JudikaturBVwG

W269 2289835-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
17. März 2025

Spruch

W269 2289835-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2024 und 13.03.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.10.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 10.10.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Syrien aufgrund des Krieges verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr würde er inhaftiert und exekutiert werden, da er den Kriegsdienst verweigert habe.

3. Am 26.04.2024 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab er an, dass er in XXXX im Bezirk XXXX im Gouvernement Aleppo geboren und aufgewachsen sei. Er habe Syrien verlassen, weil er für den Militärdienst gesucht werde. Er wolle für das Regime nicht kämpfen, weil sie Verbrecher seien. Er wolle keine Waffe tragen und auch für keine Gruppierung kämpfen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, vom Regime inhaftiert zu werden.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 30.01.2024 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine Bedrohung oder Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht habe. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde damit begründet, dass die allgemeine Sicherheitslage in Syrien eine Rückkehr nicht ermöglichen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde.

In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass er die Einziehung zum Wehrdienst des syrischen Regimes fürchte. Er lehne den Einsatz von Waffengewalt generell ab. Im Falle einer Rückkehr würde ihm aufgrund seiner Weigerung den Wehrdienst des syrischen Regimes abzuleisten seitens der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 08.04.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Stellungnahme vom 11.11.2024 wies der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung daraufhin, dass ihm die Zahlung einer Befreiungsgebühr nicht zumutbar sei.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.11.2024 im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich befragt wurde.

Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil, die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2025 wurden dem Beschwerdeführer die Kurzinformation der Staatendokumentation Syrien, Sicherheitslage, politische Lage, Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, vom 10.12.2024, UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic vom Dezember 2024, UNHCR Regional Flash Up 8 vom 02.01.2025 und UNHCR Regional Flash Up 9 vom 10.01.2025 übermittelt und der Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der geänderten Machtverhältnisse in Syrien zur Stellungnahme betreffend seines mit dem syrischen Regime zusammenhängenden Fluchtvorbringens aufgefordert.

10. Mit Stellungnahme vom 23.01.2025 wies der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung daraufhin, dass die Situation nunmehr völlig neu zu betrachten sei und es zurzeit an wesentlichen Grundlagen für die Entscheidung fehle. Obwohl die HTS sich derzeit gemäßigt darstelle, sei nicht absehbar, wie diese weiter vorgehe, zumal sie bisher zumindest teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei und daher abzuwarten sei, in welchem Ausmaß die HTS Menschenrechtsverletzungen begehen werde. Ferner werde die HTS von den Vereinten Nationen, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Der Vater des Beschwerdeführers sei vor 20 Tagen von Seiten der HTS inhaftiert worden, weil er diese kritisiert habe. Während der Haft habe der Vater des Beschwerdeführers Folter und Schläge erlitten, sei mittlerweile aufgrund seines Alters und der Folgen seiner Behandlung durch die HTS während der Haft entlassen worden. Der Beschwerdeführer fürchte eine unterstellte „pro-Regime-nahe Gesinnung“ für seine gesamte Familie und Haft und Folter durch die HTS. Weitere Unsicherheitsfaktoren würden dahingehend bestehen, als ein Wiedererstarken des IS möglicherweise zu erwarten sei und die humanitäre Lage weiterhin katastrophal sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Er wurde am XXXX im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , im Distrikt XXXX , im Gouvernement Aleppo geboren, wuchs dort auf und lebte dort bis zu seiner Ausreise. Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien die Grundschule.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien illegal im Jahr 2016 in den Libanon, wo er bis Februar 2020 lebte. Im Februar 2020 wurde der Beschwerdeführer nach Syrien abgeschoben und kehrte in sein Heimatdorf zurück. Im März 2020 verließ er Syrien in die Türkei, wo er etwa zwei Jahre lebte. In der Folge reiste er ins Bundesgebiet ein, wo er am 09.10.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers und seine beiden Schwestern leben weiterhin in Syrien, sein Bruder lebt in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Er ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , im Distrikt XXXX , im Gouvernement Aleppo, steht aktuell unter der Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS). Dem syrischen Assad-Regime kommt keine Herrschaftsgewalt im Herkunftsgebiet bzw. im syrischen Territorium mehr zu. Ebenso wenig verfügt der IS im Herkunftsort des Beschwerdeführers über Einfluss- und Kontrollbefugnisse.

1.2.2. Der Beschwerdeführer leistete den Wehrdienst für das syrische Assad-Regime nicht ab.

1.2.3. Vor seiner Ausreise hatte der Beschwerdeführer keinen Kontakt und auch keine Probleme mit der HTS. Er hat auch keine eigene gegen die HTS gerichtete politische Meinung.

Der Vater des Beschwerdeführers äußerte sich etwa eine Woche nach dem Machtwechsel in einem Gespräch mit dem Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers negativ über die HTS und wurde in weiterer Folge von Mitgliedern der HTS für 15 bis 20 Tage inhaftiert und im Anschluss freigelassen. Der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers geriet wegen der Unterhaltung nicht in Schwierigkeiten mit der HTS.

