JudikaturBVwG

W277 2286876-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 2024

Spruch

W277 2286876-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch XXXX , gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Nach § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX , geb. XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Sie wurde am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Hierbei gab sie an, eine somalische Staatsangehörige zu sein, sich XXXX zu bekennen und der Volksgruppe der XXXX anzugehören. Sie sei in XXXX geboren und ihre letzte Wohnsitzadresse im Herkunftsstaat laute „ XXXX in Somalia“.

Die BF habe keine Schulausbildung genossen und sei zuletzt dem Beruf einer XXXX nachgegangen (AS 23, AS 25 und AS 29). Ihr Vater namens XXXX sei bereits verstorben. Die Mutter der BF namens XXXX sowie die Tochter namens XXXX und XXXX Söhne namens XXXX der BF würden in Somalia leben (AS 25, AS 27). Gegenwärtig würde ihr Ehemann namens XXXX , geb. am XXXX , im Bundesgebiet aufhältig sein (AS 29).

Den Entschluss zur Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat habe die BF im Jahre XXXX gefasst. Ihr damaliges Reiseziel sei XXXX gewesen. Sie wäre XXXX mit dem Boot illegal in den XXXX gereist und XXXX Monate lang ebendort verblieben. In weiterer Folge sei sie XXXX Monate lang in XXXX , ein XXXX wiederum im XXXX sowie in XXXX bzw. XXXX Monate lang in XXXX aufhältig gewesen (AS 31). Vom XXXX bis XXXX sei sie in XXXX verblieben. Über ihr unbekannte Länder sei sie am XXXX nach Österreich gereist.

In XXXX habe sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, über welchen XXXX worden sei. XXXX Monate nach ihrer Einreise habe sie in XXXX einen XXXX erhalten und zeitgleich das Flüchtlingscamp ebendort verlassen müssen. Nach Unterkunftnahme bei Freunden habe sie beschlossen weiterzureisen. Sie wolle nicht zurück nach XXXX , weil sie ebendort nicht arbeiten könne und im Bundesgebiet mit ihrem Ehemann leben wolle (AS 29, AS 31 und AS 33).

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, dass sie einer Minderheitsvolksgruppe namens XXXX angehöre und im Herkunftsstaat diskriminiert worden wäre. Weiters sei sie mit einem Mann namens XXXX zwangsverheiratet worden, welcher sie beleidigt, sehr schlecht behandelt und ihr die gemeinsamen Kinder „weggenommen“ hätte. Danach wären die Kinder zu ihrer Tante gekommen, weil ihre Mutter krank sei. Auch habe ein Angehöriger der Terroristengruppe XXXX sie zwangsheiraten wollen. Sie habe Angst bekommen und Somalia verlassen. Weitere Fluchtgründe habe sie nicht.

Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt gab sie an: „Ich mag bei meinem Ehemann wohnen“ (AS 33 und AS 35). Ergänzend brachte sie vor, dass sie im Bundesgebiet bei ihrem Ehemann unterkommen könne (AS 37).

1.1. Im Zuge der Befragung legte sie einen XXXX , vor (AS 47).

2. Mit Schriftsatz vom XXXX teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) der BF mit, dass die Behörde Konsultationen gemäß der Dublin – Verordnung in Form einer Anfrage mit XXXX führe, sowie dass die nach § 28 Asylgesetz 2005 definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen für ihr Verfahren nicht mehr gelte (AS 41).

3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der BF zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag zurückzuweisen, da aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses davon auszugehen sei, dass der XXXX habe. Durch diese Mitteilung gelte die Zwanzigtagefrist des Zulassungsverfahrens nicht (AS 49).

3.1. Weiters wurde sie zur Einvernahme vor der belangten Behörde sowie einem Rückkehrberatungsgespräch am XXXX geladen.

3.2. Aktuelle Länderinformationen der Staatendokumentation zu XXXX vom XXXX wurden ihr übermittelt (AS 53 ff).

4. Am XXXX wurde die BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab sie im Wesentlichen an, dass ihr Ehemann namens XXXX in XXXX wohne und sie XXXX Mal „im Camp besucht“ habe.

Die BF hätte ihren Ehemann im XXXX über ihre Tante, welche in Somalia lebe, im Jahre XXXX kennengelernt (AS 115). Sie wären in Somalia eine Verlobung eingegangen und gemeinsam nach XXXX ausgereist, wo sie XXXX Monate zusammengelebt hätten. Ihr Ehemann habe ihr in weiterer Folge mitgeteilt, dass er nach Österreich zurückreisen müsse. Weil sie nicht in XXXX leben könnte, sei die BF in den XXXX zurückgekehrt.

Weiters schilderte die BF ihren Ehemann in Somalia in Anwesenheit ihrer Familie nach traditionell-islamischen Ritus geehelicht zu haben. In XXXX hätten sie und ihr Ehemann eine Heiratsurkunde anfertigen lassen, welche sich zum Befragungszeitpunkt bei ihm befinde. Der BF wurde bis XXXX die Möglichkeit gewährt, die angeführte Heiratsurkunde nachzureichen (AS 117).

Als sie in XXXX gereist sei, hätte sie keinen Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt. In XXXX angekommen, habe sie ihren Ehemann auf XXXX gesucht und über das Internet kontaktiert. Nach Erhalt der positiven Entscheidung über ihren Asylantrag in XXXX , hätte er sie für XXXX Tage ebendort besucht.

Die BF führte weiters zusammenfassend auf, dass sie über XXXX Monaten in XXXX und „ XXXX Tage in XXXX in einem Hotel“ einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann geführt habe (AS 117).

Nach XXXX könne sie trotz ihres ebendort gewährten XXXX nicht zurückkehren, weil sie Probleme habe. Als sie den positiven Bescheid im XXXX erhalten habe, hätte sie innerhalb von XXXX Tagen das Camp verlassen müssen und sei „in die Stadt gezogen“. Dort hätte sie keinen Schlafplatz, kein Geld und keine Unterstützung gehabt und wäre alleine gewesen. Sie habe auch nach Beschäftigungsmöglichkeiten in XXXX gesucht, jedoch „keinen Arbeitsplatz bekommen“. Die BF habe dort mit somalischen Freunden eine Unterkunft in Wohngemeinschaft gemietet, was sie € XXXX Miete gekostet hätte. Ihr Mann hätte ihr € XXXX für Miete und Verpflegung geschickt (AS 119).

Befragt hinsichtlich einer Rückkehr nach XXXX gab die BF an: „Ich möchte nicht nach XXXX . Ich möchte hier mit meinem Mann leben.“

Weiters sei sie in XXXX von einem Mann misshandelt worden. Er hätte sie aufgefordert mit ihr in ein Hotel zu gehen, sie hätte dies abgelehnt und gesagt, dass sie eine verheiratete Frau sei. Eine XXXX Familie hätte ihr in dieser Situation geholfen und sie hätte bei der Polizei vor Ort eine Anzeige erstattet. Darüber hinaus sei sie von einem anderen Mann in XXXX angefasst worden, welcher in weiterer Folge weggelaufen wäre, nachdem sie zu schreien begonnen hätte. Die BF hätte die Polizei gerufen, welche ihr jedoch gesagt hätte, dass sie nach Somalia zurückkehren solle, wenn sie „den Mann nicht genau beschreiben“ bzw. „ihn zur Polizei bringen“ könne.

Nachdem sie ihrem Mann von den beiden Vorfällen erzählt hätte, hätte er vorgeschlagen einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen. Weil die BF Angst und danach nicht mehr in XXXX sein wollte, sei sie am XXXX ausgereist (AS 118).

Auch schilderte, dass ihr Ehemann nicht gewusst habe, weswegen die BF XXXX verlassen hätte. Einen Antrag auf Familienzusammenführung habe sie nicht gestellt, weil sie sich diesbezüglich „nicht ausgekannt“ bzw. nicht gewusst hätte, was das konkret sei (AS 119). Auch im Falle einer negativen Entscheidung in ihrem Asylverfahren würde sie weiterhin bei ihrem Mann in Österreich leben (AS 121).

Seit XXXX würde sie sich in Österreich aufhalten. Zum Befragungszeitpunkt arbeite sie „in der Unterkunft“ als XXXX . Einen Deutschkurs habe sie noch nicht besucht, aber sie werde dies machen, sobald es einen gäbe (AS 117).

5. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte die BF der belangten Behörde eine Kopie eines Schriftstückes, tituliert mit XXXX vom XXXX (AS 127).

6. Am XXXX wurde das Verfahren der BF im Bundesgebiet zugelassen (AS 204, AS 129).

7. Mit Schriftsatz vom XXXX übermittelte die BF der belangten Behörde hinsichtlich XXXX einen Gehaltszettel vom XXXX , einen Auszug aus dem Melderegister, eine Ablichtung XXXX und eine Ablichtung aus dem Mietvertrag betreffend eine von ihm bewohnte Unterkunft im Bundesgebiet (AS 147 ff).

8. Am XXXX wurde die BF erneut niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Hierbei brachte sie im Wesentlichen vor, XXXX zu heißen und eine im Jahre XXXX geborene somalische Staatsangehörige zu sein. Den genauen Tag ihrer Geburt kenne sie nicht, wisse jedoch, dass sie im „ XXXX Monat“ geboren wäre. Sie gehöre dem Clan der XXXX und dem Sub-Clan der XXXX an (AS 180 f, AS 192). Bei ihrem Clan handle es sich um keinem „besonderen Clan“. Ihre Clanangehörigen bekämen nur minderwertige Jobs, wie etwa Löcher in den Boden graben für Toiletten (AS 192).

