stadt über ausreichend Sicherheitskräfte (Sahan/SWT 7.11.2022) - davon sind 5.000-6.000 Polizisten. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation (Sahan/SWT 6.9.2023). Eine weitere Quelle nennt diese Zahlen plausibel (BMLV 7.8.2024). Seit April 2023 wird eine neue paramilitärische Einheit in Mogadischu eingesetzt (BMLV 7.8.2024; vgl. RD 10.4.2023). Dabei handelt es sich um in Uganda ausgebildete Kräfte (JOWH 10.4.2023). Diese Militärpolizei - eine Einheit der Bundesarmee - wurde mit der Stabilisierung Mogadischus beauftragt (FTL 14.4.2023; vgl. JOWH 10.4.2023). Der Einsatz der 3.000-3.500 Mann der Militärpolizei ist ein massiver Beitrag für die Sicherheitslage in der Stadt. Die Einheit kümmert sich u. a. um die militärische Sicherung von Mogadischu (BMLV 7.8.2024). Truppen an Checkpoints werden nunmehr häufiger rotiert, was die Möglichkeiten von al Shabaab (Stichwort: Bestechung) reduziert (AQSOM 1 3.2024; vgl. UNSC 28.10.2024).

Allerdings reicht die gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte weiterhin nicht aus, um Aktivitäten der al Shabaab gänzlich zu unterbinden (BMLV 7.8.2024). Auch eine weitere Quelle vertritt die Ansicht, dass die somalischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, der von al Shabaab ausgehenden Bedrohung für die gesamte Region Benadir entgegenzutreten (UNSC 10.10.2022). Unter den Sicherheitskräften herrscht mangelnde Koordination und Kommunikation, dafür aber Korruption. Und gleichzeitig erschweren fehlende Personalausweise und Register (etwa für Fahrzeuge) und Adressen die Sicherheitskontrolle (Sahan/SWT 7.11.2022). Zudem ist die Polizei nicht unbedingt effizient und diszipliniert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und gleichzeitig überfordert. Sie musste in den vergangenen Jahren mit einem wachsenden Drogenmilieu und Bandenwesen sowie mit al Shabaab und einer zunehmenden Politisierung der Sicherheitskräfte unter dem Ex-Präsident Farmaajo kämpfen. Seit der Stationierung der o. g. von Uganda ausgebildeten Kräfte gibt es aber zunehmend Versuche, z. B. illegale Checkpoints zu räumen (Sahan/SWT 6.9.2023). Die Sicherheitskräfte können zudem nun großteils jene Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte. Zuvor verfügte die Bundesregierung nicht flächendeckend über ausreichend staatliche Institutionen hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums. Die diesbezügliche Lage hat sich gebessert (BMLV 7.8.2024).

Mit Stand 2020 berichtet die finnische COI-Einheit: Die Bewohner haben eine hohe Hemmschwelle, um sich an die Polizei zu wenden. Das Vertrauen ist gering (FIS 7.8.2020b). Die Fähigkeit der Behörden, bei kleineren Delikten wie etwa Diebstahl zu intervenieren, ist derart gering, dass Menschen keinen Nutzen darin sehen, Anzeige zu erstatten. Hat eine Person Angst vor al Shabaab, dann kann ein Hilfesuchen bei der Polizei - aufgrund der Unterwanderung selbiger - die Gefahr noch verstärken. Die Polizei ist auch nicht in der Lage, Menschen bei gegebenen Schutzgeldforderungen seitens al Shabaab zu unterstützen (FIS 7.8.2020b; vgl. BMLV 7.8.2024). Nach neueren Angaben ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei aufgrund der neu eingesetzten Kräfte gestiegen. Auch wenn diese streng genommen der Bundesarmee angehören, heben sie das Ansehen der Sicherheitskräfte. Sowohl Polizei als auch Bundesarmee bleiben aber weiterhin von al Shabaab unterwandert (BMLV 1.12.2023).

Al Shabaab kontrolliert in Mogadischu schon seit Jahren keine Gebiete mehr (MBZ 6.2023; vgl. AQ21 11.2023), unterhält aber ein beachtliches Netzwerk an Mitgliedern und Informanten (MBZ 6.2023). Das Ausmaß der Präsenz der Gruppe im Stadtgebiet ist sehr unterschiedlich (BMLV 7.8.2024). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 7.8.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, Landinfo 8.9.2022). In den Außenbezirken hat al Shabaab größeren Einfluss, auch die Unterstützung durch die Bevölkerung ist dort größer (BMLV 7.8.2024). Kaxda (ein neuer Bezirk am Nordrand der Stadt) gilt laut einer Quelle als Brutstätte militanter Aktivität (TSD 20.9.2023). Die Gruppe verfügt in Mogadischu über keine nennenswerte institutionelle Präsenz. Trotzdem erhebt die Gruppe den Zakat (islamische Steuer) von Unternehmen in der Stadt. Zudem macht al Shabaab ihre Präsenz insofern bemerkbar, dass sie ihre Form der "Moral" umsetzt. So tötete die Gruppe beispielsweise Anfang März 2023 zehn Personen, denen der Verkauf von Drogen in den Stadtbezirken Yaqshiid und Dayniile vorgeworfen worden war (Sahan/SWT 6.9.2023).

Bei allen Möglichkeiten, über welche al Shabaab verfügt, so hat die Gruppe in Mogadischu kein freies Spiel. Regierungskräfte sind in allen Bezirken der Stadt präsent – etwa mit Checkpoints; und es werden Razzien durchgeführt. Die Anzahl an Mitgliedern, Unterstützern und Ressourcen in Mogadischu sind begrenzt, und daher muss al Shabaab diesbezügliche Prioritäten setzen (Landinfo 8.9.2022). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Al Shabaab ist weiter abgedrängt worden und daher kommen komplexe Angriffe seltener vor (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). An den Kontrollpunkten an Straßen wird ein großer Aufwand bei Durchsuchungen betrieben (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). In Dayniile sind keine Flaggen der al Shabaab mehr zu sehen. Die Polizei ist nun in der ganzen Stadt vertreten – auch an der Peripherie (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Teils antworten Menschen in der Stadt nicht mehr auf Anrufe durch al Shabaab (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Üblicherweise galt, dass al Shabaab jede Person töten konnte, die sie töten wollte. Nunmehr gilt dies laut einer Quelle nicht mehr uneingeschränkt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass die Fähigkeiten von al Shabaab, sich in der Stadt zu bewegen und Menschen gezielt zu töten, durch Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt worden sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Der Austausch des Personals an den Checkpoints der Regierung hat zur Einschränkung der Fähigkeiten von al Shabaab erheblich beigetragen. Zuvor bestochene und/oder infiltrierte Checkpoints wurden so für die Gruppe wertlos. Laut Expertenmeinung herrscht ein Krieg um Mogadischu, der nicht unbedingt mit Kugeln geführt wird. Die Bundesregierung versucht al Shabaab mit Maßnahmen - Checkpoints, Einschränkung der Finanzoperationen, Bekämpfung der Justiz von al Shabaab - von ihren "steuerlichen" Pfründen in der Stadt zu entkoppeln. Al Shabaab wiederum setzt sich dagegen zur Wehr. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden (AQ21 11.2023). So geht die Gruppe nach der Installation von Überwachungskameras nicht mehr in persona auf dem Bakara-Markt "Steuern" eintreiben; doch hat sie diese Aktivität schlicht auf elektronische Möglichkeiten und Wege ausgelagert (BMLV 4.7.2024). Allerdings geht al Shabaab seit Oktober 2024 brutal gegen Personen vor, welche Überwachungskameras des Staates installiert haben (SMN 30.11.2024; vgl. Halqabsi 29.10.2024).

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Gruppe in Mogadischu aktiv Deserteure sucht und liquidiert (Landinfo 8.9.2022; vgl. BMLV 7.8.2024). Laut einer Quelle rekrutiert al Shabaab in der Stadt auch keine neuen Mitglieder (Landinfo 8.9.2022). Nach Angaben einer anderen Quelle ist aufgrund des massiven Bevölkerungsanstiegs und der zahlreichen Jugendlichen ohne Auskommen für al Shabaab ohnehin ein großes Rekrutierungspotenzial gegeben, das auch genutzt wird (BMLV 7.8.2024).

Die Zahl an Hit-and-Run-Angriffen auf Checkpoints der Sicherheitskräfte, die in der zweiten Jahreshälfte 2023 gestiegen ist, ist 2024 wieder gesunken. Al Shabaab ist aber nicht aus der Stadt verschwunden und verübt weiterhin gezielte Anschläge auf Regierungseinrichtungen und deren Vertreter bzw. auf Ziele im öffentlichen Raum, z. B. am 14.7.2024 auf das Top Coffee Restaurant zum Zeitpunkt des Fußball-EM-Finales mit neun Toten und mindestens 20 Verwundeten oder am 2.8.2024 am Lido Beach mit mindestens 32 Toten und 62 Verwundeten (BMLV 7.8.2024; vgl. UNSC 28.10.2024). Die Gruppe verbreitet auch weiterhin Angst (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Mogadischu ist eine Großstadt und steht zur Infiltrierung offen. Es ist schwer auszumachen, wer zu al Shabaab gehört und wer nicht (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe ist in der Lage, jede Person in Mogadischu ausfindig zu machen. Demnach herrscht bei den Bürgern die Angst, dass jederzeit etwas passieren könnte (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Ein Mitarbeiter einer internationalen NGO gibt an, dass er und Kollegen Drohanrufe bekommen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).

Die Gruppe kann immer noch große Anschläge in Mogadischu durchführen (UNSC 28.10.2024) oder etwa den Sitz des Präsidenten (Villa Somalia) mit Mörsern beschießen. Und es gibt auch weiterhin gezielte Attentate (IO-D/STDOK/SEM 4.2023) und Anschläge auf Regierungstruppen und ATMIS (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Mit einem komplexen Anschlag auf das SYL Hotel in der Nachbarschaft der Villa Somalia hat den Willen und die Kapazität von al Shabaab unter Beweis gestellt. Dieser Angriff hat die relative Ruhe in der Stadt beendet und geht mit den Rückschlägen der Bundeskräfte in Zentralsomalia einher (Sahan/SWT 15.3.2024).

Al Shabaab ist also auch weiterhin in der Stadt aktiv. Die Gruppe hat zahlreiche Informanten innerhalb der Sicherheitskräfte (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023), auch relevante Verwaltungsstrukturen gelten als unterwandert (Landinfo 8.9.2022; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Al Shabaab verlangt von Geschäftsleuten in der Stadt die Zahlung von "Steuern" (Mohamed/VOA 9.11.2022; vgl. Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Zwischen Mai und Juli 2022 erhielten auch zahlreiche Besitzer von gemauerten oder mehrstöckigen Häusern eine Zahlungsaufforderung von al Shabaab. Dabei liegt die jährliche Abgabe zwischen 100 und 300 US-Dollar. Zudem wird die Errichtung von Häusern besteuert. Für Zahlungsverzögerungen drohen Strafzahlungen (Mohamed/VOA 9.11.2022). Al Shabaab ist auch im Jahr 2024 in der Lage, nahezu im gesamten Stadtgebiet verdeckte Operationen durchzuführen bzw. Steuern und Abgaben einzuheben und die Bevölkerung einzuschüchtern (BMLV 7.8.2024).

Laut dem niederländischen Außenministerium sind folgende Personen in Mogadischu einem erhöhten Risiko von Gewalt durch al Shabaab ausgesetzt: Regierungsvertreter, Politiker und Behördenvertreter, in- und ausländische Sicherheitskräfte; die genannten Gruppen stellen die Hauptziele von Angriffen von al Shabaab dar. Daneben werden auch Wahldelegierte, Wirtschaftstreibende, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, NGO-Bedienstete und Clanälteste, die sich zur Regierung bekennen, zu Zielen (MBZ 6.2023).

Zivilisten: Die Gruppe ist weiterhin in der Lage, in Mogadischu auch größere Sprengstoffanschläge durchzuführen (BMLV 7.8.2024). Üblicherweise zielt al Shabaab mit Angriffen auf Sicherheitskräfte und Vertreter des Staates ["Officials"] (UNSC 6.10.2021; vgl. BMLV 7.8.2024). "Normale" Zivilisten stellen im Allgemeinen kein Ziel von Angriffen der al Shabaab dar (MBZ 6.2023; vgl. Landinfo 8.9.2022; BMLV 7.8.2024). Sie leiden auf zwei Arten an der Gewalt durch al Shabaab: Jene, die in Verbindung mit der Regierung stehen oder von al Shabaab als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt (BMLV 7.8.2024). Allerdings kann ein "in Verbindung stehen" auch schon gegeben sein, wenn etwa Geschäftsleute - wie von der Regierung gefordert - an ihren Geschäften Videokameras installieren. Alleine im Oktober und November 2024 sind 37 Personen in Zusammenhang mit der Installation von sogenannten CCTV-Kameras getötet worden (SMN 30.11.2024).

Das größte Risiko für Zivilisten, die nicht mit der Regierung in Verbindung stehen, besteht darin, bei Anschlägen zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein und damit zum Kollateralschaden von Sprengstoffanschlägen und anderer Gewalt zu werden (BMLV 7.8.2024; vgl. AQSOM 4 6.2024). Denn al Shabaab nimmt zivile Opfer in Kauf und greift immer wieder stark frequentierte Örtlichkeiten an (MBZ 6.2023). Dabei handelt es sich i.d.R. um solche Orte, die von Regierungsvertretern und Wirtschaftstreibenden sowie Sicherheitskräften frequentiert werden, z. B. Restaurants, Hotels oder Einkaufszentren (Landinfo 8.9.2022). Ein ausschließlich von der Durchschnittsbevölkerung frequentierter Ort ist kein Ziel der al Shabaab. Die Hauptziele der Gruppe befinden sich in den inneren Bezirken: militärische Ziele, Regierungseinrichtungen und das Flughafenareal. Die Außenbezirke hingegen werden von manchen als die sichersten Teile der Stadt erachtet, da es dort so gut wie nie zu größeren Anschlägen kommt. Allerdings kommt es dort öfter zu gezielten Tötungen (BMLV 7.8.2024). Insgesamt widmet die Gruppe Zufallsopfern aber wenig Aufmerksamkeit. Sie erachtet bei Angriffen getötete Zivilisten als Märtyrer (Landinfo 8.9.2022).

Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Am Stadtrand ist die Unterstützung größer, die meisten Bewohner haben al Shabaab gegenüber aber eine negative Einstellung. Sie befolgen die Anweisungen der Gruppe nur deshalb, weil sie Repressalien fürchten. Al Shabaab agiert wie eine Mafia: Sie droht jenen mit ernsten Konsequenzen, welche sich Wünschen der Gruppe entgegensetzen (BMLV 7.8.2024; vgl. FIS 7.8.2020b).

Auf die Frage nach den größten Gefahren im täglichen Leben in Mogadischu erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023: Erstens Erpressung durch al Shabaab; die Gruppe versucht immer, an Geld zu kommen. Daher besteht immer das Risiko, von ihr einen Drohanruf oder eine bedrohliche Textnachricht zu erhalten. Zweitens besteht für einen Durchschnittsbürger zwar kein Risiko, gezielt angegriffen zu werden; aber natürlich besteht immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle nennt dieses Risiko (wrong Place, wrong Time). Demnach werden Normalbürger nicht angegriffen. Es muss immer ein bestimmtes Interesse an einer Person herrschen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt zu bedenken, dass man sich in Mogadischu nicht so leicht verstecken, nicht einfach isolieren kann. Man besucht die Familie, geht auf den Markt oder ins Spital etc. Personen sind demnach einfach aufzuspüren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zum Ziel werden jene, die für die Regierung arbeiten. Diese Personen brauchen geeigneten Schutz. Auch Journalisten tragen ein höheres Risiko, insbesondere jene, die sich kritisch zu al Shabaab geäußert haben. Üblicherweise wird gezielt eine Person angegriffen, nicht aber deren Familienmitglieder (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Bewegungsfreiheit: Die Menschen wissen um die Gefahr bestimmter Örtlichkeiten und versuchen daher, diese (zu bestimmten Uhrzeiten) zu meiden (AQSOM 4 6.2024). Clanälteste, Bundes- und Bundesstaatsminister sowie Abgeordnete können sich in der Stadt nicht ohne Leibwächter frei bewegen (Gov Som 2022, S. 99).

Nach neueren Angaben gibt es nun weniger Checkpoints als früher. Präsident Hassan Sheikh Mohamud hat die Auflösung der meisten innerstädtischen Checkpoints angeordnet. Die verbliebenen befinden sich an neuralgischen Punkten der Stadt, etwa in den Bereichen wichtiger Infrastruktur wie der Villa Somalia, des Parlamentsgebäudes oder dem Flughafen. An den Einfallstraßen wird jedes Fahrzeug kontrolliert. Insgesamt wird an diesen Straßensperren professioneller vorgegangen als noch vor einigen Jahren. Größere Einschränkungen gibt es aktuell nur mehr bei besonderen Anlässen - dies wird mittlerweile aber im Vorfeld angekündigt (BMLV 7.8.2024).

Die Zugehörigkeit zu einem starken Clan oder Verbindungen zu mächtigen Personen in der Stadt können an Checkpoints oder beim Zusammentreffen mit Regierungskräften von Vorteil sein. Als starke Clans erachtet werden in Mogadischu v. a. die Hawiye / Abgaal und die Hawiye / Habr Gedir (Landinfo 8.9.2022; vgl. AQSOM 4 6.2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Mogadischu hinsichtlich der Clanzugehörigkeit generell als kosmopolitisch erachtet werden kann. Eine Rolle spielt der Clan allerdings bei sozialen Angelegenheiten, bei Eheschließungen, beim Ringen um Macht, in der Politik (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Insgesamt können sich Menschen in Mogadischu aber unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit frei bewegen und sich niederlassen (FIS 7.8.2020b; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) - wenn sie unbewaffnet sind (AQSOM 4 6.2024). Die Mittelschicht verwendet häufig das Service von Tuk-Tuks, die Ärmeren gehen zu Fuß oder verwenden Busse (TANA/ACRC 9.3.2023).

Quellen der FFM Somalia 2023 berichten: Einige Checkpoints werden von NISA kontrolliert (z. B. am Flughafen); innerhalb der Stadt aber meist von der Polizei. Die neu eingesetzte Militärpolizei unterhält Kontrollpunkte in den Vororten und an Einfallstraßen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für normale Bürger gibt es hinsichtlich der Bewegungsfreiheit allgemein keine Probleme in Mogadischu (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clan oder Geschlecht spielen hier keine Rolle (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Frauen können sich auch problemlos alleine bewegen, nur spät in der Nacht könnte es hier zu Sicherheitsproblemen kommen. Insgesamt haben alle Menschen die gleichen Probleme: Die Freiheit wird manchmal durch Straßensperren massiv eingeschränkt – etwa an Feiertagen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) oder wenn wichtige Delegationen in der Stadt sind. Wenn gerade kein besonderer Anlass gegeben ist, gibt es für beide Geschlechter und alle Clans Bewegungsfreiheit (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle fragen Polizisten an Checkpoints häufig um ein Trinkgeld, um die Bezahlung ihres Essens, um Zigaretten. Tatsächlich werden aber nur Autos – und hier meist die Fahrer – kontrolliert, Fußgänger und Tuk-Tuks können passieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass an Checkpoints Passagiere in Tuk-Tuks problemlos passieren können und - wenn überhaupt - nur der Fahrer befragt wird (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).

Gewaltkriminalität: Es gibt Bandenwesen und Straßenkriminalität. Teile von Karaan, Heliwaa und Yaqshiid bzw. alle Ränder der Stadt sind hoher Kriminalität ausgesetzt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für Zivilisten besteht nach wie vor die Sorge vor Raubüberfällen und Gewalt, insbesondere nachts. Dabei ist die Ermordung von Raubopfern keine Seltenheit. Dies steht insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufstieg von Jugendbanden (bekannt als "Ciyaal Weero", d. h. "aggressive Kinder") seit 2021 (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Diese Gangs haben ursprünglich Passagiere von Tuk-Tuks (Bajaj) tyrannisiert. Sie haben geraubt, was die Menschen gerade bei sich hatten (Sahan/SWT 27.7.2022). Viele Gang-Mitglieder nehmen auch Drogen oder trinken Alkohol (Sahan/SWT 27.7.2022; vgl. Sahan/SWT 29.8.2022). Ciyaal Weero verüben Raub, Erpressung und Gewalt (HIPS 7.5.2024). Den Gangs werden auch andere Verbrechen vorgeworfen, darunter sexuelle Übergriffe (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. Sahan/SWT 27.7.2022), Raubüberfälle und Morde (Sahan/SWT 27.7.2022). Gleichzeitig sind Jugendgangs nach Gebieten organisiert und reklamieren verschiedene Teile der Stadt für sich (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Sahan/SWT 29.8.2022), was zu weiterer Gewalt führt (Sahan/SWT 29.8.2022). Mit zunehmender Ausbreitung haben sie begonnen, sich gegenseitig zu bekämpfen (Sahan/SWT 27.7.2022). Die Regierung hat Nachtpatrouillen eingeführt, um der Sache entgegenzutreten (HIPS 7.5.2024).

In Mogadischu kommt es mitunter auch zu Landkonflikten, z. B. im August 2023 in Xamar Weyne. Dort wurden in Folge von Gewalt auch mehrere Menschen vertrieben (Sahan/Gedo 7.8.2023).

Bei manchen Vorfällen ist unklar, von wem oder welcher Gruppe die Gewalt ausgegangen ist; Täter und Motiv bleiben unbekannt. Es kommt zu Rachemorden zwischen Clans, zu Gewalt aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder aus politischer Motivation. Lokale Wirtschaftstreibende haben in der Vergangenheit auch schon al Shabaab engagiert, um Auftragsmorde durchzuführen (FIS 7.8.2020b).

Islamischer Staat in Somalia (ISS): Der sogenannte ISS ist in Mogadischu kaum präsent (BMLV 4.7.2024). Im Jahr 2023 bekannte sich der ISS zu folgenden gewalttätigen Aktionen in Mogadischu und Umland: am 6.1. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Polizisten in Dayniile; 12.2. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Behördenvertreter; 3.3. Anschlag mit einem Sprengsatz auf Polizisten; 3.4. Anschlag mit einem Sprengsatz auf ATMIS; 9.6. Anschlag mit einem Sprengsatz auf die Polizei; 27.7. Anschlag mit einem Sprengsatz auf einen Geheimdienstmitarbeiter (TSD 12.11.2023). Der ISS verfügt in Mogadischu über begrenzten Einfluss (Landinfo 8.9.2022), kann aber Schutzgeld erpressen (TSD 12.11.2023).

Vorfälle: In Benadir/Mogadischu leben nach Angaben einer Quelle 2,874.431 Einwohner (IPC 13.12.2022). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2022 insgesamt 105 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 94 dieser 105 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2023 waren es 88 derartige Vorfälle (davon 81 mit je einem Toten) (ACLED 12.1.2024). In der Zusammenschau von Bevölkerungszahl und Violence against Civilians ergeben sich für 2023 folgende Zahlen (Vorfälle je 100.000 Einwohner): 3,06;

2023 waren besonders die Bezirke Dayniile (67 Vorfälle), Dharkenley (41), Wadajir/Medina (29), Hodan (28) und Yaqshiid (25), in geringerem Ausmaß die Bezirke und Hawl Wadaag (15), Heliwaa (13) und Karaan (13) von tödlicher Gewalt betroffen. Zivilisten waren 2023 v. a. in den Bezirken Dayniile (13 Vorfälle) sowie in Dharkenley (15), Wadajir/Medina (15) und Yaqhshiid (13) von gegen sie gerichteter, tödlicher Gewalt betroffen (ACLED 12.1.2024).

In der Folge eine Übersicht für die Jahre 2013-2023 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie "Violence against Civilians", in welcher auch "normale" Morde inkludiert sind. Die Zahlen werden in zwei Subkategorien aufgeschlüsselt: Ein Todesopfer; mehrere Todesopfer. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt [Anm.: Wardhiigleey wird nunmehr auch öfter mit dem neuen Namen, Warta Nabadda, benannt]:

Dieses Bild zeigt Grafiken zur Entwicklung der gewaltsamen Vorfälle in den Bezirken Boondheere, Cabdulcasiis, Dayniile, Dharkenley, Hawl Wadag und Heliwaa in den Jahren 2013 bis 2023. ACLED 12.1.2024Dieses Bild zeigt Grafiken zur Entwicklung der gewaltsamen Vorfälle in den Bezirken Hodan, Karaan, Shangaani, Shibis, Waaberi und Wadajir-Medina in den Jahren 2013 bis 2023. ACLED 12.1.2024Dieses Bild zeigt Grafiken zur Entwicklung der gewaltsamen Vorfälle in den Bezirken Xamar Jabjab, Xamar Weyne, Yaqshiid und Wardhigleey sowie in gesamt Mogadischu in den Jahren 2013 bis 2023.Legende zu den vorhergehenden Grafiken ACLED 12.1.2024

Quellen

ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (12.1.2024): Curated Data - Africa (14 January 2022), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 23.1.2024 [Login erforderlich]

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

AQSOM 1 - Anonymisierte Quelle Somalia 1 (3.2024): Bei der Quelle handelt es sich um einen analytischen Newsletter

AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche

BBC - British Broadcasting Corporation (18.1.2021): Somali concern at US troop withdrawal, https://www.bbc.com/news/world-africa-55677077, Zugriff 11.10.2023

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1.12.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14.9.2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020b): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 12.10.2023

FTL - Facility for Talo and Leadership (14.4.2023): Military Police Launch Security Operations in Various Mogadishu Neighborhoods, https://www.ftlsomalia.com/military-police-launch-security-operations-in-various-mogadishu-neighborhoods/, Zugriff 12.10.2023

Gov Som - Federal Government of Somalia [Somalia] (2022): National Risk Assessment on Money Laundering ans Terrorist Financing, https://frc.gov.so/wp-content/uploads/2022/05/NRA-Report-2022.pdf, Zugriff 15.3.2024

Halqabsi - Halqabsi News (29.10.2024): Four Businessmen Killed by Al-Shabaab in Mogadishu Over CCTV Surveillance, https://halqabsi.com/2024/10/four-businessmen-killed-by-al-shabaab, Zugriff 5.12.2024

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (7.5.2024): State Of Somalia 2023 Report, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2024/05/SOS-REPORT-2023-.pdf, Zugriff 27.5.2024

INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

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JOWH - Jowhar (10.4.2023): Ciidamo cusub oo la wareegay amniga degmooyinka dhaca duleedyada Muqdisho, https://www.jowhar.com/news/ciidamo-cusub-oo-la-wareegay-amniga-degmooyinka-dhaca-duleedyada-muqdisho.html, Zugriff 13.4.2023

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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (7.11.2022): TA plan to secure Mogadishu, in: The Somali Wire Issue No. 472, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (27.7.2022): The rise of Mogadishu’s street gangs, in: The Somali Wire Issue No. 431, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (8.6.2022): Editor’s Pick – Somalia’s new president seeks peace at home and abroad, in: The Somali Wire Issue No. 400, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (18.1.2022): The rise of Mogadishu’s street gangs, in: The Somali Wire Issue No. 309, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SMN - Shabelle Media Network (30.11.2024): Al-Shabaab Attacks in Mogadishu Over CCTV Mandate Kills 37 – Report, https://shabellemedia.com/al-shabaab-attacks-in-mogadishu-over-cctv-mandate-kills-37-report, Zugriff 5.12.2024

SRF - Schweizer Radio und Fernsehen (27.12.2021): Ein Staat ohne Macht - Somalia: Leben im gescheiterten Staat, https://www.srf.ch/news/international/ein-staat-ohne-macht-somalia-leben-im-gescheiterten-staat, Zugriff 11.10.2023

TANA/ACRC - Tana Copenhagen (Herausgeber), African Cities Research Consortium (Autor) (9.3.2023): Understanding Systems in Mogadishu City, https://tanacopenhagen.com/wp-content/uploads/2023/03/ACRC-Tana-Mogadishu-City-System-Analysis.pdf, Zugriff 23.5.2024

TEV/Odour - Barack Odour (Autor), The Eastleigh Voice (Herausgeber) (24.6.2024): Journalist’s memoir reveals story of Somalia’s resilience, https://eastleighvoice.co.ke/somalia/52862/journalists-memoir-reveals-story-of-somalias-resilience, Zugriff 24.6.2024

Think/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Think Tank (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

TSD - The Somali Digest (22.8.2024): Al-Shabab Escalates Suburban Offensive with Back-to-Back Attacks on NISA Base, https://thesomalidigest.com/al-shabab-escalates-suburban-offensive-with-back-to-back-attacks-on-nisa-base/, Zugriff 18.12.2024

TSD - The Somali Digest (12.11.2023): IS-Somalia: A Resurgent Threat?, https://thesomalidigest.com/is-somalia-a-resurgent-threat, Zugriff 28.5.2024

TSD - The Somali Digest (20.9.2023): Al-Shabaab killed former deputy district commissioner of Bal’ad, https://thesomalidigest.com/al-shabaab-killed-former-deputy-district-commissioner-of-balad, Zugriff 14.3.2024

UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 – Somalia, https://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population-Estimation-Survey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 11.10.2023

UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

UNSC - United Nations Security Council (28.10.2024): Letter dated 15 October 2024 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 2713 (2023) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council, https://digitallibrary.un.org/record/4066421/files/S_2024_748-EN.pdf?ln=en, Zugriff 3.12.2024

UNSC - United Nations Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 12.10.2023

Al Shabaab

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Al Shabaab ist mit al-Qaida affiliiert (REU 21.11.2023; vgl. CRS 6.5.2024b; THLSC 20.3.2023) und wird als die größte und reichste zu al Qaida zugehörige Gruppe bezeichnet (CRS 6.5.2024b; vgl. Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Die Gruppe weist eine stärkere innere Kohärenz auf als die Bundesregierung und einige der Bundesstaaten. Al Shabaab nutzt erfolgreich lokale Missstände, um taktische Allianzen zu schmieden und Kämpfer zu rekrutieren (Sahan/SWT 27.3.2023). Die Gruppe erkennt die Bundesregierung nicht als legitime Regierung Somalias an (UNSC 10.10.2022). Al Shabaab agiert offen anti-demokratisch und erachtet Demokratie als unislamisch bzw. als jüdisch-christliches Konzept (BS 2024; vgl. Sahan/SWT 9.6.2023; MBZ 6.2023). Dies gilt entsprechend auch für die Verfassung und den Föderalismus (Sahan/Bryden 5.7.2024). Ihr Ziel ist eine Herrschaft unter Anwendung ihrer strikten Interpretation der Scharia (REU 21.11.2023) im Rahmen der Errichtung eines Kalifats in den Grenzen von Großsomalia (Somaliweyne). Dies macht die Gruppe zur Bedrohung der staatlichen Integrität nicht nur von Somalia, sondern auch für Dschibuti, Äthiopien und Kenia. Al Shabaab wendet eine Strategie des asymmetrischen Guerillakriegs an, die bisher sehr schwer zu bekämpfen war. Zudem bietet die Gruppe in den Gebieten unter ihrer Kontrolle Sicherheit und eine grundlegende Regierungsführung (Sahan/SWT 27.3.2023). Andererseits werden jene, die sich nicht ihrer puristischen Interpretation des Islam anschließen, als Ketzer gebrandmarkt (BS 2024).

