JudikaturBVwG

W221 2258852-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2025

Spruch

W221 2258852-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU, gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.12.2024 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 15.11.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 16.11.2021 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Befragt zu seinen Fluchtgründen, gab dieser an, er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, weil die Al-Shabaab ihn rekrutieren habe wollen, was seine Eltern jedoch nicht gewollt hätten. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.

Am 27.04.2022 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die somalische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei aufgrund seiner Clanzugehörigkeit beschimpft und diskriminiert worden. „Man“ habe die Heirat seiner Eltern bereits verhindern wollen, durch die Unterstützung eines Großvaters sei ein Leben im Herkunftsort jedoch problemlos möglich gewesen. Erst durch das Ableben dieses Großvaters hätten die familiären Probleme begonnen, welche darin bestanden hätten, dass die Familie der Mutter den Beschwerdeführer und seine Familie aufgefordert habe, das Haus des verstorbenen Großvaters zu verlassen bzw. das diesbezügliche Grundstück aufzugeben. Davon abgesehen habe die Al-Shabaab den Beschwerdeführer bei ihm zuhause einmal aufgesucht, ihn mitgenommen, eingesperrt, geohrfeigt und nach einem Tag wieder freigelassen.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 22.07.2022 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das BFA traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Somalia, stellte die Identität der Beschwerdeführerinnen nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer unglaubwürdig sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurden im Wesentlichen mangelhafte Ermittlungen, mangelhafte Länderfeststellungen, die mangelhafte Beweiswürdigung und die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides geltend gemacht.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 29.08.2022 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 11.09.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W186 abgenommen und der Gerichtsabteilung W221 zugewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.12.2024 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde und ihm Gelegenheit gegeben wurde, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, gehört dem Clan der Silcis an, welcher zum Hauptclan der Hawiye gehört, und bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Der Beschwerdeführer hat in Somalia mehrere Jahre die Schule besucht und drei Jahre lang die Tiere der Familie gehütet.

Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX in der Region Galgaduud und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Somalia.

Der Beschwerdeführer reiste Anfang 2021 mit einem Reisepass legal aus Somalia in die Türkei aus, reiste über mehrere Länder unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 15.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ausreise hat etwa 3.000 US-Dollar gekostet.

Der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie, bestehend aus seinem Vater, seiner Mutter und seinen Geschwistern, wurden nach dem Tod des Großvaters mütterlicherseits des Beschwerdeführers von Familienangehörigen mütterlicherseits des Beschwerdeführers nicht aus einem Eigentumshaus vertrieben, der Vater des Beschwerdeführers ist aufgrund dessen nicht nach Ceelbuur verzogen, der Beschwerdeführer, seine Mutter und seine Geschwister sind deswegen nicht in eine selbstgebaute Hütte auf einem fremden Grundstück gezogen und die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers sind vor kurzem nicht von Angehörigen des Clans der Mutter des Beschwerdeführers aus XXXX vertrieben worden und zum Vater des Beschwerdeführers nach Ceelbuur gezogen. Mit Ausnahme einer Schwester, welche sich aktuell in Mogadischu aufhält, lebt die genannte Kernfamilie des Beschwerdeführers damit weiterhin im Eigentumshaus in XXXX .

Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine wie auch immer geartete Gefahr durch seine Familienangehörigen mütterlicherseits oder durch Clanangehörige der Familie mütterlicherseits.

Der Beschwerdeführer hat in Somalia bisher keine wesentlichen Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit erfahren. Solche würden ihm auch im Falle einer Rückkehr nach Somalia nicht drohen.

Der Beschwerdeführer war in Somalia keinem Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab ausgesetzt und ihm droht auch im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aus dem Länderinformationsblatt Somalia der Staatendokumentation, Stand: 08.01.2024

„Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

[…]

Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug)

Generell hat die Regierung von Galmudug die Kontrolle über die Städte Dhusamareb, Cadaado, Matabaan und Cabudwaaq. Die Städte Dhusamareb und Guri Ceel sind weitgehend frei von al Shabaab. In Dhusamareb befindet sich das Hauptquartier einer Division der Bundesarmee sowie eine Garnison von ATMIS-Truppen aus Dschibuti; letztere soll allerdings mittelfristig abgezogen werden. Die Städte Cadaado und Galkacyo können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden (BMLV 1.12.2023). Zwei Quellen der FFM Somalia 2023 bezeichnen Dhusamareb als sicher (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023; vgl. UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Ende August 2023 ist es in mehreren Städten von Galmudug (u.a. in Galkacyo, Guri Ceel, Cabudwaaq und Balanbaale) zu öffentlichen Demonstrationen gegen al Shabaab und in Unterstützung der Regierungsoffensive gekommen (Halqabsi 28.8.2023).

[…]

Gebietskontrolle und al Shabaab: Cadaado, Dhusamareb, Cabudwaaq, Hobyo, Xaradheere und Ceel Dheere befinden sich unter Kontrolle von ATMIS und/oder Regierungstruppen (PGN 23.1.2023). Al Shabaab wurde von der Hauptverbindungsroute Belet Weyne - Dhusamareb abgedrängt und auch von der Küste und aus den Orten Ceel Huur, Hobyo und Xaradheere verdrängt. Ceel Dheere, Galcad und Xaradheere wurden alle am 16.1.2023 von Regierungskräften eingenommen (BMLV 9.2.2023). Allerdings fielen Ceel Dheere, Galcad und Ceel Buur danach wieder an al Shabaab (BMLV 1.12.2023).

Im Zentrum der Region Mudug (westlich der Linie Wisil - Miroon bzw. südlich der Achse Baxdo - Dhusamareb befinden sich noch Räume von al Shabaab. Gleiches gilt in Galgaduud für die Gebiete im Nordwesten der gedachten Linie Ceel Dheere - Galcad - Maxaas. Der Großraum Ceel Buur bis Xiindheere gilt als Gebiet der al Shabaab (BMLV 1.12.2023). Die Kontrolle von al Shabaab beschränkt sich damit auf den Bezirk und die Stadt Ceel Buur sowie auf Teile der Bezirke Ceel Dheere und Xaradheere (PGN 23.1.2023; vgl. BMLV 1.12.2023).

Galkacyo: Puntland und Galmudug haben im Juni 2020 eine Einigung erzielt, um vergangene Streitpunkte beizulegen (PGN 10.2020). Die Sicherheitslage in Galkacyo hat sich seit Anfang 2021 stabilisiert. Generell hat sich die Kooperation zwischen den Verwaltungen und Sicherheitskräften von Galmudug und Puntland wesentlich verbessert, dadurch konnten auch Mitglieder der al Shabaab in Galkacyo aufgespürt und verhaftet werden. Ob al Shabaab in Galkacyo Steuern eintreibt, ist unklar; es kommt sehr selten zu Attentaten. Die Gruppe hat dort an Kraft eingebüßt und konnte weder im Nord- noch im Südteil der Stadt die Unterstützung der Bevölkerung mobilisieren (BMLV 9.2.2023).