Die BF sei im XXXX geboren und im Alter von XXXX Jahren gemeinsam mit ihrer Familie nach Somalia in das Dorf XXXX zurückgekehrt. Ebendort habe sie bis zu ihrer Ausreise XXXX im gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter und ihrer Tante mütterlicherseits sowie deren Kernfamilie gelebt.

Die BF habe keine Schule, jedoch im Alter von XXXX Jahren „vielleicht ein paar Monate (…) nur ein bisschen die Koranschule besucht“. Der Lebensunterhalt der BF in Somalia sei durch die Tante und deren Ehemann bestritten worden, welche am XXXX gearbeitet hätten. Die BF hätte auch die Kinder ihrer Tante betreut.

Die BF sei Mutter von XXXX Kinder, welche in Somalia leben würden. Der Kindsvater sei „ein älterer Mann um die XXXX Jahre oder älter“ namens XXXX , welcher der Ethnie XXXX zugehörig sei. Ihre Ehe mit XXXX sei geschieden worden, als sie mit ihrer jüngsten, der XXXX jährigen Tochter noch schwanger gewesen wäre (AS 183 f). Die Familie ihres Ex-Mannes hätte ihm gesagt, dass er sich von ihr scheiden lassen müsse, weil sie „eine XXXX “ sei (AS 192).

Die BF habe fernmündliche Kontakt zu ihrer Tante mütterlicherseits, welche mit ihrem Ehemann, sowie der XXXX kranken Mutter und den XXXX Kindern der BF, im gemeinsamen Haushalt leben würde. Die Schwiegermutter der BF, und nicht ihr Ehemann, hätte ihr zu vor während aufrechter Ehe die Kinder „weggenommen“, danach jedoch wieder zurückgebracht.

Ihre Familie würde über keine Besitztümer in Somalia verfügen (AS 184 f).

Als sie ihren Heimatort verlassen hätte, hätten die Regierungskräfte die Kontrolle dort gehabt bzw. „versteckt“ auch die XXXX . Die BF habe den ersten Kontakt mit der XXXX im XXXX oder im XXXX Monat bzw. XXXX Monate vor Ende des Jahres XXXX gehabt (AS 188) und sie wäre XXXX Monate vor Ende des Jahres XXXX geflüchtet (AS 191).

Bezüglich ihrer Fluchtgründe führte die BF aus, dass ein Mann namens XXXX , welcher ein XXXX Mitglied gewesen wäre, sie gerufen und gemeint habe, dass sie mit ihm arbeiten müsse. Er hätte ihr auch gesagt, dass sie und ihre Kinder die Tante mütterlicherseits verlassen sollen, er ihnen einen Wohnsitz geben und sie heiraten werde, worüber sie jedoch mit keinem Menschen sprechen solle. Darüber hinaus hätte er ihr gesagt, dass sie nach der Heirat zu einem Regierungsgebäude gehen, dabei ihr Handy mitnehmen und dort um Hilfe bitten sowie behaupten solle, dass sie eine alleinerziehende Mutter sei. Er würde sie in weiterer Folge anrufen und über die Sicherheitskräfte ausfragen. Sie hätte dies abgelehnt und ihm geantwortet, dass die Regierungskräfte sie töten würden, wenn sie dies mitbekommen. Daraufhin habe dieser Mann ihr gedroht, dass er sie töten werde, weil sie verraten würde, was er von ihr verlangt hätte. Er habe eine Pistole herausgeholt und ihr gesagt, dass sie „so ihr Leben verlieren würde“.

Vor diesem Vorfall seien XXXX Frauen in ihrer Wohngegend getötet worden und die BF vermute, dass XXXX dahinter stecke, weil sie ihn mehrmals mit diesen Frauen sprechen sehen habe.

Unmittelbar nach diesem Vorfall sei sie von XXXX Männern festgehalten, „in ein Auto gesteckt“ und zu einem eingemauerten Haus mit großem Tor und Stacheldraht gebracht worden. Dort wären verheiratete XXXX Männer und Frauen gewesen. „Der Mann“ hätte ihr eine XXXX Frist zum Überlegen gegeben, ob sie seine Frau bzw. für ihn arbeiten werde. Eine der anwesenden Frauen habe kein Kopftuch in seiner Anwesenheit getragen und die BF habe vermutet, dass es sich hierbei um die Schwester des Mannes handle. Diese Frau hätte der BF jedes Mal geholfen, wenn er eine Pistole auf sie gerichtet hätte, sowie ihm gesagt, dass die BF schon auf ihn hören werde (AS 185 f). Die BF habe XXXX bzw. zwischen XXXX und XXXX in dem Haus verbracht (AS 190, AS 191), sei „in der Nacht von XXXX auf XXXX “ aus einer kleinen Türe geflüchtet und via Mitfahrt mit einem XXXX Fahrer wieder nachhause gekommen (AS 186).

Zu ihrer Flucht aus dem Haus schilderte sie weiters, dass während des Abendgebetes alle Männer beten gegangen wären. Die BF habe zu der Schwester von XXXX gesagt, dass sie hinausgehe werde, um sich für das Gebet zu waschen. Da sie kein Kopftuch getragen habe, hätte die Schwester angenommen, dass sie sich nur waschen gehe. Die BF sei auch ohne Kopftuch geflüchtet, obwohl in Somalia keine Frau so außer Haus gehe, sofern sie nicht psychisch krank sei (AS 190).

In weiterer Folge sei „der Mann“ in der Nacht um ca. XXXX Uhr zu ihnen gekommen und hätte überall nach ihr gesucht. Er habe die BF aber nicht finden können, weil ihre Tante einen großen XXXX über sie gestülpt hätte, worunter sie fast erstickt wäre.

Ihr sei es daraufhin physisch sehr schlecht gegangen. In der Früh hätte man ihr den Koran vorgelesen, damit sie sich beruhige. Ihre Tante habe sie um XXXX Uhr am Vormittag zu einer Haltestelle gebracht und mit einem Fahrzeug wäre sie Richtung XXXX gefahren. Als sie ihre Tante von dort kontaktiert hätte, hätte diese ihr erzählt, dass die Männer jeden Abend kommen und nach ihnen suchen würden. Auch hätte der Mann ihrer Tante gesagt, dass er die BF sofort töten würde, wenn sie ihn bei der Regierung verrate bzw. er sie sehe würde. Ihre Tante hätte gemeint, sie dürfe nicht zurückkehren, weshalb die BF dann weiter in XXXX gereist sei (AS 186 ff).

Im Falle einer Rückkehr nach Somalia befürchte sie von XXXX getötet zu werden. Dieser denke, dass sie ihn verraten habe (AS 193).

Die BF sei mit einem Mann namens XXXX , dessen Alter sie nicht kenne, verheiratet. Die Eheschließung sei im XXXX oder XXXX bzw. am XXXX telefonisch durchgeführt worden. Ihr Ehemann sei bei der Eheschließung in Österreich, sie selbst im XXXX und der XXXX namens XXXX in Somalia gewesen (AS 181). Sie habe sich nach der Eheschließung mit ihrem Ehemann Ende des Jahres XXXX oder im XXXX oder XXXX , in XXXX getroffen und ebendort im gemeinsamen Haushalt gelebt. Ihr Ehemann hätte ihr gesagt, dass er nach Österreich zurückkehren und eine Familienzusammenführung beantragen werde (AS 183).

Ein gemeinsamer Haushalt der BF mit ihrem Ehemann bestehe zum Befragungszeitpunkt nicht. Sie würde gegenwärtig „lieber in einem Flüchtlingsheim leben“, weil sie noch keine gemeinsamen Kinder hätten bzw. neu verheiratet und noch nicht lange zusammen seien.

9. Mit Bescheid des BFA vom XXXX , wurde der Antrag der BF vom XXXX bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter dem Spruchpunkt II. wurde der BF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia zuerkannt. Weiters wurde ihr die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass sie mit XXXX verheiratet sei. Der Familienstand der BF wurde als ledig festgestellt.

Es hätte zudem nicht festgestellt werden können, dass die BF Somalia aufgrund einer Verfolgung oder einer Furcht vor solcher verlassen habe. Ihre Ausführungen in Bezug auf die Gefährdung ihrer Person hätten nicht glaubhaft festgestellt werden können (AS 217).

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die von der BF vorgelegte Heiratsurkunde nicht als Beweis für eine Eheschließung gewertet werden könne, da zwangsläufig davon ausgegangen werden müsse, dass es sich um eine „Gefälligkeitsausstellung“ handle. So habe die Urkunde kein Ausstellungsdatum und scheine ihr Vater als Vormund der Braut darauf auf, obwohl die BF in der Einvernahme am XXXX ausgeführt habe, dass keine Verwandten in die Trauung involviert gewesen wären. Zudem gäbe es weitere Diskrepanzen zwischen dem Vorbringen der BF und dem aus der Urkunde ersichtlichen Inhalt (AS 305 f).

Hinsichtlich des Fluchtvorbringens wurde beweiswürdigend zusammengefasst ausgeführt, dass dieses widersprüchlich, nicht nachvollziehbar bzw. nicht glaubhaft gewesen sei.

