Spruch
W200 2270822-1/17E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA Syrien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Säumnisbeschwerde) betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 25.05.2022, Zl. 1309153510-221697970, beschlossen:
A) Das Verfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 25.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2023 brachte der Beschwerdeführer im Wege seines ausgewiesenen Rechtsvertreters beim BFA eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Darin wurde ausgeführt, dass seit der Antragstellung bereits sechs Monate verstrichen seien, ohne dass seitens der Behörde über den Antrag entschieden worden sei. Daher werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgabe der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst entscheiden und dem anhängigen Antrag stattgeben.
Mit Entscheidung vom 21.07.2023, W200 2270822-1/6E wurde der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG stattgegeben und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen 8 Wochen ab Zustellung zu erlassen.
Mit Bescheid des BFA vom 13.09.2023, Zl. 1309153510-221697970, wurde über den Antrag auf internationalen Schutz vom 25.05.2022 entschieden.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 12.12.2024, Ra 2023/19 /0336-11, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.07.2023, W200 2270822-1/6E, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer stellte am 25.05.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Er erhob am 08.02.2023 eine Säumnisbeschwerde mit der Begründung, dass seit Antragstellung mehr als sechs Monate vergangen seien.
Mit Entscheidung vom 21.07.2023, W200 2270822-1/6E wurde der Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG stattgegeben und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen 8 Wochen ab Zustellung zu erlassen.
Mit Bescheid des BFA vom 13.09.2023, Zl. 1309153510-221697970, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 25.05.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (§ 8 Abs. 4 AsylG).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus der Einsichtnahme in den gegenständlichen Akts des Bundesverwaltungsgerichts sowie aus der Einsicht in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts zu W200 2270822-2.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zur Einstellung des Verfahrens:
Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses. Dieses besteht im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Es wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162 mwN.).
Das Verwaltungsgericht ist nicht berufen, eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen zu treffen, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl. VwGH 31.01.2018, Ra 2018/10/0022 mwN.).
Während § 28 Abs. 1 VwGVG entnommen werden kann, dass die Zurückweisung der Beschwerde grundsätzlich ebenso mit Beschluss erfolgt wie die Einstellung des Verfahrens, bleiben die Zurückweisungs- und Einstellungsgründe selbst ungeregelt. Die Einstellung steht am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Analog zu § 33 VwGG kommt eine Einstellung auch bei Klaglosstellung des Beschwerdeführers (Wegfall der Beschwer) in Betracht (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 28 VwGVG Anm. 5 mwN.).
Für die vergleichbare Entscheidung in Bezug auf Rechtsmittel gegen förmliche Entscheidungen sieht das VwGG vor, die Revision „als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen“, die BAO sieht hingegen von diesen beiden Spruchelementen nur die „Gegenstandsloserklärung“ der Beschwerde vor. Demgegenüber ist nach § 28 Abs. 1 VwGVG „das Verfahren einzustellen“. Diese Gesamtschau macht deutlich, dass sich der Spruch im allgemeinen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach dem Willen des Bundesgesetzgebers darauf beschränken soll, dass das Verfahren „eingestellt“ wird (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 19 (Stand: 15.02.2017, rdb.at)).
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies Folgendes:
Über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.05.2022 wurde mit Bescheid des BFA 13.09.2023 abgesprochen. Es liegt somit eine Untätigkeit der Behörde bzw. Säumigkeit gegenständlich nicht mehr vor, da über den Antrag des Beschwerdeführers nunmehr entschieden wurde.
Vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung, die aus Sicht der erkennenden Richterin auch auf den Fall der Säumnisbeschwerde anwendbar ist, ist das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers nachträglich weggefallen und das gegenständliche Verfahren als gegenstandslos zu erklären. Zu einem Ausspruch lediglich darüber, ob Säumnis der belangten Behörde vorgelegen ist, ist das Bundesverwaltungsgericht nicht berufen.
Das Verfahren war somit spruchgemäß einzustellen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.
In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische Fragen“ („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend „ziemlich technische Angelegenheiten“ („rather technical nature of disputes“) auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159 mwN.).
Der Sachverhalt ist aufgrund der Aktenlage geklärt und konnte daher eine mündliche Verhandlung – ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers – unterbleiben.