[…]

Al Shabaab

Al Shabaab ist mit al-Qaida affiliiert (THLSC 20.3.2023) und wird häufig und korrekterweise als die größte zu al-Qaida zugehörige Gruppe bezeichnet (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023). Die Gruppe weist eine stärkere innere Kohärenz auf als die Bundesregierung und einige der Bundesstaaten. Al Shabaab nutzt erfolgreich lokale Missstände, um taktische Allianzen zu schmieden und Kämpfer zu rekrutieren (Sahan/SWT 27.3.2023). Die Gruppe erkennt die Bundesregierung nicht als legitime Regierung Somalias an (UNSC 10.10.2022) und lehnt die gesamte politische Ordnung Somalias, die sie als unislamisch bezeichnet, ab (Sahan/SWT 9.6.2023). Al Shabaab wendet eine Strategie des asymmetrischen Guerillakriegs an, die bisher sehr schwer zu bekämpfen war. Zudem bietet die Gruppe in den Gebieten unter ihrer Kontrolle Sicherheit und eine grundlegende Regierungsführung (Sahan/SWT 27.3.2023).

Al Shabaab ist eine mafiöse Organisation, die Schutzgelder im Austausch für Sicherheits-, Sozial- und Finanzdienstleistungen verlangt. Ihre konsequente Botschaft ist, dass die Alternative - die Bundesregierung - eigennützig und unzuverlässig ist (Sahan/SWT 25.8.2023). Die Gruppe ist weiterhin eine gut organisierte und einheitliche Organisation mit einer strategischen Vision: die Eroberung Somalias (BMLV 9.2.2023) bzw. die Durchsetzung ihrer eigenen extremen Interpretation des Islams und der Scharia in "Großsomalia" (USDOS 15.5.2023) und der Errichtung eines islamischen Staates in Somalia (CFR 6.12.2022). Al Shabaab ist eine tief verwurzelte, mafiöse Organisation, die in fast allen Facetten der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik integriert ist (GITOC/Bahadur 8.12.2022). Die Gruppe ist vermutlich die reichste Rebellenbewegung in Afrika (Sahan/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 finanziert al Shabaab die al-Qaida - und nicht anders herum (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Ausländische Kämpfer haben nur noch einen begrenzten Einfluss in der Gruppe; und die Beziehungen zur al-Qaida haben sich nachhaltig geändert (Researcher/STDOK/SEM 4.2023). Der Anführer von al Shabaab ist Ahmed Diriye alias Sheikh Ahmed Umar Abu Ubaidah (BBC 15.6.2023). Al I'ttisam gilt als ideologischer Bruder von al Shabaab (Sahan/Bacon/Guiditta 7.8.2023).

Al Shabaab kontrolliert auch weiterhin den größeren Teil Süd-/Zentralsomalias (BMLV 9.2.2023; vgl. Rollins/HIR 27.3.2023) und übt auf weitere Teile, wo staatliche Kräfte die Kontrolle haben, Einfluss aus. Nachdem al Shabaab in den vergangenen zehn Jahren weiter Gebiete verlustig ging, hat sich die Gruppe angepasst. Ohne Städte physisch kontrollieren zu müssen, übt al Shabaab durch eine Mischung aus Zwang und administrativer Effektivität dort Einfluss und Macht aus (BMLV 9.2.2023). Gleichzeitig ist die Zahl der unter direkter Kontrolle von al Shabaab lebenden Menschen laut einer (anonymen) Quelle drastisch zurückgegangen. Früher lebten noch rund eine Million Menschen in deren Gebieten, heute sind es - v.a. aufgrund von Abwanderungen und Flucht im Rahmen der Dürre - noch etwa 500.000 (AQ21 11.2023).

[…]

Gebiete: Al Shabaab verfügt weiterhin über ein starkes Hinterland (AQ21 11.2023). Die Gruppe wurde zwar aus den meisten Städten vertrieben, bleibt aber auf dem Land in herausragender Position bzw. hat sie dort eine feste Basis. Zudem schränkt sie regionale sowie Kräfte des Bundes auf städtischen Raum ein, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, sich zwischen den Städten frei zu bewegen (BMLV 1.12.2023). Al Shabaab kontrolliert Gebiete in den Regionen Lower Juba und Gedo (Jubaland); Bakool, Bay und Lower Shabelle (SWS); Hiiraan und – in sehr geringem Maße - Middle Shabelle (HirShabelle); Galgaduud und - in sehr geringem Maße - Mudug (Galmudug). Die Region Middle Juba wird zur Gänze von al Shabaab kontrolliert (PGN 23.1.2023; vgl. BMLV 1.12.2023).

[…]

Wehrdienst und Rekrutierungen (durch den Staat und Dritte)

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

[…]

(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten

[…]

Kindersoldaten - al Shabaab: Al Shabaab ist weniger an die Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von 8-12-jährigen Kindern interessiert. Diese sind leichter zu indoktrinieren und formbarer (Sahan 6.5.2022). Al Shabaab rekrutiert und entführt auch weiterhin Kinder (UNSC 10.10.2022, Abs. 127; vgl. ÖB 11.2022, S. 6; HRW 13.1.2022). Alleine im Zeitraum Jänner bis März 2022 sind 177 derartige Fälle bekannt (UNSC 10.10.2022, Abs. 127). Die Gruppe entführt systematisch Kinder von Minderheitengruppen (BS 2022, S. 19). Al Shabaab führt u. a. Razzien gegen Schulen, Madrassen und Moscheen durch (USDOS 12.4.2022, S. 17). Es gibt Berichte über Gruppenentführungen aus Madrassen heraus. So sind etwa bei zwei Vorfällen in Bay und Hiiraan im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 35 Buben entführt und zwangsrekrutiert worden (UNSC 6.10.2021). Außerdem indoktriniert und rekrutiert al Shabaab Kinder gezielt in Schulen (USDOS 12.4.2022, S. 17; vgl. UNSC 6.10.2021; ÖB 11.2022, S. 6). Al Shabaab betreibt eigene Schulen mit eigenem Curriculum. Die besten Schüler werden einer höheren Bildung zugeführt, während der große Rest in Ausbildungslager der Gruppe gebracht wird (VOA 16.11.2022).