9.1. Das BFA stellte der BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

10. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die BF, vertreten durch XXXX , binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass Verfahrensvorschriften verletzt worden seien und der Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei.

Die BF sei entgegen der Feststellung des BFA mit Herrn XXXX verheiratet und führe auch aktuell ein bestehendes Eheleben im gemeinsamen Haushalt mit diesem. Vor der Einreise nach Österreich hätte bereits ein gemeinsames Ehe - und Familienleben bestanden. Die Ehe der BF sei eine nach somalischen Recht rechtsgültige Ehe und begründe somit ein im österreichischen Asylverfahren zu beachtendes Familienverfahren. XXXX führe mit der BF ein aufrechtes Familien – und Eheleben und habe dies bereits auch schon vor der Einreise geführt (AS 342 f). Zum Beweis für das aufrechte Familien - und Eheleben werde ein Konvolut an gemeinsamen Fotos des Paares vorgelegt.

Zudem habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen, ob die BF im Falle ihrer Rückkehr auf die Unterstützung von männlichen Familienangehörigen oder ihres Clans vertrauen könnte (AS 343). Auch sei die Beweiswürdigung des BFA mangelhaft gewesen.

11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Somali durch, an welcher die BF sowie ihre rechtsfreundliche Vertretung teilnahmen. Das BFA verzichtete vorab mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung (OZ 5). Ein Vertreter der belangten Behörde ist folglich nicht erschienen.

Die BF wurde ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen.

Hierbei gab sie BF an, XXXX zu heißen, am XXXX geboren zu sein und eine somalische Staatsangehörige zu sein. Im Alter von zehn Jahren sei sie mit ihrer Familie in ihr Herkunftsland zurückgekehrt.

Sie gehöre dem Clan der XXXX heiraten. Entgegen der Protokollierung in der Niederschrift (AS 180), habe sie nie angegeben, dass sie dem Clan der XXXX angehöre.

Im Herkunftsstaat habe sie zuletzt in einer kleinen Stadt namens XXXX gewesen, sich im Verwaltungskreis von XXXX befinde und seit einem Jahr ein eigener Bezirk geworden wäre. In XXXX sei die Regierung an der Macht, jedoch würde auch die XXXX ebendort wohnen. Weiters würden dort verschiedene Clanangehörige leben, wobei die XXXX die Mehrheit bilden würden (NSV S. 10; „(…) aber andere Clanangehörige leben auch dort“).

Die BF habe im Herkunftsstaat „kurz eine Privatschule besucht und dort lesen und schreiben gelernt“. XXXX . Hinsichtlich ihrer Berufsausbildung gab sie an, im Herkunftsstaat Fädeln gelernt zu haben und mit Dekorationen aus Nadel, Holzbrett und Baumwolle bzw. Wäschewaschen „ein wenig“ verdient zu haben. An Tagen, an denen sie etwas verdient habe, hätte sie ihren Lebensunterhalt aus Eigenem bestreiten können.

Ihr Vater namens XXXX und ihre Geschwister seien bei XXXX verstorben. Zu den näheren Umständen hierzu befragt, schilderte die BF: „Etwas ist gefallen und es ist explodiert.“ Ihre - seit XXXX kranke- Mutter namens XXXX habe vormals in XXXX . Vormals habe die Tante ein Geschäft betrieben. Nachdem ihr Ehemann jedoch verstorben sei, habe sich ihre finanzielle Lage verschlechtert.

Auch würden die Kinder der BF mit ihrer Mutter und ihrer Tante im gemeinsamen Haushalt leben. Die BF habe zuletzt im XXXX mit ihrer Mutter Kontakt gehabt, weil sie am XXXX , ihr Handy in einem Bus vergessen habe. Gegenwärtig versuche sie „die Nummer der Familie zu finden“, welche „keine eigene Nummer“ hätte, sondern über eine Nachbarsfamilie erreichbar sei. Eine weitere Tante und der Onkel mütterlicherseits würde ihre Mutter, welche dem Clan der XXXX angehöre, „hassen“, weil die BF den XXXX zugehörig sei.

Die BF sei Mutter von XXXX in XXXX geborenen Kindern. XXXX Ihre Kinder würden dem Clan der XXXX angehören.

Der Kindsvater heiße XXXX bzw. XXXX und sei dem Clan der XXXX angehörig. Die BF habe ihren ersten Ehemann aus Liebe geheiratet und hätte niemals gesagt, dass sie zwangsverheiratet worden wäre. Er habe vormals als Verkäufer in einem Geschäft gearbeitet. Die Ehe zu dem ihrem ersten Ehemann sei unter Zwang geschieden worden, als sie mit ihrer Tochter schwanger gewesen wäre. Sie hätten beide keine Scheidung gewollt und er habe sie immer gut behandelt. Ihr erster Ehemann hätte bei der Eheschließung nicht gewusst, dass sie dem Clan der XXXX zugehörig sei: „R: Wusste Ihr erster Ehemann nicht, dass Sie dem Clan der XXXX angehören bei der Eheschließung? BF: Nein.

R: Wie konnten Sie das verheimlichen? BF: Wir haben uns ineinander verliebt, als wir noch sehr jung waren. Für verliebte Leute bedeutet Clanzugehörigkeit nichts. Wir haben darauf nicht geachtet. Erst später hat seine Mutter ihm gesagt, dass sie von den Leuten gehört hat, dass ich dem Clan der XXXX angehöre.

(…)

Er wollte sich nicht von mir scheiden lassen. Er hat gesagt, die Liebe ist größer als die Clanzugehörigkeit. Die Kinder sind wichtiger.“

Seit der Scheidung bzw. ihrer Schwangerschaft mit ihrer Tochter, gelte er als vermisst.

Ihre zweite Ehe mit XXXX nicht mehr aufrecht.

Bei ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat sei die BF via Auto von XXXX gereist. Hinsichtlich ihrer Ausreiseroute schilderte die BF im XXXX gewesen zu sein, bis sie nach Österreich eingereist ist. XXXX habe sie XXXX Monate lang gelebt und als Haushälterin gearbeitet zu haben und danach in XXXX ihren zweiten Ehemann getroffen. Ursprünglich hätte sie geplant, ihre Kinder in XXXX nachzuholen. In XXXX sei sie nicht geblieben, weil man dort nicht leben könne, wenn man kein Geld hat.

Zu ihren Rückkehrbefürchtungen befragt, schilderte sie folgendes:

„R: Wer würde Sie aktuell in ihrem Heimatstaat verfolgen, bedrohen oder gar töten wollen? BF: XXXX .

R: Warum? BF: Er denkt, dass ich ihn bei der Regierung verraten habe. Er drohte mich umzubringen, wenn ich das täte.

R: Wo lebt XXXX . Er hat zwei Frauen getötet.

R: Wo lebt XXXX aktuell? BF: Er lebt in XXXX kamen zwei vermummte Männer zu meiner Tante gekommen.

R: Woher wissen Sie, dass er jetzt in XXXX lebt? BF: Am XXXX sind zwei vermummte Männer zu meiner Tante gekommen und sie haben nach mir gefragt. Meine Tante sagte, dass sie nicht weiß, wo ich mich aufhalten würde und diese Männer sagten, dass XXXX immer noch nach mir sucht.

R: Aber woher wissen Sie, dass er jetzt im Oktober 2024, immer noch in XXXX lebt? BF: Meine Tante hat mir immer gesagt, als ich sie kontaktierte, dass XXXX nach mir sucht und droht mich umzubringen, wenn ich ihn bei der Regierung verrate.

R: Haben Sie XXXX bei der Regierung verraten? BF: Nein, aber ich wollte es.

R: Warum würde dann XXXX denken, dass Sie ihn bei der Regierung verraten haben? BF: Ich weiß es nicht. Meine Tante hat mir aber immer wieder gesagt, dass XXXX mich umbringen wird, wenn er mich sieht. Ich darf nicht zurückkehren, sagt meine Tante.

(…)

R: Woher wissen Sie, dass XXXX ein Mitglied der XXXX ist? BF: Die Leute aus dem Bezirk sagten, dass zwei Frauen getötet wurden und dass XXXX diese getötet hat. Wenn man ihn verrate, wird er die Leute umbringen. Deshalb hatten die Leute Angst vor ihm.

R: Aber Sie haben ihn ja nicht verraten. BF: Ich bin geflüchtet.“

In XXXX sei ihr sehr schnell der Asylstatus gewährt worden. Sie habe damals einen verletzten Fuß und Krücken gehabt. Bei ihrem Antrag auf internationalen Schutz in XXXX habe zu ihrem Fluchtgrund befragt folgendes geschildert:

„R: Aus welchem Grund wurde Ihnen in XXXX Asyl gewährt? BF: Sie haben mich dort gefragt, warum ich Somalia verlassen habe. Ich habe erzählt, dass ein Mann namens XXXX , der Mitglied der XXXX ist, eines Abends zu mir gekommen ist und er sagte mir, ich muss mitarbeiten und dass er mich heiraten würde. Ich und meine Kinder werden bei ihm leben. Ich habe ihn gefragt, welche Arbeit ich bei ihm erledigen werde. Er sagte mir, dass ich zu dem Amt gehe und zur Behörde, dort soll ich vortäuschen, dass ich eine Bettlerin wäre, um zu beobachten, wer hinaus und wer hineingeht. Das sollte ich ihm mitteilen. Ich sagte ihm, dass so eine Tätigkeit für mich schwierig ist auszuüben und ich es mir überlegen werde. Am nächsten Abend ist er wieder zu mir gekommen. Er hat die Pistole an meinen Kopf gesetzt. Vor lauter Angst dachte ich, er hat schon geschossen. Er und ein anderer Mann, der dabei war, haben mich getragen. Einer hat meine Beine gehalten und der andere meine Hände. Sie haben mich in ein Auto gesetzt.

