W102 2278877-1/59E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ über den Antrag von XXXX der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2024, Zl. W102 2278877-1/55E, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:
Der Revision wird gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 23.12.2024 brachten die revisionswerbenden Parteien eine Revision gegen das im Spruch angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führten die revisionswerbende Parteien Folgendes an:
„Gem § 30 Abs 2 VwGG ist die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Es ist nicht erkennbar, dass dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die zugrundeliegende Entscheidung des BVwG betrifft die Genehmigung einer Erweiterung eines Kiesabbaus. Dieses Vorhaben betrifft daher primär das private Interesse der mitbeteiligten Partei (Projektwerberin), einen Abbaustandort möglichst lange betreiben zu können.
Im Rahmen der Interessenabwägung zum artenschutzrechtlichen Ausnahmeverfahren (§ 29 Oö NSchG 2001 bzw Art 16 Abs 1 lit c FFH-RL) werden die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen sowie die Stärkung des Naturschutzes aufgrund des CEF-Konzeptes als öffentliche Interessen genannt. Beide der genannten Interessen können jedoch nicht für die Versagung der aufschiebenden Wirkung ausschlaggebend sein: So gibt es im räumlichen Umfeld der geplanten Abbauerweiterung bereits zahlreiche weitere Kiesabbaubereiche. Eine direkte Abhängigkeit der Versorgung mit mineralischen Rohstoffen von der unmittelbaren Umsetzung der Erweiterung des gegenständlichen Kiesabbaus ist daher nicht gegeben und wurde im Verfahren auch nicht nachgewiesen.
Aber auch eine Abwägung mit dem privaten Interesse der mitbeteiligten Partei kann für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausschlaggebend sein: So wurde mit Bescheid vom 21.11.2018 die jüngste Erweiterung des gegenständlichen Kiesabbauprojektes (UVP I) genehmigt, sodass für den weiterführenden Abbau nach wie vor Konsens besteht. Mit der Erschöpfung der bisherigen genehmigten Abbaugebiete ist erst im Jahr 2047 zu rechnen. Die gegenständliche Genehmigung beinhaltet vielmehr Änderungen innerhalb des bereits genehmigten Abbaugebiets. Die aufschiebende Wirkung birgt für die mitbeteiligte Partei (Projetwerberin) daher geringe Nachteile.
Auf der anderen Seite nennt die mitbeteiligte Partei (Projektwerberin) die Stärkung des Naturschutzes durch das vorgelegte CEF-Konzept. Eine solche Stärkung ist jedoch gerade nicht anzunehmen, was in der gegenständlichen Revision vorgebracht wird. Die mitbeteiligte Partei (Projektwerberin) macht geltend, dass es durch das CEF-Konzept zu einer Stärkung der Population des Gelbringfalters im Vergleich zur Nullvariante komme.
Die Wirksamkeit des CEF-Konzept konnte im Verfahren nach Ansicht der Revisionswerbenden jedoch nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist Voraussetzung für die Anwendung von CEF-Maßnahmen die Bewahrung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität, wobei diese Voraussetzung nachgewiesen sein muss. Die Wirksamkeit der Ma0nahmen müssen mit großer Sicherheit ausreichen, um den verpönten Eingriff (das Eintreten von
Verbotstatbeständen) zu vermeiden und muss eine zeitliche Kontinuität, eine räumliche Nähe und eine entsprechende Eignung der Maßnahmen vorliegen (vgl VwGH 15.10.2020, Ro 2019/04/0021). Auch die Kommission spricht in ihrem Leitfaden davon, dass eine Garantie der kontinuierlichen ökologischen Funktion und ein hohes Maß an Sicherheit der Maßnahmen gegeben sein muss.