Manchmal werden Clanälteste bedroht und erpresst, damit Kinder an die Gruppe abgegeben werden (USDOS 12.4.2022, S. 17). Es wird mitunter auch Gewalt angewendet, um von Gemeinden und Ältesten junge Rekruten zu erpressen (BS 2022, S. 19). In den Gebieten unter ihrer Kontrolle verlangt al Shabaab von Familien, dass sie einen oder zwei ihrer Buben in ihre Ausbildungslager schicken. Familien, die sich weigern, müssen mit Bußgeldern rechnen; manchmal werden sie auch mit Strafverfolgung oder Schlimmerem bedroht. Manche Familien schicken ihre Buben weg, damit sie einer Rekrutierung entgehen (Sahan 6.5.2022). Knapp die Hälfte der Kinder wird mittels Gewalt und Entführung rekrutiert, die andere durch Überzeugung der Eltern, Ältesten oder der Kinder selbst (AA 28.6.2022, S. 17). Die Methoden unterscheiden sich jedenfalls. So wurde beispielsweise ein Fall dokumentiert, wo im Gebiet um Xudur (Bakool) al Shabaab in manchen Dörfern die „freiwillige“ Übergabe von Kindern zwischen 12 und 15 Jahren forderte, während in anderen Dörfern Kinder zwangsweise rekrutiert wurden. Zudem sind Clans unterschiedlich stark betroffen. So berichten etwa die Hadame [Rahanweyn], dass immer wieder Kinder von al Shabaab zwangsrekrutiert worden sind - z.B. im Feber 2021 (UNSC 6.10.2021). Insgesamt bleibt die freiwillige oder Zwangsrekrutierung von Kindern aber unüblich und hauptsächlich auf jene Gebiete beschränkt, wo al Shabaab am stärksten ist (Sahan 6.5.2022). Nach Angaben einer Quelle entführt al Shabaab aber systematisch Kinder von Minderheitengruppen. Auch Mädchen werden für Zwangsehen mit Al-Shabaab-Kämpfern entführt (ÖB 11.2022, S. 6).

Aus Lagern oder anderen Einrichtungen der al Shabaab können Kinder nur mit Schwierigkeit entkommen. Die Kinder sind dort brutalem physischen und psychischen Stress ausgesetzt, die der Folter nahekommen; sie sollen gebrochen werden (Sahan 6.5.2022). In Lagern werden Kinder einer grausamen körperlichen Ausbildung unterzogen. Sie erhalten keine adäquate Verpflegung, dafür aber eine Ausbildung an der Waffe, physische Strafen und religiöse Indoktrination. Kinder werden gezwungen, andere Kinder zu bestrafen oder zu exekutieren. Eingesetzt werden Kinder etwa als Munitions- und Versorgungsträger, zur Spionage, als Wachen; aber auch zur Anbringung von Sprengsätzen, in Kampfhandlungen und als Selbstmordattentäter (USDOS 12.4.2022, S. 17). Mädchen werden auf eine Ehe vorbereitet, manchmal aber auch auf Selbstmordmissionen. Armeeeinheiten - wie Danab - haben immer wieder Operationen unternommen, um Kinder aus solchen Ausbildungslagern zu befreien (6.5.2022 Sahan).

[…]

(Zwangs-)Rekrutierung: Hauptrekrutierungsbereich von al Shabaab ist Süd-/Zentralsomalia (ÖB 11.2022, S. 6). Die meisten Rekruten stammen aus ländlichen Gebieten – v. a. in Bay und Bakool. Bei den meisten neuen Rekruten handelt es sich um Kinder, die das Bildungssystem der al Shabaab durchlaufen haben, was wiederum ihre Loyalität zur Gruppe fördert (HI 12.2018, S. 1). Etwa 40 % der Fußsoldaten von al Shabaab stammen aus den Regionen Bay und Bakool (Marchal 2018, S. 107). Die Mirifle (Rahanweyn) konstituieren hierbei eine Hauptquelle an Fußsoldaten (EASO 9.2021c, S. 18). Bei den meisten Fußsoldaten, die aus Middle Shabelle stammen, handelt es sich hingegen um Angehörige von Gruppen mit niedrigem Status, z. B. Bantu (Ingiriis 2020). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022).

Direkter Zwang wird bei einer Rekrutierung in der Praxis nur selten angewendet (Ingiriis 2020), jedenfalls nicht strategisch und nur eingeschränkt oder unter spezifischen Umständen (Marchal 2018, S. 92). Alle Wehrfähigen bzw. militärisch Ausgebildeten innerhalb eines Bereichs auf dem von al Shabaab kontrollierten Gebiet sind als territoriale „Dorfmiliz“ verfügbar und werden als solche auch eingesetzt, z.B. bei militärischen Operationen im Bereich oder zur Aufklärung (BMLV 9.2.2023). Wenn al Shabaab ein Gebiet besetzt, dann verlangt es von lokalen Clanältesten die Zurverfügungstellung von bis zu mehreren Dutzend – oder sogar hundert – jungen Menschen oder Waffen (Marchal 2018, S. 105). Insgesamt handelt es sich bei Rekrutierungsversuchen aber oft um eine Mischung aus Druck oder Drohungen und Anreizen (FIS 7.8.2020, S. 18; vgl. ICG 27.6.2019, S. 2). Knapp ein Drittel der in einer Studie befragten al Shabaab-Deserteure gab an, dass bei ihrer Rekrutierung Drohungen eine Rolle gespielt haben. Dies kann freilich insofern übertrieben sein, als Deserteure dazu neigen, die eigene Verantwortung für begangene Taten dadurch zu minimieren (Khalil 1.2019, S. 14). Al Shabaab agiert sehr situativ. So kommt Zwang etwa zur Anwendung, wenn die Gruppe in einem Gebiet nach einem verlustreichen Gefecht schnell die Reihen auffüllen muss (ACCORD 31.5.2021, S. 36/40). Generell kommen Zwangsrekrutierungen ausschließlich in Gebieten unter Kontrolle von al Shabaab vor. So gibt es etwa in Mogadischu keine Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab (BMLV 9.2.2023; vgl. FIS 7.8.2020, S. 17f). Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)rekrutierung zu entziehen (BMLV 9.2.2023). Laut dem Experten Marchal rekrutiert al Shabaab zwar in Mogadischu; dort werden aber Menschen angesprochen, die z. B. ihre Unzufriedenheit oder ihre Wut über AMISOM bzw. ATMIS oder die Regierung äußern (EASO 9.2021c, S. 21).

[…]

Eine Rekrutierung kann viele unterschiedliche Aspekte umfassen: Geld, Clan, Ideologie, Interessen – und natürlich auch Drohungen und Gewalt (EASO 9.2021c, S. 21). Al Shabaab versucht, junge Männer durch Überzeugungsarbeit, ideologische und religiöse Beeinflussung und finanzielle Versprechen anzulocken. Jene, die arbeitslos, arm und ohne Aussicht sind, können, trotz fehlendem religiösem Verständnis, auch schon durch kleine Summen motiviert werden. Für manche Kandidaten spielen auch Rachegefühle gegen Gegner von al Shabaab eine Rolle (FIS 7.8.2020, S. 17; vgl. Khalil 1.2019, S. 33). Bei manchen spielt auch Abenteuerlust eine Rolle (Khalil 1.2019, S. 33). Etwa zwei Drittel der Angehörigen von al Shabaab sind der Gruppe entweder aus finanziellen Gründen beigetreten, oder aber aufgrund von Kränkungen in Zusammenhang mit Clan-Diskriminierung oder in Zusammenhang mit Misshandlungen und Korruption seitens lokaler Behörden (Felbab 2020, S. 120f). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 52 % der höheren Ränge der Gruppe aus religiösen Gründen beigetreten waren, bei den Fußsoldaten waren dies nur 15 % (Botha 2019). Ökonomische Anreize locken insbesondere Jugendliche, die oft über kein (regelmäßiges) Einkommen verfügen (SIDRA 6.2019a, S. 4). Von Deserteuren wurde der monatliche Sold für verheiratete Angehörige der Polizei und Armee von al Shabaab mit 50 US-Dollar angegeben; Unverheiratete erhielten nur Gutscheine oder wurden in Naturalien bezahlt. Jene Angehörigen von al Shabaab, welche höherbewertete Aufgaben versehen (Kommandanten, Agenten, Sprengfallenhersteller, Logistiker und Journalisten) verdienen 200-300 US-Dollar pro Monat; allerdings erfolgen Auszahlungen nur inkonsequent (Khalil 1.2019, S. 16). Nach neueren Angaben verdienen Fußsoldaten und niedrige Ränge 60-100 US-Dollar, Finanzbedienstete z. B. 250 US-Dollar im Monat (UNSC 10.10.2022, Abs. 52). Gemäß somalischen Regierungsangaben erhalten neue Rekruten 30 US-Dollar im Monat, ein ausgebildeter Fußsoldat oder ein Fahrer 70 US-Dollar; den höchsten Sold erhält demnach mit 25.000 US-Dollar der Emir selbst (FGS 2022, S. 99). Feldforschung unter ehemaligen Mitgliedern von al Shabaab hat ergeben, dass 84 % der Fußsoldaten und 31 % der höheren Ränge überhaupt nicht bezahlt worden sind (Botha 2019).

