Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR Johann PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen die Befristung des am 05.08.2024 durch das Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, ausgestellten Behindertenpasses, beschlossen:
A.)
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B.)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) ist seit 11.11.1999 in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80%. Dieser Behindertenpass war dem BF unbefristet ausgestellt worden.
2. Am 6.7.2023 beantragte der BF beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) bzw. die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass.
3. Im Gefolge des Antrags des BF holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und kam Dr. L. M. mit Gutachten vom 21.2.2024 – näher begründet – zum Ergebnis, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Eine Einschätzung der Leiden des BF nach der Einschätzungsverordnung wurde nicht vorgenommen.
4. Im Rahmen eines ihm diesbezüglich vom SMS gewährten Parteiengehörs trat der BF mit Stellungnahme vom 7.3.2024 dem Gutachten vom 21.2.2024 insbesondere mit der Begründung entgegen, dass die festgestellte Gehleistung unzutreffend sei, er verwies auf diverse Befunde und beantragte eine neuerliche Begutachtung.
5. Daraufhin holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und kam Dr. B. G. in seinem Gutachten vom 31.7.2024 hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu folgendem Ergebnis: „Die Mobilität des Patienten ist aufgrund seiner Kniegelenksbeschwerden beidseits glaubhaft hochgradig eingeschränkt. Es kann eine Wegstrecke von 400m nicht aus eigener Kraft und ohne Pausen zurückgelegt werden. Es werden Gehbehelfe benötigt und es besteht Sturzgefahr. Es besteht eine Einschränkung der Standhaftigkeit. Dies insbesonders im Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt.“ Weiters wurde im Gutachten festgehalten: „Nachuntersuchung 11/2026 - weil Besserung der Mobilität nach geplanter Prothesen-Implantation beidseits möglich“.
Eine Einschätzung der Leiden des BF nach der Einschätzungsverordnung wurde nicht vorgenommen.
6. Mit Schreiben vom 1.8.2024 teilte das SMS dem BF mit, dass laut Ergebnis des Ermittlungsverfahrens festgestellt worden sei, dass die Voraussetzungen für folgende Zusatzeintragung vorliegen würden: „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“. Da eine Änderung eingetreten sei, werde ihm in den nächsten Tagen ein neuer Behindertenpass übermittelt. Der Behindertenpass werde mit 30.11.2026 befristet, weil nach diesem Zeitpunkt eine Überprüfung seines Gesundheitszustandes erforderlich sei.
7. Mit Schreiben vom 5.8.2024 übermittelte das SMS dem BF einen bis zum 30.11.2026 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80% und mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.
8. Mit Schreiben vom 18.8.2024 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Behindertenpass, die sich ausschließlich gegen die Befristung desselben richtet. In seiner Beschwerde brachte der BF vor, er habe seit 18.11.1999 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80%. Diese Einschätzung sei im gegenständlichen Gutachten nicht verändert worden bzw. sei gar keine neue Bewertung erfolgt; es sei nur eine zusätzliche Gehbehinderung und somit die Nichtbenützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt worden. Dies könne aber nicht zur Folge haben, dass sein rechtsgültiger, unbefristeter Behindertenpass vom 18.11.1999 jetzt zeitlich begrenzt werde. Die zeitliche Begrenzung beziehe sich laut ärztlichem Gutachten nur auf seine derzeitige Gehbehinderung und nicht auf seine übrigen Leiden. Aus den genannten Gründen sei es dem BF unverständlich, warum sein neuer Behindertenpass zur Gänze zeitlich befristet wurde und nicht nur im Hinblick auf die Gehbehinderung.
9. Am 2.9.2024 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass es EDV-technisch nicht möglich sei, die Zusatzeintragung alleine zu befristen; außerdem sei die Befristung durch den ärztlichen Sachverständigen medizinisch begründet worden („Besserung der Mobilität nach geplanter Prothesen-Implantation beidseits möglich - Termin zur Prothesen-Implantation ist bereits vereinbart“).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist seit 11.11.1999 in Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 80%. Dieser Behindertenpass war dem BF unbefristet ausgestellt worden.
Am 6.7.2023 beantragte der BF beim SMS die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass.