Diese Anforderungen kann das gegenständliche CEF-Konzept nicht erfüllen: Zunächst sollen die Raupen des Gelbringfalters mit Hilfe von Keschern abgesammelt werden, wobei dabei eine Absammelquote von 2/3 erwartet werde. Nach der nunmehr vorgesehenen Auflage im Bescheid müssen die Raupen so lange abgesammelt werden, bis bei einem Durchgang keine Raupe mehr gefunden werden könne. Trotz dieser Auflage ist davon auszugehen, dass sich die Absammelquote nicht deutlich erhöht. Wie vom Privatsachverständigen der Beschwerdeführer vorgebracht, sind die Raupen zum Sammelzeitpunkt äußerst klein und grün gefärbt. Sie sind daher zu diesem Zeitpunkt kaum sichtbar. Ebenfalls sind die Kescher nicht geeignet, Raupen abzusammeln, da diese im (Brombeer-) Gestrüpp hängen bleiben. Selbst wenn also bei einem Durchgang keine Raupen mehr gefunden werden, ist aufgrund deren Größe und Färbung nicht auszuschließen, dass eine beträchtliche Anzahl der Raupen übersehen wurde.
Im nächsten Schritt sollen die Raupen in Terrarien über Monate hinweg gehältert werden. Der vorgelegten Studie zum CEF-Konzept Gelbringfalter (Auskunft zum CEF-Konzept Gelbringfalter. Absammeln von Raupen des Gelbringfalter im Zuge der Baufeldfreimachung vom 17.05.2024, Erk BVwG S. 18) ist zu entnehmen, dass in den Testversuchen 32 von 51 gesammelten Raupen bis zur Verpuppung herangezogen werden konnten. Dies entspricht einer Überlebensrate von 62%. Auch diese Rate ist bei der Beurteilung der Wirksamkeit des CEF-Konzeptes miteinzubeziehen.
Zuletzt ist vorgesehen, die Puppen des Gelbringfalters in neuen Habitaten auszusetzen, wobei auch hier bloß eine geringe Überlebensrate nachgewiesen werden konnte: So konnte sich in der untersuchten Testfläche REN-M1 kein einziger Gelbringfalter entwickeln (Volkmer Holzinger 20248). In der Testfläche UVP II-M3 konnten sich von den ausgesetzten 12 Puppen lediglich 2 zu Gelbringfaltern entwickeln (vgl Niederschrift der Verhandlung, S 14f).
All diese Kriterien führen daher gerade nicht zu dem von Rechtsprechung und der Kommission geforderten hohen Maß an Sicherheit, mit dem die Wirksamkeit von CEF-Maßnahmen nachgewiesen werden müssen. Somit ist jedoch auch keineswegs gesichert, dass es bei Umsetzung des CEF-Konzepts im Vergleich zur Nullvariante zu einer Stärkung der Gelbringfalterpopulation käme. Bei der Abwägung der Interessen hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung kann das Interesse der Stärkung des Naturschutzes daher nicht gewichtet werden.
Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Unsicherheit der Wirksamkeit des CEF-Konzeptes ein hohes Risiko der Verwirklichung von Verbotstatbeständen des Art 12 Abs 1 FFH-RL besteht und aus diesem Grund ein unverhältnismäßiger Nachteil für das Interesse des Artenschutzes besteht, der von den Revisionswerbenden als Grund für die aufschiebende Wirkung genannt wird. Sollte das CEF-Konzept letztlich nicht den gewünschten Effekt erzielen, werden durch die Umsetzung des Vorhabens zahlreiche Individuen der geschützten Art Gelbringfalter getötet bzw gestört und kommt es zu einer Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Art, deren Bestand ohnehin bereits rückläufig ist (Erhaltungszustand ungünstig – unzureichend). Die Verwirklichung der Verbotstatbestände ist unumkehrbar und führt zu einem erheblichen Schaden und einer Gefährdung des Erhaltungszustandes des Gelbringfalters.
Weiters erfolgt die Überprüfung der Wirksamkeit des CEF-Konzepts erst mit Abschluss des Teilabschnitt 1. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 5,78 ha Lebensraum und damit Fortpflanzungs- und Ruhestätten des Gelbringfalters zerstört bzw bereits Individuen getötet. Mit anderen Worten kann ein unwiderruflicher Schaden bereits eingetreten sein, noch bevor die Wirksamkeit des CEF-Konzepts überhaupt überprüft wurde. Die Wiederherstellung des Lebensraumes des Gelbringfalters konnte nicht nachgewiesen werden und wurde dies auch vom naSV des BVwG als nicht gesichert eingestuft, weshalb
als Auflage die Überprüfung der Wirksamkeit des CEF-Konzeptes erforderlich wurde. Die angefochtene Bewilligung verletzt zudem mehrere Verbotstatbestände des Artenschutzes, für welche keine Ausnahmegenehmigung vorliegt. Bereits die Tötung eines Individuums stellt eine nicht umkehrbare Verletzung des Unionsrechtes dar.