[…]

Verweigerung: Üblicherweise richtet al Shabaab ein Rekrutierungsgesuch an einen Clan oder an ganze Gemeinden und nicht an Einzelpersonen. Diese "Vorschreibung" - also wieviele Rekruten ein Dorf, ein Gebiet oder ein Clan stellen muss - erfolgt üblicherweise jährlich, und zwar im Zuge der Vorschreibung anderer jährlicher Abgaben. Die meisten Rekruten werden über Clans rekrutiert. Es wird also mit den Ältesten über neue Rekruten verhandelt. Dabei wird mitunter auch Druck ausgeübt. Kommt es bei diesem Prozess zu Problemen, dann bedeutet das nicht notwendigerweise ein Problem für den einzelnen Verweigerer, denn die Konsequenzen einer Rekrutierungsverweigerung trägt üblicherweise der Clan. Damit al Shabaab die Verweigerung akzeptiert, muss eine Form der Kompensation getätigt werden. Entweder der Clan oder das Individuum zahlt, oder aber die Nicht-Zahlung wird durch Rekruten kompensiert. So gibt es also für Betroffene manchmal die Möglichkeit des Freikaufens (BMLV 9.2.2023). Eltern versuchen, durch Geldzahlungen die Rekrutierung ihrer Kinder zu verhindern (UNSC 10.10.2022, Abs. 127). Diese Wahlmöglichkeit ist freilich nicht immer gegeben. In den Städten liegt der Fokus von al Shabaab eher auf dem Eintreiben von Steuern, in ländlichen Gebieten auf der Aushebung von Rekruten (BMLV 9.2.2023).

Sich einer Rekrutierung zu entziehen ist möglich, aber nicht einfach. Die Flucht aus von al Shabaab kontrolliertem Gebiet gestaltet sich mit Gepäck schwierig, eine Person würde dahingehend befragt werden (NLMBZ 1.12.2021, S. 18). Trotzdem schicken Eltern ihre Kinder mitunter in von der Regierung kontrollierte Gebiete – meist zu Verwandten (UNSC 10.10.2022, Abs. 127).

Es besteht die Möglichkeit, dass einem Verweigerer bei fehlender Kompensationszahlung die Exekution droht. Insgesamt finden sich allerdings keine Beispiele dafür, wo al Shabaab einen Rekrutierungsverweigerer exekutiert hat (BMLV 9.2.2023). Ein Experte erklärt, dass eine einfache Person, die sich erfolgreich der Rekrutierung durch al Shabaab entzogen hat, nicht dauerhaft und über weite Strecken hin verfolgt wird (ACCORD 31.5.2021, S. 40). Stellt allerdings eine ganze Gemeinde den Rekrutierungsambitionen von al Shabaab Widerstand entgegen, kommt es mitunter zu Gewalt (BMLV 9.2.2023; vgl. UNSC 28.9.2020, Annex 7.2).

[…]

Minderheiten und Clans

Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, S. 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, S. 10). Selbst relative starke Clans können von einem lokalen Rivalen ausmanövriert werden, und es kommt zum Verlust der Kontrolle über eine Stadt oder eine regionale Verwaltung. Meist ist es die zweitstärkste Lineage in einem Bezirk oder einer Region, welche über die Verteilung von Macht und Privilegien am unglücklichsten ist (Sahan 30.9.2022).

Clanälteste dienen als Vermittler zwischen Staat und Gesellschaft. Sie werden nicht einfach aufgrund ihres Alters gewählt. Autorität und Führungsposition werden verdient, nicht vererbt. Ein Clanältester repräsentiert seine Gemeinschaft, ist ihr Interessenvertreter gegenüber dem Staat. Innerhalb der Gemeinschaft dienen sie als Friedensstifter, Konfliktvermittler und Wächter des Xeer. Bei Streitigkeiten mit anderen Clans ist der Clanälteste der Verhandler. Al Shabaab installiert oft Älteste, welche die Gruppe repräsentieren. Er wird so zum Bindeglied zwischen der Gemeinschaft und al Shabaab. So werden zuvor legitime Strukturen in Geiselhaft genommen (Sahan 26.10.2022).

In ganz Somalia sehen sich Menschen, die keinem der großen Clans angehören, in der Gesellschaft signifikant benachteiligt. Dies gilt etwa beim Zugang zur Justiz (UNHCR 22.12.2021, S. 56) und für ökonomische sowie politische Partizipation (UNHCR 22.12.2021, S. 56; vgl. BS 2022, S. 23). Minderheiten und berufsständische Kasten werden in mindere Rollen gedrängt - trotz des oft sehr relevanten ökonomischen Beitrags, den genau diese Gruppen leisten (BS 2022, S. 23). Mitunter kommt es auch zu physischer Belästigung (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Insgesamt ist allerdings festzustellen, dass es hinsichtlich der Vulnerabilität und Kapazität unterschiedlicher Minderheitengruppen signifikante Unterschiede gibt (UNOCHA 14.3.2022).

Recht: Die Übergangsverfassung und Verfassungen der Bundesstaaten verbieten die Diskriminierung und sehen Minderheitenrechte vor (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Weder das traditionelle Recht (Xeer) (SEM 31.5.2017, S. 42) noch Polizei und Justiz benachteiligen Minderheiten systematisch. Faktoren wie Finanzkraft, Bildungsniveau oder zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren (SEM 31.5.2017, S. 42; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Allerdings sind Angehörige von Minderheiten in staatlichen Behörden unterrepräsentiert und daher misstrauisch gegenüber diesen Einrichtungen (ÖB 11.2022, S. 4). Von Gerichten Rechtsschutz zu bekommen, ist für Angehörige von Minderheiten noch schwieriger als für andere Bevölkerungsteile (FIS 7.8.2020, S. 21). Auch im Xeer sind Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017, S. 31). Weiterhin ist es für Minderheitsangehörige aber möglich, sich im Rahmen formaler Abkommen einem andern Clan anzuschließen bzw. sich unter Schutz zu stellen. Diese Resilienz-Maßnahme wurde von manchen Gruppen etwa angesichts der Hungersnot 2011 und der Dürre 2016/17 angewendet (DI 6.2019, S. 11). Aufgrund dieser Allianzen werden auch Minderheiten in das Xeer-System eingeschlossen. Wenn ein Angehöriger einer Minderheit, die mit einem großen Clan alliiert ist, einen Unfall verursacht, trägt auch der große Clan zu Mag/Diya (Kompensationszahlung) bei (SEM 31.5.2017, S. 33). Gemäß einer Quelle haben schwächere Clans und Minderheiten trotzdem oft Schwierigkeiten – oder es fehlt überhaupt die Möglichkeit – ihre Rechte im Xeer durchzusetzen (LIFOS 1.7.2019, S. 14).