1.2.4. Der Beschwerdeführer hatte in Syrien keinerlei Schwierigkeiten aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.3.1. Auszug aus der Kurzinformation der Staatendokumentation SYRIEN, Sicherheitslage, politische Lage, Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, vom 10.12.2024:

„…

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf Arabisch […] - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:

Quelle: AJ 08.12.2024

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch […]- Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure nach der Machtübernahme durch die Oppositionsgruppierungen:

Quelle: AJ 08.12.2024

Die untere Karte zeigt die Gebietskontrolle der Akteure mit Stand 10.12.2024:

Quelle: Liveu 10.12.2024 Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

• Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024). […]“

1.3.2. UNHCR Position on returns to the syrian arab republic, December 2024:

„1. This position supersedes and replaces UNHCR’s March 2021 International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI. 1 Given the fluidity of the situation, this guidance will be updated early on and as needed, based on the quickly evolving circumstances.

Voluntary Returns

2. Syria is at a crossroads – between peace and war, stability and lawlessness, reconstruction or further ruin. There is now a remarkable opportunity for Syria to move toward peace and for its people to begin returning home. For many years, UNHCR has insisted on the need to redouble efforts to create favourable conditions for refugees and displaced people to return home and the current situation opens up new opportunities in this regard, that must be seized by all. This includes eliminating and/or addressing any new security, legal and administrative barriers on the part of the Syrian de facto authorities; substantial humanitarian and early recovery assistance to be provided by donor States to returnees, communities receiving them back and areas of actual and potential return in general; and authorization to UNHCR and its partners to monitor returns at border crossings and in locations where people choose to return.

3. Everyone has the right to return to their country of origin. UNHCR stands ready to support Syrian refugees who, being fully informed of the situation in their places of origin or an alternative area of their choice, choose voluntarily to return. In view of the many challenges facing Syria’s population, including a large-scale humanitarian crisis, continued high levels of internal displacement and widespread destruction and damage of homes and critical infrastructure, however, for the time being UNHCR is not promoting large-scale voluntary repatriation to Syria.

Moratorium on Forced Returns

4. At this moment in time, Syria continues to be affected by attacks and violence in parts of the country; large-scale internal displacement; contamination of many parts of the country with explosive remnants of war; a devastated economy and a large-scale humanitarian crisis, with over 16 million already in need of humanitarian assistance before the recent developments. In addition, and as noted above, Syria has also sustained massive destruction and damage to homes, critical infrastructure and agricultural lands. Property rights have been greatly affected, with widespread housing, land, and property violations recorded over the past decade, leading to complex ownership disputes that will take time to resolve. Against this background, UNHCR for the time being continues to call on States not to forcibly return Syrian nationals and former habitual residents of Syria, including Palestinians previously residing in Syria, to any part of Syria.

5. UNHCR also continues to call on all States to allow civilians fleeing Syria access to their territories, to guarantee the right to seek asylum, and to ensure respect for the principle of non-refoulement at all times. 6. While risks related to persecution by the former Government have ceased, other risks may persist or become more pronounced. In light of the rapidly changed dynamics and evolving situation in Syria, UNHCR is not currently in a position to provide detailed guidance to asylum decision-makers on the international protection needs of Syrians. UNHCR will continue to monitor the situation closely, with a view to providing more detailed guidance as soon as circumstances permit. In view of the current uncertainty of the situation in Syria, UNHCR calls on asylum States to suspend the issuance of negative decisions on applications for international protection by Syrian nationals or by stateless persons who were former habitual residents of Syria. The suspension of the issuance of negative decisions should remain in place until such time as the situation in Syria has stabilized and reliable information about the security and human rights situation is available to make a full assessment of the need to grant refugee status to individual applicants. 7. UNHCR does not consider that the requirements for cessation of refugee status for beneficiaries of international protection originating from Syria have currently been met. […]“

Übersetzt:

„1 Diese Stellungnahme ersetzt die UNHCR-Leitlinie „International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI“ vom März 2021. 1 In Anbetracht der unbeständigen Situation wird dieser Leitfaden frühzeitig und bei Bedarf auf der Grundlage der sich schnell entwickelnden Umstände aktualisiert werden.

Freiwillige Rückkehr

2. Syrien steht am Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Für Syrien bietet sich jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit, sich auf den Frieden zuzubewegen und mit der Rückkehr seiner Bevölkerung zu beginnen. UNHCR hat seit vielen Jahren auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu schaffen, und die aktuelle Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehören die Beseitigung bzw. Beseitigung neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und administrativer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden, die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe und frühzeitiger Wiederaufbauhilfe durch die Geberstaaten für die Rückkehrer, die sie aufnehmenden Gemeinden und die Gebiete, in die sie tatsächlich oder potenziell zurückkehren wollen, sowie die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückkehr an den Grenzübergängen und an den Orten, an die die Menschen zurückkehren wollen, zu überwachen.

3. Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich freiwillig für eine Rückkehr entscheiden, nachdem sie über die Lage an ihrem Herkunftsort oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl umfassend informiert wurden. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die syrische Bevölkerung gegenübersieht, darunter eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, fördert UNHCR jedoch vorerst keine freiwillige Rückkehr nach Syrien in großem Umfang.