BF: Warum genau ich Asyl bekommen habe weiß ich nicht. Sie haben mich befragt und dann habe ich es bekommen.“

In XXXX könne sie nicht leben, weil man sofort nach Erhalt des Konventionspasses das Flüchtlingsheim verlassen müsse. Nach XXXX zurückkehren könne sie aus folgendem Grund nicht: „Es gibt keinen Job und man erhält keine Bildung.“ Sie haben XXXX auch nicht wegen eine Vorfalls mit einem Mann verlassen, sondern sei aus folgendem Grund weitergereist: „Ich habe einen Job gesucht und keinen gefunden.“

Im Bundesgebiet habe sie einen Alphabetisierungskurs besucht und wolle arbeiten, wenn sie die Sprache gelernt habe. Sie sei gesund.

12. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde das Protokoll des XXXX in der XXXX nachgereicht, welchem zu entnehmen ist, dass die BF beim Gericht erschien um eine Unterhaltsklage gegen XXXX einzubringen. Zumal das BFA davon ausgehe, dass die BF und XXXX nicht verheiratet seien, bestehe kein Anspruch auf Unterhalt, weshalb die BF „ohne Aufnahme einer Unterhaltsklage entlassen werde“.

13. Dem Strafregister der Republik Österreich sind keine Verurteilungen der BF im Bundesgebiet zu entnehmen.

II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF

1.1.1. Die gesunde BF ist eine volljährige, somalische Staatsbürgerin sunnitisch-muslimischen Glaubens und dem Clan der XXXX (andere Schreibweise im Akt: XXXX ) zugehörig. Vor ihrer Ausreise lebte sie im Verwaltungskreis von XXXX .

1.1.2. Im Herkunftsstaat hat sie eine Koranschule besucht sowie das Handwerk des Fädelns erlernt.

Ihren Lebensunterhalt im Herkunftsstaat hat sie mittels Handarbeitstätigkeiten wie das Anfertigen von Dekorationsgegenständen bzw. Wäsche waschen bestritten. Auch wurde sie von ihrer Tante mütterlicherseits finanziell unterstützt.

1.1.2. Die Mutter der BF lebt mit ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt. Die BF pflegt fernmündlichen Kontakt zu ihrer Mutter und Tante mütterlicherseits.

1.1.3. Die BF ist ledig.

1.1.4. Im Bundesgebiet ist sie strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF

Die BF ist eine alleinstehende somalische Frau, welche einem XXXX angehört, und verfügt über keinen Schutz durch männliche Verwandte im Herkunftsstaat. Sie ist einer asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Somalia ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Aus dem ins Verfahren eingeführten, aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia (in der Folge: LIB) ergibt sich -unter Berücksichtigung der vorgebrachten UNHCR-Richtlinien sowie der Leitlinien der EUAA zu Somalia- entscheidungsrelevant Folgendes:

1.3.1. Banadir Regional Administration – im Speziellen Mogadischu

Die Sicherheitslage in Mogadischu ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass al Shabaab Angriffe auf Behörden und ihre Unterstützer verübt. Zugleich stecken hinter der Gewalt in der Stadt neben al Shabaab auch Regierungskräfte, der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISIS) und Unbekannte (Landinfo - Referat für Länderinformationen der Einwanderungsbehörde [Norwegen] (8/9/2022): Somalia: Sikkerhetssituasjonen i Mogadishu og al-Shabaabs innflytelse i byen).

In der Stadt befinden sich die Polizei, die Präsidentengarde, die Bundesarmee, die National Intelligence and Security Agency (NISA), private Sicherheitskräfte und Clanmilizen in unterschiedlichem Umfang im Einsatz (Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (6/9/2023): Securing Mogadishu, in: The Somali Wire Issue No. 588).

Nichtstaatliche Sicherheitskräfte, darunter Clan-Milizen, üben trotz wiederholter Versuche, sie auf Linie zu bringen, erheblichen Einfluss in der Stadt aus. Die Teile dieser Patchwork-Sicherheitsarchitektur konkurrieren regelmäßig um Checkpoints und den Zugang zu Ressourcen (Sahan/SWT 6.9.2023).

Generell haben sich seit 2014 die Lage für die Zivilbevölkerung sowie die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden verbessert (BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (9/2/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation). Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 hat sich die Sicherheitslage in der Stadt seit 2017 weiter verbessert (INGO-F/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Internationale NGO F, Senior Aid Official (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023). Laut einer anderen Quelle der FFM ist die Lage heute ähnlich wie 2017, jedenfalls aber besser als etwa 2012-2014 (UNOFFX/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber), Senior UN Official X (Autor) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023).

Die Stadt hat 17 Bezirke und mehrere sogenannte „residential areas“, die noch nicht zu Bezirken gemacht worden sind. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation, in der ganzen Stadt mit ca. 18.000 Mann ausreichend Sicherheitskräfte (Sahan/SWT- Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (7/11/2022): TA plan to secure Mogadishu, in: The Somali Wire Issue No. 472 ), davon 5.000-6.000 Polizisten. In jedem Bezirk gibt es eine Polizeistation (Sahan/SWT 6.9.2023). Seit April 2022 wird eine neue paramilitärische Einheit in Mogadischu eingesetzt (RD - Radio Dalsan (10/4/2023): Banadir Regional Administration holds a first-ever talks with notorious Ciyaal Weero gang). Dabei handelt es sich um in Uganda ausgebildete Kräfte (JOWH - Jowhar (10/4/2023): Ciidamo cusub oo la wareegay amniga degmooyinka dhaca duleedyada Muqdisho). Diese Militärpolizei - eine Einheit der Bundesarmee - wurde mit der Stabilisierung Mogadischus beauftragt (FTL - Facility for Talo and Leadership (14/4/2023): Military Police Launch Security Operations in Various Mogadishu Neighborhoods; vgl. JOWH 10.4.2023). Es kommt nun auch in Außenbezirken zu Razzien, etwa am 24.8.2023 in Heliwaa, Yaqshiid und Warta Nabadda. Dabei arbeitet die Polizei mitunter mit der Militärpolizei zusammen (Halqabsi - Halqabsi News (24/8/2023): Somali Security Forces Conduct Sweeping Operations in Mogadishu Districts). Mit der Operation „Ciiltire“ soll die Sicherheitslage in Mogadischu weiter verbessert werden. In diesem Rahmen soll auch das neue Waffengesetz (Capital Arms Control Act), das den illegalen Waffenverkauf und -Besitz in der Hauptstadt reduzieren soll, durchgesetzt werden. Involviert sind die Polizei und die Militärpolizei sowie Sicherheitskräfte der Region Benadir (Halqabsi - Halqabsi News (18/4/2023): Somali Government Announces New Security Operation “Ciiltire” to Strengthen Mogadishu’s Security). Der Einsatz der 2.000 Mann der Militärpolizei ist ein massiver Beitrag für die Sicherheitslage in der Stadt. Die Einheit kümmert sich u.a. um die militärische Sicherung von Mogadischu (BMLV- Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (14/9/2023): Interview der Staatendokumentation mit einem Länderexperten). Allerdings reicht die gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte weiterhin nicht aus, um Aktivitäten der al Shabaab gänzlich zu unterbinden (BMLV - Bundesministerium für Landesverteidigung [Österreich] (1/12/2023): Auskunft eines Länderexperten an die Staatendokumentation). Auch eine weitere Quelle vertritt die Ansicht, dass die somalischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage sind, der von al Shabaab ausgehenden Bedrohung für die gesamte Region Benadir entgegenzutreten (UNSC- United Nations Security Council (6/10/2021): Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849). Unter den Sicherheitskräften herrscht mangelnde Koordination und Kommunikation, dafür aber Korruption. Und gleichzeitig erschweren fehlende Personalausweise und Register (etwa für Fahrzeuge) und Adressen die Sicherheitskontrolle (Sahan/SWT 7.11.2022). Zudem ist die Polizei nicht unbedingt effizient und diszipliniert (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023) und zudem überfordert. Sie musste in den vergangenen Jahren mit einem wachsenden Drogenmilieu und Bandenwesen sowie mit al Shabaab und einer zunehmenden Politisierung der Sicherheitskräfte unter dem Ex-Präsident Farmaajo kämpfen. Seit der Stationierung der o.g. von Uganda ausgebildeten Kräfte gibt es aber zunehmend Versuche, z.B. illegale Checkpoints zu räumen (Sahan/SWT 6.9.2023). Die Sicherheitskräfte können zudem nun großteils jene Gebiete kontrollieren, in welchen al Shabaab zuvor ungehindert agieren konnte. Zuvor verfügte die Bundesregierung nicht flächendeckend über ausreichend staatliche Institutionen hinsichtlich der Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums. Die diesbezügliche Lage hat sich gebessert (BMLV 1.12.2023).