Gleichzeitig ist al Shabaab eine mafiöse Organisation (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. Sahan/SWT 25.8.2023), die Schutzgelder im Austausch für Sicherheits-, Sozial- und Finanzdienstleistungen verlangt. Ihre konsequente Botschaft ist, dass die Alternative - die Bundesregierung - eigennützig und unzuverlässig ist (Sahan/SWT 25.8.2023). Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: die Eroberung Großsomalias (BMLV 7.8.2024) und die Durchsetzung ihrer eigenen extremen Interpretation des Islams und der Scharia (USDOS 15.5.2023) und der Errichtung eines islamischen Staates in Somalia (CFR 6.12.2022b).

Al Shabaab ist in fast allen Facetten der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik integriert (GITOC/Bahadur 8.12.2022) und ist gleichzeitig vermutlich die reichste Rebellenbewegung in Afrika (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 finanziert al Shabaab die al Qaida - und nicht umgekehrt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Ausländische Kämpfer haben nur noch einen begrenzten Einfluss in der Gruppe (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BMLV 7.8.2024); und die Beziehungen zur al Qaida haben sich nachhaltig geändert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). [Anm.: Die gewaltlose, aber ebenfalls politisch-islamistische Gruppe] Al I'tisaam gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).

Struktur: Der Anführer von al Shabaab ist Ahmed Diriye alias Sheikh Ahmed Umar Abu Ubaidah (BBC 15.6.2023). Führung und Kontrolle sind relativ dezentral, wobei die lokalen Einheiten auf operativer Ebene eine relative Autonomie behalten. Jede Region (Waliga) hat einen ernannten Gouverneur (Wali), der den gesamten öffentlichen Dienst und die Finanzverwaltung in den von der Organisation kontrollierten Gebieten überwacht (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022) und teils auch eine wesentliche militärische Rolle spielt (BMLV 7.8.2024). Bei der Unterteilung in Waligas folgt al Shabaab dem System, das Somalia für seine Regionen anwendet. Für jene Waligas, die unter Kontrolle der Regierung stehen, unterhält die Gruppe Schattenregierungen (AQ21 11.2023). Jeder Standort verfügt über eine Hisba (Polizei). Diese ist für die Durchsetzung des strengen islamischen Kodex der Gruppe und die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verantwortlich (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022), laut einer Quelle auch für die Durchsetzung von Steuerzahlungen. Jede Waliga verfügt über eigene Milizen von 500-600 Mann (AQ21 11.2023). Der militärische Flügel der al Shabaab (Jabhat) besteht aus geografisch gegliederten Formationen („Brigaden“), die lokalen politischen Einheiten angeschlossen sind. Die Hauptaufgabe der Jabhat besteht darin, Gebiete zu erobern und zu verteidigen. Jede Einheit, die typischerweise aus dreihundert Soldaten besteht, hat ihre eigenen Kommandeure und Stützpunkte. Der Geheimdienst (Amniyat) ist für Spezialoperationen verantwortlich, darunter Selbstmordattentate, Attentate und Angriffe auf die Zentren der Regierungsmacht. Der Amniyat hat auch die Aufgabe, Informationen zu sammeln und Kollaborateure zu identifizieren (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Auch die Hisba wird vom Amniyat überwacht (AQ21 11.2023). Zudem ist al Shabaab auf die Dienste vieler Mitglieder in unterstützenden Rollen angewiesen, darunter Fahrer, Lehrer und Köche (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022).

Verwaltung: Das Gebiet von al Shabaab wird als "Proto-Staat" bewertet (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Die Gruppe ist imstande, für die auf ihrem Gebiet lebende Bevölkerung staatsähnliche Funktionen zu erbringen - ähnlich, wie es die Hamas im Gazastreifen getan hatte. Dabei ist al Shabaab offenbar besser organisiert als die eigentlichen staatlichen Strukturen (ÖB Nairobi 10.2024). Die Gruppe hat in den von ihr kontrollierten Gebieten eine äußerst autoritäre und repressive Herrschaftsform in Zusammenhang mit einer auf der Scharia basierenden Verwaltung eingerichtet - ohne Gewaltenteilung. Sie hat eigene Gerichte geschaffen, die ihre salafistische Interpretation der Scharia durchsetzen. Viele Menschen bevorzugen diese Gerichte, da sie leicht zugänglich und mit geringen Kosten verbunden werden und gleichzeitig schnell und nach klaren Regeln erfassbare Urteile fällen. Bei der Durchsetzung ihrer Kontrolle setzt al Shabaab mitunter auf Gewalt und Einschüchterung. Drohungen und harte Strafen haben in den von ihr kontrollierten Gebieten ein allgemeines Klima der Angst geschaffen. Ziel der islamistischen Miliz ist die Kontrolle aller Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens (BS 2024). Nach anderen Angaben kontrolliert al Shabaab gegenwärtig das Sozialverhalten der Bevölkerung weniger stark als früher (AQ21 11.2023). [Zur Gerichtsbarkeit von al Shabaab siehe Rechtsschutz, Justizwesen / Süd-/Zentralsomalia, Puntland]

Al Shabaab übt über das von ihr direkt regierte Gebiet Macht (BS 2024) und alle Grundfunktionen einer normalen Regierung aus: Sie hebt Steuern ein, bietet Sicherheit bzw. sorgt für Recht und Ordnung und stellt (begrenzte) soziale Dienste bereit (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b; TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022). Al Shabaab ist es dort gelungen, ein vorhersagbares Maß an Besteuerung, Sicherheit, Rechtssicherheit und sozialer Ordnung zu etablieren und gleichzeitig weniger korrupt als andere somalische Akteure zu sein sowie gleichzeitig mit lokalen Clans zusammenzuarbeiten (Schwartz/HO 12.9.2021). Die Gruppe investiert daher in lokale Regierungssysteme. Al Shabaab setzt Zwang und Überredung ein, um Treue zu erzwingen. Im Gegenzug bietet die Gruppe ihre eigene Art von "Recht und Ordnung" sowie bescheidene, grundlegende Dienstleistungen (Sahan/SWT 30.6.2023). Durch das Anbieten öffentlicher Dienste - v. a. hinsichtlich Sicherheit und Justiz - genießt al Shabaab in einigen Gebieten ein gewisses Maß an Legitimität. Mit der Hisba verfügt die Gruppe über eine eigene Polizei (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Offensichtlich führt al Shabaab auch eine Art Volkszählung durch. Auf den diesbezüglich bekannten Formularen müssen u. a. Clan und Subclan, Zahl an Kindern in und außerhalb Somalias, Quelle des Haushaltseinkommens und der Empfang von Remissen angegeben werden (UNSC 10.10.2022). Völkerrechtlich kommen al Shabaab gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen als de-facto-Regime in den von ihr kontrollierten Gebieten Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung zu (AA 23.8.2024).

Die Gebiete von al Shabaab werden als relativ sicher und stabil beschrieben, bei einer Absenz von Clankonflikten und geringer Kriminalität (BMLV 7.8.2024; vgl. JF 18.6.2021). Die Herrschaft der Gruppe sorgt normalerweise für Frieden zwischen den Clans (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Die Unterdrückung von Clankonflikten ist ein Bereich, in welchem die Gruppe Erfolge erzielen konnte. Z. B. wurde ein Waffenstillstand zwischen Clans in den Bezirken Adan Yabaal und Moqokori (HirShabelle) durchgesetzt; und in Galmudug hat al Shabaab Älteste bestraft, deren Clanmitglieder sich an Clankriegen beteiligt haben (SW 3.2023). Al Shabaab duldet nicht, dass irgendeine andere Institution außer ihr selbst auf ihren Gebieten Gewalt anwendet, sie beansprucht das Gewaltmonopol für sich. Jene, die dieses Gesetz brechen, werden bestraft. Die Gruppe unterhält ein rigoroses Justizsystem, welches Fehlverhalten – etwa nicht sanktionierte Gewalt gegen Zivilisten – bestraft. Daher kommt es kaum zu Vergehen durch Kämpfer der al Shabaab. Die Verwaltung von al Shabaab wurzelt auf zwei Grundsätzen: Angst und Berechenbarkeit (BMLV 7.8.2024).

Hinsichtlich Korruption ist al Shabaab sehr aufmerksam (AQ21 11.2023). Insgesamt nimmt die Gruppe im Vergleich zur Regierung effizienter Steuern ein, lukriert mehr Geld, bietet ein höheres Maß an Sicherheit sowie eine höhere Qualität an Rechtsprechung (Bryden/TEL 8.11.2021). Al Shabaab hat etwa als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie Gesundheitszentren eingerichtet und führt sogar Schulen und Programme, um Mitglieder zur Ausbildung an Universitäten im Ausland zu schicken (Rollins/HIR 27.3.2023).

Frauen: Siehe Frauen / Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Clans: Bis ca. 2014 schloss al Shabaab Clanälteste aus ihren Regierungsstrukturen aus. Danach erkannte die Gruppe, dass eine gewisse Legitimierung der Ältesten die Legitimität von al Shabaab selbst in den Augen der Zivilbevölkerung stärken würde. 2016 gründete die Gruppe einen Ältestenrat (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Die Gruppe nutzt die Ältesten, um die eigene Macht zu konsolidieren (MBZ 6.2023). Mitunter konsultieren lokale Verwalter der al Shabaab Clanälteste oder lassen bestehende Bezirksstrukturen weiter bestehen (USDOS 22.4.2024). Sie erkennt Clans als grundlegende "Bausteine der Macht" an. Zudem vermittelt die Gruppe - wie weiter oben schon erwähnt - auch zwischen rivalisierenden Clans (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Dabei hängt der Einfluss der Zivilbevölkerung auf al Shabaab von mehreren Faktoren ab. Dazu gehören die Einigkeit der Clans innerhalb eines bestimmten Gebiets, historische Beziehungen zwischen Gemeinden und al Shabaab sowie der strategische Wert, den die Gruppe einer bestimmten Gemeinde beimisst (z. B. ihre militärische oder politische Bedeutung) (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Andererseits nutzt al Shabaab auch Spannungen und Clankonflikte aus, um eigene Ziele zu erreichen (AQ21 11.2023; vgl. HI 4.2023; SPC 9.2.2022) und hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan/SWT 24.10.2022). V. a. diejenigen Clans, denen es an militärischer Macht fehlt, wenden sich eher an al Shabaab, wenn sie Schutz oder Unterstützung suchen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). So hat sich die Gruppe z. B. in Hiiraan früh mit einer Gruppe marginalisierter Clans verbündet – namentlich mit den Galja’el, Jajale, Sheikhal und Jareer – und zwar gegen die politisch durchaus, aber numerisch nicht dominanten Hawadle. Der Experte S. J. Hansen berichtet aus Galmudug, dass Kämpfe dort regelrechte Clankämpfe waren, zwischen den Murusade auf Seite der al Shabaab und ihren traditionellen Feinden, den Hawadle, auf Regierungsseite. Es müssen also von Ort zu Ort viele unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden, etwa Streit um Land und Ressourcen, politische und militärische Aspekte der Clans im Gebiet usw. (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Doch auch manche Clans nutzen al Shabaab, um politische Vorteile zu erlangen oder sich an Rivalen zu rächen (SPC 9.2.2022). Gemäß den Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 hat sich al Shabaab etwa gezielt an Minderheiten gewendet, die nicht von der Regierung repräsentiert werden. Die Gruppe hat sich so im Süden die Loyalität jeder einzelnen Minderheit erkauft (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Zudem kann al Shabaab auch im Sinne des Schutzes von Minderheiten agieren, die oftmals über keine eigenen Milizen verfügen. Auch dies führt dazu, dass manche Minderheiten al Shabaab unterstützen (MBZ 6.2023). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019a, S. 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S. 11; vgl. ÖB Nairobi 10.2024), wobei die Unterstützung mit dem Machtverlust von al Shabaab wieder abnimmt (ÖB Nairobi 10.2024) bzw. sich die anfangs gegebene Zustimmung zu al Shabaab z. B. bei vielen Bantu in Misstrauen gewandelt hat (Sahan/Menkhaus 23.8.2023).

Generell steht bei Entscheidungen immer die Sicherheit des eigenen Clans als höchstes Ziel im Vordergrund. Manche Clans schließen sich freiwillig al Shabaab an; mit anderen Clans hat al Shabaab Abkommen geschlossen (AQ21 11.2023). Eine Quelle erklärt, dass al Shabaab oft 'eigene' Älteste installiert, welche die Gruppe repräsentieren. Diese werden zu Bindegliedern zwischen den einzelnen Gemeinschaften und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan/SWT 26.10.2022). Auch eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass al Shabaab in den meisten Teilen Süd-/Zentralsomalias über 'eigene' Älteste verfügt. Es werden parallele Clanführungsstrukturen unterhalten - und zwar in allen Gebieten, in denen al Shabaab aktiv ist. Manchmal sind dann die eigentlichen Ältesten zur Flucht gezwungen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass dies eher nur in jenen Teilen des Landes der Fall ist, wo al Shabaab keine direkte Kontrolle ausüben kann (BMLV 7.8.2024). Die von al Shabaab eingesetzten Ältesten dienen der Konfliktlösung und polizeilicher Arbeit sowie dem Standeswesen (Eheschließungen, Scheidungen). Sie können vor den Gerichten der al Shabaab auch eigene Clanmitglieder vertreten. Und wenn ein Clanmitglied ein Problem mit al Shabaab hat, dann wendet es sich an den entsprechenden Ältesten, der sich wiederum an al Shabaab wendet (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Älteste dienen al Shabaab zur Verwaltung, Koordination, Rekrutierung, Besteuerung und Propaganda (AQ21 11.2023; vgl. Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; MBZ 6.2023).

Wenn sich Clans mit der Regierung arrangiert haben, und das Gebiet später wieder an al Shabaab zurückfällt, droht den Gemeinden eine Bestrafung durch die Gruppe - etwa in der Form von Exekutionen Ältester (Sahan/SWT 13.9.2023). Unter militärischem Druck neigt al Shabaab hingegen eher dazu, versöhnlicher zu agieren, Friedensabkommen mit Clans zu schließen und die brutaleren Aspekte ihrer Regierungsführung zu lockern. Abkommen mit Clans gehen i.d.R. Verhandlungen zwischen Clanältesten und hochrangigen Funktionären der al Shabaab voraus. Diese münden mitunter in einer formellen schriftlichen Vereinbarung, in welcher sich beide Seiten zu bestimmten Maßnahmen verpflichten. Im Falle der Saleban gestaltete sich dies z. B. so: Al Shabaab verpflichtete sich, 67 Gefangene der Saleban zu entlassen, auf ihren Gebieten keine Waffen zu tragen und Bewegungs- und Handelsfreiheit zu gewährleisten. Im Gegenzug bekannten sich die Saleban u. a. zur Neutralität und Nichteinmischung (u. a. „Fernhalten von feindlichen Lagern“, keine Zusammenarbeit mit dem Feind), zur Umsetzung der Scharia, zur Landesverteidigung und zum Umweltschutz sowie zur guten Nachbarschaft mit anderen Clans (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Rückhalt: Es gibt einige wenige, ideologisch positionierte Anhänger; Personen, die religiös gebildet sind und sich bewusst auf dieser Ebene mit al Shabaab solidarisieren. Es gibt aber eine viel größere Anzahl von Menschen, die pragmatisch agieren. Sie akzeptieren al Shabaab als geringeres Übel (ACCORD 31.5.2021). Die Präsenz von al Shabaab bietet besorgten Gemeinden eine Form der Schirmherrschaft und des Schutzes, welche die somalische Regierung nur sporadisch gewähren kann. Die Gruppe verspricht Vorteile und faire Behandlung für diejenigen, die ihren Geboten folgen. Allen anderen droht sie mit Vergeltung (Sahan/SWT 25.8.2023). Nach anderen Angaben ist das Verhältnis zwischen Zivilisten und al Shabaab nicht nur eines von Gewalt und Opfern. Al Shabaab versucht in ihrer Indoktrination die Bundesregierung als Vergewaltiger, Räuber und Erpresser darzustellen. In Gebieten unter Kontrolle der Gruppe haben die Menschen kaum Zugang zu Informationen, die diesem Narrativ widersprechen. Wenn Zivilisten auf dem Gebiet der Gruppe Probleme haben, wenden sie sich i.d.R. durchaus an al Shabaab, um Hilfe zu erhalten. Zudem unterstützt die Gruppe fallweise lokale Gemeinden und gibt so einen Teil des eingenommenen Zakat wieder zurück. Die zu al Shabaab gehörende Stiftung al Ihsan verteilt Hilfe gezielt, um die Unterstützung der Bevölkerung zu sichern. Unterstützt werden etwa jene, die von al Shabaab als „unterprivilegiert“ erachtet werden (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Stärke: Der US-Kongress berichtet von einer Zahl von 7.000-10.000 Kämpfern (CRS 6.5.2024b), Voice of America von 12.000-13.000 (VOA/Babb 18.6.2024), eine weitere Quelle von mindestens 12.000 "Vollzeitkämpfern" (BMLV 7.8.2024). Schließlich nennt eine Quelle eine Zahl von 7.000 "Vollzeitkämpfern". Insgesamt sind die Zahlen also sehr unterschiedlich. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass al Shabaab über zahlreiche "Teilzeitkräfte" und "Freiberufler" verfügt, die nur bei Bedarf zum Einsatz kommen. Ein Experte schätzt die Gesamtzahl allen verfügbaren Personals auf 25.000-30.000 (AQ21 11.2023).

Al Shabaab hat im Rahmen der Offensive in Zentralsomalia seit August 2022 erhebliche Verluste erlitten (BMLV 4.7.2024). Zur Kompensation hat die Gruppe neue Kräfte rekrutiert und die erlittenen Verluste mehr als ausgeglichen. Der sogenannte "Hafendeal" zwischen Somaliland und Äthiopien hat al Shabaab zahlreiche Freiwillige zugetrieben (BMLV 7.8.2024).

Generell hat al Shabaab die somalische Gesellschaft dermaßen tief infiltriert, dass es schwierig oder sogar unmöglich ist, zu erkennen, wer Mitglied der Gruppe ist. Hinzugezählt werden die Kämpfer der Jabhat, die Agenten des Amniyat und die Polizisten der Hisba; alle Schätzungen zur Größe von al Shabaab scheinen sich auf dieses Personal zu konzentrieren. Doch die Gruppe verfügt auch über einen beträchtlichen Kader, der nicht direkt an der Gewalt beteiligt ist, aber für die Reichweite der Organisation in Somalia gleichermaßen wichtig ist. Es handelt sich um eine komplexe Organisation, die eine Mischung aus Terroristengruppe, Rebellenorganisation, Mafia und Schattenregierung ist. Und es gibt Personal für all diese Funktionen. Al Shabaab beschäftigt u. a. Verwaltungsbeamte, Richter und Steuereintreiber. Der Amniyat verfügt neben Agenten über Doppelagenten, Quellen und Informanten, die in die Institutionen, die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft Somalias eingedrungen sind. Einige arbeiten heimlich, in Teilzeit oder auf ad-hoc-Basis mit der Gruppe zusammen. Sie bewegen Nachschub, überbringen Nachrichten und berichten über alles - von der Zusammenarbeit mit der Regierung bis hin zur Wirtschaftstätigkeit. Es ist unmöglich, sie zu zählen (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).

Die Gruppe ist technisch teilweise besser ausgerüstet als die Bundesarmee und kann selbst gegen ATMIS manchmal mit schweren Waffen eine Überlegenheit herstellen. Außerdem verfügt al Shabaab mit dem Amniyat über das landesweit beste Aufklärungsnetzwerk (BMLV 7.8.2024), er bildet ihre wichtigste Stütze (JF 18.6.2021). Al Shabaab verfügt jedenfalls über ein extensives Netzwerk an Informanten und ist in der Lage, der Bevölkerung Angst einzuflößen (UNSC 6.10.2021; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).

Gebiete: Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 7.8.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023) und verfügt über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe bleibt auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie in vielen Fällen regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete und Städte verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität auf Gebiete unter Kontrolle staatlicher Kräfte Einfluss und Macht aus (BMLV 7.8.2024).

Die Hochburgen von al Shabaab finden sich in den Bundesstaaten Jubaland, SWS, HirShabelle und Galmudug (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023b). Die Gruppe kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und - in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 28.6.2024; vgl. BMLV 7.8.2024).

Gemeinschaften, die unter der Kontrolle von al Shabaab stehen, werden häufig vom Rest Somalias und von der internationalen Unterstützung abgekoppelt. Die Kontrollpunkte und Blockaden der militanten Gruppe schränken den Personen- und Warenverkehr ein (Sahan/SWT 15.9.2023). In Gebieten, die an von der Regierung kontrollierte und von al Shabaab unter Blockade gestellte Städte grenzen, hat die Gruppe strenge Regeln hinsichtlich ökonomischer und beruflicher Tätigkeiten eingeführt. Al Shabaab setzt diese mit Drohungen und Gewalt durch und bestraft jene, die diese Regeln brechen (UNSC 10.10.2022).

Kapazitäten: Prinzipiell hat al Shabaab wiederholt gezeigt, dass sie gegenüber Druck anpassungsfähig und in der Lage ist, sich zurückzuziehen und neu zu formieren, bevor sie zurückschlägt (Sahan/SWT 4.8.2023). Al Shabaab ist weiterhin in der Lage, komplexe Angriffe z. B. in und um Mogadischu durchzuführen. Die Fähigkeit der Gruppe, Waffen zu beschaffen und Kämpfer neu zu verteilen, bleibt weitgehend intakt (BMLV 7.8.2024; vgl. Sahan/SWT 22.5.2023). Dabei geht die Einflusssphäre der Gruppe über jene Gebiete, die sie tatsächlich unter Kontrolle hat, hinaus (UNSC 10.10.2022). Al Shabaab hat im ganzen Land Institutionen und Organe, aber auch den Privatsektor (z. B. Banken und Telekomunternehmen) unterwandert (Sahan/SWT 12.2.2024; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023). Dies gilt auch für die NISA (Geheimdienst) und die Polizei. Bis zu 30 % der Polizisten in Mogadischu sind demnach kompromittiert (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. BMLV 7.8.2024).

Al Shabaab hat jedoch nicht genügend Kapazitäten, um ständig und überall präsent zu sein. Das Einsatzgebiet der Gruppe ist fast so groß wie Deutschland. In diesem weitläufigen und infrastrukturell wenig erschlossenen Gebiet muss die Gruppe mit ca. 10.000 bewaffneten Kämpfern auskommen. Das bedeutet, dass al Shabaab zu keinem Zeitpunkt eine permanente Kontrolle über alle strategisch wichtigen Punkte ausüben kann. Die Gruppe kann nicht alle wichtigen Straßen kontrollieren, kann nicht in allen Orten des Hinterlandes mit permanenter Präsenz aufwarten, kann sich nicht um alle Konflikte vor Ort gleichzeitig kümmern (ACCORD 31.5.2021). Gemäß einer Quelle verfügt al Shabaab bei Clans über Verbindungsleute (Kilmurry/RUSI 1.4.2022); laut einer anderen Quelle hält al Shabaab in ihrem Gebiet vor allem in Städten und größeren Dörfern eine permanente Präsenz aufrecht. Abseits davon operiert die Gruppe in kleinen, mobilen Gruppen und zielt damit in erster Linie auf das Einheben von Steuern ab und übt Einfluss aus (Landinfo 21.5.2019a). Nach anderen Informationen sieht die Strategie von al Shabaab unterschiedliche Taktiken vor. In jenen Gebieten, in welchen die Gruppe über das größte Maß an Einfluss und Präsenz verfügt, gibt es entwickelte Verwaltungsstrukturen. Dadurch, dass al Shabaab dort für Sicherheit und Ordnung sorgt und gleichzeitig Konflikte zwischen rivalisierenden Clans beigelegt hat, erhält die Gruppe die Zustimmung der dort lebenden Bevölkerung. In jenen Gebieten aber, die entweder unter Kontrolle der Regierung stehen oder die umstritten sind, unterwandert al Shabaab bestehende Strukturen und übt mit Zwang Einfluss aus. Der Staat wird dort durch Drohungen und Gewalt untergraben. Die Gruppe kann durch geheimdienstlich eingeholte Informationen Drohungen gezielt einsetzen, Steuern eintreiben und ganz allgemein Einfluss auf das Verhalten von Zivilisten nehmen, ohne dass eine nennenswerte territoriale Präsenz oder Einfluss besteht (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass, auch wenn es dort keine permanenten Stationen gibt, die Polizei von al Shabaab regelmäßig auch entlegene Gebiete besucht. Nominell ist die Reichweite von al Shabaab in Süd-/Zentralsomalia unbegrenzt. Sie ist in den meisten Landesteilen offen oder verdeckt präsent. Die Gruppe ist in der Lage, überall zuzuschlagen, bzw. kann sie sich auch in vielen Gebieten Süd-/Zentralsomalias frei bewegen (BMLV 7.8.2024). Al Shabaab funktioniert in nahezu ganz Südsomalia als Schattenregierung bzw. -Verwaltung (GITOC/Bahadur 8.12.2022).

"Kontrolliert" wird - wie es ein Experte ausdrückt - durch "exemplarische Gewalt", etwa durch Körperstrafen; durch das Streuen von Gerüchten; durch terroristische Anschläge zur Einschüchterung der Bevölkerung. All das erfolgt aber nur so intensiv und so oft, wie es nötig ist, um die lokale Bevölkerung zu erschrecken und dafür zu sorgen, dass ein Großteil der Menschen sich tatsächlich - zwangsläufig - mit der Herrschaft von al Shabaab arrangiert (ACCORD 31.5.2021). Dort wo die Strukturen von al Shabaab vollumfänglich zum Einsatz kommen - wo also die Kontrolle der Gruppe unbestritten ist - dort schafft sie ein strenges, aber stabiles Umfeld, in welchem sie Steuern einzieht, für Sicherheit sorgt und Streitigkeiten zwischen Clans und Einzelpersonen beilegt. Unternehmen, die Steuern zahlen und sich an die Regeln von al Shabaab halten, können mit einem höheren Maß an Vorhersehbarkeit und Stabilität arbeiten, da Gerichte Verträge durchsetzen. In ihrer "Hauptstadt" Jilib ist aber auch die Überwachung stärker ausgeprägt. So müssen die Bewohner etwa melden, wenn ein Verwandter von Außen zu Besuch kommt (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Dort wo al Shabaab nicht in der Lage ist, ein angemessenes Maß an Gewaltandrohung glaubhaft darstellen zu können, sind die Erpressungsversuche auch weniger erfolgreich. So lehnen etwa Wirtschaftstreibende, die ausschließlich in Baidoa und Kismayo agieren, Zahlungsforderungen mitunter ab (Williams/ACSS 27.3.2023). Andererseits schreckt al Shabaab auch nicht vor Zwang und Gewalt, vor direkten Angriffen oder der Zerstörung lokaler Ressourcen zurück, um ihre Ansprüche durchzusetzen (HI 4.2023; vgl. UNSC 6.10.2021). Zudem hat die Gruppe aus vergangenen Fehlern gelernt und so die Kontrolle über einige Gebiete zurückerlangt, die sie 2022 verloren hatte. Einige Übereinkommen mit Clans in Zentralsomalia wurden wieder aufgenommen. Al Shabaab hebt weiter illegale Steuern ein, ohne dabei so weit zu gehen, lokale Clans zu gewalttätigem Widerstand zu provozieren. Die Gruppe ist nun darauf bedacht, die Gemeinschaften, von denen sie abhängig ist, nicht zu sehr auszubeuten (Sahan/SWT 12.6.2023).