Angehörige von Minderheiten stehen vor Hindernissen, wenn sie Identitätsdokumente erhalten wollen - auch im Falle von Reisepässen (UNHCR 22.12.2021, S. 58).

Politik: Politische Repräsentation, politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament sind um die verschiedenen Clans bzw. Subclans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darod, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren - und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel (ÖB 11.2022, S. 3). Dies bedeutet, dass den vier großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zusteht, während kleinere Clans und Minderheitengruppen gemeinsam nur die Hälfte dieser Sitze erhalten (ÖB 11.2022, S. 3; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 31f; FH 2022a, B4). Dadurch werden kleinere Gruppen politisch marginalisiert (FH 2022a, B4). Sie werden von relevanten politischen Posten ausgeschlossen und die wenigen Angehörigen von Minderheiten, die solche Posten halten, haben kaum die Möglichkeit, sich für ihre Gemeinschaften einzusetzen (SPC 9.2.2022). So ist also selbst die gegebene, formelle Vertretung nicht mit einer tatsächlichen politischen Mitsprache gleichzusetzen, da unter dem Einfluss und Druck der politisch mächtigen Clans agiert wird. Die 4.5-Formel hat bisher nicht zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan-bezogenen Gleichberechtigung beigetragen (ÖB 11.2022, S. 4).

Gesellschaft: Einzelne Minderheiten leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 12.4.2022, S. 41; vgl. AA 28.6.2022, S. 14; FH 2022a, F4). Sie sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 28.6.2022, S. 14). Zudem sind die Systeme gegenseitiger Unterstützung bei ihnen weniger gut ausgebaut, und sie verfügen über geringere Ressourcen (Sahan 24.10.2022) und erhalten weniger Remissen (Sahan 24.10.2022; vgl. SPC 9.2.2022). Die mächtigen Gruppen erhalten den Löwenanteil an Jobs, Ressourcen, Verträgen, Remissen und humanitärer Hilfe. Schwache Gruppen erhalten wenig bis gar nichts. Bei der Hungersnot 1991 waren die meisten Hungertoten entweder Digil-Mirifle oder Bantu. Dies gilt auch für die Hungersnot im Jahr 2011. Ein Grund dafür ist, dass humanitäre Hilfe von mächtigeren Clans vereinnahmt wird (Sahan 24.10.2022). Dementsprechend stehen Haushalte, die einer Minderheit angehören, einem höheren Maß an Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung gegenüber. Meist sind Minderheitenangehörige von informeller Arbeit abhängig, und die allgemeinen ökonomischen Probleme haben u.a. die Nachfrage nach Tagelöhnern zurückgehen lassen. Dadurch sind auch die Einkommen dramatisch gesunken (UNOCHA 14.3.2022).

Gewalt: Minderheitengruppen, denen es oft an bewaffneten Milizen fehlt, sind überproportional von Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.). Täter sind Milizen oder Angehörige dominanter Clans - oft unter Duldung lokaler Behörden (USDOS 12.4.2022, S. 41). In Mogadischu können sich Angehörige aller Clans frei bewegen und auch niederlassen. Allerdings besagt der eigene Clanhintergrund, in welchem Teil der Stadt es für eine Person am sichersten ist (FIS 7.8.2020, S. 39).

Al Shabaab: Es gibt Hinweise, wonach al Shabaab gezielt Kinder von Minderheiten entführt (BS 2022, S. 19; vgl. ÖB 11.2022 S. 6). Gleichzeitig nützt al Shabaab die gesellschaftliche Nivellierung als Rekrutierungsanreiz – etwa durch die Abschaffung der Hindernisse für Mischehen zwischen "noblen" Clans und Minderheiten (ICG 27.6.2019, S. 7f). Dementsprechend wird die Gruppe von Minderheitsangehörigen eher als gerecht oder sogar attraktiv erachtet (DI 6.2019, S. 11; vgl. ÖB 11.2022, S. 4). Al Shabaab hat sich die gesellschaftliche Benachteiligung von Gruppen zunutze gemacht (Sahan 24.10.2022). Ein überproportionaler Teil von al Shabaab setzt sich aus Angehörigen der am meisten marginalisierten Gruppen Somalias zusammen (Sahan 30.9.2022). Fehlender Rechtsschutz auf Regierungsseite ist ein weiterer Grund dafür, dass Angehörige von Minderheiten al Shabaab beitreten (FIS 7.8.2020, S. 21). Missstände treiben ganze Gemeinden in die Arme von al Shabaab. Sie suchen ein taktisches Bündnis – haben dabei aber keine dschihadistische Vision, sondern wollen ihre Rivalen ausstechen. Al Shabaab nimmt derartige Spannungen gerne auf und verwendet sie für eigene Zwecke (Sahan 30.9.2022). Aufgrund der (vormaligen) Unterstützung von al Shabaab durch manche Minderheiten kann es in Regionen, aus welchen al Shabaab gewichen ist, zu Repressalien kommen (ÖB 11.2022, S. 4f).

Bevölkerungsstruktur

Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, S. 56). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, S. 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, S. 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 44). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, S. 44; vgl. SEM, 31.5.2017, S. 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S. 5).

Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, S. 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S. 8).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S. 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, "noble" Clanfamilien sind meist Nomaden:

Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedir und Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir-Clans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, S. 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, S. 9).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S. 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, S. 38ff).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S. 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S. 9). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine "falsche" Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, S. 25).

Süd-/Zentralsomalia, Puntland

[…]

Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich weder durch Abstammung noch durch Sprache und Kultur von der Mehrheitsbevölkerung (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Sie sind somalischen Ursprungs, wurden aber von den traditionellen Clan-Lineages ausgeschlossen (UNHCR 22.12.2021, S. 57). Im Gegensatz zu den „noblen“ Clans wird ihnen nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet (UNHCR 22.12.2021, S. 57; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 45; SEM 31.5.2017, S. 14ff) - etwa Jäger, Lederverarbeiter, Schuster, Friseure, Töpferinnen, traditionelle Heiler oder Hebammen (NLMBZ 1.12.2021, S. 45). Diese Gruppen stehen damit auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie in der Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten. Ein v. a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017, S. 14ff). Ein anderer Sammelbegriff ist Midgan (UNHCR 22.12.2021, S. 57).

