Spruch
I415 2305780-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der ORF-Beitrags Service GmbH vom 03.05.2024, Beitragsnummer XXXX , zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1, 2 und Abs. 5 VwGVG aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beantragte mit dem am 23.12.2023 bei der ORF-Beitrags Service GmbH (im Folgenden: OBS) eingelangten Antrag die Befreiung von der Pflicht zur Entrichtung des ORF-Beitrags.
2. Mit Schreiben vom 04.03.2024 teilte die OBS der BF mit, dass sie von ihr noch weitere Angaben bzw. Unterlagen benötigen würde, um ihren Antrag weiter bearbeiten zu können, und räumte ihr eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens für die Nachreichung von Unterlagen ein.
Weiters erklärte die OBS der BF, dass sie den Antrag zurückweisen müsse, sollten die benötigten Unterlagen und Informationen ihr nicht bis zum Stichtag vorliegen.
3. Mit angefochtenem Bescheid vom 03.05.2024 wies die OBS den am 23.12.2023 eingelangten Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Entrichtung des ORF-Beitrags zurück und forderte die BF auf, den ORF-Beitrag fristgerecht zu bezahlen.
Begründend führte die OBS aus, dass Unterlagen zum Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage nicht nachgereicht worden seien und die BF darauf hingewiesen worden sei, dass der Antrag zurückgewiesen werde, falls die benötigten Unterlagen und Angaben nicht innerhalb von 14 Tagen nachgereicht würden.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 16.05.2024.
5. Die OBS legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt am 14.01.2025 dem Bundesverwaltungsgericht vor, welche am selben Tag beim Bundesverwaltungsgericht einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der obige Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
Nach dem am 23.12.2023 eingelangten Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Entrichtung des ORF-Beitrages teilte die OBS der BF mit, dass sie noch weitere Angaben bzw. Unterlagen zur weiteren Bearbeitung des Antrages benötigen würde.
Dabei handelt es sich um folgende weitere Angaben bzw. Unterlagen:
„• Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand), z.B.:
o Pflegegeldbescheid oder sonstiger Nachweis, dass Sie Pflegegeld beziehen.
o Bestätigung eines Gehörlosenvereins oder des fachärztlichen Attests über den Verlust des
Hörvermögens bzw. des Bescheids vom Bundessozialamt über den Grad der Gehörlosigkeit
o Letztgültige Pensions-Aufgliederung (gegebenenfalls auch Waisen- oder Witwenpension) oder im Fall einer sonstigen wiederkehrenden Leistung Kriegsopferrente, Heeresversorgungsrente, Opferfürsorgerente, Verbrechensopferrente oder Unfallrente
o Aktuelle Taggeldbestätigung bzw. aktuellen Bescheinigung des Arbeitsmarktservices.
o Bescheid einer Beihilfe nach dem Studienförderungsgesetz bzw. Schülerbeihilfengesetz.
o Nachweis über laufende Leistungen aus der Sozialhilfe, der freien Wohlfahrtspflege oder aus
sonstigen öffentlichen Mitteln wegen sozialer Bedürftigkeit.“ (Auszug aus dem Schreiben vom 04.03.2024)
Im Folgenden reichte die BF die Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe vom 12.01.2024 nach.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.05.2024 wies die OBS den gegenständlichen Antrag mangels Nachreichung von Unterlagen zum Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage zurück und forderte die BF zur fristgerechten Bezahlung des ORF-Beitrages auf.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, aus dem sich Verfahrensgang und Sachverhalt eindeutig ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
In der Aufforderung zur Beibringung weiterer Nachweise binnen einer Frist bei sonstiger Zurückweisung ist ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG zu sehen.
Zu Spruchpunkt A) Aufhebung des angefochtenen Bescheids:
Wird ein Antrag von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung [- maW die Frage der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Sachentscheidung -], siehe zB (VwGH 21.12.2022, Ra 2022/05/0145).
Dem Verwaltungsgericht ist es verwehrt, über diesen Rahmen hinaus in einer Entscheidung über die „Hauptsache“ vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrags und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (VwGH 09.03.2023, Ra 2020/07/0121).
Im vorliegenden Fall ist daher allein entscheidungswesentlich, ob die Zurückweisung des Antrags auf Befreiung wegen der Nichterbringung der mit dem Mängelbehebungsauftrag geforderten Nachweise zu Recht erfolgte.