Wirtschaftsmacht al Shabaab: Al Shabaab gilt als "wohlhabend", verfügt über einen finanziellen Polster und damit auch über einen Hebel hinsichtlich Neurekrutierungen (AQ21 11.2023). Die Gruppe nimmt pro Jahr 100 Millionen US-Dollar ein, obwohl die Bundesregierung mit zahlreichen Maßnahmen versucht hat, die Gruppe von Geldflüssen abzuschneiden (GO 12.3.2024). Gemäß Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 lukriert die Gruppe sogar rund 180 Millionen US-Dollar pro Jahr - bei Ausgaben von nur etwa 100 Millionen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle bestätigt diese Angaben (Rollins/HIR 27.3.2023).

Die ganze Wirtschaft ist von al Shabaab abhängig, wenn es z. B. um den Warentransport geht (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Zudem sind die tief wurzelnden Strukturen der Gruppe im Wirtschaftsbereich Mogadischus nur schwer zu beseitigen (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Nicht nur in den Gebieten unter direkter Kontrolle von al Shabaab, sondern auch anderswo fließen Überschüsse aus dem jährlich eingesammelten Zakat und aus "Steuern" häufig an Unterstützer der Gruppe, die kleine und mittlere Unternehmen betreiben (Sahan/SWT 25.8.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023). Al Shabaab schafft sich ein Wirtschaftsimperium, die Gruppe verfügt über entsprechende Kompetenzen. Auch Morde gegen Bezahlung scheinen für al Shabaab zum Geschäftsmodell zu werden. Zudem hat die Gruppe in vielen Sparten investiert, Reichtümer angehäuft (Sahan/STDOK/SEM 4.2023) und betreibt einige Unternehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe agiert - v. a. außerhalb des eigenen Gebietes - wie ein Kartell bzw. wie eine Mafia (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Sahan/STDOK/SEM 4.2023; HIPS 4.2021, S. 5).

Zum sich nicht nur auf das eigentlich kontrollierte Gebiet beschränkende "Steuer"- und Abgabewesen von al Shabaab siehe Recht und "Steuer"-Wesen bei al Shabaab

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

BBC - British Broadcasting Corporation (15.6.2023): Analysis: Al-Shabab fights back as army offensive threatens its grip on Somalia, https://monitoring.bbc.co.uk/product/c204cuml?utm_campaign=1. June newsletter 2023 - SU utm_content=bbc-monitoring.co.uk utm_content=bbc-monitoring.co.uk utm_medium=email utm_source=BBC Monitoring wp-linkindex=23, Zugriff 19.10.2023

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

Bryden/TEL - The Elephant (Herausgeber), Matt Bryden (Autor) (8.11.2021): Fake Fight: The Quiet Jihadist Takeover of Somalia, https://www.theelephant.info/long-reads/2021/11/08/fake-fight-the-quiet-jihadist-takeover-of-somalia/#.YYjpCzdaMR4.twitter, Zugriff 9.11.2023

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

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Rechtsschutz, Justizwesen

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

Die Rechtsordnung in Somalia richtet sich nach einer Mischung des von 1962 stammenden nationalen Strafgesetzbuches sowie traditionellem (Xeer) und islamischem Gewohnheitsrecht (Scharia) (AA 3.6.2024; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023) sowie der Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 (Omer2/ALRC 17.3.2023). Die unterschiedlichen Rechtsformen sind nicht gut integriert (MBZ 6.2023). Mit dem Kollaps des Staates im Jahr 1991 kollabierte in weiten Teilen des Landes auch das formelle Recht. Gleichzeitig stieg die Bedeutung von Scharia und Xeer. Die Scharia bildet die Grundlage jeder Rechtssprechung, und der Staat muss sich religiösen Normen beugen (BS 2024). Sie bildet damit die Hauptdeterminante jeglichen Rechts (Omer2/ALRC 17.3.2023). Aufgrund des Versagens und der Ineffektivität der formellen staatlichen Justiz sind traditionelles Recht, islamische Rechtsprechung und Gerichte von al Shabaab häufige Quellen für Streitbeilegungen (HIPS 3.2021, S. 13; vgl. BS 2024; SPC 9.2.2022).

Gewaltenteilung: Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung von 2012 niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere (AA 23.8.2024; vgl. USDOS 22.4.2024), und es gibt keine strenge Trennung der Gewalten, weder auf Bundes- noch auf Bundesstaatsebene (BS 2024).

Rechtsstaatlichkeit: Ebenso gibt es keine landesweite Rechtsstaatlichkeit (BS 2024). Eine landesweite Implementierung und einheitliche Anwendung der von der somalischen Bundesregierung vorgegebenen Bestimmungen ist nicht gesichert (AA 3.6.2024). Selbst in Gebieten, die offiziell von der Regierung kontrolliert werden, ist das Justizsystem ebenso dysfunktional wie die Regierung selbst. Entscheidungen staatlicher Gerichte sind weitgehend nicht durchsetzbar (Rollins/HIR 27.3.2023). Die bloße Existenz des parallelen Rechtssystems von al Shabaab, das noch dazu von einer Gruppe angeboten wird, die ausdrücklich auf den Sturz der bestehenden Regierung hofft, zeigt, dass der somalische Staat nicht in der Lage ist, den Rechtsstaat durchzusetzen (Rollins/HIR 27.3.2023). Folglich ist das Vertrauen der Menschen in die formelle Justiz gering. Sie wird als teuer, ineffizient und manipulierbar wahrgenommen (BS 2024). In der Bevölkerung herrscht die Auffassung, wonach Bundes- und Regionalregierungen bislang daran scheitern, Recht zu sprechen (AJ 14.9.2022b).

Oft halten sich Behörden nicht an gerichtliche Anordnungen (USDOS 22.4.2024; vgl. FH 2024b), Staatsvertreter und Bürger nicht zwangsläufig an Gerichtsurteile (BS 2024). Das Ignorieren von Urteilen bringt keine Konsequenzen mit sich (Sahan/SWT 21.11.2022). Durchgesetzt wird formelles Recht eher noch im urbanen als im ländlichen Kontext (ACCORD 31.5.2021, S. 36). Bürger wenden sich aufgrund der Mängel im formellen Justizsystem oft an die traditionelle oder die islamische Rechtsprechung (FH 2024b). Gegen Urteile ordentlicher Gerichte wird mitunter im traditionellen oder islamischen Rechtsrahmen Berufung eingelegt. Fälle von IDPs werden von Gerichten oft ignoriert und diese dazu gedrängt, Probleme über Älteste zu lösen (TANA/ACRC 9.3.2023). Der fehlende Zugang zu einem fairen und gerechten Justizsystem ist eines der dringendsten Probleme, mit denen Somalia auf dem Weg zu Stabilität und Wiederaufbau konfrontiert ist (MBZ 6.2023).

Staatlicher Schutz: Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 23.8.2024). Der Hauptgrund, weswegen Menschen Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen, ist es, dass die Regierung Einzelpersonen und Betrieben nicht ausreichend Sicherheit bieten kann (UNSC 10.10.2022). Staatlicher Schutz muss in Süd-/Zentralsomalia aufgrund der anhaltend schlechten Sicherheitslage sowie mangels Kompetenz der staatlichen Sicherheitskräfte und Justiz als schwach bis nicht gegeben gesehen werden (ÖB Nairobi 10.2024). Befinden sich IDPs oder Angehörige eines bestimmten Clans oder von Minderheiten in Gefahr oder sind diese bedroht, kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zugang zu effektivem staatlichem Schutz gewährleistet ist (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. TANA/ACRC 9.3.2023). Staatlicher Schutz ist auch im Falle von Clankonflikten von geringer Relevanz. Staatliche Sicherheitskräfte sind i.d.R. zu schwach, um hier effektiv eingreifen zu können. Daher wird die „Regelung“ grundsätzlich den Clans selbst überlassen (ÖB Nairobi 10.2024).

Eine Quelle fasst die Situation hinsichtlich staatlichen Schutzes folgendermaßen zusammen: Für Staatsbürger ist es weiterhin schwierig, Zugang zu Justiz und staatlichem Schutz zu erhalten. Den für die Sicherheit der Bürger verantwortlichen Institutionen mangelt es i.d.R. an der Fähigkeit oder Bereitschaft, wirksamen Schutz zu bieten. Sie verfügen nur über sehr geringe Kapazitäten, um die Sicherheit der Bürger gewährleisten zu können. Zudem hat die allgegenwärtige Korruption das Vertrauen der Bürger in das Handeln dieser Institutionen geschwächt. Da die Behörden meist Clan-orientiert organisiert sind, können Angehörige größerer Clans bzw. von Clans, die auf lokaler Ebene dominieren, eher staatlichen Schutz erhalten als kleinere bzw. Minderheitenclans. Aufgrund all dieser Tatsachen bevorzugen viele Bürger die Beilegung von Streitigkeiten über informelle Strukturen (i.d.R. Xeer und/oder Scharia) innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft (MBZ 6.2023).

Formelle Justiz - Struktur, Zuständigkeit, Verfügbarkeit: De facto gibt es kein funktionierendes formelles Justizsystem (MBZ 6.2023). Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems sind mangelhaft (AA 23.8.2024). In den vergangenen zehn Jahren wurden in Mogadischu Gerichte auf Bezirksebene und einige Gerichte in anderen Städten eingerichtet. Es gibt jedenfalls zwei Bezirksgerichte in HirShabelle, sechs im SWS, acht in Jubaland und eines in Galmudug. Viele dieser Gerichte verfügen jedoch nur über begrenzte Kapazitäten. Die Gerichte sind für die Straf- und Zivilrecht zuständig. Darüber hinaus gibt es in Mogadischu ein Berufungsgericht und den Obersten Gerichtshof. Puntland und Somaliland haben jeweils ihr eigenes formelles und hierarchisches Gerichtssystem (BS 2024). Insgesamt gibt es aber nur wenige staatliche Gerichte, Menschen müssen oft weite Reisen in Kauf nehmen (Sahan/SWT 21.11.2022). Generell sind Gerichte nur in größeren Städten verfügbar (BS 2024; vgl. USDOS 22.4.2024). Die internationale Unterstützung fokussiert maßgeblich auf das Strafrecht, während Zivilrecht und Verfassungsreform vernachlässigt werden. De facto ist eine Zivilgerichtsbarkeit nur in größeren Städten verfügbar (Omer2/ALRC 17.3.2023).

Beispiel Kismayo (Stand 2021): In dieser Stadt gibt es zwei Bezirksgerichte, ein Obergericht und ein Berufungsgericht. Zudem existieren ein Ältestenkomitee, wohin Streitigkeiten getragen werden können (Xeer) und private Schariagerichte. Die drei Justizsysteme koordinieren sich unter dem Schirm der formellen Gerichte, endgültige Entscheidungen werden von diesen getroffen. Abseits davon wurde ein spezielles Land-Komitee geschaffen, das sich mit komplexen und sensiblen Streitigkeiten um Land befasst. Dieses Komitee verfügt über eine eigene Polizeieinheit, um Beschlüsse durchzusetzen (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021).

Formelle Justiz - Kapazitäten, Verfahrensrechte: Den Gerichten mangelt es an Kapazitäten, Personal, Ausbildung und Infrastruktur (BS 2024). Das Justizsystem ist zersplittert und unterbesetzt (FH 2024b; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023). Gleichzeitig kosten Verfahren bis zu 5.000 US-Dollar und diese können sich über Jahre hinziehen (Sahan/SWT 21.11.2022; vgl. AJ 14.9.2022b). Ein Grund für die hohen Kosten stellen ausständige Gehälter für Richter dar (BS 2024). Es gibt zwar einen Instanzenzug, aber in der Praxis werden Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend herbeigebracht und gewürdigt (AA 23.8.2024). Die meisten gesetzlich vorgesehenen Rechte für ein faires Verfahren werden bei Gericht nur selten eingehalten (USDOS 22.4.2024; vgl. AA 23.8.2024).

Oft werden Richter und Staatsanwälte nicht aufgrund ihrer Qualifikation ernannt (SIDRA 11.2019). Viele Richter staatlicher Gerichte sind ausschließlich im Bereich der Scharia ausgebildet worden, z. B. im Sudan (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Richtern und Staatsanwälten mangelt es außerdem an Kenntnissen zu Menschenrechten (UNHRCOM 6.5.2024).

UNODC leistet Weiterbildung für Staatsanwälte und Richter in Mogadischu (FTL 24.7.2022), und auch UNSOM trägt zur Ausbildung von Richtern und Justizpersonal bei (UNSC 2.2.2024). In Mogadischu konnten hinsichtlich der Qualität der Richter Verbesserungen beobachtet werden (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021). Seit 2016 ist es zu einer signifikanten Ausweitung von unentgeltlicher Rechtshilfe gekommen, allerdings ist das Ausmaß immer noch unzureichend (OHCHR 2.12.2022). UNDP unterstützt in Puntland seit 2007 das Puntland Legal Aid Centre (PLAC). Dieses hilft vulnerablen, armen und benachteiligten Menschen in IDP-Lagern und entlegenen Gegenden. Das PLAC hat Büros in Garoowe, Bossaso und Galkacyo (UNSOM 12.11.2022).

Formelle Justiz - Unabhängigkeit: In den tatsächlich von der Regierung kontrollierten Gebieten sind die Richter einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 23.8.2024). Die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Justiz wird nicht immer respektiert (USDOS 22.4.2024; vgl. BS 2024). Das Clansystem unterminiert die Strafjustiz. Clanführer üben Macht und Einfluss aus (Sahan/SWT 21.11.2022), und Urteile werden mitunter durch Clan- oder politischen Überlegungen seitens der Richter beeinflusst (USDOS 22.4.2024; vgl. FH 2024b). Einige lokale Gerichte sind bei ihrer Rechtsdurchsetzung vom örtlich dominanten Clan abhängig (USDOS 22.4.2024).

Formelle Justiz - Korruption: Zudem spielen in der somalischen Justiz Bestechlichkeit und Korruption eine Rolle (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. Sahan/SWT 21.11.2022; BS 2024; FH 2024b). Diese behindert den Zugang zu fairen Verfahren (USDOS 22.4.2024). Richter und Staatsanwälte verlangen mitunter Bestechungsgelder (SIDRA 11.2019). In einigen Fällen wurden Häftlinge entlassen, nachdem sich Sicherheitskräfte, Angehörige der Justizwache, Politiker oder Clanälteste für sie eingesetzt hatten (USDOS 22.4.2024; vgl. SIDRA 11.2019). Laut einem Experten können Entscheidungen bei staatlichen Gerichten erkauft werden (AQSOM 4 6.2024). In anderen Worten ist [Zitat] 'die somalische Justiz ein Marktplatz, an welchem Gefallen, Einfluss und Geld ausgetauscht werden' (Sahan/SWT 9.4.2021). Dementsprechend ergeben sich tendenziell Benachteiligungen für wirtschaftlich schwächere Gruppen und Minderheiten (ÖB Nairobi 10.2024).

Militärgerichte: Grundsätzlich sind Militärgerichte für Fälle von islamistischem Terrorismus und Milizgewalt zuständig (BS 2024). Allerdings verhandeln und urteilen sie weiterhin über Fälle jeglicher Art. Darunter fallen auch zivilrechtliche Fälle, die eigentlich nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen (AA 23.8.2024; vgl. BS 2024; FH 2024b), bzw. wo unklar ist, ob diese in ihren Zuständigkeitsbereich fallen (USDOS 22.4.2024). Nach anderen Angaben widerspricht der Einsatz von Militärgerichten oftmals der Übergangsverfassung (Sahan/SWT 16.9.2022). Verfahren vor Militärgerichten entsprechen teilweise nicht den international anerkannten Standards für faire Gerichtsverfahren (AA 23.8.2024; vgl. HRW 11.1.2024; BS 2024; FH 2024b). Angeklagten wird nur selten das Recht auf eine Rechtsvertretung zugestanden (USDOS 22.4.2024; vgl. Sahan/SWT 21.6.2023). Manchmal können zum Tode Verurteilte in Berufung gehen (USDOS 22.4.2024). Laut einem Bericht über ein von einem Militärgericht gegen einen Soldaten ausgesprochenes Todesurteil wurde diesem ein Monat Berufungsfrist eingeräumt (HO 4.12.2022).

Traditionelles Recht - Xeer und Scharia: Das informelle Justizsystem (Scharia und Xeer) spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Gerechtigkeit. 80-90 % der Somali bevorzugen dieses System, denn es gilt als leichter zugänglich, schneller, transparenter und billiger (MBZ 6.2023; vgl. Omer2/ALRC 17.3.2023; SPC 9.2.2022). Sucht jemand Gerechtigkeit, wendet er sich zuallererst an die Ältesten (AQSOM 4 6.2024). Durch Älteste und al Shabaab werden selbst in Mogadischu mehr Fälle abgewickelt als durch formelle Gerichte (Majid/Abdirahman/LSE 26.3.2021).

Xeer fußt zu großen Teilen auf der Scharia sowie auf kulturellen Traditionen und religiösen und sozialen Normen (Omer2/ALRC 17.3.2023). Es wird angenommen, dass Xeer schon vor islamischen oder kolonialen Ordnungen existiert hat. In der provisorischen Verfassung wird Xeer als traditioneller Konfliktlösungsmechanismus anerkannt. Mit einer eigenen Policy zu traditioneller Konfliktlösung soll die Anwendung von Xeer reguliert und auf "nicht-schwere" Verbrechen begrenzt werden. Tatsächlich wird Xeer bei Strafverbrechen auf unterschiedliche Art und Weise angewendet (USDOS 30.6.2024). Jedenfalls können etwa Mordfälle von Ältesten im Xeer abgehandelt werden, oft enden die Verhandlungen mit einer finanziellen Kompensation (Diya/Mag) (Sahan/SWT 16.9.2022). Geschädigte Clans oder Einzelpersonen sind auf die im Xeer zwischen den Clans getroffenen Vereinbarungen angewiesen, um eine Entschädigung zu erhalten. Dort finden sich Regelungen nach Art und Ausmaß der Straftat sowie hinsichtlich der Person des Täters und des Opfers. Verhandlungen können entweder bilateral oder multilateral zwischen Clans geführt werden. Älteste sind in diesem System die maßgeblichen Akteure (TANA/ACRC 9.3.2023). Im Xeer werden Vorbringen von Fall zu Fall verhandelt und von Ältesten implementiert (BS 2024). Clanälteste sehen sich örtliche Präzedenzfälle an, bevor sie die relevanten Passagen der Scharia heranziehen (USDOS 30.6.2024). Xeer als ungeschriebenes Gewohnheitsrecht kann in seiner Praxis je nach geografischer Lage und Kultur verschiedener Clangruppen stark variieren. Zudem enthält Xeer Überreste von Praktiken, die entweder verboten sind oder nicht anderweitig in der Scharia widergespiegelt werden (z. B. FGM) (Omer2/ALRC 17.3.2023; vgl. MBZ 6.2023).

Xeer dient im ganzen Land bei der Vermittlung in Konflikten (USDOS 22.4.2024) und ist auch für den sozialen Frieden bzw. den gesellschaftlichen Zusammenhalt von Bedeutung (SPC 9.2.2022). Xeer ist einerseits in jenen ländlichen Gebieten wichtig, wo Verwaltung und Justiz nur schwach oder gar nicht vorhanden sind. Andererseits dient Xeer auch in den Städten oft der Konfliktlösung – z. B. bei Streitfragen unter Politikern und Händlern (SEM 31.5.2017, S. 34). Zur Anwendung kommt Xeer auch bei anderen Konflikten und bei Kriminalität (STDOK 8.2017, S. 100). Es kommt also auch dort zu tragen, wo Polizei und Justizbehörden existieren (LIFOS 9.4.2019).

Und obwohl das traditionelle Rechtssystem oft weiteres Blutvergießen verhindert, führt es gleichzeitig zu Straflosigkeit und unterminiert die Strafjustiz (Sahan/SWT 16.9.2022). In manchen Fällen greift die traditionelle Justiz auf Polizei und Gerichtsbedienstete zurück (LIFOS 9.4.2019), in anderen Fällen behindert der Einsatz des Xeer Polizei und Justiz. Jedenfalls wiegt eine Entscheidung im Xeer schwerer als ein Urteil vor einem formellen Gericht. Im Zweifel zählt die Entscheidung im Xeer (LIFOS 1.7.2019). Es ist möglich, sich selbst bei schweren Verbrechen (Mord, Vergewaltigung) und nach einer Verurteilung durch ein staatliches Gericht im Rahmen des traditionellen Rechts freizukaufen bzw. die Strafe durch Kompensation zu tilgen (FTL 8.9.2022). Zudem kann im Xeer mitunter gegen Urteile ordentlicher Gerichte Berufung eingelegt werden (TANA/ACRC 9.3.2023). Frauen haben im Xeer kaum eine Stimme, können in diesem System nicht selbst aktiv werden und sind auf ein männliches Netzwerk angewiesen (LIFOS 1.7.2019; vgl. MBZ 6.2023).

Clanschutz im Xeer: Clans und die Androhung von Rache bieten den somalischen Bürgern ein unterschiedliches Maß an Schutz (BS 2024). Maßgeblicher Akteur im Xeer ist der Jilib – die sogenannte Diya/Mag/Blutgeld-zahlende Gruppe. Das System ist im gesamten Kulturraum der Somali präsent und bietet – je nach Region, Clan und Status – ein gewisses Maß an (Rechts-)Schutz. Die sozialen und politischen Beziehungen zwischen Jilibs sind durch (mündliche) Xeer-Verträge geregelt. Mag/Diya muss bei Verstößen gegen diesen Vertrag bezahlt werden. Für Straftaten, die ein Gruppenmitglied an einem Mitglied eines anderen Jilib begangen hat – z. B. wenn jemand verletzt oder getötet wurde – sind Kompensationszahlungen (Mag/Diya) vorgesehen (SEM 31.5.2017).

Wenn einer Person etwas passiert, dann wendet sie sich nicht an die Polizei, sondern zuallererst an die eigene Familie und den Clan (FIS 7.8.2020b). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass etwa bei der Abwicklung von Unfällen zumeist Clans involviert sind, während sich die Polizei heraushält. Demnach sind jene Personen, die tatsächlich im Gefängnis sitzen, v. a. diejenigen, die von ihrem Clan zurückgelassen wurden oder vor Ort Außenseiter sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Der Clanschutz funktioniert generell – aber nicht immer – besser als der Schutz durch den Staat oder die Polizei. Darum aktivieren Somalis im Konfliktfall (Verbrechen, Streitigkeit etc.) tendenziell eher Clanmechanismen. Durch dieses System der gegenseitigen Abschreckung werden Kompensationen üblicherweise auch ausbezahlt. Die Mitglieder eines Jilib sind verpflichtet, einander bei politischen und rechtlichen Verpflichtungen zu unterstützen, die im Xeer-Vertrag festgelegt sind – insbesondere bei Kompensationszahlungen. Letztere werden von der ganzen Gruppe des Täters bzw. Verursachers gemeinsam bezahlt (SEM 31.5.2017).

In diesem System wird die Gerechtigkeit von den Clanältesten verwaltet, denn Xeer konzentriert sich vorwiegend auf die Interessen des Clans oder Subclans und die gegenseitigen Beziehungen zwischen Clan und Subclans und nicht auf die Interessen des Opfers einer Straftat (MBZ 6.2023). Gleichzeitig bedeutet der Ausdruck „Clanschutz“ in diesem Zusammenhang traditionell die Möglichkeit einer Einzelperson, vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Sein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Mag/Diya zu zahlen – oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans. Aufgrund von Allianzen werden auch Minderheiten in das System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya bei (SEM 31.5.2017). Allerdings haben schwächere Clans und Minderheiten oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019).

Aufgrund der Schwäche bzw. Abwesenheit staatlicher Strukturen in einem großen Teil des von Somalis besiedelten Raums spielen die Clans also auch heute eine wichtige politische, rechtliche und soziale Rolle (SEM 31.5.2017; vgl. ÖB Nairobi 10.2024), denn die Konfliktlösungsmechanismen der Clans für Kriminalität und Familienstreitigkeiten sind intakt. Selbst im Falle einer Bedrohung durch al Shabaab kann der Clan einbezogen werden. Bei Kriminalität, die nicht von al Shabaab ausgeht, können Probleme direkt zwischen den Clans gelöst werden (SEM 31.5.2017). Die patrilineare Abstammungsgemeinschaft - der Clan - schaltet sich also in Konfliktfällen ein, etwa bei Landkonflikten, Unfällen mit Personenschaden, bei Tötungsdelikten und Vergewaltigungen (ACCORD 31.5.2021). Dementsprechend wird etwa ein Tod in erster Linie durch die Zahlung von Blutgeld und nicht durch einen Rachemord ausgeglichen (Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA 3.7.2018).

Die Clanzugehörigkeit kann also manche Täter vor einer Tat zurückschrecken lassen, doch hat auch der Clanschutz seine Grenzen. Angehörige nicht-dominanter Clans und Gruppen sind etwa vulnerabler (Landinfo 15.5.2018). Das traditionelle Justizsystem hat für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt, Kinder, Minderheitenclans, Behinderte und IDPs oft negative Auswirkungen (SPC 9.2.2022). Außerdem kann z. B. eine Einzelperson ohne Anschluss in Mogadischu nicht von diesem System profitieren (SEM 31.5.2017). Problematisch ist zudem, dass im Xeer oft ganze (Sub-)Clans für die Taten Einzelner zur Verantwortung gezogen werden (USDOS 22.4.2024). Trotzdem sind die Mechanismen des Xeer wichtig, da sie nahe an den Menschen wirken und jahrhundertealte, den Menschen bekannte Verfahren und Normen nutzen. Der Entscheidungsprozess ist transparent und inklusiv (UNHRC 6.9.2017). Zusammenfassend ist Xeer ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Die traditionell vorgesehenen Kompensationszahlungen decken zahlreiche zivil- und strafrechtliche Bereiche ab und kommen z. B. bei fahrlässiger Tötung, bei Autounfällen mit Personen- oder Sachschaden oder sogar bei Diebstahl zu tragen. Nach der Art des Vorfalles richtet sich auch der zu entrichtende Betrag (SEM 31.5.2017).

In einer Dokumentation der Deutschen Welle berichten Clan-Älteste, dass sie bzw. Sultans im ganzen Clan Geld sammeln. Bei einem Mordfall müssen z. B. 50.000 US-Dollar gesammelt werden. Die Ältesten telefonieren dann mit Clan-Mitgliedern und diese geben jeweils 5-200 US-Dollar. Die Zahlung ist dabei nicht optional, sondern verpflichtend. Bei einer Verweigerung erfolgt eine Bestrafung. Selbst zum Tode verurteilte Mörder können so gerettet werden. Diese bleiben lediglich so lange in Haft, bis der Clan des Opfers das Geld erhält (DW 3.2021). Diese Art des "Fundraising" nennt sich Qaraan (Majid/Abdirahman/Hassan 2017).

Scharia: Grundsätzlich dient die Scharia bei Entscheidungen in Familienangelegenheiten (Omer2/ALRC 17.3.2023). Problematisch ist, dass die Scharia von Gerichten an unterschiedlichen Orten auch unterschiedlich interpretiert wird bzw. dass es mehrere Versionen der Scharia gibt. Schariagerichte werden auch für andere Rechtsdienste herangezogen – sie werden als effizienter, weniger korrupt, schneller und fairer angesehen (BS 2024). Frauen können im Rahmen der Scharia effektiver Recht bekommen als im sehr patriarchalen und oft auch intransparenten traditionellen Recht (ACCORD 31.5.2021, S.32).

Recht bei al Shabaab: In den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab verfügt die Gruppe über das Gewaltmonopol – auch hinsichtlich der Durchsetzung von Gerichtsurteilen, denen mit Drohungen und Gewalt Nachdruck verliehen wird (Sahan/SWT 21.11.2022). Außerdem wird dort das Prinzip der Gewaltenteilung gemäß der streng wahhabitischen Ideologie der Gruppe nicht anerkannt (AA 23.8.2024). Al Shabaab folgt einer eigenen, strengen (salafistischen) Auslegung der Scharia (BS 2024; vgl. USDOS 22.4.2024). Xeer kommt fallweise zum Einsatz (USDOS 30.6.2024; vgl. MBZ 6.2023), wo es nicht der eigenen Interpretation der Scharia widerspricht (BS 2024). Eine Quelle berichtet von einer Kombination von Xeer und Scharia (Rollins/HIR 27.3.2023). Jedenfalls gibt es dort kein formelles Justizsystem (USDOS 22.4.2024).