Moratorium für erzwungene Rückführungen

4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien nach wie vor von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes, groß angelegten Binnenvertreibungen, der Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Überresten des Krieges, einer zerstörten Wirtschaft und einer humanitären Krise großen Ausmaßes betroffen, wobei mehr als 16 Millionen Menschen bereits vor den jüngsten Entwicklungen auf humanitäre Hilfe angewiesen waren. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, wichtiger Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Die Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, und in den letzten zehn Jahren wurden weit verbreitete Verstöße gegen Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechte verzeichnet, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund appelliert der UNHCR weiterhin an die Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam in irgendeinen Teil Syriens zurückzuführen.

5. UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilpersonen, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu jeder Zeit sicherzustellen.

6. Auch wenn die Gefahr der Verfolgung durch die frühere Regierung nicht mehr besteht, können andere Risiken fortbestehen oder sich verschärfen. In Anbetracht der sich rasch verändernden Dynamik und Lage in Syrien ist UNHCR derzeit nicht in der Lage, Asylentscheidern detaillierte Hinweise auf den internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben. UNHCR wird die Situation weiterhin genau beobachten, um detailliertere Hinweise zu geben, sobald es die Umstände erlauben. Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung der Ausstellung negativer Bescheide sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können.

7. UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Flüchtlingsstatus für Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind. [...]“

1.3.3. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatdendokumentation Syrien, Version 11, vom 27.03.2024:

„ […]

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Letzte Änderung 2023-07-14 13:52 […]

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Letzte Änderung 2024-03-13 15:02

Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als "shabiha" bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023).

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer "regulären Armee" zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten "HTS-Wehrpflicht" in ldlib liebäugelte, damit dem "Staatsvolk" von ldlib eine "staatliche" Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023). […]“

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung 2024-03-12 16:09

[…]

Nichtstaatliche bewaffnete Oppositionsgruppen

Die Zahl der Übergriffe und Repressionen durch nichtstaatliche Akteure einschließlich der de-facto-Autoritäten im Nordwesten und Nordosten Syriens bleibt unverändert hoch. Bei Übergriffen regimetreuer Milizen ist der Übergang zwischen politischem Auftrag, militärischen bzw. polizeilichen Aufgaben und mafiösem Geschäftsgebaren fließend. In den Gebieten, die durch regimefeindliche bewaffnete Gruppen kontrolliert werden, kommt es auch durch einige dieser Gruppierungen regelmäßig zu Übergriffen und Repressionen (AA 2.2.2024). In ihrem Bericht von März 2021 betont der Bericht der UNCOI, dass das in absoluten Zahlen größere Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen durch das Regime und seine Verbündeten andere Konfliktparteien ausdrücklich nicht entlastet. Vielmehr ließen sich auch für bewaffnete Gruppierungen (u. a. Free Syrian Army, Syrian National Army [SNA], Syrian Democratic Forces [SDF]) und terroristische Organisationen (u.a. HTS - Hay'at Tahrir ash-Sham, bzw. Jabhat an-Nusra, IS - Islamischer Staat) über den Konfliktzeitraum hinweg zahlreiche Menschenrechtsverstöße unterschiedlicher Schwere und Ausprägung dokumentieren. Hierzu zählen für alle Akteure willkürliche Verhaftungen, Praktiken wie Folter, grausames und herabwürdigendes Verhalten und sexualisierte Gewalt sowie Verschwindenlassen Verhafteter. Im Fall von Free Syrian Army, HTS, bzw. Jabhat an-Nusra, sowie besonders vom IS werden auch Hinrichtungen berichtet (UNCOI 11.3.2021)

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie z. B. HTS, sind verantwortlich für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, darunter rechtswidrige Tötungen und Entführungen, rechtswidrige Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen und Tötungen von Zivilisten und Rekrutierungen von Kindersoldaten (USDOS 20.3.2023). Personen, welche in Verdacht geraten, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu haben, sind in Gebieten extremistischer Gruppen der Gefahr von Exekutionen ausgesetzt (FH 9.3.2023).

HTS ging teils brutal gegen politische Gegner vor, denen z. B. Verbindungen zum Regime, Terrorismus oder die „Gefährdung der syrischen Revolution“ vorgeworfen würden. Weiterhin legen die Berichte nahe, dass Inhaftierten Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen und Rechtsbeiständen vorenthalten werden. Auch sei HTS, laut Berichten des SNHR, für weitere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, vor allem in den Gefängnissen unter seiner Kontrolle (AA 2.2.2024).