Gemäß § 13 Abs 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht (sofort) zur Zurückweisung. Sie hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die Behörde kann nur dann nach § 13 Abs 3 AVG vorgehen, wenn das Anbringen einen Mangel aufweist (VwGH 16.04.2004, 2003/01/0032; 17.04.2012, 2008/04/0217), also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes (VwGH 28. 4. 2006, 2006/05/0010; 16.09.2009, 2008/05/0206) oder des AVG (VwGH 17.01.1997, 96/07/0184; 23.03.1999, 96/05/0297; VfSlg 13.047/1992) an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht (VwGH 29.04.2010, 2008/21/0302; 25.07.2013, 2013/07/0099; Fuss, ZfV 2000, 227 ff; vgl auch Rz 20; ferner Rz 41).
Hat die Behörde zu Unrecht die Mangelhaftigkeit eines Anbringens angenommen und hätte in der Sache entscheiden müssen, ist der ergangene Zurückweisungsbescheid inhaltlich rechtswidrig, unabhängig davon ob der Einschreiter nur eine teilweise (vgl VwGH 04.04.2002, 2000/06/0143) oder nur eine verspätete „Verbesserung“ (vgl VwGH 22.02.2002, 2001/02/0130) vornimmt (VwGH 28.04.2006, 2006/05/0010) oder diese gar nicht versucht (vgl VwGH 16.04.2004, 2003/01/0032; 10.11.2009, 2008/22/0939) oder ausdrücklich verweigert wird (vgl VwGH 23.03.2006, 2005/07/0022; ferner VwSlg 17.730 A/2009).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind von den (verbesserungsfähigen) Mängeln eines Anbringens im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG die Umstände zu unterscheiden, die die Erfolgsaussichten betreffen und die gegebenenfalls zur Abweisung führen. Ob es sich um einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG oder um eine Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch Auslegung der Bestimmungen der Materiengesetze zu ermitteln (vgl. VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0042, mwN).
Gemäß § 4a ORF-Beitrags-Gesetz 2024 sind vom ORF-Beitrag auf Antrag jene Beitragsschuldner zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung), BGBl. Nr. 170/1970, genannten Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen.
Die Bestimmungen der §§ 47 bis 49 der Fernmeldegebührenordnung, auf die § 4a ORF-Beitrags-Gesetz 2024 in Bezug auf die Voraussetzungen für die Befreiung verweist, enthalten nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Regelungen, wonach die Zulässigkeit eines Anbringens bei Nichtvorlage bestimmter Unterlagen nicht gegeben wäre. § 51 Abs. 1 Fernmeldegebührenordnung enthält die generelle Anordnung, dem verfahrenseinleitenden Antrag die gemäß § 50 Fernmeldegebührenordnung erforderlichen Nachweise anzuschließen. Angesichts der fehlenden Konkretisierung der vorzulegenden Belege oder Urkunden in § 50 leg.cit. stellt dies jedoch keine ausreichend ausdrückliche gesetzliche Anordnung dar, deren Nichtbeachtung einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG dazustellen vermag (vgl. VwGH 16.11.2022, Ra 2020/15/0040 mit Verweis auf VwGH 18.12.2017, Ro 2016/16/0042).
Im konkreten Fall bezog sich die Aufforderung der OBS an die BF im Schreiben vom 08.04.2024, wonach Unterlagen zum Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage nachzureichen seien, auf keine verbesserungsfähigen Mängel des verfahrenseinleitenden Antrags im Sinne des § 13 Abs 3 AVG.
Die OBS hätte folglich in der Sache zu entscheiden gehabt. Da die OBS den verfahrenseinleitenden Antrag auf Befreiung vom ORF-Beitrag jedoch zurückwies, ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
Sofern die BF in der Beschwerde vorbringt, den Antrag selbst aufgrund ihrer irrtümlichen Annahme, sie erfülle die Voraussetzungen für die Beihilfe nach dem Studienförderungsgesetz, nicht korrekt ausgefüllt, aufgrund ihres Irrtums über die Anspruchsvoraussetzungen für diese Beihilfe auch keinen entsprechenden Antrag gestellt und daher auch keinen negativen Bescheid über diese Beihilfe erhalten zu haben, bleibt dies ohne Einfluss auf die rechtliche Beurteilung, zumal nur über die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrags zu entscheiden ist, ohne eine inhaltliche Entscheidung in der Sache zu treffen.
Aufgrund der Aufhebung des angefochtenen Bescheids tritt das Verfahren in den Zustand vor Bescheiderlassung zurück. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die OBS hat - allenfalls nach Einholung von Unterlagen bei der BF - in der Sache inhaltlich zu entscheiden.
Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.
Da der angefochtene Bescheid schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung, sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor. Es war daher auch in diesem Punkt spruchgemäß zu entscheiden.