JudikaturBVwG

W298 2262670-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
14. Januar 2025

Spruch

W298 2262670-1/10Z

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Mathias VEIGL als Vorsitzenden und die fachkundige Laienrichterin Mag. Gerda Ferch-Fischer und den fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Goricnik als Beisitzerin und Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Baker McKenzie Rechtsanwälte LLP Co KG, Schottenring 25, 1010 Wien gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX , GZ: XXXX (mitbeteiligte Partei: XXXX ), in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A) Das Verfahren wird bis zur Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof über die außerordentliche Revision vom XXXX gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.02.2023, GZ W245 2263552-1/20E, gemäß § 34 Abs 3 VwGVG ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

Verfahrensgegenstand:

Anfang Dezember 2021 hat das Amt der XXXX Landesregierung (in der Folge auch „Beschwerdeführer“) die mitbeteiligte Partei ( XXXX ) mit einem Schreiben über eine COVID-Schutzimpfung informiert („Impferinnerungsschreiben“). Dieses Schreiben enthielt Informationen über die COVID-Schutzimpfung sowie einen vorgeschlagenen Impfort und -termin. Für dieses Schreiben hat der Beschwerdeführer die Adressdaten der mitbeteiligten Partei aus dem Patientenindex sowie ihren Impfstatus aus dem zentralen Impfregister ermittelt.

Neben der mitbeteiligten Partei hat der Beschwerdeführer noch weiteren Personen mit Wohnsitz in XXXX ein Impferinnerungsschreiben übermittelt, sofern sie 18 Jahre alt waren und noch keine COVID-Schutzimpfung hatten.

I. Verfahrensgang:

Mit Datenschutzbeschwerde vom 13.12.2021 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Österreichischen Datenschutzbehörde (in der Folge auch „belangte Behörde“) die Feststellung einer Grundrechtsverletzung gemäß § 1 DSG, weil sie den Verdacht habe, dass dem Impferinnerungsschreiben eine unzulässige Weitergabe und Verarbeitung ihrer besonders geschützten persönlichen Gesundheitsdaten vorangegangen sei.

Mit dem im Spruch genannten Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei insoweit statt, als sie feststellte, dass der Beschwerdeführer die mitbeteiligte Partei dadurch in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt habe, indem er unrechtmäßig auf ihre Daten im zentralen Impfregister und im Patientenindex zugegriffen und diese Daten zum Zweck des Versands eines Schreibens mit Informationen betreffend einen Termin für eine Corona-Schutzimpfung verarbeitet habe.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer ohne Vorliegen einer tragenden gesetzlichen Grundlage auf die Daten der mitbeteiligten Partei im zentralen Impfregister zugegriffen habe. Daher sei auch die nachfolgende Datenverarbeitung durch den Beschwerdeführer rechtswidrig gewesen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers würden § 24d Abs. 2 Z 3 GTelG 2012, § 8 DSG sowie die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen keine Grundlage für die verfahrensgegenständlichen Datenverarbeitungen bieten. Die Anwendung des § 24d Abs. 2 Z 3 GTelG 2012 setze nämlich nach § 24d Abs. 1 Z 4 GTelG 2012 eine spezifische Zugriffsberechtigung gemäß § 24f Abs. 4 GTelG 2012 voraus, über die der Beschwerdeführer nicht verfügt habe.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde richtete sich die am XXXX fristgerecht erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragte, den bekämpften Bescheid dahingehend abzuändern, dass die verfahrenseinleitende datenschutzrechtliche Beschwerde zur Gänze abgewiesen werde. Begründend führte er aus, dass er in der pandemiebedingten Krisenzeit („harter Lockdown“) vom XXXX Landeshauptmann angewiesen worden sei, ein Impferinnerungsschreiben an die Einwohner XXXX in Entsprechung des Impfplans zu senden. Das Verwaltungshandeln des Beschwerdeführers sei daher dem Landeshauptmann zuzurechnen. Jedoch würden die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit und die Zurechnung des Verwaltungshandelns in diesem Fall – zulässigerweise – auseinanderfallen.

Der Landeshauptmann verfüge für den hier (vorwiegend) relevanten und zulässigen Zweck des Krisenmanagements nach § 24d Abs. 2 Z 5 GTelG 2012 gemäß § 24f Abs. 4 Z 6 lit. a GTelG 2012 über eine spezifische Zugriffsberechtigung, woraus sich die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Datenverarbeitung durch den Beschwerdeführer ergebe.

Der Beschwerdeführer könne sich darüber hinaus auf den Sondertatbestand des § 24d Abs. 2 Z 3 GTelG 2012 für Impferinnerungen stützen. Auch wenn für diesen Tatbestand niemandem eine spezifische Zugriffberechtigung nach § 24f Abs. 4 GTelG 2012 zukomme, sei das Fehlen einer Zugriffsberechtigung nicht als absolutes Verbot zu sehen. Die Datenverarbeitung sei darüber hinaus auch durch § 8 DSG gerechtfertigt.