In der Region Idlib war 2019 ein massiver Anstieg an willkürlichen Verhaftungen und Fällen von Verschwindenlassen zu verzeichnen, nachdem HTS dort die Kontrolle im Jänner 2019 übernommen hatte. Frauen wurden bzw. sind in den von IS und HTS kontrollierten Gebieten massiven Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte ausgesetzt. Angehörige sexueller Minderheiten werden exekutiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Berichtet wurden zudem Verhaftungen von Minderjährigen, insbesondere Mädchen. Als Gründe werden vermeintliches unmoralisches Verhalten, wie beispielsweise das Reisen ohne männliche Begleitung oder unangemessene Kleidung angeführt. Mädchen soll zudem in vielen Fällen der Schulbesuch untersagt worden sein. HTS zielt darüber hinaus auch auf religiöse Minderheiten ab. So hat sich HTS laut der CoI im März 2018 zu zwei Bombenanschlägen auf den schiitischen Friedhof in Bab as-Saghir bekannt, bei dem 44 Menschen getötet, und 120 verletzt wurden. Versuche der Zivilgesellschaft, sich gegen das Vorgehen der HTS zu wehren, werden zum Teil brutal niedergeschlagen. Mitglieder der HTS lösten 2020 mehrfach Proteste gewaltsam auf, indem sie auf die Demonstrierenden schossen oder sie gewaltsam festnahmen. Laut der UNCOI gibt es weiterhin Grund zur Annahme, dass es in Idlib unverändert zu Verhaftungen und Entführungen durch HTS-Mitglieder (AA 29.11.2021), auch unter Anwendung von Folter, kommt (AA 29.11.2021; vgl. AA 2.2.2024). Zusätzlich verhaftete HTS eine Anzahl von IDPs unter dem Vorwand, dass diese sich weigerten, in Lager für IDPs zu ziehen, und HTS verhaftete auch BürgerInnen für die Kontaktierung von Familienangehörigen, die im Regierungsgebiet lebten (SNHR 3.1.2023). […]“

1.3.4. Auszug aus der EUAA County Guidance vom April 2024

„ […]

3.4 Bewaffnete regierungsfeindliche Gruppen

Letzte Aktualisierung: April 2024

[…]

Hayat Tahrir al-Sham oder Organisation für die Befreiung der Levante (HTS) ist eine Koalition islamistischer sunnitischer regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppen, die von der EU, den Vereinten Nationen und vielen Staaten weiterhin als terroristische Organisation geführt wird [Sicherheit2023, 1.4.4, S. 30, Sicherheit 2021, 1.4.4, S. 25]. HTS besteht aus mehreren bewaffneten Fraktionen, darunter Jabhat Fatah al-Sham (auch bekannt als Jabhat al-Nusrah und zuvor als Al-Nusrah Front). Sie behält ihre Macht durch die syrische Heilsregierung, die als „politischer Arm“ der Gruppe fungiert. [Sicherheit2022, 2.1.2, S. 69; Akteure, 4.1.1, S. 50]

[…]“

1.3.4. Auszug aus „Hundreds Of Civilians Said To Have Been Killed By Syrian Security Forces“, 08.03.2025, https://www.ecoi.net/de/dokument/2122699.html

The United Nations and the United States have called on Syrian authorities to take immediate action after it was reported that Syrian government forces have killed hundreds of civilians belonging to the Alawite minority group in recent days.

The U.K.-based Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) said on March 8 that it had identified 745 civilians belonging to the Alawite minority who were killed in two days of clashes between security forces and fighters loyal to the ousted regime of Bashar al-Assad in Latakia Province. The numbers have not yet been independently verified.

"The killing of civilians in coastal areas in northwest Syria must cease, immediately," UN rights chief Volker Turk said in a statement on March 9.

US Secretary of State Marco Rubio urged Syria's interim authorities to hold accountable the "radical Islamist terrorists, including foreign jihadis" who have committed "massacres against Syria’s minority communities" in recent days.

"The United States stands with Syria's religious and ethnic minorities," Rubio said in a statement on March 9.

Reuters quoted diplomats as saying the United States and Russia have asked the Security Council to meet behind closed doors on March 10 over the escalating violence. Russian state media quoted Moscow's UN mission as saying the meeting would begin at 10 a.m.

According to SOHR, the total death toll from the violence rose to more than 1,000, including at least 125 security personnel and 148 Assad loyalists.

The monitoring group, which has a network of sources across Syria, said most of the civilian victims were shot at close range by "security forces and allied groups."

The clashes that erupted on March 6 mark the country's worst outbreak of violence since the regime of Assad, an ally of Iran and Russia, was overthrown in December.

Reuters and Al-Jazeera reported that dozens of people, mostly women, children, and elders, have sought refuge at the Russian Khmeimim military base in the Latakia countryside. There has been no immediate comment from the Russian authorities.

The monitoring group also reported that electricity and drinking water were cut off in large areas around the city of Latakia, the heartland of the Alawite minority to which Assad belonged.

[…]“

Übersetzt:

„Die Vereinten Nationen und die Vereinigten Staaten haben die syrischen Behörden zu sofortigem Handeln aufgefordert, nachdem Berichte aufgetaucht waren, wonach syrische Regierungstruppen in den letzten Tagen Hunderte Zivilisten der alawitischen Minderheit getötet hätten.

Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) gab am 8. März bekannt, dass sie 745 Zivilisten der alawitischen Minderheit identifiziert habe, die bei zweitägigen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Kämpfern des gestürzten Regimes von Baschar al-Assad in der Provinz Latakia getötet worden seien. Die Zahlen wurden noch nicht unabhängig überprüft.

„Das Töten von Zivilisten in den Küstengebieten im Nordwesten Syriens muss sofort aufhören“, sagte der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk am 9. März in einer Erklärung.

Reuters zitierte Diplomaten mit der Aussage, die USA und Russland hätten den Sicherheitsrat gebeten, sich am 10. März wegen der eskalierenden Gewalt hinter verschlossenen Türen zu treffen. Russische Staatsmedien zitierten die Moskauer UN-Mission mit der Aussage, das Treffen werde um 10 Uhr beginnen.

Laut SOHR stieg die Gesamtzahl der Todesopfer durch die Gewalt auf über 1.000, darunter mindestens 125 Sicherheitskräfte und 148 Assad-Anhänger.

Die Beobachtungsgruppe, die über ein Netzwerk von Quellen in ganz Syrien verfügt, sagte, die meisten zivilen Opfer seien aus nächster Nähe von „Sicherheitskräften und verbündeten Gruppen“ erschossen worden.

Die Zusammenstöße vom 6. März sind der schlimmste Gewaltausbruch im Land seit dem Sturz des Assad-Regimes, eines Verbündeten des Iran und Russlands, im Dezember.

Reuters und Al-Jazeera berichteten, dass Dutzende Menschen, vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen, auf dem russischen Militärstützpunkt Khmeimim in der Provinz Latakia Zuflucht gesucht hätten. Von den russischen Behörden gab es zunächst keine Stellungnahme.

Die Überwachungsgruppe berichtete außerdem, dass in weiten Gebieten rund um die Stadt Latakia, dem Kernland der alawitischen Minderheit, der Assad angehörte, Strom und Trinkwasser abgestellt seien.

[…]“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem vor der belangten Behörde im Original vorgelegten syrischen Reisepass, an dessen Echtheit angesichts der amtswegig veranlassten Untersuchung, die keine Hinweise auf das Vorliegen einer Fälschung oder Verfälschung ergab, keine Zweifel bestehen. Die Schreibweise des Namens des Beschwerdeführers scheint im Verwaltungsakt unterschiedlich auf und war somit als Alias-Name festzustellen.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seiner Herkunft, seinem Aufwachsen und zu seiner Ausbildung gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Syrien deckenden – Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zu seiner Ausreise aus Syrien beruhen auf den im Kern gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers. Zwar gab der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung noch an, dass er Syrien im März 2020 verlassen habe, ergänzte jedoch bereits vor dem BFA glaubhaft, Syrien bereits 2016 verlassen zu haben und im Februar 2020 nach Syrien abgeschoben worden zu sein. Diese Angaben bestätigte er nochmals in der mündlichen Verhandlung (Erstbefragungs S. 4, Einvernahme BFA S. 6, VH-Protokoll 14.11.2024 S. 4). Die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz in Österreich am 09.10.2022 ergibt sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Familienangehörigen des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglichen Ausführungen in der Erstbefragung, vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung (Erstbefragung S. 3, Einvernahme BFA S. 6, VH-Protokoll 14.11.2024 S. 6).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben, zuletzt in der mündlichen Verhandlung. (VH-Protokoll 14.11.2024 S. 3).

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Dass der Herkunftsort des Beschwerdeführers unter der Kontrolle der HTS steht, ergibt sich übereinstimmend aus den vorliegenden Länderinformationen und der Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/, aus der die Machtverhältnisse über die einzelnen Regionen in Syrien ersichtlich sind. In der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025 gab der Beschwerdeführer explizit zu Protokoll, dass sein Herkunftsort von der HTS kontrolliert werde.

Aus den Länderinformationen und den Medien ergibt sich, dass die islamistischen Regierungsgegner unter der Führung der HTS im Dezember 2024 im Zuge einer Großoffensive Regierungsgebiete eroberten und die Stadt Damaskus einnahmen, was den Sturz des Assad-Regimes bedeutete. Der Karte https://syria.liveuamap.com/ ist zu entnehmen, dass sämtliche vormalig vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten, mit Ausnahme von zwei Stützpunkte in Jablah (auch Dschabla) und einem Teil von Tartus nunmehr von der HTS kontrolliert werden. Zudem sind auch Gebietsgewinne kurdischer Kräfte im Osten des Landes zu verzeichnen und befindet sich auch ein Teil der Stadt Aleppo unter ihrer Kontrolle. Israel besetzte währenddessen ebenso kleinere an die Golanhöhen angrenzende Gebiete, insbesondere entlang dem Grenzgebiet zum Libanon.

Zusammenfassend ergibt sich, dass das Assad-Regime in Syrien, mit Ausnahme der zwei Stützpunkte in Jablah (auch Dschabla) und einem Teil von Tartus, keine Gebietshoheit bzw. Herrschaftsgewalt mehr ausübt.