Gleichzeitig bietet die Stadt für al Shabaab alleine aufgrund der dichten Präsenz von Behörden und internationalen Organisationen viele attraktive Ziele. Innerhalb der Stadt hat sich die Sicherheit zwar verbessert, al Shabaab kann aber nach wie vor Anschläge durchführen. Andererseits gilt es als höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab die Kontrolle über Mogadischu zurückerlangt. In Mogadischu besteht kein Risiko, von al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden. Aus einigen Gegenden flüchten junge Männer sogar nach Mogadischu, um sich einer möglichen (Zwangs-)Rekrutierung zu entziehen (BMLV 1.12.2023).

Noch im Jahr 2022 sind Quellen davon ausgegangen, dass Mogadischu im Falle eines Abzugs von ATMIS die Rückkehr von al Shabaab drohte (Robinson/TGO - Colin Robinson (Autor), The Global Observatory (Herausgeber) (27/1/2022): New Name, but Little Sign of Change: The Revised Agreement on the African Union Mission in Somalia; vgl. Meservey/RCW - Real Clear World (Herausgeber), Joshua Meservey (Autor) (22/11/2021): Missing Opportunities in Somaliland). Nun aber haben zwei Quellen der FFM Somalia 2023 angegeben, dass sie diese Gefahr nicht (mehr) sehen (IO-D/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Think/STDOK/SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (Herausgeber), Think Tank (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2023): Interview im Rahmen der FFM Somalia 2023). Auch eine weitere Quelle geht nicht davon aus. Demnach ist nunmehr ein rascher Zusammenbruch des Staates nur noch dann zu erwarten, wenn jegliche externe Unterstützung eingestellt wird (BMLV 1.12.2023).

Al Shabaab kontrolliert in Mogadischu keine Gebiete (AQ 21 - Anonyme Quelle 21 (11.2023): Expertengespräche), ist aber im gesamten Stadtgebiet präsent, das Ausmaß ist aber sehr unterschiedlich (BMLV 9.2.2023). Dabei handelt es sich um eine verdeckte Präsenz und nicht um eine offen militärische (BMLV 1.12.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, Landinfo 8.9.2022). In den Außenbezirken hat al Shabaab größeren Einfluss, auch die Unterstützung durch die Bevölkerung ist dort größer (BMLV 1.12.2023). Die Gruppe verfügt in Mogadischu über keine nennenswerte institutionelle Präsenz. Trotzdem erhebt die Gruppe den Zakat (islamische Steuer) von Unternehmen in der Stadt. Zudem macht al Shabaab ihre Präsenz insofern bemerkbar, dass sie ihre Form der „Moral“ umsetzt. So tötete die Gruppe beispielsweise Anfang März 2023 zehn Personen, denen der Verkauf von Drogen in den Stadtbezirken Yaqshiid und Dayniile vorgeworfen worden war (Sahan/SWT 6.9.2023).

Bei allen Möglichkeiten, über welche al Shabaab verfügt, so hat die Gruppe in Mogadischu kein freies Spiel. Regierungskräfte sind in allen Bezirken der Stadt präsent – etwa mit Checkpoints; und es werden Razzien durchgeführt. Die Anzahl an Mitgliedern, Unterstützern und Ressourcen in Mogadischu sind begrenzt, und daher muss al Shabaab diesbezügliche Prioritäten setzen (Landinfo 8.9.2022). Quellen der FFM Somalia 2023 erklären: Al Shabaab ist weiter abgedrängt worden und daher kommen komplexe Angriffe seltener vor. Ein Stadtviertel nach dem anderen wurde gesichert, Häuserblock für Häuserblock durchsucht (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). An den Kontrollpunkten an Straßen wird ein großer Aufwand bei Durchsuchungen betrieben (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). In Dayniile sind keine Flaggen der al Shabaab mehr zu sehen. Die Polizei ist nun in der ganzen Stadt vertreten – auch an der Peripherie (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Die Arbeit der Regierung ist laut einer Quelle beeindruckend. Demnach antworten Menschen in der Stadt teilweise nicht mehr auf Anrufe durch al Shabaab (IO-D/STDOK/SEM 4.2023). Üblicherweise galt, dass al Shabaab jede Person töten konnte, die sie töten wollte. Nunmehr gilt dies laut einer Quelle nicht mehr uneingeschränkt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle erklärt, dass die Fähigkeiten von al Shabaab, sich in der Stadt zu bewegen und Menschen gezielt zu töten, durch Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt worden sind (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Der Austausch des Personals an den Checkpoints der Regierung hat zur Einschränkung der Fähigkeiten von al Shabaab erheblich beigetragen. Zuvor bestochene und/oder infiltrierte Checkpoints wurden so für die Gruppe wertlos. Laut Expertenmeinung herrscht ein Krieg um Mogadischu, der nicht unbedingt mit Kugeln geführt wird. Die Bundesregierung versucht al Shabaab mit Maßnahmen - Checkpoints, Einschränkung der Finanzoperationen, Bekämpfung der Justiz von al Shabaab - von ihren „steuerlichen“ Pfründen in der Stadt zu entkoppeln. Al Shabaab wiederum setzt sich dagegen zur Wehr. Dieser Kampf ist noch nicht entschieden (AQ21 11.2023).

Generell unterstützt die Zivilbevölkerung von Mogadischu nicht die Ideologie von al Shabaab. Am Stadtrand ist die Unterstützung größer, die meisten Bewohner haben al Shabaab gegenüber aber eine negative Einstellung. Sie befolgen die Anweisungen der Gruppe nur deshalb, weil sie Repressalien fürchten. Al Shabaab agiert wie eine Mafia: Sie droht jenen mit ernsten Konsequenzen, welche sich Wünschen der Gruppe entgegensetzen (BMLV 1.12.2023; vgl. FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (7/8/2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020).

Auf die Frage nach den größten Gefahren im täglichen Leben in Mogadischu erklärt eine Quelle der FFM Somalia 2023: Erstens Erpressung durch al Shabaab; die Gruppe versucht immer, an Geld zu kommen. Daher besteht immer das Risiko, von ihr einen Drohanruf oder eine bedrohliche Textnachricht zu erhalten. Zweitens besteht für einen Durchschnittsbürger zwar kein Risiko, gezielt angegriffen zu werden; aber natürlich besteht immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Auch eine andere Quelle nennt dieses Risiko („wrong place, wrong time“). Demnach werden Normalbürger nicht angegriffen. Es muss immer ein bestimmtes Interesse an einer Person herrschen (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine Quelle gibt zu bedenken, dass man sich in Mogadischu nicht so leicht verstecken, nicht einfach isolieren kann. Man besucht die Familie, geht auf den Markt oder ins Spital etc. Personen sind demnach einfach aufzuspüren (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Zum Ziel werden jene, die für die Regierung arbeiten. Diese Personen brauchen geeigneten Schutz. Auch Journalisten tragen ein höheres Risiko, insbesondere jene, die sich kritisch zu al Shabaab geäußert haben. Üblicherweise wird gezielt eine Person angegriffen, nicht aber deren Familienmitglieder (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Die Menschen wissen um die Gefahr bestimmter Örtlichkeiten und versuchen daher, diese zu meiden. Sie bewegen sich in der Stadt, vermeiden aber unnötige Wege. Für viele Bewohner der Stadt ist die Instabilität Teil ihres Lebens geworden. Sie versuchen, Gefahren auszuweichen, indem sie Nachrichten mitverfolgen und sich gegenseitig warnen (FIS 7.8.2020). An neuralgischen Punkten der Stadt befinden sich Checkpoints, allerdings weniger als früher. An den Einfahrtsstraßen wird jedes Fahrzeug kontrolliert. Insgesamt wird an diesen Straßensperren professioneller vorgegangen als noch vor einigen Jahren. Präsident Hassan Sheikh Mohamud hat die Auflösung der meisten innerstädtischen Checkpoints angeordnet. Größere Einschränkungen gibt es aktuell nur mehr bei besonderen Anlässen - dies wird mittlerweile aber im Vorfeld angekündigt (BMLV 9.2.2023). Immer wieder kommt es zu Angriffen von Regierungskräften auf Fahrer und Passagiere von Tuk-Tuks und anderen Fahrzeugen. Oft ereignen sich derartige Vorfälle an Checkpoints. Die Zugehörigkeit zu einem starken Clan oder Verbindungen zu mächtigen Personen in der Stadt können an Checkpoints oder beim Zusammentreffen mit Regierungskräften von Vorteil sein. Als starke Clans erachtet werden in Mogadischu v.a. die Hawiye / Abgaal und die Hawiye / Habr Gedir (Landinfo 8.9.2022). Eine Quelle der FFM Somalia 2023 erklärt, dass Mogadischu hinsichtlich der Clanzugehörigkeit generell als kosmopolitisch erachtet werden kann. Eine Rolle spielt der Clan allerdings bei sozialen Angelegenheiten, bei Eheschließungen, beim Ringen um Macht, in der Politik (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).

Einige Checkpoints werden von NISA kontrolliert (z.B. am Flughafen); innerhalb der Stadt aber meist von der Polizei. Die neu eingesetzte Militärpolizei unterhält Kontrollpunkte in den Vororten und Ausfallstraßen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Für normale Bürger gibt es hinsichtlich der Bewegungsfreiheit allgemein keine Probleme in Mogadischu (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Clan oder Geschlecht spielen hier keine Rolle (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. INGO-F/STDOK/SEM 4.2023, UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).