Die Abfrage im Patientenindex sei erfolgt, um die aktuelle Wohnadresse der betroffenen Personen zu ermitteln, um zu gewährleisten, dass die Impferinnerungsschreiben an die richtige Anschrift gesendet werden. Dahingehend sei der Zugriff zur Überprüfung der eindeutigen Identität natürlicher Personen durchgeführt worden und rechtmäßig gewesen. Sie sei darüber hinaus auch durch § 8 DSG gerechtfertigt.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte die Beschwerde abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II. 1. Feststellungen:

II.1.1. Zu den Aussetzungsvoraussetzungen:

Dem verfahrensgegenständlichen Verfahren liegt im Wesentlichen derselbe Sachverhalt im Zusammenhang mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Patientenindex sowie im zentralen Impfregister wie im Verfahren W245 2263552-1 zugrunde.

In der außerordentlichen Revision vom 21.03.2023 gegen das Erkenntnis des BVwG vom 07.02.2023, GZ W245 2263552-1/20E wurde insbesondere eine unrichtige Qualifikation des Beschwerdeführers als (datenschutzrechtlicher) Verantwortlicher geltend gemacht. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Beschwerdeführer auf seine mangelnde Rechts- und Vermögensfähigkeit, auf eine unrichtige Qualifikation seines faktischen Einflusses sowie auf eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungskonformität des § 2 XXXX Datenverarbeitungsgesetzes. Ferner machte der Beschwerdeführer geltend, dass er im Auftrag des Landeshauptmannes zulässig auf das Impfregister und den Patientenindex zugegriffen hat.

Das Revisionsverfahren zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.02.2023, GZ W245 2263552-1/20E, ist zur Zeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig, der dazu mit Beschluss vom 23.08.2023, Ra 2023/04/0024, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH stellte.

Im Bundesverwaltungsgericht sind dahingehend rund 750 Verfahren anhängig.

II. 2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zu den Aussetzungsvoraussetzungen:

Die dahingehenden Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und das Erkenntnis des BVwG vom 07.02.2023, GZ W245 2263552-1/20E sowie die dagegen erhobene außerordentliche Revision vom 21.03.2023.

Die Feststellung, dass im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, ergibt sich daraus, dass im verfahrensgegenständlichen Verfahren und im Verfahren W245 2263552-1 inhaltlich übereinstimmende Beschwerden an die belangte Behörde vorliegen. Ferner liegen in beiden Verfahren gleichlautende Bescheide und Bescheidbeschwerden vor.

Die Anzahl der im Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren ergibt sich aus einer Nachschau in der Aktenübersicht.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zur Zuständigkeit:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Die Aussetzung des Verfahrens ist ein nicht bloß verfahrensleitender Beschluss (vgl VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0119). Daher ist diese Angelegenheit von einem Senatsbeschluss erfasst (§ 27 Abs 1 DSG; § 9 Abs 1 1. und 2. Satz BVwGG).

I.3.2. Zu Spruchpunkt A) – Aussetzung des Verfahrens:

II.3.2.1. Zur Rechtslage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren:

§ 34 Abs. 3 VwGVG – Entscheidungspflicht – lautet:

Das Verwaltungsgericht kann ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

II.3.2.2. Vor diesem Hintergrund ergibt sich für die Beschwerdesache Folgendes:

Aus den Erläuterungen (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP , 8) zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist daher, aus Gründen der Prozessökonomie, zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren.

Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleiche Rechtsfrage strittig ist, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Anm 14 zu § 34 VwGVG).

Beim Bundesverwaltungsgericht sind zum Themenkomplex „Impferinnerungsschreiben“ über 750 Bescheidbeschwerden des Beschwerdeführers in unterschiedlichen Gerichtsabteilungen anhängig. Damit liegt jedenfalls eine erhebliche Anzahl an Verfahren im Sinne des § 34 Abs. 3 VwGVG vor. Das gegenständliche Verfahren ist eines dieser Verfahren.

Beschwerdegegenständlich ist jeweils grundsätzlich die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht auf das zentrale Impfregister und den Patientenindex zugegriffen hat, um den Impfstatus von Personen über 18 Jahren, die über einen Wohnsitz in XXXX verfügen, zu ermitteln, um ihnen ein persönlich adressiertes Impferinnerungsschrieben mit einem Terminvorschlag zu einem Termin für eine Impfung gegen COVID-19 zu senden. Diese Frage ist auch Gegenstand der Revision des Beschwerdeführers. Er machte geltend, dass er im Auftrag des Landeshauptmannes zulässig auf das Impfregister und den Patientenindex zugegriffen hat.

Im Vergleich zum behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer nunmehr in seiner Revision eine unrichtige Qualifikation seiner (datenschutzrechtlichen) Verantwortlichkeit geltend. In diesem Zusammenhang bezieht sich der Beschwerdeführer auf seine mangelnde Rechts- und Vermögensfähigkeit, auf eine unrichtige Qualifikation seines faktischen Einflusses sowie auf eine Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verfassungskonformität des § 2 Abs. 1 XXXX Datenverarbeitungsgesetzes.

Zu diesen Rechtsfragen fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und sie ist wesentlicher Gegenstand der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des BVwG vom 07.02.2023, GZ W245 2263552-1/20E.

Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Der maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. Daher konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.