Ebenso wenig bestehen den länderspezifischen Quellen zufolge im Herkunftsort des Beschwerdeführers Einfluss- oder Kontrollbefugnisse des IS. Wie bereits ausgeführt, steht der Herkunftsort unter der vollständigen Kontrolle der HTS.

2.2.2. Dass der Beschwerdeführer den Wehrdienst für das syrische Assad-Regime nicht abgeleistet hat, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Zuge des Verfahrens und erscheint aufgrund des Umstandes, dass er Syrien bereits im Alter von etwa 16 Jahren verlassen hat, auch plausibel (Einvernahme BFA S. 6ff, VH-Protokoll 14.11.2024 S. 4).

2.2.3. Dass der Beschwerdeführer in Syrien weder Kontakt noch Probleme mit der HTS hatte, konnte aufgrund seines Vorbringens vor dem BFA festgestellt werden, dem keinerlei Bezugspunkte zur HTS zu entnehmen sind. Darüber hinaus bestätigte er in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025, niemals Kontakt zu Angehörigen der HTS gehabt zu haben (VH-Protokoll 13.03.2025 S. 3).

Zur Feststellung, dass der Vater des Beschwerdeführers von Mitgliedern der HTS inhaftiert worden sei, ist auszuführen, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025 glaubhaft entnommen werden kann, dass sich der Vater des Beschwerdeführers etwa eine Woche nach der Befreiuung in einer Unterhaltung mit dem Onkel väterlicherseits negativ über die HTS geäußert habe. Er habe gesagt, dass die Sicherheits- und Versorgungslage unter dem früheren Regime besser gewesen sei als nun unter der HTS. Dies sei von umstehenden Angehörigen der HTS wahrgenommen worden, die den Vater in der darauffolgenden Nacht von zu Hause abgeholt und für 15 bis 20 Tage festgehalten haben. Die HTS hätte dies getan, um dem Vater eine Lektion zu erteilen, damit sich dieser nicht mehr negativ über die HTS äußere. Der Beschwerdeführer schilderte diesen Vorfall durchaus lebensnahe, weshalb das Gericht von der Glaubhaftigkeit der Angaben ausgeht. Dass der am Gespräch mit dem Vater beteiligte Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers nicht in Schwierigkeiten mit der HTS geriet, gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll. Er führte diesbezüglich aus, dass der Onkel nicht von Angehörigen der HTS aufgesucht worden sei; dieser habe dem Vater bloß zugehört und hätte er deswegen keine Probleme mit der HTS bekommen (VH-Protokoll 13.03.2025 S. 4ff).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine eigene gegen die HTS gerichtete politische Meinung hat, ergibt sich aus seinen Angaben insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025, die äußerst allgemein und vage blieben. So bezog sich der Beschwerdeführer hauptsächlich auf den Vorfall um seinen Vater und leitete daraus ab, dass er sich zu 100% sicher sei, dass die HTS eine terroristische Organisation sei. Immerhin sei der Anführer ein früherers Al-Quaida-Mitglied gewesen. Unter einer terroristischen Organisation gäbe es keine Meinungsfreiheit und auch ihm würde Inhaftierung drohen, wenn er sich über etwas äußern würde, was ihm nicht gefalle (VH-Protokoll 13.03.2025 S. 6). Dazu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer damit jedoch keinerlei Bezug zu seiner Person herstellte. Auch auf konkrete Nachfrage, was seine persönliche Meinung zur HTS sei, machte er nicht deutlich, was ihm an der HTS nicht gefalle und er allenfalls im Fall der Rückkehr äußern würde. Es entstand der Eindruck, dass er sich in Trauer und Wut darüber, was seinem Vater widerfahren war, befand. Eine konkret eingenommene Haltung gegenüber der Politik der HTS vermochte der Beschwerdeführer jedoch nicht glaubhaft zum Ausdruck zu bringen. Im Gegenteil sprach der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung sogar von der „Befreiung“ durch die HTS (VH-Protokoll 13.03.2025 S. 4), wobei er andere, weniger wertende Begriffe wie etwa „Machtwechsel“ ebenso verwenden hätte können. Auch dieser Umstand deutet für das Gericht darauf hin, dass der Beschwerdeführer politisch nicht gegen die HTS eingestellt ist.

2.2.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinerlei Schwierigkeiten aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit hatte, gründet auf dem Umstand, dass er die darauf gerichtete Frage explizit verneinte (Einvernahme BFA S. 7).

2.3. Zu den Feststellungen betreffend die Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.

Der Machtwechsel sowie dessen festgestellte Begleitumstände um den 08.12.2024 können als notorisch betrachtet werden. Zudem bildet der Kurzbericht der Staatendokumentation vom 10.12.2024 den Verlauf der zuletzt eingetretenen Ereignisse bis hin zur Machtergreifung durch die syrische Opposition ab. Der Bericht lässt keinen Zweifel am Sturz des syrischen Regimes, der Außerdienststellung der Regierungssoldaten und damit auch dem Auslaufen des syrischen Wehrdienstes offen. Jener Beitrag über die jüngst stattgefundenen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des ehemaligen al-Assad-Regimes bzw. Angehörigen der alawitschen Geimeinschaft (www.ecoi.net/de/dokument/2122699.html), auf den die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025 hinwies, wurde ebenfalls der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichts vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 10.04.2020, Ra 2019/19/0415, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden grundsätzlich daran zu messen ist, ob im Heimatland wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, vorhanden sind und ob die schutzsuchende Person Zugang zu diesem Schutz hat. Dabei muss auch bei Vorhandensein von Strafnormen und Strafverfolgungsbehörden im Einzelfall geprüft werden, ob die revisionswerbenden Parteien unter Berücksichtigung ihrer besonderen Umstände in der Lage sind, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vgl. VwGH 14.04.2021, Ra 2020/18/0126, mwN).