Diskriminierung: Für die Gabooye hat sich die Situation im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe gegen oder Misshandlungen von Gabooye (SEM 31.5.2017, S. 43f). In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI 21.5.2019b, S. 3).

Die berufsständischen Kasten werden zudem diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet (BS 2022, S. 9). Zu ihrer Diskriminierung trägt bei, dass sie sich weniger strikt organisieren und sie viel ärmer sind. Daher sind sie nur in geringerem Maß in der Lage, Kompensation zu zahlen oder Blutrache anzudrohen (GIGA 3.7.2018; vgl. SEM 31.5.2017, S. 44ff). Insgesamt ist die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z. B. Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum führt zur Benachteiligung bei der Arbeitssuche, bei der die Clanzugehörigkeit ohnehin oft zu Diskriminierung führen kann. Da berufsständische Gruppen nur über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren sie zudem in geringerem Ausmaß von Remissen als Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017, S. 44ff).

Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige berufsständischer Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Auch wenn sie weiterhin die ärmste Bevölkerungsschicht stellen, finden sich einzelne Angehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft (SEM 31.5.2017, S. 49).“

Auszug aus dem Bericht „The role of 4.5 in democratization and governance“ in Somalia vom Mai 2023:

„National/federal legislatures Following the Arta Conference, the 4.5 formula has consistently been applied to the formation of transitional legislatures. Although the exact size of parliament—and therefore the number of seats allocated to each clan—has varied, a 275-seat structure for the HoP has been used since 2012, with a new 54-seat Upper House established in 2016/17 (which does not follow the 4.5 principle, but still loosely follows the principles of clan-based power-sharing). Since 2016, the establishment of the FMSs has meant each parliamentary seat is allocated to an FMS as well as a clan. A document released by the Office of the President in October 2020 setting out the procedures for implementing the September 2020 electoral agreement between the FGS and FMS leaders provides one of the few formal documents outlining parliament’s current intraclan family composition. Using this and other official records, including a public database established by the Office of the Prime Minister listing contested HoP seats, it is possible to extrapolate a breakdown of seats by clan (see Table 1).“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, die bereits im angefochtenen Bescheid getroffen wurden, stützen sich auf die zitierten Quellen und wurden von den Parteien nicht substanziell bestritten. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Clan- sowie Religionszugehörigkeit gründen sich auf seine diesbezüglichen übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben im Verfahren (EB S 1 und 2; EV 4). Dass der Clan der Silcis zum Hauptclan der Hawiye gehört, ergibt sich aus den ab Seite 14 zitierten Länderinformationen und den damit in Übereinstimmung stehenden Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (VH S 4).

Die Feststellung zur schulischen Bildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers in Somalia ergibt sich aus seinen entsprechenden Angaben im Laufe des Verfahrens (EB S 2; EV 4 und 5; VH S 3 und 4).

Die Feststellung zum Herkunftsort des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung (EV S 6; VH S 3 und 4) sowie aus den zitierten Länderinformationen. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer vor dem BFA wiederholt an, er habe immer bzw. bis zu seiner Ausreise in XXXX gelebt (EV S 6 und 7); er führte vor dem BFA hingegen an keiner Stelle aus, jemals vor der Ausreise aus Somalia XXXX verlassen zu haben. Dem dazu stark widersprüchlichen erstmaligen Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, er habe XXXX im Alter von XXXX oder XXXX Jahren (damit etwa im Jahr XXXX oder XXXX und somit etwa sechs oder fünf Jahren vor seiner Ausreise aus Somalia) verlassen, um nach Ceelbuur zu ziehen (VH S 5 und 6), kann schon aufgrund dieser gerade aufgezeigten Divergenz der entsprechenden Vorbringen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung nicht gefolgt werden und ist für die erkennende Richterin außerdem kein Grund ersichtlich, wieso der Beschwerdeführer, hätte er im Alter von XXXX oder XXXX Jahren XXXX wirklich verlassen, dies nicht auch schon vor dem BFA erwähnt hätte. Insgesamt ist damit die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer in Somalia durchgehend in XXXX gelebt hat.

Die Feststellungen zur Ausreise aus Somalia, zur Weiterreise nach Österreich und zu den Kosten der Ausreise ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens (EB S 4 und 5; EV S 4 und 7; VH S 3). Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt (AS 19).

Hinsichtlich des Fluchtvorbringens ist eingangs festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse sowie auch im Zeitpunkt der Ausreise aus Somalia minderjährig war, sodass entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich ist und darf die Dichte dieses Vorbringens nicht mit „normalen Maßstäben“ gemessen werden (vgl. etwa VwGH 29.01.2021, Ra 2020/01/0470).

Dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner eigenen Wohnverhältnisse in XXXX sowie auch jenen seiner Kernfamilie, dem aktuellen Aufenthalt seiner Kernfamilie in Ceelbuur und der damit zusammenhängenden, von seinen Familienangehörigen mütterlicherseits ausgehenden Bedrohungssituation kann – trotz Berücksichtigung der damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers – aufgrund seiner widersprüchlichen, vagen und unplausiblen Angaben nicht gefolgt werden. Auffallend ist dabei zunächst, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohung durch die Familie seiner Mutter und eine Vertreibung von seinem Wohnort in der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt hat. In der Erstbefragung stützt er sich lediglich darauf, dass er Somalia aufgrund eines Rekrutierungsversuchs durch Al-Shabaab verlassen habe.

Der Beschwerdeführer muss sich daher eine Steigerung seines Vorbringens vorwerfen lassen, die das Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt in Zweifel zieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die „näheren“ Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12), jedoch hat sich der Beschwerdeführer – wie erwähnt – bloß auf die Zwangsrekrutierung durch Al-Shabaab gestützt und die Bedrohung durch seine Familie mütterlicherseits und eine Vertreibung mit keinem Wort erwähnte, obwohl diese nach dem neuen Vorbringen zeitlich sogar nach der behaupteten Mitnahme durch Al-Shabaab und viel näher zur Ausreise aus Somalia gelegen wäre.