Frauen können sich auch problemlos alleine bewegen, nur spät in der Nacht könnte es hier zu Sicherheitsproblemen kommen. Insgesamt haben alle Menschen die gleichen Probleme: Die Freiheit wird manchmal durch Straßensperren massiv eingeschränkt – etwa an Feiertagen (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023) oder wenn wichtige Delegationen in der Stadt sind. Wenn gerade kein besonderer Anlass gegeben ist, gibt es für beide Geschlechter und alle Clans Bewegungsfreiheit (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle fragen Polizisten an Checkpoints häufig um ein Trinkgeld, um die Bezahlung ihres Essens, um Zigaretten. Tatsächlich werden aber nur Autos – und hier meist die Fahrer – kontrolliert, Fußgänger und Tuk-Tuks können passieren (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023).

Es gibt Bandenwesen und Straßenkriminalität. Teile von Karaan, Heliwaa und Yaqshiid bzw. alle Ränder der Stadt sind hoher Kriminalität ausgesetzt (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023).Für Zivilisten besteht nach wie vor die Sorge vor Raubüberfällen und Gewalt, insbesondere nachts. Dabei ist die Ermordung von Raubopfern keine Seltenheit. Dies steht insbesondere im Zusammenhang mit dem Aufstieg von Jugendbanden (bekannt als „ciyaal weero“ oder „aggressive Kinder“) seit 2021 (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. INGO-C/STDOK/SEM 4.2023). Diese Gangs haben ursprünglich Passagiere von Tuk-Tuks (Bajaj) tyrannisiert. Sie haben geraubt, was die Menschen gerade bei sich hatten (Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (27/7/2022): The rise of Mogadishu’s street gangs, in: The Somali Wire Issue No. 431). Viele Gang-Mitglieder nehmen auch Drogen oder trinken Alkohol (Sahan/SWT 27.7.2022; vgl.Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (29/8/2022): Mogadishu’s gang proliferation, in: The Somali Wire Issue No. 444). Die gestiegene Zahl an Delikten wie Diebstahl und Raub ist teilweise der Beschaffungskriminalität zuzurechnen (Sahan/SWT 29.8.2022). Diesen Gangs werden mittlerweile aber auch andere Verbrechen vorgeworfen, darunter sexuelle Übergriffe (Sahan/SWT 6.9.2023; vgl. Sahan/SWT 27.7.2022), Raubüberfälle und Morde (Sahan/SWT 27.7.2022). Gleichzeitig sind Jugendgangs nach Gebieten organisiert und reklamieren verschiedene Teile der Stadt für sich (INGO-C/STDOK/SEM 4.2023; vgl. Sahan/SWT 29.8.2022), was zu weiterer Gewalt führt (Sahan/SWT 29.8.2022). Denn mit zunehmender Ausbreitung haben sie begonnen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Zwar hat die Polizei bei Razzien immer wieder Gang-Mitglieder festgenommen, diese kamen aber - vermutlich durch Bestechung - immer frei, bevor ihnen der Prozess gemacht worden ist (Sahan/SWT 27.7.2022). Manche Sicherheitskräfte beteiligen sich an den Gangs, manche sind in den Drogenhandel involviert (Sahan/SWT 29.8.2022).

In Mogadischu kommt es mitunter auch zu Landkonflikten, z.B. im August 2023 in Xamar Weyne. Dort wurden in Folge von Gewalt auch mehrere Menschen vertrieben (Sahan/Gedo - Gedo Times (Autor), Sahan (Herausgeber) (7/8/2023): Banaadir Governor addresses Mogadishu land disputes, in: The Somali Wire Issue No. 575).

Bei manchen Vorfällen ist unklar, von wem oder welcher Gruppe die Gewalt ausgegangen ist; Täter und Motiv bleiben unbekannt. Es kommt zu Rachemorden zwischen Clans, zu Gewalt aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder aus politischer Motivation. Lokale Wirtschaftstreibende haben in der Vergangenheit auch schon al Shabaab engagiert, um Auftragsmorde durchzuführen. Mit Stand 2020 berichtet die finnische COI-Einheit: Die Bewohner haben eine hohe Hemmschwelle, um sich an die Polizei zu wenden. Das Vertrauen ist gering. Die Fähigkeit der Behörden, bei kleineren Delikten wie etwa Diebstahl zu intervenieren, ist derart gering, dass Menschen keinen Nutzen darin sehen, Anzeige zu erstatten. Hat eine Person Angst vor al Shabaab, dann kann ein Hilfesuchen bei der Polizei - aufgrund der Unterwanderung selbiger -die Gefahr noch verstärken. Die Polizei ist auch nicht in der Lage, Menschen bei gegebenen Schutzgeldforderungen seitens al Shabaab zu unterstützen (FIS 7.8.2020). Nach neueren Angaben ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei aufgrund der neu eingesetzten Kräfte gestiegen. Auch wenn diese streng genommen der Bundesarmee angehören, heben sie das Ansehen der Sicherheitskräfte. Sowohl Polizei als auch Bundesarmee bleiben aber weiterhin von al Shabaab unterwandert (BMLV 1.12.2023).

Der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISIS) verfügt in Mogadischu nur über sehr begrenzten Einfluss. Die Gruppe versucht u.a. auf dem Bakara-Markt Steuern einzutreiben (Landinfo 8.9.2022). Im Jänner 2022 haben Geschäftsleute auf dem Markt aus Protest dagegen für einige Tage ihre Geschäfte geschlossen (Landinfo 8.9.2022; vgl. Sahan/SWT - Somali Wire Team (Autor), Sahan (Herausgeber) (17/8/2022): The threat that locally organised clan militias pose to Al-Shabaab, in: The Somali Wire Issue No. 439). Die Gruppe hatte zuvor jeden Händler, der kein Schutzgeld abführt, mit dem Tod bedroht (Sahan/SWT 17.8.2022).

1.3.2. Situation von Frauen in Süd-/Zentralsomalia

Auch wenn Gewalt gegen Frauen gesetzlich verboten ist (USDOS US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices - Somalia, S. 37), bleiben häusliche (USDOS 12.4.2022, S. 37; vgl. AA Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, S. 18) und sexuelle Gewalt gegen Frauen ein großes Problem. Bezüglich Gewalt in der Ehe – darunter auch Vergewaltigung – gibt es keine speziellen Gesetze (USDOS 12.4.2022, S. 34/37).

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt bleiben ein großes Problem – speziell für IDPs (FH – Freedom House 2022a, Freedom in the World 2022 – Somalia ; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 34ff, ÖB – Österreichische Botschaft Nairobi 11.2022, Asylländerbericht Somalia S. 11). Im Jahr 2021 kam es zu einem Anstieg an derartigen Fällen, oft werden Opfer auch getötet (HRW – Human Rights Watch World Report 2022 – Somalia 13.1.2022; vgl. UNFPA – UN Population Fund Overview of Gender Based Violence Situation in Somalia, 14.4.2022). Auch im Jahr 2022 ist die Zahl an Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt weiter gestiegen. Im Jahr 2021 setzten sich die Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt wie folgt zusammen: 62 % physische Gewalt; 11 % Vergewaltigungen; 10 % sexuelle Übergriffe; 7 % Verweigerung von Ressourcen; 6 % psychische Gewalt; 4 % Zwangs- oder Kinderehe. 53 % der Fälle ereigneten sich im Wohnbereich der Opfer. 2021 war eine hohe Rate an Partnergewalt zu verzeichnen; mit der Rücknahme von Covid-19-bedingten Einschränkungen ist die Rate an Partnergewalt zuletzt gesunken. 74 % aller registrierten Vergehen von geschlechtsspezifischer Gewalt betreffen IDPs (UNFPA 14.4.2022). Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt. NGOs haben eine diesbezügliche Systematik dokumentiert (USDOS 12.4.2022, S. 35).

Frauen werden Opfer, wenn sie Wasser holen, Felder bewirtschaften oder auf den Markt gehen. Klassische Muster sind: a) die Entführung von Frauen zum Zwecke der Vergewaltigung oder der Zwangsehe. Hier sind die Täter meist nicht-staatliche Akteure; und b) Vergewaltigungen und Gruppenvergewaltigungen durch staatliche Akteure, assoziierte Milizen und unbekannte Bewaffnete. Nach anderen Angaben wiederum ereignet sich der Großteil der Vergewaltigungen - über 50 % - im eigenen Haushalt oder aber im direkten Umfeld; das heißt, Täter sind Familienmitglieder oder Nachbarn der Opfer. Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass die Zahl an Fällen sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt aufgrund der Covid-19-Maßnahmen zugenommen hat. Alleine im Juli 2021 wurden von der UN 168 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt dokumentiert - darunter auch Vergewaltigungen und versuchte Vergewaltigungen. Es wird angenommen, dass die Dunkelziffer viel höher liegt (USDOS 12.4.2022, S. 35f). Insgesamt hat sich aber aufgrund von Chaos und Gesetzlosigkeit seit 1991 eine Kultur der Gewalt etabliert, in welcher Männer Frauen ungestraft vergewaltigen können (TE - The Elephant / Rasna Warah (11.3.2019): The Invisible Clan: Is Somalia Ready for a Women’s Revolution?). Frauen und Mädchen bleiben daher den Gefahren bezüglich Vergewaltigung, Verschleppung und systematischer sexueller Versklavung ausgesetzt (AA 28.6.2022, S. 17).