In diesem Zusammenhang wird auf die Rsp des EuGH (EuGH 19.06.1990, C-213/89, Factortame; 15.01.2013C-416/10, Krizan mwN) verwiesen, wonach für unmittelbar auf das Unionsrecht gestützte Anträge auf Erlassung einstweiliger Anordnungen ein Rechtsanspruch besteht, um Umweltverschmutzungen vorzubeugen. Die Zerstörung von Lebensräumen geschützter Arten und die Tötung geschützter Arten ist als eine Verletzung des Unionsrechtes im Sinne dieser Rsp zu sehen, deren Vorbeugung durch die Erlassung einstweiliger Anordnungen zu begegnen ist. Die Möglichkeit der Beseitigung der Folgen ist für den EuGH kein Argument gegen eine einstweilige Verfügung, vielmehr stellt der EuGH auf die mögliche Verletzung unionsrechtlicher Vorschriften und dadurch bewirkter Eingriffe in die Schutzgüter (hier Artenschutz) und Ziele der unionsrechtlichen Vorschrift. Bei Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher nicht auszuschließen, dass es im Zeitraum bis zur Entscheidung durch den VwGH durch die Umsetzung des Vorhabens zu einem erheblichen, unwiderruflichen Schaden für die geschützte Art Gelbringfalter sowie zur maßgeblichen Gefährdung des Erhaltungszustandes (der ohnehin bereits als ungünstig – unzureichend eingestuft ist) kommt. Dies insbesondere da die mitbeteiligte Partei (Projektwerberin) bereits zu verstehen gab, mit der Umsetzung des Vorhabens unverzüglich beginnen zu wollen.
Das öffentliche Interesse des Artenschutzes ist daher vielmehr als zwingendes öffentliches Interesse zu werten, das die Zulässigkeit der aufschiebenden Wirkung bedingt.
Die Zuerkennung der aufschiebenden ist auch aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben im Umweltrecht erforderlich. So judiziert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung der Verbotstatbestände des Art 12 FFH-RL iVm der Gewährung von Ausnahmen gem Art 16 FFH-RL der Vorsorgegrundsatz zu berücksichtigen ist (vgl EuGH 04.03.2021 C-473/19 und C-474/19, Föreningen Skydda Skogen; EuGH 11.07.2024, C-601/22, WWF Österreich ua; EuGH 17.04.2018, C-441/17, Kommission/Polen). Das Risiko der Verwirklichung der Verbotstatbestände und damit einhergehend das Risiko eines unumkehrbaren Schadens ist mit dem Vorsorgegrundsatz im Artenschutz nicht vereinbar. In Zusammenschau mit dem Effektivitätsgrundsatz und den gem Art 9 Abs 3 iVm Abs 4 Aarhus Konvention iVm Art 47 GRC gewährleisteten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für Umweltorganisationen im Bereich des Unionsumweltrechts, ist das Erfordernis der aufschiebenden Wirkung auch aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben unabdingbar (vgl dazu auch EuGH 15.01.2013, C-416/10, Krizan und EuGH 19.06.1990, C-213/89, Factortame, wonach der Erlass einstweiliger Anordnungen möglich sein muss, die geeignet sind, Umweltverschmutzungen vorzubeugen, was gegebenenfalls die vorübergehende Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Genehmigung einschließen kann).
Um die Verwirklichung der Verbotstatbestände des Art 12 FFH-RL und damit einen erheblichen, unwiderruflichen Schaden für die geschützte Art bzw eine maßgebliche Gefährdung des Erhaltungszustandes zu vermeiden, ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung – auch aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben – maßgeblich.
Aus diesen Gründen stellen die Revisionswerbenden den ANTRAG auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem § 30 Abs 2 VwGG bis zur Entscheidung des VwGH über die gegenständliche Revision.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
§ 30 Abs. 2 VwGG lautet: „Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.“
Gegenständlich ist kein zwingendes öffentliches Interesse erkennbar, das der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision entgegenstünde. Nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbenden Parteien ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden.
Aus diesen Erwägungen war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG stattzugeben.
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