3.1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass eine Gefährdung, die auf eine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention hindeuten könnte, nicht feststellbar gewesen sei. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Ergebnis im Recht:

3.1.3.1. Zur Heimatregion des Beschwerdeführers:

Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob ihm dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm – sollte dies der Fall sein – im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits dargelegt, dass zur Bestimmung der Heimatregion der Frage maßgebliche Bedeutung zukommt, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (VwGH 09.03.2023, Ra 2022/19/0317, unter Verweis auf VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442; VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Fällen, in denen Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen (VwGH 30.04.2021, VwGH Ra 2021/19/0024, mwN).

Der Beschwerdeführer wurde im Dorf XXXX , im Bezirk XXXX , im Distrikt XXXX , im Gouvernement Aleppo geboren und wuchs dort in familiärer Einbettung auf. Das Dorf XXXX kann sohin im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung als Heimatregion des Beschwerdeführers festgestellt werden. Dies deckt sich auch mit dem im Verfahren zu Tage getretenen Verständnis des Beschwerdeführers über seinen Heimatort.

Wie festgestellt und beweiswürdigend dargelegt, befindet sich die Heimatregion des Beschwerdeführers aktuell unter der vollständigen Kontrolle der HTS.

3.1.3.2. Zum Fluchtvorbringen betreffend das syrische Assad-Regime:

Der Beschwerdeführer brachte hinsichtlich seiner Asylgründe vor, er habe Syrien wegen des Krieges und seiner Verpflichtung, den Wehrdienst beim syrischen Militär ableisten zu müssen, verlassen.

Vor dem Hintergrund der seit Dezember 2024 geänderten Situation in Syrien ist festzustellen, dass diejenigen Umstände, die im Zusammenhang mit der früheren syrischen Zentralregierung des Assad-Regimes standen und in einer Vielzahl von Fällen männlicher syrischer Antragsteller zur Begründung von Asylanträgen geführt haben, nämlich die behauptete Furcht vor Verfolgung durch das damalige Regime aus Folge der Militärdienstverweigerung oder Desertation aufgrund einer tatsächlichen oder bloß unterstellten oppositionellen Einstellung dem Assad-Regime gegenüber, weggefallen sind. Wie festgestellt bzw. allgemein bekannt, besteht die von Assad geführte Zentralregierung seit dem 08.12.2024 nicht mehr, wurde das Militär aufgelöst und spielen zur Zeit des Assad-Regimes bestehende Geheimdienststrukturen keine politische Rolle mehr. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, das sich auf eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Zusammenhang mit der Verweigerung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht einmal denkmöglich geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen. Die Soldaten der vormaligen syrischen Regierung wurden außer Dienst gestellt und politische Gefangene des Regimes aus berüchtigten Gefängnissen entlassen. Der frühere Machthaber befindet sich nicht länger auf syrischem Staatsgebiet und wurde die Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht genommen. Durch die Kontrollerlangung oppositioneller Kräfte wurde der Untergang des syrischen Regimes besiegelt, sodass von letztgenanntem im hypothetischen Rückkehrfall keine asylrechtlich aufzugreifende Verfolgungsgefahr ausgehen kann und dahingehend fluchtbegründendes Vorbringen von vornherein nicht glaubhaft ist (vgl. auch die insofern in Einklang stehende UNHCR-Position on Returns to Syria, December 2024).

3.1.3.3. Zum ergänzenden Vorbringen mit Stellungnahme vom 23.01.2025 und in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025:

Ergänzend zu seinem bisher erstatteten Fluchtvorbringen brachte der Beschwerdeführer sodann auf gerichtlichen Auftrag zum im Dezember 2024 erfolgten Umsturz in der Arabischen Republik Syrien mit Stellungnahme vom 23.01.2025 vor, dass sein Vater vor 20 Tagen von der HTS verhaftet und in weiterer Folge wieder freigelassen worden sei, weil er die HTS kritisiert habe, indem er gesagt habe, das Regime sei zwar schlecht gewesen, aber wenigstens hätten etwas Sicherheit und Stabilität geherrscht. Der Beschwerdeführer fürchte eine unterstellte „pro-Regime-nahe Gesinnung“ für seine gesamte Familie und Haft und Folter durch die HTS.