Vergewaltigung ist gesetzlich verboten (AA 28.6.2022, S. 18). Allerdings handelt es sich um ein Vergehen gegen Anstand und Ehre - und nicht gegen die körperliche Integrität (HRW 13.1.2022). Die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (USDOS 12.4.2022, S. 34). Das Problem im Kampf gegen sexuelle Gewalt liegt insgesamt nicht am Mangel an Gesetzen – sei es im formellen Recht oder in islamischen Vorschriften (SIDRA -Somali Institute for Development Research and Analysis (6.2019b): Rape: A rising Crisis and Reality for the Women in Somalia, S. 5ff). Woran es mangelt, ist der politische Wille der Bundesregierung und der Bundesstaaten, bestehendes Recht umzusetzen und Täter zu bestrafen (SIDRA 6.2019b S. 5ff; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 34). Fälle sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt werden häufig als Kavaliersdelikte abgetan, eine Verurteilung der Täter mithilfe von Bestechung oder Kompensationszahlungen verhindert (AA 28.6.2022, S. 17). Hinsichtlich einer Strafverfolgung von Vergewaltigern gibt es keine Fortschritte (UNSC -UN Security Council (13.5.2022): Situation in Somalia - Report of the Secretary-General [S/2022/392], Abs. 60).

Bei Vergewaltigungen kann von staatlichem Schutz nicht ausgegangen werden (ÖB 11.2022, S. 11; vgl. BS - Bertelsmann Stiftung 2022, BTI 2022 - Somalia Country Report S. 19). Generell herrscht Straflosigkeit (USDOS 12.4.2022, S. 35; vgl. ÖB 11.2022, S. 11). Nach anderen Angaben nimmt die Zahl erfolgreicher Strafverfolgung bei Vergewaltigungen und anderer Formen sexueller Gewalt zu. Mädchen und Frauen haben demnach Vertrauen gewonnen und zeigen Fälle an. Trotzdem gibt es noch zahlreiche Mängel und Hürden, wenn Opfer Gerechtigkeit suchen (UNFPA 14.4.2022).

Die Tabuisierung von Vergewaltigungen führt u. a. dazu, dass kaum Daten zur tatsächlichen Prävalenz vorhanden sind (SIDRA 6.2019b, S. 2). Außerdem leiden Vergewaltigungsopfer an Stigmatisierung (USDOS 12.4.2022, S. 36). Opfer, die sich an Behörden wenden, werden oft angefeindet; in manchen Fällen sogar getötet (TE 11.3.2019). Aus Furcht vor Repressalien und Stigmatisierung wird folglich in vielen Fällen keine Anzeige erstattet (ÖB 11.2022, S. 11; vgl. UNFPA 14.4.2022; UNSC 10.10.2022, Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754],Abs. 132). Zudem untersucht die Polizei Fälle sexueller Gewalt nur zögerlich; manchmal verlangt sie von den Opfern, die Untersuchungen zu ihrem eigenen Fall selbst zu tätigen (USDOS 12.4.2022, S. 36).

Insgesamt werden Vergewaltigungen aber nur selten der formellen Justiz zugeführt (USDOS 12.4.2022, S. 36; vgl. AA 28.6.2022, S. 18; UNSC 10.10.2022, Abs. 132), was u. a. an der Angst vor Rache, vor Stigmatisierung und am schwachen Justizsystem und der allgemeinen Straflosigkeit der Täter liegt (UNSC 10.10.2022, Abs. 132). Zum größten Teil (95 %) werden Fälle sexueller Gewalt – wenn überhaupt – im traditionellen Rechtsrahmen erledigt. Dort getroffene Einigungen beinhalten Kompensationszahlungen an die Familie des Opfers (SIDRA 6.2019b, S. 5ff), oder aber das Opfer wird gezwungen, den Täter zu ehelichen (TE 11.3.2019; vgl. USDOS 12.4.2022, S. 36). Das patriarchalische Clansystem und Xeer an sich bieten Frauen also keinen Schutz, denn wird ein Vergehen gegen eine Frau gemäß Xeer gesühnt, wird der eigentliche Täter nicht bestraft (SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] 31.5.2017, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, S. 49; vgl. ÖB 11.2022, S. 11; SIDRA 6.2019b, S. 5ff).

Manchmal übergibt die Polizei ohne Zustimmung des Opfers oder der Familie des Opfers einen Vergewaltigungsfall an traditionelle Rechtsinstrumente (UNSC Letter dated 5 October 2021 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Final report of the Panel of Experts on Somalia (S/2021/849),6.10.2021).

Es gibt kleinere Fortschritte dabei, Opfern den Zugang zum formellen Justizsystem zu erleichtern. Einerseits wurden Staatsanwältinnen eingesetzt; andererseits werden Kräfte im medizinischen und sozialen Bereich ausgebildet, welche hinkünftig Opfern zeitnah vertrauliche Dienste anbieten können werden (UNSC 13.5.2020 Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/398, Abs. 56f). Zusätzlich kommt es zu Ausbildungsmaßnahmen für Sicherheitskräfte, um diese hinsichtlich konfliktbezogener sexueller Gewalt und den damit verbundenen Menschenrechten zu sensibilisieren (UNSC 13.11.2020 Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], Abs. 49).

Insgesamt gibt es für Opfer sexueller Gewalt beachtliche Hürden, um notwendige Unterstützung in Anspruch nehmen zu können (USDOS 12.4.2022, S. 37). Zudem gibt es nur wenig Unterstützung in Fällen von Vergewaltigung, da es kaum spezialisierte Anbieter hinsichtlich psycho-sozialer Unterstützung oder zur Behandlung von Traumata gibt (UNFPA 14.4.2022). Sogenannte One-Stop-Centers, die von lokalen und internationalen Organisationen sowie vom Gesundheitsministerium betrieben werden, bieten Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt (auch FGM) rechtliche Hilfe und andere Dienste (UNICEF Ending child marriage and female genital mutilation in Eastern and Southern Africa: Case studies of promising practices from across the region, 29.6.2021). UNFPA unterstützt insgesamt 31 solche Einrichtungen sowie 16 Gesundheitseinrichtungen, welche für Opfer spezialisierte Behandlungen anbieten (UNFPA :UNFPA Response in Somalia, Situation Report, Issue #5, 5.2022). In ganz Somalia sind 74 NGOs und internationale Organisationen aktiv, um Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt zu unterstützen. In Mogadischu und in Puntland sind z.B. jeweils mehr als 20 Organisationen aktiv. Im Jahr 2021 wurden durch diese Anbieter ca. 51.000 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt behandelt, fast 10.000 Opfern wurde ein safe space zur Verfügung gestellt (UNFPA 14.4.2022). In Lower Shabelle stellen etwa ein Dutzend NGOs und andere Akteure für Vergewaltigungsopfer medizinische Behandlung, Beratung und andere Dienste zur Verfügung (USDOS 12.4.2022, S. 35). Insgesamt mangelt es allerdings an Schutzeinrichtungen. In Puntland gibt es einige Frauenhäuser, im Süd-/Zentralsomalia hingegen gibt es nur sehr wenige derartige Einrichtungen für Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt (UNFPA 14.4.2022).

Bei Eheschließungen gilt das Scharia-Recht. Polygamie ist somit erlaubt, ebenso die Ehescheidung (ÖB 11.2022, S. 10). Es gibt keine Zivilehe (LI – Landinfo [Norwegen] Somalia: Marriage and divorce 14.6.2018, S. 7). Die Ehe ist extrem wichtig, und es ist in der somalischen Gesellschaft geradezu undenkbar, dass eine junge Person unverheiratet bleibt. Gleichzeitig besteht gegenüber der Braut die gesellschaftliche Erwartung, dass sie bei ihrer ersten Eheschließung Jungfrau ist (LIFOS - 1 Lifos/Migrationsverket [Schweden] Somalia - Kvinnlig könsstympning (version 1.0) (16.4.2019, S. 38). Gerade bei der ersten Ehe ist die arrangierte Ehe die Norm (LI 14.6.2018, S. 8f). Eheschließungen über Clangrenzen [Anm.: großer bzw. „nobler“ Clans] hinweg sind normal (FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018 5.10.2018, S. 26f).

1.3.3. Zwangsehen

Der Übergang von arrangierter zur Zwangsehe ist fließend. Bei Ersterer liegt die mehr oder weniger explizite Zustimmung beider Eheleute vor, wobei hier ein unterschiedliches Maß an Druck ausgeübt wird. Bei der Zwangsehe hingegen fehlt die Zustimmung gänzlich oder nahezu gänzlich (LI 14.6.2018, S. 9f). Frauen und viele minderjährige Mädchen werden zur Heirat gezwungen (AA 28.6.2022, S. 18). Nach Angaben einer Quelle sind Zwangsehen in Somalia normal (SPA - Somali Public Agenda A comparative review of Somalia’s controversial Sexual Offences Bills, 1.2021). Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 gibt eine von fünf Frauen an, zur Ehe gezwungen worden zu sein; viele von ihnen waren bei der Eheschließung keine 15 Jahre alt (LIFOS 16.4.2019, S. 10). Und manche Mädchen haben nur in eine Ehe eingewilligt, um nicht von der eigenen Familie verstoßen zu werden (SPA 1.2021). Es gibt keine bekannten Akzente der Bundesregierung oder regionaler Behörden, um dagegen vorzugehen. Außerdem gibt es kein Mindestalter für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr (USDOS 12.4.2022, S. 43). Gegen Frauen, die sich weigern, einen von der Familie gewählten Partner zu ehelichen, wird mitunter auch Gewalt angewendet. Das Ausmaß ist unklar, Ehrenmorde haben diesbezüglich in Somalia aber keine Tradition (LI 14.6.2018, S. 10). Vielmehr können Frauen, die sich gegen eine arrangierte Ehe wehren und/oder davonlaufen, ihr verwandtschaftliches Solidaritätsnetzwerk verlieren (ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta 31.5.2021, Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021 S. 33; vgl. LI 14.6.2018, S. 10).