In von der Gruppe kontrollierten Gebieten werden regelmäßig extreme Körperstrafen verhängt und öffentlich vollstreckt, darunter Auspeitschen oder Stockschläge, Handamputationen für Diebstahl oder Hinrichtungen für Ehebruch (AA 23.8.2024; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023; AJ 14.9.2022b). Die Polizei (Hisba) der al Shabaab verhaftet Personen mitunter für "Vergehen" wie Rauchen, Musikhören, das Tragen eines BHs oder das Nicht-Tragen eines Hidschabs (USDOS 22.4.2024; vgl. TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022) bzw. das Nichtbefolgen gegebener Kleidervorschriften (BS 2024), den Verkauf von Khat, wegen eines unordentlichen Haar- oder Bartschnittes (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022; vgl. CFR 6.12.2022a), unerlaubter Inhalte auf dem Mobiltelefon, Fußballschauens oder -spielens (USDOS 22.4.2024). In manchen Regionen wurden Frauen zu Prügelstrafen verurteilt, weil sie ohne männlichen Verwandten das Haus verlassen haben (BS 2024). Die Vorschriften werden nicht einheitlich durchgesetzt (TRN/Heide-Ottosen/Abdi Y./Nor/Khalil/Zeuthen 2022), das Strafmaß ist mitunter kreativ. So verlangt al Shabaab beispielsweise von Personen, die mit Zigaretten erwischt werden, als Strafe eine AK-47 mit 120 Schuss Munition. Schon oftmals konnten Älteste die lokale al Shabaab davon überzeugen, diese Bestimmung nicht umzusetzen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Al Shabaab hat ein Netzwerk von Gerichten im ganzen Land aufgebaut (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. BS 2024). Neben zahlreichen permanenten Gerichten kommen auch mobile Gerichte in von der Regierung kontrollierten Gebieten zum Einsatz (Sahan/SWT 21.11.2022; vgl. AJ 14.9.2022b). Über die Jahre haben diese Gerichte einiges an Popularität und Akzeptanz in der Bevölkerung gewonnen – selbst in einigen von der Regierung kontrollierten Gebieten und bei einigen Angehörigen der Diaspora (Sahan/SWT 21.11.2022; vgl. BS 2024). Al Shabaab verfügt über vier Arten von Gerichten: allgemeine Gerichte, die sich um jegliche Konflikte abseits von Landstreitigkeiten kümmern; Sondergerichte für Landstreitigkeiten; Berufungsgerichte; und Gerichte der „Sicherheitskräfte“. Das Berufungsgericht befasst sich nur mit Landstreitigkeiten, da diese Interpretationsspielraum zulassen. Daher darf gegen solche Urteile Berufung eingelegt werden. Alle anderen Angelegenheiten werden nach schriftlichen Regeln behandelt, die auf dem Koran und der Sunna basieren. Unabhängig davon befassen sich die Gerichte der „Sicherheitskräfte“ einerseits mit Verbrechen, die von Mitgliedern der al Shabaab begangen wurden, und andererseits mit mutmaßlichen Spionen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Obwohl al Shabaab Prozesskosten bzw. Gerichtsgebühren einhebt (HIPS 4.2021), bevorzugen viele Menschen ihre Gerichte – auch Personen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten (AA 23.8.2024; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023; Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023) und selbst Soldaten und Polizisten (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. SG 16.8.2022). Die Gerichte von al Shabaab werden im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit als leichter zugänglich, transparenter, fairer, schneller und billiger, weniger oder nicht korrupt und insgesamt effizienter beschrieben (MBZ 6.2023; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023; BS 2024; AA 23.8.2024; ÖB Nairobi 10.2024). Die Prozesse bei al Shabaab sind rasch beendet (AJ 14.9.2022b), werden mitunter innerhalb weniger Tage abgewickelt (Sahan/SWT 21.11.2022) - es kommt dort zumindest zu einer Entscheidung (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Laut einem Experten schlägt sich ein Gericht der Gruppe mitunter auf die Seite jener Partei, von der sie sich langfristig eine Gegenleistung erwarten kann (AQSOM 4 6.2024). Allerdings bieten die Schariagerichte von al Shabaab manchmal die einzige Möglichkeit, überhaupt Gerechtigkeit zu erfahren (SRF 27.12.2021). Für manche Gruppen - v. a. Frauen und Minderheiten - die von der formellen und der traditionellen Justiz marginalisiert werden, bietet al Shabaab einen wirksameren Rechtsschutz (MBZ 6.2023). Für manche Frauen sind diese Gerichte z. B. die einzige Möglichkeit, um finanzielle Ansprüche an vormalige Ehemänner oder männliche Verwandte geltend zu machen (UNSC 1.11.2019). Auch Opfer sexueller Gewalt bevorzugen laut einer Quelle die Gerichte von al Shabaab (MBZ 6.2023).

Die "Schattengerichte" der al Shabaab behandeln eine Vielzahl von Streitigkeiten, etwa hinsichtlich natürlicher Ressourcen, bei wirtschaftlichen Meinungsverschiedenheiten oder bei Vorwürfen der Clandiskriminierung. Sie befassen sich zudem mit Fragen der Erpressung, Korruption und rechtswidrigen Verhaftungen, was bedeutet, dass die Gruppe Regierungs- und Strafverfolgungsbeamte sowie Zivilisten "strafrechtlich" verfolgt (Rollins/HIR 27.3.2023). Auch Land- und Vertragsstreitigkeiten - etwa zwischen Wirtschaftstreibenden - werden häufig von al Shabaab verhandelt, mitunter aber auch Zivil- und Strafrechtssachen (Sahan/SWT 21.11.2022; vgl. Researcher/STDOK/SEM 4.2023; VOA 17.8.2022; SG 16.8.2022). Urteile können laut einer Quelle auch via Telefon verkündet werden (MBZ 6.2023). Gegen Urteile von Gerichten der al Shabaab kann Berufung eingelegt werden (AJ 14.9.2022b). Manchmal heben Gerichte der Gruppe Urteile formeller Gerichte auf (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. AJ 14.9.2022b).

Für die Menschen scheint al Shabaab am ehesten dazu in der Lage zu sein, Gesetze (AQSOM 4 6.2024) und Gerichtsurteile energisch und streng durchzusetzen (MBZ 6.2023; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023). Dies geschieht durch Gewalt bzw. die Androhung von Gewalt (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. Researcher/STDOK/SEM 4.2023; AA 23.8.2024) - auch in von der Regierung kontrollierten Gebieten (AA 23.8.2024). Wenn sich jemand nicht daran hält, riskiert er Raub, Verletzung oder seinen eigenen oder den Tod von Angehörigen (Rollins/HIR 27.3.2023).

Die Bundesregierung möchte diesen Gerichten ein Ende setzen, um den Einfluss von al Shabaab zu reduzieren (Sahan/SWT 21.11.2022). Sicherheitskräfte haben damit begonnen, Menschen und Älteste, die sich an Gerichte der al Shabaab wenden bzw. mit der Gruppe kooperieren, zu verhaften (SD 26.9.2022). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 werden die Gerichte im Umfeld von Mogadischu auch tatsächlich weniger frequentiert (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Andererseits warnt al Shabaab Menschen davor, Regierungsgerichte anzurufen, und bedroht Zivilisten, wenn sie dies tun. Laut einer Schätzung landen 80 % der Fälle von Landstreitigkeiten vor Gerichten der al Shabaab (Rollins/HIR 27.3.2023).

Clanschutz ist in Gebieten unter Kontrolle oder Einfluss von al Shabaab eingeschränkt, aber nicht inexistent. Abhängig von den Umständen können die Clans auch in diesen Regionen Schutz bieten. Es kann den Schutz einer Einzelperson erhöhen, Mitglied eines Mehrheitsclans zu sein (SEM 31.5.2017), es gibt ein gewisses Maß an Verhandlungsspielraum (Landinfo 21.5.2019a). Die Gerichte von al Shabaab arbeiten manchmal direkt mit Clans und Ältesten zusammen (Rollins/HIR 27.3.2023). Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind z. B. in den Gebieten der al Shabaab - also unter ihrer „Jurisdiktion“ - grundsätzlich die Clans zuständig, wenn dort ein Mord verübt wird. Wenn aber das Opfer ein Mitglied der al Shabaab ist, dann unterliegt der Fall einem Gericht der Gruppe (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Angehörige von Minderheiten sehen Gerichte von al Shabaab als neutraler und nutzen diese daher (Rollins/HIR 27.3.2023; vgl. Sahan/SWT 21.11.2022). Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 unterstützt al Shabaab oftmals schwächere gegenüber stärkeren Clans (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Älteste haben die Macht, bei al Shabaab in allen Angelegenheiten zu intervenieren, bei denen es sich nicht um Spionage oder Körperverletzungsdelikte handelt (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Zum Verhältnis von al Shabaab zu Clans siehe auch Al Shabaab

Zu den weder von der Regierung noch von al Shabaab kontrollierten Gebieten gibt es kaum Informationen. Es ist aber davon auszugehen, dass Rechtsetzung, -Sprechung und -Durchsetzung zumeist in den Händen von v. a. Clanältesten liegen. Von einer Gewaltenteilung ist dort nicht auszugehen. Urteile werden hier häufig gemäß Xeer von Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur Rechtsstreitigkeiten innerhalb des Clans. Sind mehrere Clans betroffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden (Sippenhaft) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 23.8.2024).

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Wissenschaftl. Mitarbeiter GIGA - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu 10 K 1802/14A

Sicherheitsbehörden

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Ausländische Kräfte

Letzte Änderung 2025-01-09 07:25

Die Bundesregierung ist hinsichtlich Sicherheit in großem Maße von ausländischen Kräften und ATMIS [Anm.: bzw. AUSSOM] abhängig (BS 2024; vgl. ÖB Nairobi 10.2024).

AUSSOM [Anm.: ehemals ATMIS]: Ende Juni 2024 hat der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union eine Nachfolgemission für ATMIS (siehe unten) genehmigt. Die UN haben das Vorhaben positiv beurteilt (BMLV 4.7.2024; vgl. UNSC 27.9.2024; HO 23.6.2024). Die neue Mission wird unter dem Namen African Union Support and Stabilization Mission in Somalia (AUSSOM) firmieren (UNSC 27.9.2024; vgl. SWP/Kurtz/Roll/Lossow 28.10.2024). Diese soll zumindest Teile der ATMIS-Aufgaben übernehmen. Die Stärke der Mission wird mit 10.000 Mann kolportiert, verteilt auf 14 Stützpunkte und vier Sektoren. Allerdings sind sowohl Finanzierung als auch Truppensteller unklar und unbekannt (BMLV 4.7.2024; vgl. HO 23.6.2024). Als mögliche Entsendeländer kommen etwa Uganda, Burundi und Kenia in Frage (BMLV 4.7.2024). Doch selbst im Oktober 2024 - zwei Monate vor Ende des Mandats von ATMIS - war weder klar, welche Länder Truppen für AUSSOM bereitstellen werden, noch, wer für die Finanzierung aufkommen wird (SWP/Kurtz/Roll/Lossow 28.10.2024). Trotzdem übernahm AUSSOM am 1.1.2025 die Rolle von ATMIS. Grundlage dafür ist die UN-Resolution 2767 (2024), die sehr knapp vor Auslaufen des Mandats von ATMIS – nämlich am 27.12.2024 – beschlossen worden ist. Details zu Finanzierung und Truppenstellerstaaten waren zu Jahresbeginn 2025 trotz des Mandats weiterhin unklar (HO 1.1.2025; vgl. VOA 27.12.2024).

ATMIS [Anm.: ehemals AMISOM]: Am 1.4.2022 hat die African Union Transition Mission in Somalia (ATMIS) die bis dahin in Somalia stehende African Union Mission in Somalia (AMISOM) abgelöst (ATMIS 14.7.2022). AMISOM war zuvor seit 2007 in Somalia aktiv (ISS/Dessu 29.3.2022). ATMIS verfügte über ein ausdrückliches Mandat zur Bekämpfung von al Shabaab (HO 3.7.2023a) und hatte eine militärische, eine polizeiliche und eine zivile Komponente (ATMIS 7.7.2022). Die Truppe wurde maßgeblich von den UN (UNSOS) logistisch unterstützt (UNSC 27.9.2024). Das Mandat von ATMIS endete mit Ende des Jahres 2024 (BMLV 4.7.2024). Die autorisierte Stärke bis Ende Juni 2024 betrug 14.600 Mann, ursprünglich waren es mehr als 20.000 (RD 16.11.2023). ATMIS zog in Raten ab, Stützpunkte wurden teils an somalische Kräfte übergeben, teils aufgelöst (ATMIS 28.6.2023; vgl. HO 1.2.2024b). Bis Mitte November 2024 sind insgesamt 21 Stützpunkte an die Bundesarmee übergeben worden (ÖB Nairobi 19.11.2024).

ENDF (Ethiopian National Defense Force): Eine Quelle berichtet hier von einer Truppenstärke von geschätzt 3.500 Mann (BMLV 7.8.2024), eine andere von mehr als 6.000 (SWP/Kurtz/Roll/Lossow 28.10.2024). Die äthiopischen Truppen werden in Gedo, Hiiraan, Bakool und Galmudug eingesetzt (Sahan/SWT 5.1.2024; vgl. BMLV 7.8.2024). Zudem verstärken bilaterale Truppen das äthiopische ATMIS-Kontingent in Baidoa. In Bakool werden acht Orte von bilateralen Truppen kontrolliert. Dort sind die Äthiopier die einzigen Sicherheitskräfte (Sahan/SWT 5.1.2024; vgl. UNGA 23.8.2024). Laut einer Quelle finden sich äthiopische Stützpunkte etwa in Ceel Barde, Ato, Yeed, Washaaqo, Xudur und Waajid. Im Jahr 2022 nach Somalia entsandte Kräfte der Liyu Police (Spezialeinheit des äthiopischen Somali Regional State) wurden demnach durch die äthiopische Armee ersetzt (Sahan/SWT 3.7.2023). Die ENDF kooperiert mit den Kräften der jeweiligen Bundesstaaten und lokalen Milizen (SWP/Kurtz/Roll/Lossow 28.10.2024). Insgesamt sollen die bilateral eingesetzten Kräfte einen Puffer bilden, um al Shabaab von Äthiopien fernzuhalten (Sahan/SWT 5.1.2024). Wie oben erwähnt, verlangt die Bundesregierung zwar den Abzug aller äthiopischen Truppen bis Ende 2024, laut einer Quelle wird Äthiopien aber auf jeden Fall Truppen in Somalia belassen (BMLV 4.7.2024).

Andere: Es sind auch noch andere militärische Kräfte aus dem Ausland aktiv, u. a. Turksom (türkisches Ausbildungszentrum in Mogadischu); EUTM (European Union Training Mission in Somalia); die britische Mission Tangham; und Truppen der USA (UNSC 10.10.2022, Abs. 98). Etwa 450 US-Soldaten sind dauerhaft in Somalia stationiert (HIPS 1.2023). Somalia hat mit den USA einen Vertrag über den Bau von fünf Militärstützpunkten zur Ausbildung der somalischen Spezialeinheit Danaab unterzeichnet (Soufan 29.2.2024). Zusätzlich befinden sich im Land 50 Soldaten aus Großbritannien. Diese führen ein Trainingsprogramm für somalische Kräfte in Baidoa durch (BMLV 7.8.2024). Zwischen der Türkei und Somalia bestehen Sicherheitsabkommen. Im Camp Turksom in Mogadischu arbeiten ca. 200 türkische Soldaten (HIPS 1.2023). Anfang 2024 haben Somalia und die Türkei ein zehnjähriges Verteidigungsabkommen geschlossen. Dieses sieht vor, dass Ankara Mogadischu bei der Sicherheitszusammenarbeit und beim Aufbau der Kapazitäten seiner Seestreitkräfte unterstützt (Soufan 29.2.2024). Bis eine somalische Marine aufgebaut ist, soll die Türkei laut diesem Abkommen die somalischen Hoheitsgewässer überwachen (BMLV 7.8.2024). Die Türkei setzt gegen al Shabaab offenbar auch Kampfdrohnen ein (SG 19.3.2024; vgl. VOA/Maruf 30.11.2022).

Quellen

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BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

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ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (19.11.2024): Wochenbericht 11.11.-17.11.2024, per e-Mail an die Staatendokumentation

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VOA/Maruf - Voice of America (Herausgeber), Harun Maruf (Autor) (30.11.2022): Somalia Military Rebuilding Shows Signs of Improvement, https://www.voanews.com/a/somalia-military-rebuilding-shows-signs-of-improvement/6856894.html, Zugriff 7.11.2023

Somalische Kräfte

Letzte Änderung 2025-01-16 14:10

Der Sicherheitssektor ist sehr relevant (AA 23.8.2024). 24 % des Staatsbudgets werden alleine für das Militär ausgegeben (AI/Ngira 2.7.2024), insgesamt fließen laut einer Quelle rund zwei Drittel des Budgets in den Sicherheitssektor (AA 23.8.2024). Trotzdem ist es der Bundesregierung nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen (BS 2024). Die somalischen Sicherheitskräfte sind fragmentiert (AA 23.8.2024) und jedenfalls zu schwach und schlecht organisiert, um selbstständig - ohne internationale Unterstützung - die Sicherheit im Land garantieren zu können (BMLV 7.8.2024; vgl. ISS/Mahdi/Soumahoro/Kinkoh 15.12.2023). Zudem sind die Sicherheitskräfte von al Shabaab unterwandert (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023), und die Loyalität vieler Sicherheitskräfte liegt eher beim eigenen Clan bzw. der patrilinearen Abstammungsgruppe als beim Staat (ACCORD 31.5.2021, S. 29). Unterstützung erhielt und erhält Somalia im Sicherheitssektor u. a. von den USA, den UN, ATMIS, Großbritannien, der Türkei, der EU, Katar, Eritrea, Dschibuti und den VAE (HIPS 7.5.2024).

Zivile Kontrolle, Verantwortlichkeit, Ansehen: Die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte entziehen sich oftmals der zivilen Kontrolle. Dies gilt insbesondere für die NISA (Geheimdienst). Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen (AA 23.8.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). Bei der Polizei wurde das Police Oversight Committee (POC) eingerichtet, das durch Polizisten begangenen Vergehen nachgehen soll (OHCHR 2.12.2022). Die justizielle Verantwortlichkeit einzelner Mitglieder der Sicherheitsorgane ist zumeist schwach bis inexistent (AA 23.8.2024). Denn auch wenn die Regierung Schritte unternimmt, um öffentlich Bedienstete - v. a. Polizisten und Soldaten - zu bestrafen, bleibt Straflosigkeit die Norm (USDOS 22.4.2024). Obwohl es eigene Militärgerichte gibt, bleiben Vergehen durch Armeeangehörige - aber auch durch Polizisten - häufig ungeahndet (AA 23.8.2024). Allerdings gibt es auch immer wieder Beispiele, wo Sicherheitskräfte zur Verantwortung gezogen werden [siehe Süd-/Zentralsomalia, Puntland].

Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind die Sicherheitskräfte im Allgemeinen schlecht ausgebildet. Sie verfügen über geringe Ressourcen und sind schlecht ausgerüstet. Viele können mit der eigenen Waffe nicht richtig umgehen, auch Khat-Missbrauch ist ein Problem (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Die Ausbildung im Menschenrechtsbereich wird zwar international unterstützt; es muss aber weiterhin davon ausgegangen werden, dass der Mehrzahl der regulären Kräfte die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen ihres Handelns nur äußerst begrenzt bekannt sind. Dies gilt auch für regierungsnahe Milizen (AA 23.8.2024). Maßnahmen zur Verhinderung willkürlicher Verhaftungen werden weder von der Polizei noch von der NISA oder militärischen Institutionen beachtet. Zudem wird deren Arbeit von Korruption unterminiert (FH 2024b). Da die Sicherheitskräfte gegenüber der Zivilbevölkerung oft auch als Gewalt- und nicht als Sicherheitsakteure auftreten (ACCORD 31.5.2021, S. 29), genießen sie insgesamt keinen guten Ruf bei der Bevölkerung (AA 23.8.2024; vgl. ACCORD 31.5.2021, S. 29) bzw. ist das Vertrauen in die Sicherheitsinfrastruktur nicht immer gegeben (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

Struktur: Der Sicherheitssektor präsentiert sich nach wie vor als Mischung aus Truppen auf Clanbasis und neuen, durch externe Akteure wie die Türkei ausgebildeten Verbänden (BMLV 7.8.2024). Die Sicherheitsarchitektur des Landes bleibt unklar - etwa hinsichtlich der Rollen und Verantwortlichkeiten des Bundes und der Bundesstaaten sowie der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einheiten (SW 3.2023). Es gibt keine Gesamtstrategie der Regierung zu den Sicherheitskräften. Die Nationale Sicherheitsarchitektur sieht 40.000 Polizisten und 30.000 Soldaten vor. Das übersteigt die finanziellen Kapazitäten der Regierung bei Weitem (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Die Übergangsverfassung sieht folgende Kräfte vor: Armee, Geheimdienst, Polizei und Justizwache. Zusätzlich ermächtigt die Verfassung die Bundesstaaten, eigene Polizeikräfte zu führen (HIPS 1.2023). Die Zuständigkeiten von Bundespolizei und lokalen bzw. regionalen Polizeikräften sind ungeklärt (UNSC 15.6.2023).

Polizei: Die nationale Polizei untersteht dem Ministerium für innere Sicherheit (USDOS 20.3.2023). Neben der Bundespolizei führt jeder Bundesstaat eigene regionale Polizeikräfte. Die Kräfte sind jeweils dem Bundes- bzw. dem bundesstaatlichen Ministerium für innere Sicherheit unterstellt (SIDRA/Salim 1.12.2022, S. 14). Nach Angaben aus dem Jahr 2022 umfasste die Polizei zu diesem Zeitpunkt 37.000 Mann, wovon ungefähr die Hälfte der Bundespolizei zuzurechnen ist (Sahan/SWT 29.6.2022). Nach anderen Angaben aus dem Jahr 2023 handelt es sich um 32.000 Mann, die Stärke soll auf 40.000 Mann ausgebaut werden (UNSC 15.6.2023) - 20.000 Bundespolizisten und 4.000 Polizisten je Bundesstaat auf Bundesstaatsebene (UNSC 2.2.2024).

Weitere verfügbare Zahlen hierzu [Anm.: inkl. Polizei einzelner Bundesstaaten; Stand Feber 2023]:

Benadir/Mogadischu: Stand September 2021 - ca. 11.000 Mann (BMLV 9.2.2023); im März 2024 wurden 300 neue Polizisten in Dienst gestellt (GN 12.3.2024);

Galmudug: mindestens 700;

HirShabelle: ca. 600;

Jubaland: Stand vom August 2017 - 500-600; allerdings bildet Kenia jedes Halbjahr 100-200 neue Polizisten aus;

South West State: Zwischen 1.000 bis 1.100 (BMLV 9.2.2023).

Polizeiausbildung: Im Bereich der Polizeiausbildung bestehen Trainingsschulen von ATMIS und UNSOM, bilaterale Initiativen (v. a. zur Ausbildung von Polizeikräften in Mogadischu), Unterstützung durch UNDP und UNODC sowie IOM (ÖB Nairobi 10.2024). Im Joint Police Programme unterstützen die UN, die EU, Deutschland und Großbritannien den Aufbau der Polizei. So haben z. B. die UN die Führungsausbildung für 500 höherrangige Polizisten aus Süd-/Zentralsomalia und Puntland unterstützt (UNSC 1.9.2022b, Abs. 68). Großbritannien hat die Ausbildung von ca. 2.700 Polizisten durch AMISOM bzw. ATMIS unterstützt und liefert zudem Uniformen, Fahrzeuge und Funkgeräte und investiert in den Bau von Polizeistationen, von Ausbildungseinrichtungen und Werkstätten (HIPS 1.2023). ATMIS hat im Zeitraum 2009-2022 8.167 Polizisten in Somalia ausgebildet (FTL 17.9.2022; vgl. ATMIS 25.8.2022), und zwar in Jubaland, HirShabelle, dem SWS und Mogadischu, auf regionaler und Bundesebene (ATMIS 25.8.2022). Auch in Serbien, der VR China und in Ägypten (GN 22.4.2024) sowie in Ruanda (RD 15.7.2022) und Dschibuti wurden und werden Polizisten ausgebildet (RD 12.12.2022b). Auch UNODC führt Ausbildungslehrgänge für Polizisten durch (FTL 19.11.2022), UNSOM unterstützt den Aufbau von Regulierungen, Strukturen und Kapazitäten (UNSC 2.2.2024).

Die Ausbildung durch ATMIS umfasst u. a. Menschenrechte und Prävention von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. Zudem wurden Polizeistationen neu gebaut oder renoviert und Ausrüstung zur Verfügung gestellt (ATMIS 25.8.2022). Überhaupt unterstützt ATMIS die somalische Polizei auch bei der Ausbildung hinsichtlich Menschenrechten (ATMIS 28.12.2022). Die UN unterstützen den Aufbau der Polizei über das Joint Police Programme. Im Berichtszeitraum Feber bis Mai 2022 erwähnt der Bericht des UN-Sicherheitsrats etwa die Ausbildung von 300 Polizisten für Jubaland und von 400 für Galmudug. Außerdem wurden zwölf neue Polizeistationen in Jubaland, HirShabelle, Benadir, Galmudug und Puntland ausgestattet (UNSC 13.5.2022, Abs. 69).

Polizeikapazitäten: Die Strafverfolgungsbehörden sind schwach (SPC 9.2.2022). Es gibt kein zentrales Strafregister. Dies erschwert es den Sicherheitskräften, Untersuchungen durchzuführen. Polizeistationen führen handschriftliche „Vorfallsbücher“ („occurrence books“) (Sahan/SWT 16.9.2022). Die Bezahlung ist schlecht, viele Polizisten sind bestechlich (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zudem erfolgt die Bezahlung meist nur unregelmäßig, dies fördert Korruption und kriminelles Verhalten (AA 23.8.2024). Im Fall einer kriminalitätsbedingten Notlage fehlen weitgehend funktionierende staatliche Stellen, die Hilfe leisten könnten. Die Polizei verfügt zwar über einige Kapazitäten, hat aber auch Probleme, sich an den Menschenrechten zu orientieren. Dass die Bevölkerung die Polizei nicht unbedingt als eine Kraft erachtet, welche sie schützt, scheint sich in manchen größeren Städten langsam zu ändern. Dort wurden Polizeikräfte lokal – und die lokale Clandynamik berücksichtigend – rekrutiert. Das hat zu Verbesserungen geführt. Dies betrifft etwa Kismayo, Jowhar oder Belet Weyne (BMLV 7.8.2024). In Einzelfällen funktioniert die Kooperation unterschiedlicher Polizeieinheiten in Süd-/Zentralsomalia. So wurde etwa im Dezember 2022 in Mogadischu ein Mann verhaftet, der von der Polizei in Gedo wegen einer Vergewaltigung gesucht worden war (HO 26.12.2022). In HirShabelle wird die Polizei in erster Linie in den größeren Städten und an Checkpoints entlang von nach Jowhar führenden Hauptverbindungsstraßen zum Einsatz gebracht (ATMIS 25.8.2022).

Polizeispezialeinheit: Die Türkei hat die paramilitärische Spezialeinheit Haramcad (Gepard) ausgebildet und mit modernen Waffen, Ausrüstung und gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet. Die Einheit umfasst ca. 1.200 Mann (Sahan/SWT 29.6.2022) und wird allgemein als fähig erachtet (HIPS 2021, S. 28). Sie untersteht dem Kommando der Polizei (BMLV 7.8.2024).

Armee: Das Verteidigungsministerium ist für die Kontrolle der Armee verantwortlich (USDOS 20.3.2023). Jene Brigaden, welche den Großteil der Truppe bilden, wurden auf Clanbasis geschaffen und stehen de facto auch dem eigenen Clan zur Verfügung (Robinson/TGO 27.1.2022; vgl. WP 10.12.2022). Die Regierungstruppen bestehen also hauptsächlich aus Clanmilizen (Landinfo 8.9.2022; vgl. Robinson/TGO 27.1.2022), deren Loyalität in erster Linie beim eigenen Clan liegt (Landinfo 8.9.2022; vgl. UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Die Trennlinie zwischen der Bundesarmee und Clanmilizen ist sehr schmal. Ein Soldat kann an einem Tag im Interesse des Landes arbeiten und am nächsten im Interesse seines Clans oder einer politischen Gruppe (BBC 1.6.2022). Nur wenige Soldaten der Bundesarmee zögern, zu desertieren, wenn ihre Verwandten sie zum Kampf in einem Clankonflikt auffordern (NLM/Barnett 7.8.2023).

Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist die Bundesarmee trotz vieler Investitionen und Ausbildung nicht dafür ausgelegt, größere Gebiete von ATMIS übernehmen und halten zu können (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Auch nach mehr als einem Jahrzehnt externer Hilfsprogramme gibt es noch eine lange Liste erheblicher Fähigkeitslücken (HIPS 1.2023). Nach dem Aussetzen von Soldzahlungen werden mehrere Brigaden der Bundesarmee von einer Quelle als "de facto aufgelöst" beschrieben (Sahan/SWT 19.4.2024). Generell wirken sich der lange Einsatz im Rahmen der Offensive, die fehlende Rotation sowie die inadäquate Versorgung negativ auf den psychischen und physischen Zustand der Soldaten aus (TSD 29.1.2024). Manche Einheiten wurden durch al Shabaab stark dezimiert, verbliebene Soldaten blieben ohne Sold, Verpflegung und Munition und sind demoralisiert desertiert (BMLV 7.8.2024).