Auffällig ist weiters, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA noch angab, er habe gemeinsam mit seiner Kernfamilie (Vater, Mutter, Geschwister) in einem Eigentumshaus in XXXX gelebt und würde seine Familie auch weiterhin im Eigentumshaus leben (EV S 5 und 7). Er führte vor dem BFA zwar auch aus, dass Familienangehörige mütterlicherseits bzw. Angehörige anderer Clans seit dem Tod des Großvaters mütterlicherseits – der der Kernfamilie des Beschwerdeführers in seinen Lebzeiten Schutz geboten habe – gewollt hätten, dass der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie das Eigentumshaus bzw. das Grundstück verlassen (EV S 8 und 9), doch bleibt es nach dem Vorbringen vor dem BFA bei diesem Wunsch der Familie mütterlicherseits bzw. anderer Clans, als der Beschwerdeführer vor dem BFA nämlich nicht artikulierte, dass er und seine Familie in XXXX jemals wo anders als im Eigentumshaus gelebt hätten und gab er außerdem – wie bereits geschrieben – dezidiert an, dass seine Kernfamilie zum Zeitpunkt der Einvernahme durch das BFA (April 2022) auch weiterhin im Eigentumshaus gelebt habe, was ebenso dagegen spricht, dass der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie vor seiner Ausreise nicht mehr im Eigentumshaus gelebt hätten. Der Beschwerdeführer führte zwar auch in der mündlichen Verhandlung aus, dass der Großvater mütterlicherseits ihm und seiner Kernfamilie Schutz geboten habe und es seit dessen Ableben mit den Familienangehörigen mütterlicherseits schwierig geworden sei bzw. hätten diese insbesondere gewollt, dass der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie „gehen“ (VH S 5). Im starken Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA, blieb es nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht bei dem Wunsch der Familienangehörigen mütterlicherseits, dass der Beschwerdeführer und seine Familie „gehen“, sondern führte er hierbei erstmalig und damit stark gesteigert aus, dass mit dem Ableben seines Großvaters mütterlicherseits etwa im Jahr 2016 sein Vater aufgrund der Familienangehörigen mütterlicherseits nach Ceelbuur umgezogen sei und er mit seiner Mutter sowie seinen Geschwistern aus dem Eigentumshaus in eine selbstgebaute Hütte auf einem fremden Grundstück (in XXXX ) gezogen sei (VH S 5 und 7). Abgesehen davon, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Vertreibung aus dem Eigentumshaus durch Familienangehörige mütterlicherseits, dem Umzug in eine selbstgebaute Hütte auf einem fremden Grundstück und dem Umzug des Vaters nach Ceelbuur schon aufgrund der gerade aufgezeigten gravierenden Diskrepanz und Steigerung im Vergleich zum Vorbringen vor dem BFA nicht gefolgt werden kann, stellt sich das entsprechend Vorbringen in der mündlichen Verhandlung aber auch äußerst vage dar. So ist diesem insbesondere nicht zu entnehmen, wie genau bzw. was das auslösende Ereignis für den Umzug des Vaters nach Ceelbuur bzw. den Umzug in eine selbstgebaute Hütte gewesen sei. Das lediglich abstrakte und pauschale Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei mit der Familie mütterlicherseits schwer geworden bzw. hätte die Familie mütterlicherseits den Beschwerdeführer und seine Kernfamilie eingeengt und hätte diese gesagt, der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie müssten gehen bzw. würden nicht nach XXXX gehören (VH S 5), überzeugt nicht und fehlt es diesem Vorbringen etwa an einer – wie auch immer gearteten – Situation, die derartig prägend gewesen wäre, dass der Vater des Beschwerdeführers seine Frau und Kinder verlässt bzw. dass der Beschwerdeführer, seine Mutter und Geschwister aus dem Eigentumshaus in eine selbstgebaute Hütte gezogen sind. Insgesamt ist damit die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie nach dem Tod des Großvaters mütterlicherseits von Familienangehörigen mütterlicherseits nicht aus dem Eigentumshaus vertrieben wurden, der Vater des Beschwerdeführers deswegen nicht nach Ceelbuur gezogen ist und der Beschwerdeführer, seine Mutter und Geschwister deswegen nicht in eine selbstgebaute Hütte auf einem fremden Grundstück gezogen sind.

Die Feststellung, dass die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers ebenso nicht vor kurzem nach Ceelbuur zum Vater des Beschwerdeführers gezogen sind, weil diese von Angehörigen des Clans der Mutter des Beschwerdeführers vom Grundstück, auf dem die selbstgebaute Hütte gestanden sei, vertrieben worden seien (VH S 5 und 7), ergibt sich bereits daraus, dass dem vorangehenden Vorbringen des Beschwerdeführers (Umzug des Vaters nach Ceelbuur und Umzug des Beschwerdeführers, seiner Mutter und Geschwister in die selbsterbaute Hütte) – wie gerade aufgezeigt – kein Glaube geschenkt werden konnte. Davon abgesehen erschließt es sich für die erkennende Richterin auch nicht, wieso Angehörige des Clans der Mutter des Beschwerdeführers erst vor kurzem und damit erst etwa acht Jahren nach dem behaupteten Umzug in eine selbsterbaute Hütte auf einem fremden Grundstück die Mutter und Geschwister des Beschwerdeführers von dem Grundstück vertreiben hätten sollen. Die vom Beschwerdeführer gelieferte Begründung, seine Familie würde nicht zum dort dominanten Mehrheitsclan bzw. zum Clan der Familie der Mutter des Beschwerdeführers gehören (VH S 7), erklärt nämlich nicht, wieso diese Angehörigen des Clans der Mutter nunmehr plötzlich nach etwa acht Jahren die Familie des Beschwerdeführers nicht mehr auf dem Grundstück tolerieren sollten, als die unterschiedliche Clanzugehörigkeit der Kernfamilie des Beschwerdeführers doch auch bereits im Zeitpunkt der behaupteten Ansiedlung der Familie auf dem fremden Grundstück bestanden hätte und die unterschiedliche Clanzugehörigkeit damit zeitiger ein Problem hätte darstellen müssen und nicht erst nach etwa acht Jahren.

Mangels Glaubhaftigkeit des entsprechenden Vorbringens war damit weder der Beschwerdeführer noch seine Kernfamilie in Somalia einer Bedrohungssituation durch die Familienangehörigen der Mutter des Beschwerdeführers oder durch Angehörige des Clans der Mutter des Beschwerdeführers ausgesetzt, sodass erstens keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von diesen im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Somalia nunmehr eine – wie auch immer geartete – Gefahr ausgehen würde und zweitens insgesamt auch die Feststellung zu treffen ist, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers – also sein Vater, seine Mutter und sechs seiner insgesamt sieben Geschwister – nach wie vor im Eigentumshaus in XXXX lebt. Dass eine Schwester des Beschwerdeführers aktuell in Mogadischu lebt, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen übereinstimmenden Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung (EV S 5; VH S 4).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Somalia keine wesentlichen Diskriminierungen aufgrund seiner Clanzugehörigkeit zu den Silcis erfahren hat, ergibt sich zunächst daraus, dass dieser Clan zum Hauptclan der Hawiye und damit zu einem noblen Mehrheitsclan gehört. Bereits aus diesem Grund ist eine wesentliche Diskriminierung des Beschwerdeführers aufgrund seines Clans nicht maßgeblich wahrscheinlich. Davon abgesehen konnte der Beschwerdeführer in keiner Lage des Verfahrens eine Situation schildern, die den Schluss zulassen würde, dass er tatsächlich in Somalia wesentlich diskriminiert worden sei. Vor dem BFA gab er nämlich lediglich oberflächlich und äußerst knapp an, in der Schule sowie „draußen“ als minderwertig beschimpft und als unfähig betitelt worden zu sein (EV S 8) und er führte ferner auch aus, die anderen Schüler hätten „uns“ geschlagen (EV S 10). Auch in der mündlichen Verhandlung erstattete der Beschwerdeführer kein konkreteres oder detailliertes Vorbringen, sondern führte auch hierbei lediglich aus, die Clanzugehörigkeit sei ein Problem gewesen, „man“ habe „uns“ verachtet und in der Schule gefragt, was er dort mache (VH S 5). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist damit insgesamt nicht zu entnehmen, dass er aufgrund seiner Clanzugehörigkeit Probleme im erheblichen Ausmaß erfahren hätte. Davon abgesehen ist den zitierten Länderberichten selbst hinsichtlich berufsständischen Minderheiten – zu welchen der Clan des Beschwerdeführers nicht gehört – zu entnehmen, dass diese in Somalia zwar diskriminiert und als Bürger zweiter Klasse erachtet werden. Gezielte Angriffe gegen oder Misshandlungen von etwa Gabooye werden in den Länderberichten jedoch ausdrücklich ausgeschlossen und geht aus den zitierten Länderberichten des Weiteren auch hervor, dass sich die Situation für Angehörige der berufsständischen Gruppen insgesamt verbessert hat, als es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich ist, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Auch Angehörige berufsständischer Gruppen sind vereinzelt wirtschaftlich erfolgreich und finden sich in Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. In Anbetracht dessen, dass damit im Lichte der zitierten Länderberichte nicht einmal berufsständische Gruppen in Somalia im asylrelevanten Ausmaß diskriminiert werden, kann im Falle des Beschwerdeführers – als Angehöriger eines Clans, der zu einem noblen Mehrheitsclan gehört – umso mehr davon ausgegangen werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Somalia nicht im asylrelevanten Ausmaß aufgrund seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert würde.