1.2. Im Gefolge seines Antrags ergab das vom SMS eingeholte Zweitgutachten von Dr. B. G. vom 31.7.2024, dass dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – derzeit – unzumutbar sei. Weiters wurde angeordnet: „Nachuntersuchung 11/2026 - weil Besserung der Mobilität nach geplanter Prothesen-Implantation beidseits möglich“. Eine Neueinschätzung des Grades der Behinderung des BF war nicht erfolgt.
1.3. Mit Schreiben vom 5.8.2024 übermittelte das SMS dem BF einen bis zum 30.11.2026 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80% und mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.
1.4. Mit der gegenständlichen Beschwerde wendet sich der BF ausschließlich gegen die Befristung des Behindertenpasses.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes. Die getroffenen Feststellungen gehen daraus unmittelbar hervor und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG lauten:
§ 1. […] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist […]
§ 41. […]
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
[…]
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3), der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 oder der Parkausweis für Menschen mit Behinderungen gemäß § 43 Abs. 1a eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. Der Behindertenpass ist kein Nachweis im Sinne des § 14 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung.
[…]
3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Gegenständlich tritt der BF mit seiner Beschwerde ausschließlich der Befristung des Behindertenpasses entgegen, welche im Zuge der Neuausstellung des Behindertenpasses anlässlich der – antragsgemäß durchgeführten - Vornahme einer Zusatzeintragung erfolgt war. Der Grad der Behinderung wurde nicht neu eingeschätzt und hat der BF im gesamten Verfahren auch niemals einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt bzw. niemals den eingetragenen Grad der Behinderung in Zweifel gezogen.
Zur vorliegenden Thematik hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 14.3.2024, Ro 2021/11/0008, wie folgt ausgeführt:
„In §§ 41 Abs. 2 und 45 Abs. 1 BBG werden […] explizit nur Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen sowie auf Einschätzung (und damit auch auf Neueinschätzung) des Grades der Behinderung genannt. Weder der Gesetzestext noch die Erläuterungen lassen erkennen, dass nach den genannten Bestimmungen andere Anträge an die belangte Behörde zulässig wären. Aus § 42 Abs. 2 BBG kann eine Ermächtigung der Behörde zur Befristung eines Behindertenpasses abgeleitet werden, aber kein Rechtsanspruch - und folglich auch kein Antragsrecht - auf Änderung oder Streichung einer eingetragenen Befristung, wenn sich deren Voraussetzungen ändern oder wegfallen. […] Die Behörde wird freilich Anträge auf Aufhebung einer Befristung zu prüfen und - etwa durch Rücksprache mit dem Antragsteller - zu ermitteln haben, ob damit nicht etwa ein iSd. §§ 41 Abs. 2 und 45 Abs. 1 BBG zulässiger Antrag […] gemeint ist. Ein ausdrücklich und unmissverständlich (bloß) auf Aufhebung der Befristung gestellter Antrag […] erweist sich jedoch als unzulässig und ist mangels Antragslegitimation zurückzuweisen.“
Der VwGH leitet somit aus dem BBG, insbesondere aus der Formulierung von § 41 Abs 2 und § 45 Abs 1 und 2 BBG, ab, dass kein Rechtsanspruch - und folglich auch kein Antragsrecht - auf Änderung oder Streichung einer Befristung besteht. Es besteht nach Ansicht des VwGH kein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Behindertenpasses, sondern nur - sofern die Voraussetzungen gegeben sind - auf Ausstellung des Behindertenpasses per se, und zwar mit dem korrekt eingeschätzten Grad der Behinderung und gegebenfalls unter Eintragung allfälliger Zusatzeintragungen, sofern die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Im Ergebnis verneint der VwGH damit aber auch die Zulässigkeit einer (nur) auf die Aufhebung der Befristung des Behindertenpasses gerichteten Beschwerde. Dies gilt auch für den gegenständlichen Fall, wenngleich hier das SMS eine Befristung des Behindertenpasses vorgenommen hat, ohne dass eine Änderung des seit 11.11.1999 unbefristet festgestellten Grades der Behinderung eingetreten ist. Die gegenständliche Beschwerde ist daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich maßgeblich auf das Erkenntnis des VwGH vom 14.3.2024, Ro 2021/11/0008.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da die Beschwerde zurückzuweisen ist.