Korruption ist verbreitet (FH 2024b). Soldaten werden durch Nepotismus aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit befördert und/oder um ihre Loyalität zu erlangen. Dies zerstört die Moral der Sicherheitskräfte und lenkt ihre Loyalität in Richtung der Clans. Der chronische Nepotismus in der Bundesarmee wirkt sich hinsichtlich der Moral der Soldaten verheerend aus (HIPS 4.2021, S. 4/14/28). Einige Kommandanten nehmen Bestechungsgelder an oder kooperieren mit al Shabaab (Sahan/Sheikh 3.3.2021).

Armee - Besoldung: Soldaten verdienen je nach Dienstrang zwischen 100 US-Dollar bis zu 300 US-Dollar im Monat (BMLV 7.8.2024). Die Soldaten der von den VAE finanzierten Einheiten erhielten 200 US-Dollar, die Offiziere dieser Einheiten 500 US-Dollar (BMLV 4.7.2024). Es kommt vor, dass Soldaten nur sehr unregelmäßig bezahlt werden, dies fördert die Korruption. Diese, sowie Misswirtschaft und finanzielle Einschränkungen beeinträchtigen die Wirksamkeit der Armee (AA 23.8.2024). Generell erfolgt nunmehr die (elektronische) Bezahlung der Soldaten viel regelmäßiger, doch selbst hier kommt es mitunter zu Verzögerungen. Die Spezialeinheit Danaab wird und wurde von den USA finanziert und regelmäßig bezahlt (BMLV 7.8.2024). Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben für den Unterhalt von fünf neu aufgestellten Brigaden der Bundesarmee sowie für die Militärpolizei und andere Truppenteile gesorgt, haben aber im April 2024 ihre Finanzierung ausgesetzt (BMLV 4.7.2024; vgl. Sahan/SWT 19.4.2024), weil die Bundesregierung nicht im Sinne der VAE gewirkt hat (BMLV 4.7.2024).

Armee - Ausbildung und Ausrüstung: Der Armee mangelt es an Ausbildung und Ausrüstung (BMLV 7.8.2024), obwohl die Bundesarmee im vergangenen Jahrzehnt von zahlreichen Akteuren diesbezüglich Unterstützung erhalten hat - namentlich von der EU (EUTMSOM 20.2.2024), Burundi, Dschibuti, Äthiopien, Italien, Kenia, dem Sudan, der Türkei, den VAE, Uganda, Großbritannien, den USA, der AU und den UN (P. D. Williams 2019, S. 2ff; vgl. THLSC 20.3.2023; BBC 1.6.2022). Selbst in Ägypten (THLSC 20.3.2023), Katar (FTL 5.7.2022; vgl. BBC 1.6.2022) und in Eritrea wurden Soldaten ausgebildet (BMLV 7.8.2024). Alleine Großbritannien hat seit 2016 mehr als 2.000 somalische Soldaten ausgebildet (GOV.UK 18.8.2022), Uganda 2022/2023 weitere 3.000 (HO 20.3.2023). Die Türkei hat bis 2022 5.000 Soldaten für die Einheit Gorgor und zudem Hunderte Offiziere und Unteroffiziere ausgebildet (VOA/Maruf 30.11.2022; vgl. HIPS 1.2023); nach anderen Angaben sogar insgesamt 16.000 Mann (Soufan 29.2.2024). Die USA haben knapp 2.000 Kräfte von Danaab ausgebildet und weitere 350 Rekruten zur Ausbildung aufgenommen (VOA/Maruf 30.11.2022). Die EU Mission EUTM hat 3.600 Soldaten ausgebildet und konzentriert sich nun auf Führungskräfte und Spezialeinheiten (ÖB Nairobi 10.2024).

Allerdings arbeiten die vielen externen Akteure, welche sich am Aufbau somalischer Sicherheitskräfte beteiligen, notorisch unkoordiniert (HIPS 4.2021, S. 24ff). So wurden unterschiedlichste Einheiten geschaffen und die Sicherheitsstruktur fragmentiert (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Einige Akteure – etwa Kenia und Äthiopien – verfolgen darüber hinaus nationale Interessen (HIPS 4.2021, S. 24ff). Die EU führt ihre Ausbildungsmission EUTM weiter. Die Ausbildung umfasst auch Menschenrechte (HO 4.1.2024). Bis ins Jahr 2022 sind von EUTM ca. 8.700 Mann ausgebildet worden (HIPS 1.2023). Auch das IKRK betätigt sich bei der menschenrechtlichen Ausbildung von Sicherheitskräften (ICRC 26.2.2024).

Die Bundesarmee wird von der AU, der EU, den USA sowie anderen Ländern, wie Türkei und Israel in der Besoldung, Bewaffnung und beim Training unterstützt (ÖB Nairobi 10.2024). Aufgrund der vielen beteiligten Akteure sieht man auf der Straße auch ein breites Spektrum an Uniformen und Waffen (BBC 1.6.2022). Die EU hat seit 2019 Ausrüstung, Material und Munition im Umfang von 69 Millionen US-Dollar an die Armee übergeben (HO 4.1.2024), darunter LKWs, Tankwagen, Pick-ups, Sanitätsfahrzeuge und Personenausrüstung. Auch die Türkei unterstützt die Bundesarmee materiell, etwa mit Waffen (u. a. Sturm- und Maschinengewehre), gepanzerten Fahrzeugen, LKWs und Uniformen (HIPS 1.2023). Die UN-Agentur UNSOS unterstützt nunmehr 18.900 Angehörige der Sicherheitskräfte logistisch (UNSC 3.6.2024), etwa hinsichtlich Nahrungs- und Wasserversorgung, Treibstoff, Transport, Evakuierung von Verletzten oder bei der Kommunikation (HIPS 1.2023). Die USA unterstützen die Bundesarmee auch mit Waffen und Munition (THLSC 20.3.2023). Die somalischen Streitkräfte haben keine Übersicht über ihre eigenen Lagerbestände. Und obwohl Somalia in den letzten Jahren Tausende Waffen beschafft hat, sind nach wie vor nicht alle Soldaten mit einer Waffe ausgestattet (BMLV 7.8.2024).

Armee/Stärke: Im Dezember 2023 gibt eine Quelle den Personalstand der Bundesarmee mit 34.000 Mann an - inkl. einem Drittel Inaktiver (Sahan/SWT 8.12.2023). Eine weitere Quelle erklärt im November 2023, dass die Bundesarmee über 17.200 kampffähige Soldaten und zusätzlich über 13.000 sogenannte "Enabler" und anderes Personal verfügt (AQ21 11.2023). Die letzten verlässlichen Angaben zur Truppenstärke stammen laut einer Quelle vom November 2023. Damals wurde die Zahl an Soldaten der Bundesarmee mit 22.800 angegeben (bei einer Sollstärke von 31.055). Nach November 2023 wurden noch ca. 2.000-3.000 Mann neu ausgebildet. Die Niederlagen der Bundesarmee im März und April 2024 sind hierbei noch nicht berücksichtigt (BMLV 7.8.2024). Von den seit Jänner 2023 in Dienst gestellten 12.000 neuen Soldaten ist nur noch weniger als die Hälfte einsatzbereit (BMLV 4.7.2024), von den 20.000 in Eritrea ausgebildeten Soldaten ist die Mehrheit gefallen oder desertiert. Die tatsächliche Gesamtstärke der Bundesarmee wird mit Stand August 2024 auf 20.000 Mann geschätzt (BMLV 7.8.2024).

Zusätzlich muss hinsichtlich der oben gegebenen Zahlen zur Stärke der Bundesarmee Korruption, geteilte Loyalitäten, begrenzte Motivation und die ungleichmäßige Ausbildung der Truppe berücksichtigt werden (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Zuverlässige Streitkräfte finden sich nur in drei Einheiten: der Präsidentengarde der Brigade 77, bei Gorgor und bei Danaab - insgesamt nur 7.000 bis 8.000 Mann (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023; vgl. HIPS 1.2023). Diese verfügen über die notwendigen Transportmöglichkeiten, um sich bewegen und Einsätze durchführen zu können. Die anderen Einheiten der Bundesarmee können nur in sehr begrenzten Gebieten operieren und sind für die Durchführung von Stabilisierungsaufgaben schlecht ausgerüstet (HIPS 1.2023).

Spezialeinheiten: Danaab (Blitz) wurde von den USA aufgebaut und wird auch weiterhin von diesen ausgebildet, ausgerüstet und betreut (HIPS 1.2023; vgl. THLSC 20.3.2023). Danaab bildet die 16. Brigade der Bundesarmee und ist in fünf operative Einheiten unterteilt (Sahan/SWT 24.4.2024). Es handelt sich um eine effektive und um die schlagkräftigste Einheit in Somalia (Robinson/TGO 27.1.2022; vgl. THLSC 20.3.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; HIPS 1.2023). Dabei erhalten selbst Soldaten dieser Spezialeinheit nur vier Monate Ausbildung (Detsch/FP 23.8.2023). Diese Truppe umfasste mit Stand November 2023 etwa 1.100 Mann, wobei es im Jahr 2024 zu weiteren Verlusten gekommen ist (BMLV 7.8.2024). Danaab-Soldaten werden regelmäßig bezahlt (WP 10.12.2022). Dies ist die einzige Einheit, bei welcher bei der Rekrutierung nicht der Clan, sondern militärische Erfahrung und Können eine Rolle spielen (BMLV 7.8.2024; vgl. UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; P. D. Williams 2019, S. 2/9). Nach anderen Angaben gibt es fixe Quoten, um dafür zu sorgen, dass die Soldaten aus allen unterschiedlichen Clans stammen. Danaab wird zunehmend als apolitisch erachtet (WP 10.12.2022). Laut Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist die Einheit in keine Menschenrechtsverbrechen verwickelt (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Vom Prinzip her handelt es sich bei Danaab um eine schnelle Eingreiftruppe. Die Einheit wurde nicht dafür ausgebildet, kontinuierlich im Kampf zu stehen (Detsch/FP 23.8.2023). Der monatliche Sold beträgt bei Danaab 300-500 US-Dollar (HIPS 1.2023). Stützpunkte der Einheit befinden sich in Mogadischu, Bali Doogle, Kismayo, Galkacyo und Jowhar (HIPS 1.2023; vgl. Sahan/SWT 24.4.2024).

Spezialeinheiten: Gorgor wurde und wird von der Türkei ausgebildet und mit modernen Waffen, Ausrüstung und gepanzerten Fahrzeugen ausgestattet (Bryden/TEL 8.11.2021; vgl. BMLV 9.2.2023; Robinson/TGO 27.1.2022). Angehörige von Gorgor werden gut bezahlt, erhalten schon während der Ausbildung bis zu 400 US-Dollar pro Monat (HIPS 1.2023). Die Heimatgarnison von Gorgor ist Mogadischu. Die Einheit wird aber ständig als "Feuerwehr" und zum Teil für Monate an verschiedenen Frontabschnitten eingesetzt. Sie umfasste mit Stand November 2023 ca. 4.300 Mann in zwei Brigaden (BMLV 7.8.2024). Allerdings haben die Einheiten von Gorgor in der Offensive in Zentralsomalia erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Eine Quelle berichtet im Mai 2024 von moralischen und von Führungsproblemen (Sahan/SWT 19.4.2024). Eine andere Quelle berichtet, dass Gorgor nach erheblichen Verlusten nur noch ein "Schatten" ist. Keine der Einheiten ist demnach auf Kampfstärke, es herrscht nach Verlusten ein Mangel an Offizieren und Unteroffizieren (BMLV 4.7.2024).

Regionale Kräfte: Die Bundesstaaten haben ihre eigenen Sicherheitsapparate (HIPS 1.2023; vgl. USDOL 26.9.2023). Diese unterstehen nicht dem Kommando der Bundesregierung (USDOL 26.9.2023). Beim Operational Readiness Assessment wurden 2019 in Jubaland, Galmudug, SWS und Puntland fast 20.000 Personen registriert, welche zu "Regionalkräften" (auch Darawish) gezählt werden (UNSC 15.5.2019, Abs. 45; vgl. HIPS 1.2023). Nach der Offensive in Zentralsomalia sind die Darawish dort nur noch ein Schatten ihrer selbst oder - wie in HirShabelle - gar nicht existent (BMLV 4.7.2024).

Unter Darawish werden in Somalia grundsätzlich alle organisierten bewaffneten Kräfte verstanden, die außerhalb der Clanmilizen zu finden sind. Im neueren Kontext werden damit v. a. Sicherheitskräfte der Bundesstaaten bezeichnet, es soll aber künftig auch "Federal Darawish" geben (BMLV 7.8.2024). Nach einer anderen Beschreibung vereinen Darawish militärische und polizeiliche Aufgaben und basieren auf Clans (ICG 25.9.2023). Nach wieder anderen Angaben handelt es sich bei den Darawish um eine Reservetruppe, die bei Bedarf aktiviert werden kann. Sie sind demnach nicht für die Wahrnehmung klassischer polizeilicher Aufgaben oder die Aufklärung von Straftaten geeignet, sondern dienen vielmehr als paramilitärische Kapazität. Andererseits sollen sie aber etwa in neu eroberten Gebieten eine Polizeipräsenz gewährleisten (HIPS 1.2023). Rechtlich sind diese regionalen Kräfte nicht in der Verfassung festgeschrieben (AQ21 11.2023).

Die Kräfte der einzelnen Bundesstaaten gibt es große Qualitätsunterschiede. So werden etwa jene in Jubaland als wesentlich kompetenter beschrieben als jene in Galmudug (Sahan/SWT 17.11.2023). In Jubaland übernehmen die Jubaland Defence Forces auch polizeiliche Aufgaben (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Kenia bildet Sicherheitskräfte für Jubaland aus. Äthiopien und Großbritannien bilden Sicherheitskräfte des SWS aus (BMLV 7.8.2024) und auch Dschibuti beteiligt sich am Aufbau lokaler Darawish Forces (UNSC 13.5.2022, Abs. 68).

Milizen, die nicht Teil der somalischen Sicherheitskräfte sind, aber loyal zu Regionalregierungen stehen, sind Teil des Spektrums. Oft haben sie in der Vergangenheit das Sicherheitsvakuum gefüllt, wo staatliche Kräfte aufgrund ihrer Schwäche nicht dazu in der Lage waren (RD 28.8.2022). Da es keine flächendeckende Polizei gibt, ist die Bundesregierung darauf angewiesen, dass die Clans in den befreiten Gebieten für sich selbst sorgen; Mogadischu liefert Munition und logistische Unterstützung (Detsch/FP 23.8.2023). Das Heritage Insitute spricht in diesem Zusammenhang von informellen "community militias", zu welchen auch die Macawiisley zählen (HIPS 1.2023).

Die Macawiisley wurden um 2018 in Middle Shabelle als Reaktion auf übermäßige Gewalt und finanzielle Forderungen der al Shabaab gegründet (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Sie sind nach den langen Gewändern der somalischen Nomaden benannt und wurden ursprünglich nur bei Bedarf mobilisiert. Es gab keine permanenten Stützpunkte, keine organisierte Führung, keine regulären Kräfte und keine externe Unterstützung. Mit der zunehmenden Terrorisierung der Zivilbevölkerung in Teilen von Galmudug und HirShabelle durch al Shabaab hat ihre Bedeutung dann zugenommen (Gorfayn 14.9.2022). Nach Angaben einer Quelle wurden die Macawiisley von der Liyu Police des äthiopischen Somali Regional State mit Waffen, Munition und Sanitätern unterstützt (AQ21 11.2023).

Eine Quelle beziffert die Macawiisley auf 8.000-10.000 Mann (Sahan/SWT 6.11.2023). Die Milizen haben keine formelle Struktur und werden i.d.R. von den fähigsten der eigenen Mitglieder geführt, welche wiederum den eigenen Clanältesten verantwortlich sind (Sahan/Petrovski 3.5.2024).

Das Motiv eines Teils dieser Truppe ist der Hass auf al Shabaab; ein anderer Teil wird von der Aussicht auf Ressourcen oder von Claninteressen getrieben (Sahan/SWT 6.11.2023). Ein signifikanter Teil besteht aus Personen, die keine Soldaten oder professionellen Milizionäre sind, sondern Viehzüchter und Nomaden (Sahan/SWT 23.9.2022; vgl. Sahan/Petrovski 3.5.2024; BMLV 9.2.2023). Es gibt Bedenken hinsichtlich Disziplin und Rechenschaftspflicht (HIPS 1.2023). Zudem sind die Macawiisley aufgrund von Zwängen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit nicht unbegrenzt für den Kampf verfügbar (BMLV 9.2.2023; vgl. HIPS 1.2023). Die Bundesregierung nutzt die Macawiisley als Haltetruppe bei laufenden Operationen (HIPS 1.2023). Nach anderen Angaben gibt es seitens der Macawiisley zwar extra-legale Tötungen von mutmaßlichen Mitgliedern der al Shabaab und Fälle sexueller Gewalt; im Großen und Ganzen versuchen diese Milizen aber, Zivilisten zu schützen - auch gegen Übergriffe staatlicher Sicherheitskräfte (Sahan/Petrovski 3.5.2024).

Sonstige: Alle wichtigen politischen Kräfte sowie Clans und Unterclans verfügen über eigene Kampftruppen (AA 23.8.2024). Einzelne Politiker, Unternehmen und Hilfsorganisationen haben eigenes Sicherheitspersonal (HIPS 3.2021, S. 16). Jene, die es sich leisten können, engagieren zur Wahrung der eigenen Sicherheit private Sicherheitsdienstleister (BS 2024). In Mogadischu gibt es Nachbarschaftswachen. Sie patrouillieren in ihrer Wohngegend und melden der Polizei verdächtige Begebenheiten - wenn entsprechende Beziehungen existieren (TANA/ACRC 9.3.2023).

NISA (National Intelligence and Security Agency): Die NISA ist vergleichbar mit einem Inlandsgeheimdienst. Sie hat die Aufgabe, als Sicherheitspolizei vornehmlich gegen al Shabaab vorzugehen (ACCORD 31.5.2021, S. 29), bzw. ist sie auch für den Staatsschutz zuständig und mit exekutiven Vollmachten ausgestattet. Die exekutiven Einheiten der NISA sind zwar 2018 formal in die Polizei integriert worden; trotzdem übt diese Institution eine aktive Rolle in der Terrorismusbekämpfung aus, die über eine rein nachrichtendienstliche Tätigkeit hinausgeht. Es kommt auch immer wieder zu Zusammenstößen mit anderen Sicherheitskräften. Außerdem führt die NISA Razzien durch und nimmt Menschen fest und unterliegt wenigen bis keinen Aufsichts- und Kontrollmechanismen (AA 23.8.2024). Im März 2023 erhielt die NISA mit dem NISA-Gesetz eine rechtliche Grundlage. Der Behörde werden darin breite Rechte hinsichtlich Verhaftung und Überwachung eingeräumt - bei minimaler unabhängiger Aufsicht (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 22.4.2024; AI 24.4.2024). Das in Somalia befindliche Personal der NISA umfasst 5.000 (Sahan/SWT 29.6.2022), nach anderen Angaben ca. 3.000 Mann, wovon die Masse in Mogadischu und Teile im SWS, in HirShabelle und Galmudug eingesetzt sind (BMLV 7.8.2024). Gashaan iyo Waran ist eine Spezialeinheit im Anti-Terror-Einsatz in Mogadischu (BMLV 7.8.2024).

Puntland: Insgesamt beläuft sich die Stärke der Streit- und Sicherheitskräfte Puntlands (Darawish, Polizei, Puntland Maritim Police Force / PMPF und andere) auf rund 10.000-12.000 Mann. Alle Sicherheitskräfte in Puntland sind nach Clans organisiert. Es gibt keine gemischten Truppen. Jeder größere Clan verfügt über eine eigene „Spezialeinheit“, es handelt sich quasi um institutionalisierte Clanmilizen. Die PMPF wird weiterhin von den VAE finanziert (BMLV 7.8.2024). Sie ist für die Verhinderung und Bekämpfung von Piraterie, illegalem Fischfang und anderen Straftaten entlang der puntländischen Küste zuständig (RD 30.11.2022). Die PMPF ist eine der besten bewaffneten Einheiten in ganz Somalia (Sahan/SWT 6.12.2023) und stellt eine signifikante Ressource im Kampf gegen Extremisten und Waffenschmuggler dar (UNSC 6.10.2021). Die Spezialeinheit Puntland Security Force (PSF) dient als Anti-Terrorismuseinheit, wird von den USA ausgebildet und unterstützt (HIPS 8.2.2022, S. 19; vgl. GITOC/Bahadur 19.4.2022) - für den Kampf gegen al Shabaab und den sog. Islamischen Staat in Somalia (ISS). Nach Angaben einer Quelle standen die PSF niemals wirklich unter dem Kommando der puntländischen Regierung. Jedenfalls wurden die PSF nach den Auseinandersetzungen Ende 2021 in die Puntland Intelligence Security Force (PISF), die eng mit der PMPF zusammenarbeitet, und die Puntland Security Commando Force (PSCF) geteilt (UNSC 10.10.2022, S. 61). Die Bossaso Port Maritime Police Unit hingegen schützt den Hafen von Bossaso. Sowohl diese als auch die PMPF werden von der EU-Mission EUCAP u. a. mit Ausbildungsmaßnahmen unterstützt (RD 30.11.2022). Die zuvor teils aufständische Araan-Jaan-Miliz (auch als "Puntlands Danaab" bekannt) (Sahan/SWT 2.2.2024; vgl. SG 14.1.2024) wurde nach der Wiederwahl von Präsident Deni im Jänner 2024 in die puntländischen Sicherheitskräfte integriert (Sahan/SWT 2.2.2024).

Ausstehende Soldzahlungen sind nach wie vor ein wiederkehrendes Problem, das in Puntland punktuell zu Störungen des öffentlichen Lebens durch Straßenblockaden an wichtigen Routen führen kann (BMLV 4.7.2024; vgl. Sahan/SWT 30.8.2023; Halqabsi 27.1.2024). Diese Störungen dauern gewöhnlich aber nicht mehr als einige Stunden an (BMLV 7.8.2024). Insgesamt hat die puntländische Regierung ein gewisses Problem, an allen Orten wirklich Sicherheit zu gewähren (ACCORD 31.5.2021, S. 30).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022

AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights - Somalia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107967.html, Zugriff 29.4.2024

AI/Ngira - Amnesty International (Herausgeber), David Ngira (Autor) (2.7.2024): Reduction of Somali health budget after 2023 debt relief a betrayal, https://www.ecoi.net/de/dokument/2112028.html, Zugriff 9.7.2024

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

ATMIS - African Union Transition Mission in Somalia (28.12.2022): Supported by ATMIS, Somali Police Officers conclude training on human rights, https://atmis-au.org/supported-by-atmis-somali-police-officers-conclude-training-on-human-rights/, Zugriff 17.7.2024

ATMIS - African Union Transition Mission in Somalia (25.8.2022): African Union supports building Somalia’s Police Force, https://atmis-au.org/african-union-supports-building-somalias-police-force/, Zugriff 17.7.2024

BBC - British Broadcasting Corporation (1.6.2022): US troops back in Somalia to fight al-Shabab, https://www.bbc.com/news/world-africa-61631439, Zugriff 19.4.2024

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (4.7.2024): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9.2.2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

Bryden/TEL - The Elephant (Herausgeber), Matt Bryden (Autor) (8.11.2021): Fake Fight: The Quiet Jihadist Takeover of Somalia, https://www.theelephant.info/long-reads/2021/11/08/fake-fight-the-quiet-jihadist-takeover-of-somalia/#.YYjpCzdaMR4.twitter, Zugriff 9.11.2023

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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (2.2.2024): The First Days of Deni’s Second Term, in: The Somali Wire Issue No. 643, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (8.12.2023): Deja Vu: The ATMIS Withdrawal, in: The Somali Wire Issue No. 625, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (6.12.2023): Piracy in Puntland, in: The Somali Wire Issue No. 624, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

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Wehrdienst und Rekrutierungen

Süd-/Zentralsomalia, Puntland - staatliche Kräfte und Milizen

Letzte Änderung 2024-12-04 13:01

Rekrutierung: Das Personal der somalischen Streitkräfte setzt sich ausschließlich aus Freiwilligen zusammen (BMLV 28.3.2023), es gibt keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 23.8.2024). Um in der Bundesarmee dienen zu können, unterzeichnen die Freiwilligen einen zeitlich unbegrenzten Anstellungsvertrag. Es gibt weder eine Mindest- noch eine Höchstverpflichtungsdauer (BMLV 28.3.2023). Nur hinsichtlich der nach Eritrea zur Ausbildung verbrachten ersten Kontingente besteht in einigen Fällen der Verdacht einer Zwangsrekrutierung, weil Rekruten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben worden sind (HIPS 1.2023).

Allerdings baut die Bundesarmee bei der Rekrutierung ganz auf Clanverbindungen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Und bei Clanmilizen kann es zu Zwang kommen, so kann ein Ältester Clanmitglieder zwingen, an einem Konflikt teilzunehmen (INGO-V/STDOK/SEM 5.2023). Eine Quelle erklärt hierzu, dass die Bundesarmee mit allen möglichen Praktiken rekrutiert und es im Rahmen einer Erfüllung einer vorgegebenen Rekrutierungsquote bei Clans auch zu "Zwangsrekrutierungen" kommen kann (BMLV 7.8.2024). Auch eine andere Quelle erklärt, dass Clans regelmäßig – und teils unter Androhung von Zwangsmaßnahmen für die Familie – junge Männer zum Dienst in einer Miliz, bei den staatlichen Sicherheitskräften oder bei al Shabaab rekrutieren. Dadurch soll für den eigenen Clan oder Subclan Schutz erlangt werden (AA 23.8.2024). Nach wieder anderen Angaben hat die Bundesarmee hingegen aufgrund der Lage am Arbeitsmarkt keine Schwierigkeiten, neue Rekruten zu finden. Rekrutiert wird dabei flächendeckend, sei es in Baidoa, Belet Weyne oder Mogadischu (IO-D/STDOK/SEM 4.2023).

Desertion: Nur wenige Soldaten der Bundesarmee zögern zu desertieren, wenn ihre Verwandten sie zum Kampf in einem Clankonflikt aufgefordert haben (NLM/Barnett 7.8.2023). Deserteure werden zur Fahndung ausgeschrieben. Die für die Fahndung zuständigen Truppenteile verfügen allerdings nur über höchst eingeschränkte Kapazitäten, die noch dazu kaum für die aktive Fahndung nach Deserteuren eingesetzt werden. Desertion wird als Hochverrat angesehen, zuständig dafür ist das Militärgericht. Kommt es zu einer Verurteilung wegen Hochverrats durch Desertion, muss der Angeklagte mit einer langjährigen - möglicherweise auch lebenslangen - Haftstrafe rechnen (BMLV 28.3.2023). Im Jänner 2024 wurden 27 Angehörige der Bundesarmee vom Militärgericht in Galmudug wegen Desertion zu je fünf Jahren Haft verurteilt. Sie hatten ihre Positionen in Mudug verlassen (TSD 29.1.2024).

Kindersoldaten - allgemein: Allen Konfliktparteien wird vorgeworfen, Kinder zu rekrutieren (BS 2024). Es gibt Berichte über die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten durch Sicherheitskräfte des Bundes, alliierte Milizen und al Shabaab (USDOS 22.4.2024), durch Regionalkräfte in Galmudug, Puntland und Jubaland sowie durch Clanmilizen (USDOL 26.9.2023). Gerade in umkämpften Gebieten ist wiederholt eine besonders hohe Zahl an Rekrutierungen zu verzeichnen (AA 23.8.2024). Die UNO berichtet für das Jahr 2022 von insgesamt 1.094 rekrutierten Kindern - 902 durch al Shabaab, 68 durch regionale Kräfte (davon 44 durch Puntland), 80 durch Clanmilizen und Bürgerwehren und 37 durch Kräfte des Bundes (UNGA 5.6.2023). Das Verteidigungsministerium versucht, der Rekrutierung von Kindern mit Ausbildungs- und Screening-Programmen entgegenzuwirken. Der Umstand, dass es keine Geburtenregistrierung gibt, macht diese Arbeit schwierig (USDOS 22.4.2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (28.3.2023): Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

HIPS - Heritage Institute for Policy Studies (1.2023): Security Sector Reform in Somalia: Challenges and Opportunities, https://8v90f1.p3cdn1.secureserver.net/wp-content/uploads/2023/01/Security-Sector-Reform-Jan-31.pdf, Zugriff 22.1.2024

INGO-V/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), International NGO V (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

NLM/Barnett - James Barnett (Autor), New Lines Magazine (Herausgeber) (7.8.2023): Inside the Newest Conflict in Somalia’s Long Civil War, https://newlinesmag.com/reportage/inside-the-newest-conflict-in-somalias-long-civil-war/, Zugriff 2.10.2023

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UNGA - United Nations General Assembly (5.6.2023): Children and armed conflict. Report of the Secretary-General, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/{65BFCF9B-6D27-4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9}/S_2023_363.pdf, Zugriff 14.6.2024

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Al Shabaab - (Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten

Letzte Änderung 2025-01-16 14:09

Kindersoldaten: Al Shabaab entführt auch weiterhin Kinder, um diese zu rekrutieren (UNSC 2.2.2024; vgl. HRW 11.1.2024; BS 2024). Hauptsächlich betroffen sind hiervon die Regionen Hiiraan, Bay, Lower Shabelle, Bakool und Middle Juba (UNSC 2.2.2024). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 22.4.2024). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2024). Nach anderen Angaben bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan/SWT 6.5.2022). Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan/SWT 6.5.2022). Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 22.4.2024). Mitunter wird hierbei auch Gewalt angewendet (BS 2024). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 23.8.2024). Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (USDOS 22.4.2024). Laut einer Quelle kann es zwar sein, dass al Shabaab auch Kinder von 8-12 Jahren aushebt; tatsächlich ist demnach der Einsatz von Kindern im Kampf aber unwahrscheinlich. Es gibt keine Bilder derart junger Kämpfer der al Shabaab unter den Gefallenen. Die Jüngsten sind mindestens 16 Jahre alt, entsprechend somalischer Tradition gelten sie damit als Männer. Die überwiegende Mehrheit der Kämpfer der Gruppe sind jedenfalls Männer über 18 Jahren (BMLV 7.8.2024).