Diesbezüglich ist auszuführen, dass aus dem geschilderten Vorfall gerade nicht abgeleitet werden kann, dass den Familienangehörigen des Vaters des Beschwerdeführers aufgrund dessen Äußerung eine regimenahe Gesinnung durch die HTS unterstellt wird. Denn wie der Beschwerdeführer selbst zu Protokoll gab, geriet sein Onkel väterlicherseits, der am Gespräch beteiligt war, aber in der konkreten Situation bloß zuhörte, in keinerlei Schwierigkeiten mit der HTS. Würden die Mitglieder der HTS der Familie des Vaters des Beschwerdeführers eine regimenahe Haltung unterstellen, so hätten sie in erster Linie wohl auch den an der Unterhaltung beteiligten Onkel väterlicherseits festgenommen bzw. diesen in irgendeiner Form damit konfrontiert. Auch in Bezug auf den Vater selbst dürfte die HTS nicht von einem schweren Vergehen ausgegangen sein, da dieser den Angaben des Beschwerdeführers zufolge in der Haft nicht zur Abschreckung getötet, sondern sogar wieder freigelassen wurde. Darüber hinaus hat das Beweisverfahren nicht ergeben, weshalb die HTS gerade dem Beschwerdeführer, der sich dem verpflichtenden Wehrdienst des ehemaligen syrischen Regimes durch Ausreise entzogen hatte und sein Leben lang nicht ins Blickfeld der HTS geraten ist, eine gegen die HTS gerichtete Gesinnung unterstellen sollte.

Schließlich konnte das Gericht auch keine tatsächlich vorliegende oppositionelle politische Gesinnung des Beschwerdeführers gegenüber der HTS feststellen. Ein Konnex zu einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründe der GFK kann daher nicht erkannt werden.

Weiters wurde vorgebracht, dass nicht absehbar sei, wie die HTS weiter vorgehen werde, zumal sie bisher zumindest teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei und abzuwarten bleibe, in welchem Ausmaß die HTS Menschenrechtsverletzungen begehen werde. In diesem Zusammenhang verwies die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2025 auf die jüngsten Ereignisse der letzten Tage, wonach die aktuelle Regierung in Syrien mit hoher Gewaltbereitschaft gegen Befürworter des Assad-Regimes vorgegangen sei.

Zu diesem Vorbringen ist mit Blick auf den ins Verfahren eingeführten Bericht festzuhalten, dass sich in den vergangenen Tagen heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Anhängern des gestürzten Machthabers al-Assad in den Küstengebieten im Westen des Landes ereigneten, wobei mehr als 1.000 Menschen, die meisten unter ihnen Alawiten, getötet wurden. Doch auch mit diesen Ausführungen vermochte der Beschwerdeführer keinerlei Gefährdung seiner Person aufzuzeigen, zumal die genannten Auseinandersetzungen weit entfernt von seiner Heimatregion erfolgten und sich gegen Angehörige der alawitschen Gemeinschaft und Befürworter des ehemaligen Regimes richteten. Der Beschwerdeführer ist nicht Alawit, sondern handelt es sich beim ihm, wie festgestellt, um einen Angehörigen der Volksgruppe der Araber, der sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam bekennt. Schließlich ergaben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer eine regimefreundliche Haltung oder eine gegen die HTS gerichtete politische Meinung aufweist bzw. dass er als „Andersdenkender“ von Seiten der HTS wahrgenommen werden könnte, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass er im Fall der hypothetischen Rückkehr in den Blickwinkel der nunmehrigen Machthaber geraten würde. Aus dem erstatteten Vorbringen ist sohin keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und individuellen Verfolgung des Beschwerdeführers abzuleiten. Soweit der Beschwerdeführer mit diesen nicht auf seine Person bezogenen Ausführungen darlegen möchte, dass sich künftig eine Gefährdung für ihn allenfalls ergeben könnte, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verfolgungsgefahr dann anzunehmen ist, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt hingegen nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Auch eine Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers durch die HTS erscheint in Anbetracht ihrer großflächigen Gebietsgewinne als nicht wahrscheinlich. Bereits vor der Großoffensive gegen das Assad-Regime verpflichtete die HTS die in ihrem Hoheitsgebiet lebende Zivilbevölkerung laut den Länderinformationen nicht zwangsweise zu einer Wehrdienstableistung. Es fehlte der Gruppierung nicht an Personen, die bereit waren, sich ihnen anzuschließen. Dabei waren wirtschaftliche Anreize und die islamische Ideologie die hauptsächlichen Beweggründe für junge Männer, Teil der Miliz zu werden.

Dafür, dass dem Beschwerdeführer im (hypothetischen) Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Verfolgungsgefahr respektive Zwangsrekrutierung seitens der HTS drohen würde, sind im Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte hervorgekommen und ist dies daher nicht maßgeblich wahrscheinlich.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

3.1.4. Im Ergebnis ist es dem Beschwerdeführer insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen für sich genommen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Im Übrigen ist nochmals darauf zu verweisen, dass dem Beschwerdeführer gerade aufgrund seiner individuellen Situation zum Entscheidungszeitpunkt der Status des subsidiär Schutzberechtigten von der belangten Behörde bereits zuerkannt wurde.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.