Letztlich ist auch der vom Beschwerdeführer behauptete Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab nicht glaubhaft. Zwar wird insbesondere auch an dieser Stelle berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt erst etwa XXXX Jahre alt war, doch ist dennoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein muss, zumindest die groben Eckpunkte dieser Geschehnisse im Laufe des Verfahrens gleichlautend wiederzugeben, was ihm jedoch nicht gelungen ist. Zwar lieferte der Beschwerdeführer vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung eine ähnliche Rahmengeschichte, nämlich seien er und andere Jugendliche von der Al-Shabaab mitgenommen, inhaftiert und nach einem Tag wieder freigelassen worden sowie sei während der eintägigen Gefangenschaft seitens der Al-Shabaab versucht worden, den Jugendlichen deren Ansichten beizubringen bzw. die Jugendlichen zu Soldaten zu machen (EV S 10; VH S 5 und 6). Doch unterscheiden sich die beiden vom Beschwerdeführer präsentierten Varianten des Rekrutierungsversuchs durch die Al-Shabaab in einigen wesentlichen Punkten: So gab der Beschwerdeführer vor dem BFA nämlich noch an, die Al-Shabaab sei zu ihm ins Haus gekommen und habe ihn mitgenommen (EV S 10), während er in der mündlichen Verhandlung konträr ausführte, die Al-Shabaab sei in die Koranschule gekommen und hätte alle männlichen Schüler, darunter auch den Beschwerdeführer, mitgenommen (VH S 5). Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer des Weiteren an, er sei im Zuge der eintägigen Gefangenschaft durch Al-Shabaab geohrfeigt worden (EV S 10), während der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich dazu nunmehr dezidiert verneinte, von der Al-Shabaab physische Gewalt erfahren zu haben (VH S 6). Auch unterscheidet sich Vorbringen hinsichtlich der Freilassung durch Al-Shabaab. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer nämlich noch an, er und andere Jugendliche seien in einem Raum festgehalten worden und am nächsten Tag einfach wieder freigelassen worden; dass bestimmte Jugendliche nicht freigelassen worden seien, ist dem Vorbringen vor dem BFA damit nicht zu entnehmen (EV S 10). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer zwar auch an, dass er gemeinsam mit anderen Jugendlichen in einem Zimmer festgehalten worden sei, doch führte er im Gegensatz zum Vorbringen vor dem BFA aus, es seien nur jene Jugendlichen freigelassen worden, die von der Al-Shabaab als zu jung – wie auch der Beschwerdeführer – empfunden worden seien, während die Al-Shabaab die älteren Jugendlichen mitgenommen habe (VH S 5). Letztlich konnte der Beschwerdeführer auch nicht schlüssig erklären, worin die Bedrohung durch Al-Shabaab liegen sollte, wo doch – seinen Angaben folgend – zwischen der Mitnahme und seiner Ausreise ungefähr vier Jahre vergangen sind. Aufgrund dieser gerade aufgezeigten Diskrepanzen ist es damit nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bereits einem Rekrutierungsversuch durch die Al-Shabaab ausgesetzt gewesen war.

Auch droht dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab. Es ist nämlich erstens nicht davon auszugehen, dass seitens der Al-Shabaab ein konkretes Interesse an der Rekrutierung des Beschwerdeführers besteht, da er bisher – mangels glaubhaften Vorbringens – nicht in deren Blickfeld geraten ist. An dieser Einschätzung würde auch die Annahme dessen, dass der Beschwerdeführer mit etwa XXXX Jahren von der Al-Shabaab mitgenommen, inhaftiert und nach einem Tag wieder freigelassen wurde, nichts ändern, als auch dadurch ersichtlich wird, dass die Al-Shabaab kein gezieltes Interesse an der Rekrutierung des Beschwerdeführers hatte, da sie diesen sonst wohl kaum einfach freigelassen hätte. Indem seit diesem behaupteten Vorfall außerdem mittlerweile etwa acht Jahre vergangen sind und der Beschwerdeführer abgesehen von diesem behaupteten Vorfall in keiner Lage des Verfahrens artikulierte, dass es zu einem weiteren Rekrutierungsversuch seitens der Al-Shabaab gekommen sei, wird weiter verdeutlicht, dass die Al-Shabaab kein Interesse am Beschwerdeführer hat. Zweitens ist eine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab auch in Zusammenschau mit den zitierten Länderberichten nicht anzunehmen. Aus den Länderinformationen ergibt sich nämlich, dass die Al-Shabaab weniger an der Rekrutierung Erwachsener als an der Rekrutierung von acht bis 12 Jahre alten Kindern interessiert ist, da diese leichter zu indoktrinieren und formbarer sind. Der Beschwerdeführer fällt mit seinen mittlerweile XXXX Jahren damit nicht in das typische Rekrutierungsschema der Al-Shabaab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer eine von den Familienangehörigen seiner Mutter bzw. von Angehörigen des Clans seiner Mutter ausgehende Bedrohungssituation nicht glaubhaft machen und ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine wie auch immer gearteten Gefahr durch diese drohen würde.

Dem Beschwerdeführer droht auch aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dem Clan der Silcis, der zum Hauptclan der Hawiye gehört keine asylrelevante Verfolgung.

Letztlich konnte der Beschwerdeführer einen von der Al-Shabaab ausgehenden Rekrutierungsversuch nicht glaubhaft machen und droht dem Beschwerdeführer im Lichte der Länderberichte auch im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab, als er bisher nicht in deren Visier gefallen ist sowie aufgrund seines Alters nicht in das typische Rekrutierungsmuster dieser fällt.

Dem Beschwerdeführer ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Somalia kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Somalia eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründen droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.