Schulen und Lager: Viele der den Clans abgerungenen Kinder kommen zunächst in Schulen, wo sie indoktriniert und rekrutiert werden (USDOS 22.4.2024; vgl. UNSC 6.10.2021). Die Gruppe betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum (VOA/Maruf 16.11.2022) und hat ein Bildungssystem geschaffen, das darauf ausgerichtet ist, Rekruten hervorzubringen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Die Gruppe verbot andere islamische Schulen und hat eigene gegründet, die als „Islamische Institute“ firmieren. Diese orientieren sich an Clangrenzen, werden von Clans finanziert und stehen unter strenger Aufsicht der örtlichen Behörden der al Shabaab. Von den Clans wird erwartet, dass sie entweder Geld oder Schüler zur Verfügung stellen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). In diesen Schulen werden die Schüler weltanschaulich indoktriniert, propagiert werden die Illegitimität der Bundesregierung und die Verpflichtung zum Dschihad (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). In einem Fall wird berichtet, dass Schüler dort nach zwei Jahren ein Abschlusszeugnis erhalten haben (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). Nach der Absolvierung einer solchen Schule werden die Absolventen normalerweise in Trainingslager der al Shabaab verbracht (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023; vgl. VOA/Maruf 16.11.2022). Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt (VOA/Maruf 16.11.2022). Nach Angaben eines Augenzeugen konnten Absolventen in seinem Fall über ihren weiteren Weg innerhalb der Organisation selbst entscheiden, etwa ob sie religiöse Studien betreiben oder in eine Teilorganisation eintreten wollten (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). In einigen Gegenden betreibt al Shabaab auch „reguläre“ Schulen. Doch auch diese agieren nach der Ideologie der Gruppe (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Aus Lagern oder anderen Einrichtungen der al Shabaab können Kinder nur mit Schwierigkeit entkommen. Sie sind dort brutalem physischen und psychischen Stress ausgesetzt, die der Folter nahekommen; sie sollen gebrochen werden (Sahan/SWT 6.5.2022). Kinder werden dort einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren (USDOS 22.4.2024). Mädchen werden auf eine Ehe vorbereitet, manchmal aber auch auf Selbstmordmissionen. Armeeinheiten - wie Danaab - haben immer wieder Operationen unternommen, um Kinder aus solchen Ausbildungslagern zu befreien (Sahan/SWT 6.5.2022).

Rekrutierung über Clans: Üblicherweise rekrutiert al Shabaab über die Clans (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clans auf dem Territorium von al Shabaab müssen in Form junger Männer Tribut an die Gruppe abführen. Die Gruppe kommt in Dörfer, wendet sich an Älteste und fordert eine bestimmte Mannzahl (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; MBZ 6.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, S. 105). Der Clan wird die geforderte Zahl stellen. Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 verfügt die Gruppe in den Clans über „Agenten“, welche die Auswahl der Rekruten vornehmen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Nach anderen Angaben wendet sich al Shabaab in den Gebieten unter ihrer Kontrolle an Familien, um diese zur Herausgabe von Buben aufzufordern (Sahan/SWT 6.5.2022).

Jedenfalls treten oft Älteste als Rekrutierer auf (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. AQ21 11.2023). Nach anderen Angaben sind alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet für die Gruppe als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z. B. bei militärischen Operationen im Umfeld oder zur Aufklärung. Wehrfähig sind demnach auch Jugendliche mit 16 Jahren, die gemäß somalischer Tradition als erwachsen gelten (BMLV 7.8.2024).

Wo al Shabaab rekrutiert: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB Nairobi 10.2024). Rekrutiert wird vorwiegend in Gebieten unter Kontrolle der Gruppe, im südlichen Kernland, in Bay und Bakool (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; BMLV 7.8.2024). Dort fällt al Shabaab dies einfacher, die Menschen haben kaum Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus diesen beiden Regionen (Marchal 2018, S. 107). Auch bei den Hawiye / Galja'el und Hawiye / Duduble hat die Gruppe bei der Rekrutierung große Erfolge (AQ21 11.2023). Viele Kämpfer stammen auch von den Rahanweyn. Generell finden sich bei al Shabaab Angehörige aller Clans (MBZ 6.2023). Auch viele Menschen aus von der Regierung kontrollierten Gebieten melden sich freiwillig zu al Shabaab (BMLV 7.8.2024).

Eine informierte Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, noch nie von Zwangsrekrutierungen an Straßensperren gehört zu haben (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Dahingegen wird in IDP-Lagern - etwa im Umfeld von Kismayo - sehr wohl (freiwillig) rekrutiert (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023).

Wen al Shabaab rekrutiert: Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren eine relevante Quelle an Fußsoldaten (EASO 1.9.2021, S. 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu, bzw. marginalisierten Gruppen (Ingiriis 2020; vgl. Sahan/SWT 30.9.2022). Viele der Rekruten haben das Bildungssystem von al Shabaab durchlaufen (BMLV 7.8.2024). Die Gruppe nutzt in den von ihr kontrollierten Gebieten zudem gegebene lokale Spannungen aus. Minderheiten wird suggeriert, dass ein Beitritt zur Gruppe sie in eine stärkere Position bringen würde. Daher treten Angehörige von Minderheiten oft freiwillig bei und müssen nicht dazu gezwungen werden (MBZ 6.2023).

Manche Mitglieder von al Shabaab rekrutieren auch in ihrem eigenen Clan (Ingiriis 2020). Von al Shabaab rekrutiert zu werden bedeutet nicht unbedingt einen Einsatz als Kämpfer. Die Gruppe braucht natürlich z. B. auch Mechaniker, Logistiker, Fahrer, Träger, Reinigungskräfte, Köche, Richter, Verwaltungs- und Gesundheitspersonal sowie Lehrer (EASO 1.9.2021, S. 18).

Warum al Shabaab beigetreten wird: Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 1.9.2021, S. 21; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können - trotz fehlenden religiösen Verständnisses - auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020a, S. 17; vgl. Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 33), bei anderen ist es Abenteuerlust (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 33). Laut einer Quelle sind 52 % der Mitglieder von al Shabaab der Gruppe aus ökonomischen Gründen beigetreten, 1 % aus Abenteuerlust (ÖB Nairobi 10.2024). Nach anderen Angaben sind etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, S. 120f; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha/SIGLA 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019b, S. 4). So lange die Gruppe über Geld verfügt, verfügt sie auch über ein großes Rekrutierungspotenzial. Zudem hat sie aufgrund von xenophoben - insbesondere anti-äthiopischen - Ressentiments Zulauf an Freiwilligen (BMLV 7.8.2024).

Nur manche Menschen folgen al Shabaab aus ideologischen Gründen, die meisten tun es aus pragmatischen Gründen. Vielen geht es um Schutz - und in vielen Bezirken des Landes bleibt al Shabaab diesbezüglich die sichtbarste und praktikabelste Option (Sahan/SWT 25.8.2023). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite (FIS 7.8.2020b, S. 21) und sonstige Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan/SWT 30.9.2022; vgl. Sahan/Menkhaus 23.8.2023).

Gerade in den seit vielen Jahren von der Gruppe kontrollierten Gebieten ist die Bevölkerung im Austausch gegen Sicherheit und Stabilität eher bereit, Rekruten abzugeben (MBZ 6.2023). Und speziell Angehörige marginalisierter Gruppen treten der Gruppe mitunter bei, um sich selbst und die eigene Familie gegen Übergriffe anderer abzusichern (FIS 5.10.2018, S. 34). Manche versprechen sich durch ihre Mitgliedschaft bei al Shabaab auch die Möglichkeit, Rache an Angehörigen anderer Clans zu üben (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 14f; vgl. EASO 1.9.2021, S. 20). Auch die Aussicht auf eine Ehefrau wird als Rekrutierungswerkzeug verwendet (USDOS 22.4.2024) - so z. B. bei somalischen Bantu, wo Mischehen mit somalischen Clans oft tabu sind. Al Shabaab hat aber eben diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von starken somalischen Clans – etwa den Hawiye oder Darod – zu heiraten (Ingiriis 2020). Schlussendlich darf auch Angst vor al Shabaab als Motivation nicht vergessen werden. Demonstrationen extremer Gewalt halten viele Menschen bei der Stange (Sahan/SWT 12.6.2023).

Entlohnung bei al Shabaab: Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab vor einigen Jahren mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil/Brown/et.al./RUSI 1.2019, S. 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 50-100 US-Dollar (UNSC 10.10.2022; vgl. ÖB Nairobi 10.2024), Finanzbedienstete 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022). Eine andere Quelle nennt als Einstiegssold fertig ausgebildeter Kämpfer einen Betrag von 80-100 US-Dollar, bar oder in Gutscheinen (BMLV 7.8.2024). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten der al Shabaab 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (Gov Som 2022, S. 99). Ein Mann, der in Mogadischu von einem Militärgericht wegen Anschlägen für al Shabaab verurteilt worden war, hat angegeben, einen Sold von 70 US-Dollar im Monat erhalten zu haben (GN 10.7.2023). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha/SIGLA 2019).

Zwangsrekrutierung: Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; Ingiriis 2020), jedenfalls nur eingeschränkt, in Ausnahmefällen bzw. unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92; vgl. BMLV 7.8.2024; MBZ 6.2023). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021). Die meisten Menschen treten der Gruppe freiwillig bei (MBZ 6.2023). Laut Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 kann man allerdings auf dem Gebiet der al Shabaab eine Rekrutierungsanfrage nicht einfach verneinen. Auch wenn al Shabaab Rekruten als Freiwillige präsentiert, haben diese i.d.R. keine wirkliche Option (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Zudem erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023, dass al Shabaab die Forderung nach Rekruten auch als Bestrafung einsetzt, etwa gegen Gemeinden, die zuvor mit der Regierung zusammengearbeitet haben. In anderen Gebieten, wo die Gruppe versucht, Clans auf die eigene Seite zu ziehen, hat sie hingegen damit aufgehört, Kinder wegzunehmen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023).

Jedenfalls kommen Zwangsrekrutierungen vor - nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen (Researcher/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Bei zwei Studien aus den Jahren 2016 und 2017 haben 10-11 % der befragten ehemaligen Angehörigen von al Shabaab angegeben, von der Gruppe zwangsrekrutiert worden oder ihr aus Angst vor Repressalien beigetreten zu sein (MBZ 6.2023). Eine andere Quelle erklärt, dass 13 % der Angehörigen der Gruppe Zwangsrekrutierte sind (ÖB Nairobi 10.2024). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen oder Versprechungen (FIS 7.8.2020a, S. 18; vgl. MBZ 6.2023), eine Unterscheidung zwischen "freiwillig" und "erzwungen" ist nicht immer möglich (MBZ 6.2023).

Wo Zwangsrekrutierungen vorkommen: Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 7.8.2024; vgl. AQ21 11.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023; Researcher/STDOK/SEM 4.2023; FIS 7.8.2020, S. 17f). Überhaupt werden dort nur wenige Leute rekrutiert, und diese nicht über die Clans (AQ21 11.2023). Dort hat al Shabaab die Besteuerung im Fokus und nicht das Rekrutieren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) und hätte auch keine Kapazitäten dafür (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies gilt laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 auch für andere städtische Gebiete wie etwa Kismayo oder Baidoa (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 1.9.2021, S. 21).

Verweigerung einer Rekrutierung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wie viele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan (BMLV 7.8.2024). So kann es dann z. B. zur Entführung oder Ermordung unkooperativer Ältester kommen (MBZ 6.2023). Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufs (BMLV 7.8.2024; vgl. MBZ 6.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 7.8.2024). Generell haben größere Clans aufgrund gegebener Ressourcen eher die Möglichkeit, sich von Rekrutierungen freizukaufen, als dies bei Minderheiten der Fall ist (MBZ 6.2023). Insgesamt besteht offenbar Raum für Verhandlungen. Wenn die Gruppe beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Schülern für ihre Schulen verlangt, kann ein Clan entweder Kinder zum Besuch dieser Schulen schicken oder für eine bestimmte Anzahl von Schülern anderer Clans bezahlen (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023).

Eine andere Möglichkeit besteht in der Flucht (MBZ 6.2023). Eltern schicken ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022). Junge Männer flüchten mitunter nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 7.8.2024). Andererseits berichtet ein Augenzeuge, dass jene Jugendlichen, die nach Absolvierung einer Schule der al Shabaab vor einer möglichen Zwangsrekrutierung nach Mogadischu geflohen sind, bald wieder in die Heimat zurückkehrten, weil ihre Eltern bestraft worden sind (TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen 12.2023a). In anderen Fällen sind gleich ganze Familien vor einer Rekrutierung der Kinder geflohen, viele endeten als IDPs (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. IO-D/STDOK/SEM 4.2023).

Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 7.8.2024). Eine andere Quelle erklärt, dass, wer sich generell Rekrutierungen widersetzt, bedroht oder in Haft gesetzt wird (Mubarak/Jackson A./ODI 8.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, S. 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es meist zu Gewalt (BMLV 7.8.2024; vgl. UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).

Rekrutierung von Mädchen und Frauen: Auch Mädchen werden in den Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab für Zwangsehen mit Kämpfern der Gruppe entführt (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. BS 2024). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass al Shabaab sich auch in solchen Fällen an die Clans wendet und fordert, dass Frauen als Ehefrauen bereitgestellt werden. Dieser Aufforderung wird dann aus Angst nachgegeben. In Gebieten, die nicht unter Kontrolle von al Shabaab stehen, verfügt die Gruppe diesbezüglich demnach nicht über ausreichend Druckmittel (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Frauen und Mädchen der Bantu werden mitunter auch mittels Todesdrohungen in Ehen gezwungen, die sich in der Praxis eher als temporäre sexuelle Versklavung erweisen (Benstead/Lehman 2021). Al Shabaab bezahlt kein Brautgeld. Wird der Gruppe eine Tochter verweigert, kann es vorkommen, dass ersatzweise ein Sohn als Rekrut verlangt wird (AQ21 11.2023). Kann eine Abgabe nicht entrichtet werden, dann entführt al Shabaab ersatzweise Frauen und zwingt diese zur Ehe (MBZ 6.2023).

Abseits der Ehe werden Frauen bei al Shabaab zumeist in unterstützender Rolle eingesetzt (UNSC 10.10.2022; vgl. AQ21 11.2023): als Steuereinheberinnen, Lehrer- oder Predigerinnen in Madrassen, Wächterinnen in Gefängnissen; zum Kochen und Putzen, in der Spionage oder der Waffenpflege (UNSC 10.10.2022), beim Waffenschmuggel und bei der Waffenlagerung. Manche betreiben auch Fundraising, andere dienen als Selbstmordattentäterinnen (AQ21 11.2023; vgl. ICG 27.6.2019a, S. 7f). Frauen, die mit Soldaten oder AMISOM bzw. ATMIS Kleinhandel treiben, werden als Spione und Informationsbeschafferinnen rekrutiert (ICG 27.6.2019a, S. 12).

Quellen

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ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

Benstead/Lehman - L.J. Benstead, D. van Lehman (2021): Two Classes of “Marriage”: Race and Sexual Slavery in Al- Shabaab-Controlled Somalia, in: The Journal of the Middle East and Africa. Zitiert in: EASO - European Asylum Support Office (9.2021): Somalia - Targeted Profiles, S.18 - u, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf, Zugriff 14.6.2024

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

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EASO - European Asylum Support Office (1.9.2021): Somalia – Targeted Profiles, https://coi.euaa.europa.eu/administration/easo/PLib/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf, Zugriff 14.6.2024

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INGO-C/STDOK/SEM - Internationale NGO C (Autor), Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

Khalil/Brown/et.al./RUSI - Rory Brown (Autor), et.al. (Autor), James Khalil (Autor), Royal United Services Institute (Herausgeber) (1.2019): Deradicalisation and Disengagement in Somalia. Evidence from a Rehabilitation Programme for Former Members of Al-Shabaab, https://static.rusi.org/20190104_whr_4-18_deradicalisation_and_disengagement_in_somalia_web.pdf, Zugriff 14.6.2024

MAEZA/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Mitarbeiter einer Organisation für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

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Researcher/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Researcher (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

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Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (25.8.2023): Confronting Al-Shabaab’s Patronage System, in: The Somali Wire Issue No. 583, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (12.6.2023): Is it important to undermine Al-Shabaab’s ideology? in: The Somali Wire Issue No. 552, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

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TRN/Khalil/Abdi Y./Glazzard/Nor/Zeuthen - James Khalil (Autor), Yahye Abdi (Autor), Andrew Glazzard (Autor), Abdullahi Ahmed Nor (Autor), Martine Zeuthen (Autor), The Resolve Network (Herausgeber) (12.2023a): The "Off-Ramp" from al-Shabaab: Disengagement during the Offensive in Somalia, https://resolvenet.org/system/files/2023-12/RSVE_RR_LPBI_TheOffRamp_AS_SomaliaDefections_KhalilEtAl_Dec2023_FINAL-UPDATE12.18.23.pdf, Zugriff 26.1.2024

UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

UNSC - United Nations Security Council (2.2.2024): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/758], https://www.ecoi.net/en/file/local/2106391/n2401965.pdf, Zugriff 4.6.2024

UNSC - United Nations Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (6.10.2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849), https://reliefweb.int/attachments/17a953bc-861a-348a-a59b-1e182f053030/S_2021_849_E.pdf, Zugriff 12.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (28.9.2020): Letter dated 28 September 2020 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council; Final report of the Panel of Experts on Somalia [S/2020/949], https://www.ecoi.net/en/file/local/2039997/S_2020_949_E.pdf, Zugriff 14.6.2024

USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024

VOA/Maruf - Voice of America (Herausgeber), Harun Maruf (Autor) (16.11.2022): Somalia Fights Back Against Al-Shabab Attack on Education Sector, https://www.voanews.com/a/somalia-fights-back-against-al-shabab-attack-on-education-sector-/6837584.html, Zugriff 14.6.2024

Minderheiten und Clans

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Das westliche Verständnis der Zivilgesellschaft ist im somalischen Kontext irreführend, da kaum zwischen öffentlicher und privater Sphäre unterschieden wird. In ganz Somalia gibt es starke Traditionen sozialer Organisation außerhalb des Staates, die vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Verwandtschaftsgruppen fußen. Seit Beginn des Bürgerkriegs haben sich die sozialen Netzwerkstrukturen neu organisiert und gestärkt, um das Überleben ihrer Mitglieder zu sichern (BS 2024).

Clans [zu Clanschutz siehe auch Rechtsschutz, Justizwesen ]: Der Clan ist die relevanteste soziopolitische und ökonomische Einheit in Somalia. Für den Somali stellt er die wichtigste Identität dar, für die es zu streiten und zu sterben gilt (NLM/Barnett 7.8.2023). Clans kämpfen für das einzelne Mitglied. Gleichzeitig werden alle Männer im Clan als Krieger erachtet (AQSOM 4 6.2024). Der Clan bildet aber eine volatile, vielschichtige Identität mit ständig wechselnden Allianzen (NLM/Barnett 7.8.2023). Er bestimmt das Leben des Individuums, seinen Zugang zu Sicherheit und Schutz, Ressourcen (z. B. Arbeit, Geschäfte, Land) und bildet das ultimative Sicherheitsnetz (AQSOM 4 6.2024; vgl. SPC 9.2.2022). Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessensvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des traditionellen Rechts (Xeer). Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler (Sahan/SWT 26.10.2022).

Clanwissen: Laut Experten gibt es bis auf sehr wenige Waisenkinder in Somalia niemanden, der nicht weiß, woher er oder sie abstammt (ACCORD 31.5.2021, S. 2f/37/39f). Das Wissen um die eigene Herkunft, die eigene Genealogie, ist von überragender Bedeutung. Dieses Wissen dient zur Identifikation und zur Identifizierung (Shukri/TEL 3.5.2021). Auch junge Menschen im urbanen Umfeld kennen ihren Clan, allerdings fehlen ihnen manchmal die Details - etwa zu Clanältesten. Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 betrifft dies tendenziell eher junge Frauen (SOMNAT/STDOK/SEM 5.2023).

Diskriminierung im Clanwesen: Diskriminierung steht in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke besitzen (AA 23.8.2024). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2024). Selbst relativ starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan/SWT 30.9.2022). Gleichzeitig mag auf einer Ebene innerhalb eines Clans oberflächlich betrachtet Einheit herrschen, doch wenn man näher heranzoomt, treten Konflikte zwischen den unteren Clanebenen zutage (NLM/Barnett 7.8.2023).

Ohnehin marginalisierte Gruppen werden diskriminiert und stoßen auf Schwierigkeiten, ihr Recht auf Teilhabe an wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Prozessen wahrzunehmen (UNSOM 5.8.2023; vgl. BS 2024). Die Marginalisierung führt zu einer ungerechten und diskriminierenden Verteilung der Ressourcen (UNSOM 5.8.2023) - etwa beim Zugang zu humanitärer Hilfe (AA 23.8.2024). Menschen, die keinem der großen Clans angehören, sehen sich in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021b, S. 56); und auch von Politik und Wirtschaft werden sie mitunter ausgeschlossen. Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2024). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UN OCHA 14.3.2022).

Recht [siehe hierzu auch Rechtsschutz, Justizwesen]: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021b, S. 56). Weder Xeer (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB Nairobi 10.2024). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020b, S. 21). Es kommt mitunter zu staatlicher Diskriminierung. So wurde beispielsweise in Mogadischu ein Strafprozess, bei welchem Rahanweyn und Bantu als Kläger gegen einen Polizeioffizier, der von einem großen Clan stammt, aufgetreten waren, vom Gericht ohne Weiteres eingestellt (Horn 6.5.2024).

Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen (Gashanbuur) einem anderen Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen (AQSOM 4 6.2024; vgl. DI 6.2019, S. 11). Diese Resilienzmaßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das System des Xeer eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).

Netzwerke abseits von Clans: Die Mitgliedschaft in islamischen Organisationen und Verbänden gewinnt immer mehr an Bedeutung. Sie bietet eine Möglichkeit zur sozialen Organisation über Clangrenzen hinweg. Mit einer Mitgliedschaft kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden. Zumindest in bestimmten Teilen Somalias entsteht auch eine Form von Sozialkapital unter Mitgliedern der jüngeren Generation, die biografische Erfahrungen und Interessen (Bildung oder Beruf) teilen und manchmal in Jugendorganisationen organisiert sind oder sich in informellen Diskussionsgruppen und online treffen (BS 2024).

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022

AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

DI - Development Initiatives (6.2019): Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report_Towards-an-improved-understanding-of-vulnerability-and-resilience-in-Somalia.pdf, Zugriff 15.12.2023

FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020b): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 12.10.2023

Horn - Horn Observer (6.5.2024): Controversial Somali court decision grants immunity to perpetrator of human rights abuses, https://hornobserver.com/articles/2744/Controversial-Somali-court-decision-grants-immunity-to-perpetrator-of-human-rights-abuses, Zugriff 7.5.2024

LIFOS - LIFOS-Migrationsverket [Schweden] (1.7.2019): Somalia - Rätts- och säkerhetssektorn Version 1.0, https://www.ecoi.net/en/file/local/2012758/190704400.pdf, Zugriff 3.6.2024

NLM/Barnett - James Barnett (Autor), New Lines Magazine (Herausgeber) (7.8.2023): Inside the Newest Conflict in Somalia’s Long Civil War, https://newlinesmag.com/reportage/inside-the-newest-conflict-in-somalias-long-civil-war/, Zugriff 2.10.2023

ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (26.10.2022): The deaths of clan elders in the struggle against Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 468, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (30.9.2022): Winning the war of grievances, in: The Somali Wire Issue No. 458, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024

Shukri/TEL - The Elephant (Herausgeber), Saeed Shukri (Autor) (3.5.2021): Unrecognized Vote: Somaliland’s Democratic Journey, https://www.theelephant.info/long-reads/2021/05/03/unrecognized-vote-somalilands-democratic-journey/, Zugriff 13.10.2023

SOMNAT/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Somaliland National (Autor) (5.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

SPC - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOM_PAU_Somalia-Protection-Analysis_Feb2022.pdf, Zugriff 15.11.2023

UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (22.12.2021b): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065866/61c97bea4.pdf, Zugriff 6.10.2023

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA SOMALIA HUMANITARIAN BULLETIN - FEBRUARY 2022.pdf, Zugriff 12.3.2024

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (5.8.2023): Muna Mohamed Abdi: Helping include marginalised communities in Kismayo, https://unsom.unmissions.org/muna-mohamed-abdi-helping-include-marginalised-communities-kismayo, Zugriff 17.1.2024

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Politik: In Süd-/Zentralsomalia sind politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB Nairobi 10.2024). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. USDOS 22.4.2024; FH 2024b) [siehe dazu auch: Politische Lage/Süd-/Zentralsomalia]. Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2024b). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen, und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So finden sich in der aktuellen Regierung zwar alle relevanten Clans und Gruppen wieder (AA 23.8.2024), und das Frauen- sowie das Umweltministerium werden von Angehörigen von Minderheiten geführt (AQ21 11.2023). In Süd-/Zentralsomalia ist die formelle Vertretung von Minderheiten im Rahmen der 4.5-Formel nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die Formel trägt dazu bei, dass bestehende Strukturen aufrechterhalten und damit Minderheiten sozial und politisch ausgrenzt werden (ÖB Nairobi 10.2024). Nach Angaben einer Quelle der FFM Somalia 2023 versucht die Regierung hingegen, Minderheiten zu ermutigen, sich für Regierungsstellen zu bewerben. Allerdings ist die Diskriminierung tief in der Gesellschaft verwurzelt und besteht weiter fort (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Lage: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 22.4.2024; vgl. AA 23.8.2024; FH 2024b). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – mittelbar auch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 23.8.2024). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan/SWT 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan/SWT 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). In staatlichen Behörden - etwa Polizei und Justiz - sind Minderheiten nur spärlich vertreten (ÖB Nairobi 10.2024). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu [Anm.: Die Digil sind v. a. Landwirte und nicht Nomaden und können bei Dürre schwerer ausweichen]. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan/SWT 24.10.2022). Selbst in Mogadischu erhalten Minderheitenangehörige weniger Nahrungsmittelhilfe (TANA/ACRC 9.3.2023). Sie stehen einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber (UN OCHA 14.3.2022).

Ein Programm der Bundesregierung soll zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von fast 25.000 benachteiligten und marginalisierten Haushalten beitragen. Dieses von Deutschland finanzierte 50-Millionen-Euro-Programm zielt darauf ab, den Zugang zu Bildung, Gesundheit, Hygiene und Ernährung für Kinder und Jugendliche zu verbessern und die Ernährungssicherheit benachteiligter Haushalte zu erhöhen. Die Regierung von Jubaland organisiert Workshops für Jugendliche aus marginalisierten Gruppen, um Integration und Partizipation zu fördern (UNSOM 5.8.2023).

Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind laut einer Quelle überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 22.4.2024). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Gebieten, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB Nairobi 10.2024). Von Frauen marginalisierter Gruppen eingebrachte Vergewaltigungsanzeigen werden tendenziell ignoriert (UNSOM 5.8.2023).

Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021a, S. 58).

Mogadischu: In der Hauptstadt verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (AQSOM 4 6.2024; vgl. FIS 7.8.2020a). Laut einem Experten dominieren auch die Rahanweyn mittlerweile bestimmte Stadtteile. Insgesamt leben in Mogadischu sehr viele unterschiedliche Clans, alle können Eigentum besitzen, sich in der Wirtschaft betätigen (AQSOM 4 6.2024), sich frei bewegen und niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (AQSOM 4 6.2024; vgl. FIS 7.8.2020b, S. 39). Außerdem tendieren die Menschen dazu, auf dem Gebiet des eigenen Clans zu wohnen. Beziehungen zu Abgaal oder Habr Gedir - familiäre, wirtschaftliche, eheliche oder freundschaftliche - sind von Vorteil, um Konflikte abwenden oder lösen zu können. Generell agieren die dominanten Clans Mogadischus aber nicht im rechtsfreien Raum, da sie aufgrund von z. B. in Mogadischu begangenem Unrecht mit Gegenunrecht in anderen Teilen Somalias rechnen müssen (AQSOM 4 6.2024). Im Allgemeinen ist es schwierig, Menschen, die in Mogadischu aufgewachsen sind, oberflächlich nach Clans zu differenzieren. Es gibt keine äußerlichen Unterschiede, auch der Akzent ist der gleiche. Anhand von Namen lassen sich die Menschen nicht einmal ethnisch zuordnen, da vor allem arabische Namen verwendet werden (UNFPA/DIS 25.6.2020). Zum Clanwesen in Mogadischu siehe auch Sicherheitslage / Süd-/Zentralsomalia / Banadir.

Al Shabaab: Zum Verhältnis von al Shabaab zu Clans und Minderheiten siehe Kapitel Sicherheitslage/Al Shabaab

Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/app/nodes/30275841, Zugriff 4.9.2024 [Login erforderlich]

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche

FH - Freedom House (2024b): Freedom in the World 2024 - Somalia, https://freedomhouse.org/country/somalia/freedom-world/2024, Zugriff 8.7.2024

FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020a): Somalia: Tiedonhankintamatka Mogadishuun maaliskuussa 2020, Mogadishun turvallisuustilanne ja humanitääriset olosuhteet, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf/f58d6cd5-271a-55fd-9b89-b3d32e4ff80b/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf?t=1596797440011, Zugriff 12.3.2024

FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020b): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf/2f51bf86-ac96-f34e-fd02-667c6ae973a0/Somalia Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020.pdf?t=1602225617645, Zugriff 12.10.2023

INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (24.10.2022): Power, access, and social capital in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 467, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SPC - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOM_PAU_Somalia-Protection-Analysis_Feb2022.pdf, Zugriff 15.11.2023

TANA/ACRC - Tana Copenhagen (Herausgeber), African Cities Research Consortium (Autor) (9.3.2023): Understanding Systems in Mogadishu City, https://tanacopenhagen.com/wp-content/uploads/2023/03/ACRC-Tana-Mogadishu-City-System-Analysis.pdf, Zugriff 23.5.2024

UNFPA/DIS - United Nations Population Fund (Autor), Danish Immigration Service [Denmark] (Herausgeber) (25.6.2020): Skype-Interview des DIS mit UNFPA, in: DIS (11.2020): Somalia - Health System, S.79-84, https://www.nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landenotater/COI_report_somalia_health_care_nov_2020.pdf?la=en-GB hash=3F6C5E28C30AF49C2A5183D32E1B68E3BA52E60C, Zugriff 12.3.2024

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/OCHA SOMALIA HUMANITARIAN BULLETIN - FEBRUARY 2022.pdf, Zugriff 12.3.2024

UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (5.8.2023): Muna Mohamed Abdi: Helping include marginalised communities in Kismayo, https://unsom.unmissions.org/muna-mohamed-abdi-helping-include-marginalised-communities-kismayo, Zugriff 17.1.2024

USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024

Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation

Letzte Änderung 2025-01-16 14:12

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Die soziale Stellung der einzelnen ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich (SEM 31.5.2017). Mitunter werden sie als Fremde erachtet (SPC 9.2.2022). So können Angehörige ethnischer Minderheiten auf Probleme stoßen - bis hin zu Staatenlosigkeit - wenn sie z. B. in einem Flüchtlingslager außerhalb Somalias geboren wurden (UNHCR 22.12.2021a).

Generell sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung mehr ausgesetzt, wie dies Anfang der 1990er der Fall war (MBZ 6.2023). In den Städten ist die Bevölkerung allgemein gemischt, Kinder gehen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die Schule und Menschen ins Spital (UNFPA/DIS 25.6.2020). Nach anderen Angaben können Angehörige ethnischer Minderheiten Diskriminierung und Benachteiligung ausgesetzt sein - etwa beim Zugang zu sozialer Absicherung oder zu humanitärer Hilfe. Auch im Xeer werden sie marginalisiert (MBZ 6.2023). In Mogadischu mangelt es den Minderheiten auch an politischem Einfluss. Andererseits ändert sich die Situation langsam zum Besseren, die Einstellung v. a. der jüngeren Generation ändert sich; die Clanzugehörigkeit ist für diese nicht mehr so wichtig wie für die Älteren (FIS 7.8.2020a).

Die Bantu (Jareer) sind die größte Minderheit in Somalia (SEM 31.5.2017; vgl. FIS 7.8.2020a). Sie stammen teils von Bauernvölkern ab, die bereits vor der Expansion der Somali an den Flüssen existiert haben; teils stammen sie von nach Somalia importierten Sklaven ab. "Adoon" – ein abwertendes Wort, das noch immer von einigen ethnischen Somalis für die Jareer verwendet wird – bedeutet wörtlich "Sklave". Ein weiteres abwertendes Wort für somalische Bantu – "tiimo jareer" ("hartes Haar") – bezieht sich vorgeblich auf die dichten Locken ihrer Haare im Gegensatz zu den "weichen Locken" ethnischer Somali. Die Bantu selbst haben dies aufgegriffen und bezeichnen sich als "Jareer" oder "die Harten". Als sie ihre zahlenmäßige Stärke erkannt haben, änderte sich der Name in "Jareer Weyne" – "die großen Harten". Was einst eine Beleidigung war, ist heute ein Ehrenzeichen (Sahan/Menkhaus 23.8.2023).

Traditionell waren somalische Bantu in verschiedenen, getrennten Gemeinschaften im Süden Somalias verstreut. Hier gibt es z. B. die Makanne, Shiidle, Gobaweyne, Mushunguli und Shangani (Sahan/Menkhaus 23.8.2023), die Kabole, Reer Shabelle und Oji. Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Juba und Shabelle (SEM 31.5.2017; vgl. UNHCR 22.12.2021a). Bantu werden oft für manuelle Tätigkeiten eingesetzt. Sie übernehmen Arbeiten, die von ethnischen Somali als zu gering erachtet werden (Sahan/Menkhaus 23.8.2023).

Die Bantu waren jahrzehntelang systematischer Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt durch die somalische Regierung und die somalische Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt (Sahan/SWT 3.11.2023). Sie sind die am stärksten marginalisierte, ausgegrenzte und ausgebeutete somalische Gemeinschaft. Von Machtpositionen auf lokaler und nationaler Ebene sind sie vielfach ausgeschlossen (Sahan/Menkhaus 23.8.2023; vgl. MBZ 6.2023). Die Bantu werden überall in Somalia rassistisch stigmatisiert (ACCORD 31.5.2021, S. 25) und diskriminiert (ACCORD 31.5.2021, S. 25; vgl. USDOS 22.4.2024). Die meisten Somali schauen auf die sesshaften Bantu herab (SEM 31.5.2017; vgl. UNHCR 22.12.2021a; MBZ 6.2023). Sie werden als Bürger zweiter Klasse erachtet (Sahan/SWT 3.11.2023; vgl. BS 2024) und befinden sich am untersten Ende der Gesellschaft (LIFOS 19.6.2019). Der mangelnde Zugang zu Bildung, Beschäftigung und politischer Vertretung hat einen Kreislauf aus Armut und Ausgrenzung verursacht und die Möglichkeiten für wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg eingeschränkt. Dies wiederum verstärkt gesellschaftliche Stereotypen (Sahan/SWT 3.11.2023; vgl. TANA/ACRC 9.3.2023). In Städten wie Kismayo mangelt es den Bantu an Ressourcen und Unterstützung (Sahan/SWT 1.12.2023).

Auch in IDP-Lagern werden sie diskriminiert, Bantu-Frauen mangelt es dort an Schutz durch die traditionelle Clanstruktur (USDOS 22.4.2024; vgl. LIFOS 19.6.2019), Bantu haben kaum Zugang zum Xeer (LIFOS 19.6.2019) und sind folglich besonders schutzlos (ÖB Nairobi 10.2024; vgl. FIS 7.8.2020a). Die Diskriminierung von Bantu ist auch in der Bundesarmee und im somalischen Rechtssystem allgegenwärtig. Oft wird ihnen der Zugang zur Justiz verweigert, sie tragen ein höheres Risiko, vor Gericht ungerecht behandelt zu werden (Sahan/SWT 3.11.2023); im Justizsystem sind Bantu kaum vertreten (TANA/ACRC 9.3.2023).

Nach anderen Angaben sind einige Bantu-Gruppen mit lokal mächtigen Clans Allianzen eingegangen, um sich dadurch zu schützen (FIS 7.8.2020a). Eine Quelle erklärt, dass die meisten von ihnen als niedrige Kaste einem dominanten somalischen Clan angehören (Sahan/Menkhaus 23.8.2023). Gleichzeitig erklärt der Experte Ken Menkhaus zur jüngeren Entwicklung der Bantu in Somalia: Bis vor Kurzem hatten die unterschiedlichen Bantu-Gruppen kein Gefühl einer gemeinsamen Identität. Auch ihre Probleme und ihr Identitätsgefühl waren lokal und nicht national. Sich als "Jareer" zu bezeichnen ist neu. Bis vor Kurzem waren die Bantu unbewaffnet und daher politisch schwach und anfällig für Raubüberfälle. Der Aufstieg von al Shabaab hat das geändert. Die Rekrutierungstaktiken der militanten Gruppen konzentrieren sich seit Langem darauf, Missstände auszunutzen, wobei die Jareer ein offensichtliches Ziel sind. Der Beitritt zu al Shabaab wurde oft als attraktive Option angesehen, da er den Jugendlichen der Jareer ein Gehalt, eine Waffe, Status und Schutz verschafft hat. Obwohl die meisten Jareer heute der al Shabaab gegenüber misstrauisch und viele aus dem Territorium der militanten Gruppe geflohen sind, hat die Tatsache, dass so viele zu bewaffneten Kämpfern geworden sind, begonnen, ihren Status zu verändern (Sahan/Menkhaus 23.8.2023).

Heute finden sich unter den hunderttausenden IDPs im Großraum Mogadischu zu fast 80 % Bantu (FIS 7.8.2020a). Jahrzehnte der Urbanisierung haben aus den Subsistenzbauern der Flusstäler Stadtmenschen gemacht (Sahan/SWT 1.12.2023). Menkaus erklärt diesbezüglich: Somalische Bantu stellen heute einen signifikanten Prozentsatz der städtischen Bevölkerung in Südsomalia. Dies könnte bei allgemeinen Wahlen durchaus von Bedeutung werden und ist einer der Hauptgründe, warum politisch einflussreiche Clans in den Städten darauf bestehen, die Jareer als IDPs zu bezeichnen, die per Definition anderswo hingehören. Tatsächlich ist ihre Umsiedlung aber dauerhaft geschehen. Die Jareer bilden heute eine große städtische Unterschicht mit begrenzten Aussichten auf soziale Mobilität und ein besseres Leben außerhalb der sogenannten IDP-Lager. Wahr ist aber auch, dass zumindest einige städtische Jareer nunmehr bewaffnet und in der Lage sind, Banden oder Milizen in Mogadischu zu leiten und Straßenproteste zu mobilisieren. Das ist eine außergewöhnliche Entwicklung, die noch vor nicht allzu langer Zeit undenkbar gewesen wäre (Sahan/Menkhaus 23.8.2023). So geschehen ist dies etwa, als ein Offizier der Bundesarmee - ein Bantu - verhaftet worden war. Sowohl in Baidoa als auch in Mogadischu kam es daraufhin zu Protesten von Bantus. Dies wäre früher undenkbar gewesen (Sahan/SWT 16.8.2024).

Mischehen werden stigmatisiert (LIFOS 19.6.2019). Viele Fußsoldaten von al Shabaab, die aus Middle Shabelle stammen, gehören zu Gruppen mit niedrigem Status – etwa zu den Bantu. Al Shabaab hat diese Mitglieder dazu ermutigt, Frauen und Mädchen von "noblen" Clans (z. B. Hawiye, Darod) zu heiraten (Ingiriis 2020).

Einem Bericht zufolge sind aus den USA deportierte somalische Bantu - manchmal schon am Flughafen in Mogadischu - von Bewaffneten entführt worden, um Lösegeld zu erpressen (UNHCR 22.12.2021a).

Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z. B. Mogadischu, Merka, Baraawe) und sich traditionell im Handel betätigen. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien, Persien, Indien und Portugal (SEM 31.5.2017; vgl. UNHCR 22.12.2021a). Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos. Heute werden Benadiri gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017). In Mogadischu stellen die Benadiri die zweitgrößte Minderheitengruppe. Einige von ihnen haben es geschafft, reich zu werden (FIS 7.8.2020a). Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu, Mischehen sind kein Problem (Landinfo 14.6.2018; vgl. MBZ 6.2023). Es kann ihnen gegenüber zu Diskriminierung kommen, doch werden keine Sicherheitsprobleme berichtet (MBZ 6.2023). Laut einem Experten werden Benadiri zwar marginalisiert und haben keinen Einfluss; dafür können sie aber an ihren angestammten Orten wohnen (AQSOM 4 6.2024). Vielen Reer Xamar (Teil der Benadiri) ist es gelungen, ihre vormaligen Immobilien im Bezirk Xamar Weyne (Mogadischu) durch Zahlungen zurückzuerhalten. Dort stellen sie auch die Bevölkerungsmehrheit (Landinfo 21.5.2019b).

Die Bajuni sind ein kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln im Süden Somalias sowie in Kismayo (SEM 31.5.2017; vgl. UNHCR 22.12.2021a), aber auch entlang der kenianischen Küste bis Lamu lebt. Der UNHCR zählt die Bajuni zu den Benadiri (UNHCR 22.12.2021a).

Kinder von Mischehen der al Shabaab: Einige somalische Mädchen und Frauen haben ausländische Kämpfer (z. B. aus Europa, USA, Asien) der al Shabaab geheiratet. Die aus solchen Ehen hervorgegangenen Kinder sind teils leicht zu identifizieren (ICG 27.6.2019a).

Quellen

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar Somalia_ACCORD_Mai 2021.pdf, Zugriff 17.5.2022

AQSOM 4 - Anonymisierte Quelle Somalia 4 (6.2024): Expertengespräche

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7.8.2020a): Somalia: Tiedonhankintamatka Mogadishuun maaliskuussa 2020, Mogadishun turvallisuustilanne ja humanitääriset olosuhteet, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf/f58d6cd5-271a-55fd-9b89-b3d32e4ff80b/Somalia FFM raportti maaliskuu 2020.pdf?t=1596797440011, Zugriff 12.3.2024

ICG - International Crisis Group (27.6.2019a): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011897/b145-women-and-al-shabaab_0.pdf, Zugriff 12.3.2024

Ingiriis - M.H. Ingiriis (2020): The anthropology of Al-Shabaab: the salient factors for the insurgency movement’s recruitment project, in: Small Wars Insurgencies, Vol. 31/2, 2020, pp. 359-380, zitiert in: EASO - European Asylum Support Office (9.2021): Somalia – Targeted Profiles, S.18, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060580/2021_09_EASO_COI_Report_Somalia_Targeted_profiles.pdf

Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (21.5.2019b): Somalia Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu, https://www.ecoi.net/en/file/local/2009629/Respons_Somalia_Rer_Hamar-befolkningen_i_Mogadishu_21052019.pdf, Zugriff 12.3.2024

Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (14.6.2018): Somalia: Marriage and divorce, https://www.ecoi.net/en/file/local/2013990/Report-Somalia-Marriage-and-divorce-14062018-2.pdf, Zugriff 12.3.2024

LIFOS - LIFOS-Migrationsverket [Schweden] (19.6.2019): Minoritetsgruppen bantu i Somalia Version 1.0, https://lifos.migrationsverket.se/dokument?documentAttachmentId=46795, Zugriff 12.3.2024

MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin information report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_June_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024

ÖB Nairobi - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht zu Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116331/SOMA_ÖB-Bericht_2024_10.pdf, Zugriff 22.10.2024 [Login erforderlich]

Sahan/Menkhaus - Sahan (Herausgeber), Ken Menkhaus (Autor) (23.8.2023): Political Unrest and the Somali Jareer Weyne, in: The Somali Wire Issue No. 582, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (16.8.2024): Somalia's Humanitarian Crisis: Need and Greed, in: The Somali Wire Issue No. 719, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich] [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (1.12.2023): Clans and displacement in Somalia, in: The Somali Wire Issue No. 622, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (3.11.2023): Discrimination in Somali security sector and selective justice undermine war efforts, in: The Somali Wire Issue No. 612, per e-Mail [kostenpflichtig, Login erforderlich]

SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf, Zugriff 12.3.2024

SPC - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOM_PAU_Somalia-Protection-Analysis_Feb2022.pdf, Zugriff 15.11.2023

TANA/ACRC - Tana Copenhagen (Herausgeber), African Cities Research Consortium (Autor) (9.3.2023): Understanding Systems in Mogadishu City, https://tanacopenhagen.com/wp-content/uploads/2023/03/ACRC-Tana-Mogadishu-City-System-Analysis.pdf, Zugriff 23.5.2024

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Relevante Bevölkerungsgruppen

Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab und anderer terroristischer Gruppen

Letzte Änderung 2024-12-04 10:04

Folgende Personengruppen sind bezüglich eines gezielten Attentats bzw. Vorgehens durch al Shabaab einem erhöhten Risiko ausgesetzt:

Angehörige der AMISOM bzw. ATMIS (BS 2024; vgl. USDOS 30.6.2024; ÖB Nairobi 10.2024) sowie deren lokale Angestellte (BMLV 7.8.2024);

nationale und regionale Behördenvertreter und -Mitarbeiter (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023); die öffentlichen Institutionen Somalias werden von al Shabaab als unislamisch erachtet (MBZ 6.2023);

Angehörige der nationalen Sicherheitskräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023; USDOS 30.6.2024) im sowie abseits des Dienstes (MBZ 6.2023);

Politiker von Bund und Bundesstaaten (MBZ 6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; BS 2024); al Shabaab greift z. B. gezielt Örtlichkeiten an, wo sich Regierungsvertreter treffen. Laut einer Quelle haben hochrangige Politiker eine höhere Priorität (MBZ 6.2023);

mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten (USDOS 22.4.2024) und ehemalige oder pensionierte Staatsvertreter - z. B. vormalige Bezirksvorsteher (TSD 20.9.2023; vgl. Sahan/SWT 6.3.2024);

Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (USDOS 22.4.2024); Mitarbeiter werden mitunter beschuldigt, das Christentum verbreiten zu wollen (USDOS 30.6.2024).

Wirtschaftstreibende (Sahan/SWT 7.9.2022), insbesondere dann, wenn sie sich weigern, Schutzgeld ("Steuer") an al Shabaab abzuführen, aber auch, wenn sie die Regierung unterstützen oder einem Clan angehören, der in die Militäroffensive involviert ist (MBZ 6.2023). Ins Visier geraten mitunter auch jene, welche auf Anordnung der NISA an den eigenen Gebäuden Überwachungskameras der Sicherheitsbehörden installiert haben (HIPS 7.5.2024);

Älteste und Gemeindeführer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. USDOS 22.4.2024; MBZ 6.2023); gemäß somalischen Regierungsangaben aus dem Jahr 2022 hat al Shabaab innerhalb von zehn Jahren 324 Älteste ermordet. Einige der Opfer waren in Wahlprozesse involviert (KM 31.8.2022). Älteste, die nicht oder nicht ausreichend mit der Gruppe kooperieren, werden mitunter eingeschüchtert, entführt oder ermordet (MBZ 6.2023). In jüngerer Vergangenheit hat al Shabaab v. a. solche Ältesten ermordet, die ihre Clans zur Beteiligung an der Offensive gegen die Gruppe aufgerufen bzw. deren Teilnahme öffentlich unterstützt haben (BMLV 9.2.2023; vgl. UNSC 15.6.2023; Sonna 12.4.2023; INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Dies betrifft insbesondere Älteste der Hawadle (BMLV 7.8.2024; vgl. HO 21.3.2023; INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; IO-D/STDOK/SEM 4.2023), aber z. B. auch Älteste in der Region Gedo (Sahan/SWT 17.11.2023) und der Saleban (MBZ 6.2023), Abgaal in Middle Shabelle und vereinzelt Älteste in Mudug (BMLV 7.8.2024);

Unterstützer der Macawiisley, z. B. zivile Informanten; ganze Gemeinden sind von Rachemaßnahmen bedroht (Sahan/Petrovski 3.5.2024);

Wahldelegierte (UNSC 15.6.2023; vgl. Williams/ACSS 27.3.2023; MBZ 6.2023) und deren Angehörige (USDOS 22.4.2024; vgl. UNSC 10.10.2022); in der Vergangenheit hat al Shabaab alle, die an Wahlen teilnehmen, als Apostaten bezeichnet und sie zu potenziellen Zielen für Anschläge erklärt (Sahan/SWT 9.6.2023; vgl. MBZ 6.2023). Von Anfang 2021 bis Juli 2023 gab es mehr als 50 diesbezügliche Vorfälle, 71 % davon in Mogadischu (ACLED 28.7.2023). Doch auch etwa in Bay und Bakool wurden Delegierte getötet (Sahan/SWT 21.8.2023);

Angehörige diplomatischer Missionen (USDOS 22.4.2024);

prominente und Menschenrechts- und Friedensaktivisten bzw. Organisationen der Zivilgesellschaft (USDOS 22.4.2024; vgl. MBZ 6.2023);

religiöse Führer (Williams/ACSS 27.3.2023; vgl. MBZ 6.2023); laut einer Quelle hat es aber in der jüngeren Vergangenheit keine Attentate auf religiöse Führer gegeben (MBZ 6.2023).

Journalisten (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023) und Mitarbeiter von Medien (USDOS 22.4.2024);

Humanitäre Kräfte (BS 2024; vgl. MBZ 6.2023);

Telekommunikationsarbeiter (USDOS 22.4.2024);

mutmaßliche Kollaborateure und Spione - siehe auch weiter unten (HRW 11.1.2024; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; BS 2024; USDOS 22.4.2024);

Deserteure (MBZ 6.2023); siehe dazu Wehrdienst und Rekrutierungen / Al Shabaab - Deserteure und ehemalige Kämpfer

als glaubensabtrünnig Bezeichnete (Apostaten) (BS 2024) oder Blasphemiker (USDOS 30.6.2024) bzw. Personen, die nicht der Glaubensauslegung von al Shabaab folgen (z. B. Sufis) (BMLV 7.8.2024); siehe dazu Religionsfreiheit

(vermeintliche) Angehörige oder Sympathisanten des sogenannten Islamischen Staates in Somalia (ISS) (AA 23.8.2024; vgl. HO 26.3.2023); den ISS hat al Shabaab als Seuche bezeichnet, welche ausgerottet werden müsse (JF 14.1.2020);

Personen, die einer Schutzgelderpressung ("Steuern") nicht nachkommen; siehe dazu Recht und "Steuer"-Wesen bei al Shabaab

Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie kein Schutzgeld bzw. "Steuern" an al Shabaab abführen. Gleichzeitig muss davon ausgegangen werden, dass zahlreiche Angriffe und Morde auf o. g. Personengruppen politisch motiviert oder einfache Verbrechen sind, die nicht auf das Konto von al Shabaab gehen (BMLV 7.8.2024).

Spionage und Kollaboration: In von al Shabaab kontrollierten Gebieten gelten eine Unterstützung der Regierung und Äußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verräter verurteilt und hingerichtet zu werden (AA 23.8.2024). Al Shabaab tötet - meist nach unfairen Verfahren - Personen, denen Spionage für oder Kollaboration mit der Regierung oder ausländischen Kräften vorgeworfen wird (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). Beispiele für Hinrichtungen: Im Jänner 2024 werden in Jilib sieben Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung, die Regierung von Jubaland, die USA und Kenia öffentlich exekutiert (Halqabsi 15.1.2024). Im Juni 2023 werden in Kunyo Barrow, Lower Shabelle, fünf Männer wegen angeblicher Spionage für die Bundesregierung und ausländische Nachrichtendienste öffentlich durch Erschießen exekutiert (SMN 16.6.2023).

Die Schwelle dessen, was al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt (STDOK 8.2017, S. 40f). So wurden etwa im Feber 2021 in Mogadischu drei Frauen erschossen, die im Verteidigungsministerium als Reinigungskräfte gearbeitet hatten (Sahan/KM o.D.) - nach Angaben einer Quelle wird ihr Beruf aber nicht der einzige Grund für die Exekution gewesen sein, die Frauen haben vermutlich die Zusammenarbeit mit al Shabaab verweigert (BMLV 7.8.2024).

Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden (STDOK 8.2017, S. 40ff). So wurden etwa Anfang Juli 2021 fünf Zivilisten im Gebiet Jowhar von al Shabaab entführt, weil sie Soldaten der Armee mit Erfrischungen bewirtet bzw. mit ihnen gehandelt hatten. Mehrere Häuser und Fahrzeuge wurden angezündet (ATMIS/Caasimada 2.7.2021). Generell sind jedenfalls das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Besonders gefährdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfüllen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort lässt eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (STDOK 8.2017, S. 40ff).

Auf der anderen Seite kollaborieren viele Menschen mit al Shabaab. Verwaltungsstrukturen und Sicherheitskräfte sind unterwandert. Eine derartige Kollaboration kann aus finanziellen oder ideologischen Gründen erfolgen, oft aber auch aus Angst. Es scheint wenig ratsam, ein "Angebot" von al Shabaab abzulehnen (BMLV 7.8.2024).

Grundsätzliche Ziele: Üblicherweise zielt al Shabaab mit größeren (mitunter komplexen) Angriffen auf Vertreter des Staates, Gebäude und Fahrzeuge der Regierung, auf Hotels, Geschäfte, Militärfahrzeuge und -Gebäude sowie direkt Soldaten von Armee und ATMIS. Grundsätzlich richten sich die Angriffe der al Shabaab in nahezu allen Fällen gegen Personen des somalischen Staates (darunter die Sicherheitskräfte), Institutionen der internationalen Gemeinschaft (darunter ausländische Truppen) und gegen Gebäude, die von erst- und zweitgenannten Zielen frequentiert werden (BMLV 9.2.2023). Hotels werden i.d.R. angegriffen, um die Entrichtung von Steuern und Abgaben einzumahnen. Möglicherweise anwesende Staatsvertreter gelten hierbei als „Draufgabe“. Ausnahmen dazu können vorkommen, etwa, wenn ein Anschlag einer bestimmten Feier in einem Hotel gilt oder wenn sich dort gleichzeitig drei Minister befinden würden. Anschläge auf Cafés und Restaurants fallen entweder ebenfalls in die Kategorie „Mahnung“ oder sollen Schlagzeilen machen - etwa wenn ein Anschlag auf Fußballzuschauer verübt wird, um daran zu erinnern, dass Fußball aus Sicht von al Shabaab „un-islamisch“ ist (BMLV 7.8.2024).

Die meisten Anschläge außerhalb von Mogadischu richten sich gegen Sicherheitskräfte und vermehrt auch Führungspersonen aus Clans, die sich dem Kampf gegen al Shabaab verpflichtet haben (AA 23.8.2024). Gemäß einer Aussage einer Quelle der FFM Somalia 2023 stellt das letztgenannte Phänomen aber eine Ausnahme dar, denn üblicherweise wird eine Person nicht durch den eigenen Clan(Hintergrund) zum Ziel, sondern durch das eigene Tun und Handeln (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Drohungen: Eine Quelle der FFM Somalia 2023, deren Mitarbeiter in vielen Teilen Somalias arbeiten, erklärt, dass Bedrohungen durch al Shabaab nicht überprüfbar sind. Tatsächlich ist oft unklar, wer hinter einer Drohung steht, ob es um den Arbeitgeber geht oder um Persönliches oder um ein Familienmitglied (weil z. B. der Vater Polizist ist). Kein Mitarbeiter dieser großen Organisation hat bisher wegen Drohungen die Organisation verlassen müssen (MAEZA/STDOK/SEM 4.2023). Eine weitere Quelle der FFM erläutert diesbezüglich: Wenn eine Person eine Textnachricht von al Shabaab erhalten hat und darin nur Drohungen ausgesprochen und keine Forderungen gestellt werden, dann ist es oft schwierig, tatsächlich al Shabaab als Absender festzustellen. Die Nachricht kann auch von einer anderen Quelle stammen, die dafür eigene Motive hat. Zusätzlich agiert al Shabaab als Stellvertreter anderer mafiöser Strukturen. Wenn z. B. ein Mord aufgrund von wirtschaftlichen oder Clan-Interessen ausgeführt wird, kann dieser von al Shabaab vollzogen werden - oder aber die Gruppe wird dafür verantwortlich gemacht (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Ausweichmöglichkeiten: Wenn al Shabaab eine Person bedroht, kann diese natürlich auch flüchten. Manche tun dies auch – mitunter aus Angst und in der Gewissheit, dass die Regierung sie nicht beschützen kann, weil dieser die entsprechenden Kapazitäten fehlen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Laut zweier Quellen kann sich ein Mensch in Mogadischu vor al Shabaab verstecken (BMLV 7.8.2024; vgl. AI 13.2.2020, A. 36). Dies kann beispielsweise für eine Person gelten, die vom eigenen Clan z. B. im Bezirk Jowhar für eine Rekrutierung bei al Shabaab vorgesehen gewesen wäre und sich nach Mogadischu abgesetzt hat; nicht aber prominentere Personen, die vor al Shabaab auf der Flucht sind. Al Shabaab verfügt also generell über die Kapazitäten, menschliche Ziele – auch in Mogadischu – aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Personen al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clandynamiken. Die Gruppe ist bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BMLV 7.8.2024).

Al Shabaab stellt keine Haftbefehle aus. Eine Suche läuft durch ihre eigenen, entwickelten Informationssysteme. Die Gruppe weiß, wie man Personen aufspürt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Nach Angaben von Quellen der FFM Somalia 2023 kann al Shabaab in Städten wie Mogadischu jedermann aufspüren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) bzw. ist es schwierig, sich effektiv zu verstecken (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Da in größeren Städten bestimmte Subclans oft in bestimmten Stadtteilen leben, kann al Shabaab eine Person auch über das Clansystem ausfindig machen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 ist man in Somaliland, Garoowe und Bossaso vor al Shabaab einigermaßen sicher. Der Gruppe mangelt es dort demnach an Kapazitäten und Personal. Allerdings kann es auch dort zu Drohungen kommen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Üblicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, könnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangehörige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angehörigen kommen (BMLV 7.8.2024).

Der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISS) operiert nahezu ausschließlich in Puntland bzw. mit einigen Zellen in Mogadischu. Die Hauptziele des ISS in Puntland sind Regierungsangestellte und Politiker, Soldaten, Mitarbeiter des Nachrichtendienstes und Polizisten. Zudem wendet sich der ISS hier und auch in Mogadischu gegen Angehörige von al Shabaab sowie gegen jene Personen (v. a. Händler und Geschäftsleute), die sich weigern, Abgaben bzw. Schutzgeld zu entrichten (BMLV 7.8.2024; vgl. TSD 12.11.2023).

Quellen

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ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (28.7.2023): Situation Update; July 2023; Somalia: Political Crisis Deepens Amid Transition to Direct Elections, https://acleddata.com/2023/07/28/somalia-situation-update-july-2023-electoral-crisis-deepens-as-somalia-transitions-to-direct-elections/, Zugriff 26.9.2023

AI - Amnesty International (13.2.2020): "We live in perpetual fear": Violations and Abuses of Freedom of Expression in Somalia [AFR 52/1442/2020], https://www.ecoi.net/en/file/local/2024685/AFR5214422020ENGLISH.PDF, Zugriff 9.10.2023

ATMIS/Caasimada - African Union Transition Mission in Somalia, Caasimada (2.7.2021): (vormals AMISOM) Morning Headlines – Newsletter per E-Mail, Überschrift: Al-Shabaab Targets Locals For Welcoming And Feeding SNA, Originallink auf Somali https://www.caasimada.net/al-shabaab-oo-beegsaday-shacab-caano-iyo-biyo-ku-soo-dhoweeyey-ciidanka-df/ [Login erforderlich]

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

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Halqabsi - Halqabsi News (15.1.2024): Al-Shabaab Executes Seven in Jilib Over Espionage Allegations, https://halqabsi.com/2024/01/al-shabaab-executes-seven-in-jilib-over-espionage-allegations, Zugriff 4.6.2024

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HO - Hiiraan Online (26.3.2023): Heavy fighting between al-Shabaab and Daesh in northeastern Somalia leaves 40 militants dead, https://www.hiiraan.com/news4/2023/Mar/190509/heavy_fighting_between_al_shabaab_and_daesh_in_northeastern_somalia_leaves_40_militants_dead.aspx?utm_source=hiiraan utm_medium=SomaliNewsUpdateFront, Zugriff 27.3.2023

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INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

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Sonna - Somali National News Agency [Somalia] (12.4.2023): Al-Shabaab’s Extortion Network Crumbles as Government Forces Push Back, https://sonna.so/en/al-shabaabs-extortion-network-crumbles-as-government-forces-push-back/, Zugriff 13.4.2023

STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia; Sicherheitslage in Somalia; Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf, Zugriff 6.10.2023

TSD - The Somali Digest (12.11.2023): IS-Somalia: A Resurgent Threat?, https://thesomalidigest.com/is-somalia-a-resurgent-threat, Zugriff 28.5.2024

TSD - The Somali Digest (20.9.2023): Al-Shabaab killed former deputy district commissioner of Bal’ad, https://thesomalidigest.com/al-shabaab-killed-former-deputy-district-commissioner-of-balad, Zugriff 14.3.2024

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UNSC - United Nations Security Council (15.6.2023): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2023/443], https://www.ecoi.net/en/file/local/2094041/N2316278.pdf, Zugriff 2.10.2023

UNSC - United Nations Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023

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USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024

Williams/ACSS - Africa Center for Strategic Studies (Herausgeber), Wendy Williams (Autor) (27.3.2023): Reclaiming Al Shabaab’s Revenue, https://africacenter.org/spotlight/reclaiming-al-shabaabs-revenue, Zugriff 7.11.2023

Risiko in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen ("Steuern")

Letzte Änderung 2024-12-04 10:14

Zum System der "Besteuerung" durch al Shabaab siehe Rechtsschutz, Justizwesen / "Steuer"-Wesen bei al Shabaab

Betriebe und Einzelpersonen werden durch Angst genötigt, Geld an al Shabaab abzuführen (UNSC 10.10.2022, Abs. 46). Jene, welche Abgaben an al Shabaab abführen, können ungestört leben (HI 10.2020). Für Zahlungsverzögerungen bei "Steuer"-Forderungen drohen i.d.R. hohe Strafzahlungen (GN 10.11.2022b; vgl. HI 10.2020) oder der Ausschluss von Märkten (HI 10.2020). Wenn z. B. ein Fahrer eine Abgabe verweigert oder versucht, einen Checkpoint der al Shabaab zu umfahren, dann muss er als Strafe meist den doppelten Betrag abführen. Diese nicht-verhandelbare Strafe wird etwa per SMS "zugestellt" oder aber Fahrzeugbesitzer oder Fahrer werden per Nachricht an eines der Schariagerichte der Gruppe einberufen (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Auf Zahlungsverweigerungen folgen Drohungen (BS 2024) oder die Konfiszierung von Gütern (MBZ 6.2023). Für al Shabaab ist es nicht schwierig, eine Telefonnummer zu bekommen. So kann die Gruppe jede Person erreichen. In Mogadischu rufen sie z. B. Mitarbeiter einer Quelle an und sagen: "Kommen Sie zum Ort X und geben sie uns 2.000 US-Dollar." In anderen Gebieten hat al Shabaab einen direkteren Zugriff (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Allerdings ist es immer möglich, dass hinter Steuerforderungen gar nicht al Shabaab steht, sondern andere kriminelle Akteure, die sich als al Shabaab ausgeben. Im Fall einer Weigerung der Zahlung an al Shabaab gibt es in vielen Fällen einen Spielraum für Verhandlungen über die Höhe (Landinfo 8.9.2022). Bei einer völligen Verweigerung übergibt al Shabaab den "Fall" dem Amniyat (MBZ 6.2023).

Später folgen auch Todesdrohungen (HI 10.2020). In extremen Einzelfällen kann es vorkommen, dass al Shabaab Personen, die keine Gebühren abführen wollen, tötet (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. BS 2024; MBZ 6.2023). Auch wenn derartige Fälle sehr selten sind, sorgen sie dafür, dass andere aus Angst freiwillig „Steuern“ abführen (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Es kommt auch zur Zerstörung von Eigentum und Betriebsmitteln (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. GITOC/Bahadur 8.12.2022; HI 10.2020). Manchmal werden Geschäfte mit Sprengsätzen zerstört (MBZ 6.2023). Oder aber al Shabaab sorgt dafür, dass Unternehmen keine Aufträge mehr erhalten. Wirtschaftstreibende verschweigen es üblicherweise, wenn sie Geld an al Shabaab abführen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Kommt es zu einem Anschlag auf ein Hotel, dann steht für al Shabaab eine Strafaktion für ausständige "Steuer"-Zahlungen im Vordergrund. Allfällig anwesende Regierungsvertreter oder Staatsbedienstete sind hierbei nur nebenrangige Ziele, wiewohl al Shabaab einen "günstigen" Zeitpunkt abwartet, um gleichzeitig auch solche Ziele zu treffen (BMLV 7.8.2024). Ein anderes Beispiel stammt aus Galmudug im Jahr 2022, wo Nomaden den Forderungen von al Shabaab nicht nachgekommen sind. Dort griff al Shabaab die Gemeinde an, entführte und tötete Nomaden und plünderte ihren Viehbestand (UNSC 10.10.2022, Abs. 47f).

Generell halten Todesdrohungen und - in Einzelfällen - tatsächlich angewandte Gewalt das "Steuer"-System der al Shabaab aufrecht (GITOC/Bahadur 8.12.2022; vgl. AQ21 11.2023; MBZ 6.2023). Die Androhung von Gewalt ist insofern ein Sparfaktor, als es aus Sicht von al Shabaab dadurch weniger Kontrolle braucht (AQ21 11.2023). Nur jene können den Druck ertragen und einer Besteuerung entgehen, welche sich außerhalb der Reichweite von al Shabaab befinden (HI 10.2020). Nach anderen Angaben besteht dieser Druck z. B. in Bossaso weniger stark, in Garoowe kaum (AQ21 11.2023).

Auch der Islamische Staat in Somalia fordert Schutzgeld - v. a. von Wirtschaftstreibenden in städtischen Gebieten. Jene, die sich der Zahlung widersetzen, müssen mit Gewalt rechnen (USDOS 22.4.2024; vgl. USDOT 27.7.2023; TSD 12.11.2023).

Quellen

AQ21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche

BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (7.8.2024): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation, per e-Mail

BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI 2024 Country Report - Somalia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2024_SOM.pdf, Zugriff 18.3.2024

GITOC/Bahadur - Jay Bahadur (Autor), Global Initiative Against Transnational Organized Crime (Herausgeber) (8.12.2022): Terror and Taxes. Inside al-Shabaab’s revenue-collection machine, https://globalinitiative.net/wp-content/uploads/2022/12/AS-protection-economies.-WEB.pdf, Zugriff 9.10.2023

GN - Goobjoog News (10.11.2022b): Somalia’s al-Shabab militants widening revenue base, https://goobjoog.com/english/somalias-al-shabab-militants-widening-revenue-base/, Zugriff 15.3.2024

HI - Hiraal Institute (10.2020): A Losing Game: Countering Al-Shabab’s Financial System, https://hiraalinstitute.org/wp-content/uploads/2020/10/A-Losing-Game.pdf, Zugriff 16.11.2023

INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

IO-D/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale Organisation D (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023

Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (8.9.2022): Somalia: Sikkerhetssituasjonen i Mogadishu og al-Shabaabs innflytelse i byen, https://landinfo.no/wp-content/uploads/2022/09/Respons-Somalia-Sikkerhetssituasjonen-i-Mogadishu-og-al-Shabaabs-innflytelse-i-byen-08092022-1.pdf, Zugriff 11.10.2023

MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (6.2023): General country of origin information report on Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2103761/General_COI_report_Somalia_June_2023.pdf, Zugriff 29.4.2024

TSD - The Somali Digest (12.11.2023): IS-Somalia: A Resurgent Threat?, https://thesomalidigest.com/is-somalia-a-resurgent-threat, Zugriff 28.5.2024

UNSC - United Nations Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], https://www.ecoi.net/en/file/local/2081261/N2263844.pdf, Zugriff 11.10.2023

USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-practices/somalia, Zugriff 23.4.2024

USDOT - US Department of the Treasury (27.7.2023): Treasury Designates Senior ISIS-Somalia Financier, https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy1652, Zugriff 28.5.2024

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellung zum Datum der Asylantragstellung ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

Die Identität des BF konnte mangels der Vorlage entsprechender somalischer Personaldokumente nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Person des BF, insbesondere hinsichtlich Staatsangehörigkeit, zu seiner Muttersprache, zu seiner Religions- und Clanzugehörigkeit und zu seinem Familienstand ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben während des Asylverfahrens.

Die Feststellungen zur Herkunft des BF ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Angaben während des Verfahrens. Aus seinen Angaben folgt auch, dass er in Somalia die Schule besucht hat, wobei er jedoch widersprüchliche Angaben zur Dauer seines Schulbesuches machte. Während er in der Erstbefragung angab, fünf Jahre die Grundschule besucht zu haben (AS 21), gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, er habe die Schule „bis zur 7. Klasse“ besucht (AS 89). Er gab an, die Schulbildung nicht abgeschlossen zu haben, weil sein Vater ermordet worden sei und er seine Familie versorgen habe müssen (AS 91). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er zunächst erneut, fünf Jahre die Schule besucht zu haben (S. 5 Verhandlungsprotokoll). Auf Nachfrage gab er jedoch an, dass er die Schule „bis zur 8. Klasse“ besucht habe. Die 4. und 5. Klasse habe er übersprungen, die 6. und 8. Klasse habe er „gleichzeitig“ besucht (S. 8 und 9 Verhandlungsprotokoll). Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben konnte nicht festgestellt werden, wie viele Jahre der BF die Schule besucht hat.

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF in seiner Heimat keiner Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus der Tatsache, dass der BF in der Erstbefragung noch angab, dass er in Somalia als Hilfsarbeiter gearbeitet habe (AS 21). Vor dem BFA verneinte der BF dann einerseits die Frage, ob er jemals in Somalia gearbeitet habe, und gab andererseits kurz darauf widersprüchlich an, dass er nach dem Tod seines Vaters die Familie habe versorgen müssen (AS 91). In der mündlichen Verhandlung gab der BF schließlich an, dass er „nicht kontinuierlich“ gearbeitet habe. Er habe ab und zu in einem Geschäft als Träger gearbeitet (S. 5 Verhandlungsprotokoll). Aufgrund des weiter unten dargelegten unglaubhaften Fluchtvorbringens war auch festzustellen, dass sich der BF in Somalia nicht als Soldat bzw. Polizist beworben hat.

Die getroffenen Feststellungen zu seinen Familienangehörigen konnten zum einen aufgrund der eigenen Angaben des BF getroffen werden. So nannte er zuletzt in der mündlichen Verhandlung seine Mutter, seinen jüngeren Bruder und seine Schwester als seine Familienangehörigen. Diese würden derzeit in Äthiopien in einem Flüchtlingslager leben (S. 16 Verhandlungsprotokoll). Da der BF jedoch sein (Flucht-)Vorbringen, wonach sein Vater von Al Shabaab getötet worden sei, weil er deren Steuern nicht bezahlen habe können (vgl. diesbezüglich Pkt. 2.2.) nicht glaubhaft machen konnte, war mangels gegenteiliger substantiiert ins Treffen geführter konkreter Anhaltspunkte festzustellen, dass sein Vater nach wie vor am Leben ist. Dass ein Bruder des BF bei einem Bombenanschlag der Al Shabaab getötet worden ist und ein weiterer Bruder von Al Shabaab getötet worden ist, weil dieser als Polizist bzw. Soldat Mitglieder der Al Shabaab festgenommen habe, konnte aufgrund des nicht glaubhaften Fluchtvorbringens (vgl. diesbezüglich Pkt. 2.2.) nicht festgestellt werden.

Die Feststellung, dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben im Asylverfahren, insbesondere aus seinen aktuellen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (vgl. S. 2 Verhandlungsprotokoll).

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme ins österreichische Strafregister.

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zum Verfahrensablauf ergeben sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes in Verbindung mit der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des BF und einer möglichen Rückkehr des BF nach Somalia:

Dem BF ist es nicht gelungen, das Vorliegen von Fluchtgründen iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) glaubhaft zu machen.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeführten Verfahren und im Besonderen in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens darzulegen. Wie in der Folge dargestellt, ist das Vorbringen des BF objektiv nicht geeignet, einen asylrelevanten Grund zu begründen.

Zum Vorbringen des BF ist vorab auszuführen, dass es im Asylverfahren nicht ausreicht, dass dieser Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese auch glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen des BF in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sowie schlüssig sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und muss der BF auch persönlich glaubwürdig auftreten. Die Aussagen des BF entsprechen aber nicht diesen Anforderungen.

So sind in den Aussagen des BF zahlreiche Ungereimtheiten sowie Widersprüchlichkeiten zutage getreten, wie exemplarisch aufgezeigt werden soll:

Auffallend war, dass der BF bereits die Gründe, weshalb ihn Al Shabaab verfolgt habe – nämlich seine angebliche Bewerbung bzw. Aufnahme als Soldat – widersprüchlich und nicht lebensnahe schilderte.

So gab er in der Einvernahme vor dem BFA einerseits an: „Die einzige Möglichkeit, die ich hatte, war, dass ich mich als Soldat bewerbe. Ich wurde als Soldat aufgenommen.“ Gleich darauf gab er aber widersprüchlich an, dass sie ihn beim ersten Mal nicht aufgenommen hätten. Er habe seine Kontaktdaten beim Militär hinterlassen und sie hätten ihm gesagt, dass sie ihn zurückrufen würden. Daraufhin schilderte der BF bereits die weiteren Vorfälle, die zu seiner Flucht geführt hätten. In der mündlichen Verhandlung brachte der BF jedoch nicht mehr vor, dass er tatsächlich im Militärdienst aufgenommen worden sei. Dort gab er vielmehr bloß vage an, dass er „ein paar Mal“ versucht habe, ein Soldat zu werden (S. 14 Verhandlungsprotokoll).

Auch seine weiteren Angaben waren widersprüchlich und vage. Vor dem BFA brachte er vor, er habe sich als Soldat beworben und habe „nach einigen Tagen“ ein Foto bekommen, auf dem er vor der Militärkaserne stehend zu sehen gewesen sei (AS 91), wobei er „es“ allerdings nicht ernst genommen habe. Abgesehen davon, dass er weder angab, wer ihm das Foto überreicht habe, noch, was damit bezweckt werden sollte, erwähnte der BF in der mündlichen Verhandlung diesen Vorfall mit keinem Wort (vgl. S. 14 Verhandlungsprotokoll). In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass sich der BF nicht beim Militär, sondern bei der Polizei beworben habe und ihn das Foto vor einer Ausbildungseinrichtung, „die sowohl dem Militär als auch der Polizei“ diene, gezeigt habe (AS 249). Es wurde weiter ausgeführt: „Insofern das Bundesamt unter Hinweis auf das damalige Alter des BF bezweifelt, dass sich dieser als Soldat bewerben konnte, ist anzumerken, dass sich der BF nicht beim Militär, sondern bei der Polizei angedient hatte.“ Der BF gab in der mündlichen Verhandlung befragt, ob er schließlich Soldat geworden sei, jedoch an: „Nein. Ich war noch jung. Ich durfte wegen meines Alters kein Soldat werden“ (S. 13 Verhandlungsprotokoll). Der BF gab somit einerseits nicht gleichbleibend an, ob er sich als Soldat oder als Polizist beworben habe, andererseits, ob er tatsächlich aufgenommen worden sei.

Wenn in der Beschwerde weiter ausgeführt wird, dass dem BF das Handy, auf dem offenbar das Foto (vom BF vor der Militärkaserne stehend) gespeichert gewesen sein soll, von den ungarischen Behörden abgenommen worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der BF in der Erstbefragung noch angab, in Ungarn keinen Behördenkontakt gehabt zu haben (AS 27). In der mündlichen Verhandlung gab er – zu seinem Reiseweg und zum Aufenthalt in der Türkei befragt – zudem ausdrücklich an: „Ich hatte kein Handy“ (vgl. S. 9 Verhandlungsprotokoll).

Die Schilderungen des BF zu dem Vorfall am Marktplatz, bei dem ihm ein fremder Mann ein Handy überreicht habe und er daraufhin mit einem Mann telefonierte, erwiesen sich als nicht glaubhaft. Vor dem Bundesamt erklärte er zunächst, dass er in die Stadt gegangen sei, um einzukaufen, als ein Mann auf ihn zugekommen sei und ihm ein Handy übergeben habe. Der Mann habe gesagt, das Handy gehöre einem Mujaheddin. Als das Gerät klingelte, habe er den Anruf entgegengenommen (AS 91). In der mündlichen Verhandlung wich seine Darstellung jedoch gravierend ab. Hier gab er an, dass ihm das Handy von einem Al-Shabaab-Mann übergeben worden sei, während der andere Mann bereits am Handy war (S. 20 Verhandlungsprotokoll). Zudem schilderte er vor dem BFA, dass ihm in dem Telefonat gesagt worden sei, er solle mit einem Bus nach Afgooye fahren. In der mündlichen Verhandlung änderte sich diese Aussage erneut: Zunächst erklärte er, er habe mit einem Bus mitfahren und „zum Lager“ gehen sollen, wo sich Al-Shabaab aufhalte (S. 14 Verhandlungsprotokoll). Auf Nachfrage, wohin genau er habe reisen sollen, äußerte er sich jedoch nur vage: „Ich erinnere mich nicht. Ich war unter Schock. Ich glaube, sie sagten, ich soll nach Middle-Shabelle gehen“ (S. 18 Verhandlungsprotokoll). Später wich er erneut aus: „Ich erinnere mich nicht. Sie sagten, ich soll wegfahren.“ Auffällig ist zudem, dass Afgooye nicht in Middle-Shabelle, sondern in Lower Shabelle liegt. Auch wenn der BF angibt den Namen der Stadt - Afgooye - vergessen zu haben, kann dennoch erwartet werden, dass er die Region, in die er reisen sollte, konsistent benennen kann.

Auffällig ist zudem, dass der BF zu keinem Zeitpunkt darlegte, welche konkreten Forderungen Al-Shabaab an ihn stellte oder für welche Aufgaben er rekrutiert werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung in der Beschwerde, der BF habe die Ereignisse, die zu seiner Flucht führten, detailreich, lebensnah und konsistent wiedergegeben, für das Gericht nicht nachvollziehbar.

Zudem machte der BF widersprüchliche und vage Angaben zu den vermeintlichen Todesumständen seines Vaters und seiner beiden Brüder.

Während er vor dem BF erklärte, sein erster Bruder sei „bei dem bekannten Bombenanschlag am 14.10.2017 an der Kreuzung Soobe“ ums Leben gekommen (AS 95), gab er in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage nach einem genaueren Datum lediglich an: „Ich erinnere mich nicht. Ich war unter Schock.“

Zu seinem zweiten Bruder gab der BF vor dem BFA an, dass dieser als Polizist gearbeitet habe. Dessen Arbeit sei es gewesen, „die Kriminellen“ festzunehmen. Eines Tages habe sein Bruder „einige Leute“ – darunter auch einen Sheikh der Al Shabaab – festgenommen und sei in weiterer Folge selbst getötet worden. In der mündlichen Verhandlung gab er an, dass dieser Bruder „Ende 2019 oder Anfang 2020“ getötet worden sei. Auffallend war, dass der BF auf die Frage, wo sein Bruder getötet worden sei, vage angab: „Das kann ich nicht sagen, es war vor seinem Revier“ (S. 7 Verhandlungsprotokoll). Anders als noch vor dem BFA gab er nun an, dass sein Bruder ein Soldat gewesen sei. Er konnte jedoch nicht angeben, seit wann sein Bruder als solcher gearbeitet habe. Besonders auffallend war, dass der BF in der mündlichen Verhandlung (erstmals) versuchte, einen Zusammenhang zwischen dem Tod seines Bruders und dem Tod seines Vaters herzustellen. Er gab an, dass sein Bruder die Männer der Al Shabaab, die den Vater des BF getötet hätten, gekannt habe und sie vor Gericht habe bringen wollen. Sein Bruder habe Beweismittel gehabt. Auf Nachfrage, welche Beweismittel sein Bruder gehabt habe, gab der BF jedoch nur an: „Diese Männer waren zuständig, dass sie Geld zahlen. Die Einwohner haben diese Männer gekannt. Der Arbeitsort meines Bruders war nicht weit weg, wo wir wohnten. Mein Bruder hat auch diese Männer gekannt, weil er deren Gesichter gesehen hat“ (S. 11f Verhandlungsprotokoll). Nachdem Al Shabaab seinen Bruder angerufen und ihn aufgefordert habe, die Männer freizulassen, habe dieser abgelehnt und sei getötet worden. Auffallend war dabei, dass der BF auf Nachfrage zunächst keinerlei nähere Umstände zum angeblichen Tod seines Bruders nannte. Erst auf Nachfrage gab er an, dass er nicht dabei gewesen sei, ihm aber seine Mutter erzählt habe, dass es eine Schießerei „zwischen dem Revier und der Al Shabaab“ gegeben habe. Auch „von anderen Menschen“ habe er davon gehört.

Die Unglaubwürdigkeit des behaupteten Todes des Vaters des BF ergibt sich bereits aus den vorhergehenden Ausführungen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass der BF auch hierzu keine konkreten Angaben machte. Vor dem BFA erklärte er, sein Vater habe ihm erzählt, dass er von Al Shabaab angerufen und zur Zahlung einer Steuer aufgefordert worden sei. Nachdem die geforderte Summe mehrfach verdoppelt und aufeinmal 7.000 US-Dollar betragen habe, sei sein Vater vor ein Gericht in Afgooye geladen worden, von wo er nicht zurückgekehrt sei (AS 95).

In der mündlichen Verhandlung konnte der BF den Zeitpunkt dieses Vorfalls nicht genau benennen („2019. 2018 oder 2019. Nein. Das war 2019“, S. 12 Verhandlungsprotokoll). Zudem fiel auf, dass er vor dem BFA auf die Frage, mit wem er in Somalia in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe, selbst angab: „Ich habe dort mit meinen Geschwistern und meinen Eltern gelebt“ (AS 89).

Im Übrigen waren die Angaben des BF zur Ausreise aus Somalia grob widersprüchlich. Während er in der Erstbefragung angab, er sei mit dem Flugzeug illegal und ohne Reisedokumente ausgereist, gab er vor dem BFA an, er habe „einen seiner Verwandten“ – einen älteren Herrn, der als Seefahrer gearbeitet habe – angerufen. Dieser habe Leute organisiert, die ihm geholfen hätten. Zur Ausreise gab er an: „Sie sind mit einem Auto zu dem Haus gekommen und sie haben mich zum Hafen in Mogadischu gebracht. Ich bin auf ein Schiff gestiegen und so habe ich mein Heimatland verlassen“ (AS 93). In der mündlichen Verhandlung gab er hingegen gänzlich anders an: „Mein Onkel hat mit einem Mann gesprochen, er hat meine Papiere gezeigt. Ich durfte in das Flugzeug einsteigen, mehr kann ich nicht sagen“ (S. 18 Verhandlungsprotokoll). Er gab somit nicht gleichbleibend an, ob er mit Reisedokumenten oder ohne ausgereist sei. Während er in der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung angab, er sei mit dem Flugzeug ausgereist, gab er vor dem BFA an, er sei auf ein Schiff gestiegen und habe so sein Heimatland verlassen.

In Verbindung mit den aufgezeigten Widersprüchen und Unstimmigkeiten ist auch festzuhalten, dass der BF keine individuelle und konkrete asylrelevante Verfolgung mit ausreichender Intensität aufgrund seiner vorgebrachten Zugehörigkeit zum Clan der Shanshi in Somalia vorgebracht hat. Während der BF in der Erstbefragung noch angab, dass er Somalia (u.a.) verlassen habe, weil er als Angehöriger einer Minderheit keine Rechte gehabt habe, erwähnte er weder vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mit seiner Clanzugehörigkeit in Verbindung stehende Gefahr. Auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, zu welchem Clan er gehöre, gab er schlicht an: „Ich weiß es nicht, sie gehören nicht zu Darrod und auch nicht zu Isaaq“ (S. 15 Verhandlungsprotokoll). In der Beschwerde wurde dazu ausgeführt, dass der Clan zu den Benadiri gehöre und im Hawiye-dominierten Mogadischu eine Minderheit bilde, eine damit in Zusammenhang stehende Gefahr für den BF wurde jedoch nicht behauptet. Eine solche kann auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen nicht angenommen werden. Diesen zufolge werden Benadiri heute gemeinhin als Händler respektiert. In Mogadischu stellen sie die zweitgrößte Minderheitengruppe. Einige von ihnen haben es sogar geschafft, reich zu werden. Im Gegensatz zu den Bantu kommt ihnen kein geringerer Status zu.

Zusammenfassend geht die zur Entscheidung berufene Richterin nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des BF somit nicht davon aus, dass die Fluchtgründe des BF der Wahrheit entsprechen, zumal sich der BF, wie aufgezeigt wurde, in seinen diesbezüglichen Angaben in mehrere Widersprüche und Ungereimtheiten verwickelte. Dass der BF die Ereignisse in einer so widersprüchlichen und nicht schlüssigen Weise schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Es wurde im Übrigen auch nicht substantiiert dargetan und ist nicht hervorgekommen, dass der BF während seiner Einvernahmen nicht geistig und örtlich völlig orientiert gewesen wäre. Der BF konnte daher insgesamt keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen.

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH vom 10. 12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der BF die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (hier: des Bundesverwaltungsgerichts) (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Wie bereits ausführlich beweiswürdigend ausgeführt, ist es dem BF nicht gelungen, eine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung oder Verfolgung glaubhaft zu machen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist es dem BF insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Vor diesem Hintergrund ist eine aktuelle, gezielt gegen die Person des BF gerichtete Verfolgung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Dem BF wurde im Übrigen bereits der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Auch sonst haben sich gegenständlich keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Gefährdung des BF im Herkunftsstaat ergeben.

Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.