Bereits eine Quelle aus dem Jahr 2004 besagt, dass sich die Tradition gewandelt hat, und viele Ehen ohne Einbindung, Wissen oder Zustimmung der Eltern geschlossen werden (LI 14.6.2018, S. 9f). Viele junge Somali akzeptieren arrangierte Ehen nicht mehr (LIFOS 16.4.2019, 205 S. 11). Gerade in Städten ist es zunehmend möglich, den Ehepartner selbst zu wählen (LIFOS 16.4.2019, S. 11; vgl. LI 14.6.2018, S. 8f). In der Hauptstadt ist es nicht unüblich, dass es zu – freilich oft im Vorfeld mit den Familien abgesprochenen – Liebesehen kommt (LI 14.6.2018, S. 8f). Dort sind arrangierte Ehen eher unüblich. Gemäß einer Schätzung konnten sich die Eheleute in 80 % der Fälle ihren Partner selbst aussuchen bzw. bei der Entscheidung mitreden. Zusätzlich gibt es auch die Tradition der „runaway marriages“, bei welcher die Eheschließung ohne Wissen und Zustimmung der Eltern erfolgt (FIS 5.10.2018, S. 26f). Diese Art der Eheschließung ist in den vergangenen Jahren immer verbreiteter in Anspruch genommen worden (LI 14.6.2018, S. 11).

Durch eine Scheidung wird eine Frau nicht stigmatisiert, und Scheidungen sind in Somalia nicht unüblich (LI 14.6.2018, S. 18f; vgl. FIS 5.10.2018, S. 27f). Bereits 1991 wurde festgestellt, dass mehr als die Hälfte der über 50-jährigen Frauen mehr als einmal verheiratet gewesen ist (LI 14.6.2018, S. 18). Die Zahlen geschiedener Frauen und von Wiederverheirateten sind gestiegen. Bei einer Scheidung bleiben die Kinder üblicherweise bei der Frau, diese kann wieder heiraten oder die Kinder alleine großziehen. Um unterstützt zu werden, zieht die Geschiedene aber meist mit den Kindern zu ihren Eltern oder zu Verwandten (FIS 5.10.2018, S. 27f). Bei der Auswahl eines Ehepartners sind Geschiedene in der Regel freier als bei der ersten Eheschließung (LI 14.6.2018, S. 19). Auch bei al Shabaab sind Scheidungen erlaubt und werden von der Gruppe auch vorgenommen (ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency 27.6.2019, S. 9).

In Somalia gibt es keine Tradition sogenannter Ehrenmorde im Sinne einer akzeptierten Tötung von Frauen, welche bestimmte soziale Normen überschritten haben – z. B. Geburt eines unehelichen Kindes (LI 14.6.2018, S. 10). Ein uneheliches Kind wird allerdings als Schande für die ganze Familie der Frau erachtet. Mutter und Kind werden stigmatisiert, im schlimmsten Fall werden sie von der Familie verstoßen (FIS 5.10.2018, S. 27).

1.3.4. Situation von Frauen in den von der al Shabaab kontrollierten Gebieten

In den von ihr kontrollierten Gebieten gelingt es al Shabaab, Frauen und Mädchen ein gewisses Maß an physischem Schutz zukommen zu lassen. Die Gruppe interveniert z. B. in Fällen häuslicher Gewalt (ICG 27.6.2019, S. 2/6). Al Shabaab hat Vergewaltiger – mitunter zum Tode – verurteilt (USDOS 12.4.2022, S. 37). Dies ist auch ein Grund dafür, warum es in den Gebieten der al Shabaab nur vergleichsweise selten zu Vergewaltigungen kommt (ICG 27.6.2019, S. 6; vgl. DI – Development Initiatives 6.2019, Towards an improved understanding of vulnerability and resilience in Somalia S. 9).

Andererseits legen Berichte nahe, dass sexualisierte Gewalt von al Shabaab gezielt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt wird (AA 28.6.2022, S. 18). Die Zahl an Zwangs- und Frühehen durch al Shabaab hat zugenommen (UNSC 6.10.2021). Dabei zwingt al Shabaab Mädchen und Frauen im Alter von 14 bis 20 Jahren zur Ehe. Diese sowie deren Familien haben generell kaum eine Wahl. Solche Zwangsehen gibt es nur in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten (USDOS 12.4.2022, S. 37). Nach anderen Angaben werden die meisten Ehen mit Mitgliedern der al Shabaab freiwillig eingegangen, auch wenn der Einfluss von Eltern und Clan sowie das geringe Alter bei der Eheschließung nicht gering geschätzt werden dürfen. Eine solche Ehe bietet der Ehefrau und ihrer Familie ein gewisses Maß an finanzieller Stabilität, selbst Witwen beziehen eine Rente (ICG 27.6.2019, S. 8). Demgegenüber stehen Berichte, wonach viele Eltern ihre Töchter in Städte gebracht haben, um sie vor dem Zugriff durch al Shabaab in Sicherheit zu bringen (DI 6.2019, S. 9).

Al Shabaab schränkt die Freiheit und die Möglichkeiten von Frauen auf dem Gebiet unter ihrer Kontrolle signifikant ein (TE ( 11.3.2019). Die Anwendung einer extremen Form der Scharia resultiert in einer entsprechend weitgehenden Diskriminierung von Frauen (AA 28.6.2022, S.18). Diese werden etwa insofern stärker ausgeschlossen, als ihre Beteiligung an ökonomischen Aktivitäten als unislamisch erachtet wird (USDOS 12.4.2022, S. 40). Nach anderen Angaben hat al Shabaab einen pragmatischen Zugang. Da immer mehr Familien vom Einkommen der Frauen abhängig sind, tendiert die Gruppe dazu, sie ihren wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen zu lassen. Und dies, obwohl Frauen nominell das Verlassen des eigenen Hauses nur unter Begleitung eines männlichen Verwandten (mahram) erlaubt ist (ICG 27.6.2019, S. 11).

Der Einsatz von Frauen bei al Shabaab erfolgt zumeist in unterstützender Rolle: Als Steuereinheberinnen, Lehrer- oder Predigerinnen in Madrassen, Wächterinnen in Gefängnissen; zum Kochen und Putzen, in der Waffenpflege oder Spionage (UNSC - UN Security Council (10.10.2022): Letter dated 10 October 2022 from the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia addressed to the President of the Security Council: Letter dated 1 September 2022 from the Panel of Experts on Somalia addressed to the Chair of the Security Council Committee pursuant to resolution 751 (1992) concerning Somalia [S/2022/754], Abs. 29). In den Führungsgremien und Kampfkräften von al Shabaab finden sich keine Frauen. Deren Rolle reicht von jener der einfachen Ehefrau bis hin zu Rekrutierung, Missionierung, Spionage, Waffenschmuggel und Spendensammlung (ICG - - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, S. 7f). Frauen, die mit Soldaten oder AMISOM bzw. ATMIS Kleinhandel treiben, werden als Spione und Informationsbeschafferinnen rekrutiert (ICG 27.6.2019, S. 12). Andererseits werden Frauen und Mädchen der Bantu mitunter nicht nur in eine Ehe gezwungen – und zwar unter Todesdrohungen – die Ehe gestaltet sich noch dazu eher als temporäre sexuelle Versklavung (Benstead - L. J. / van Lehman, D. (2021): Two Classes of „Marriage“: Race and Sexual Slavery in Al-Shabaab-Controlled Somalia, in: The Journal of the Middle East and Africa, zitiert in: EASO -European Asylum Support Office (9.2021c): Somalia – Targeted Profiles, S.18).

1.3.5. Clans und Bevölkerungsstruktur

Der Clan ist die relevanteste soziale, ökonomische und politische Struktur in Somalia. Er bestimmt den Zugang zu Ressourcen sowie zu Möglichkeiten, Einfluss, Schutz und Beziehungen (SPC 9.2.2022, - Somalia Protection Cluster (9.2.2022): Protection Analysis Update, February 2022). Dementsprechend steht Diskriminierung in Somalia generell oft nicht mit ethnischen Erwägungen in Zusammenhang, sondern vielmehr mit der Zugehörigkeit zu bestimmten Minderheitenclans oder Clans, die in einer bestimmten Region keine ausreichende Machtbasis und Stärke haben (AA 28.6.2022, S. 11). Die meisten Bundesstaaten fußen auf einer fragilen Balance zwischen unterschiedlichen Clans. In diesem Umfeld werden weniger mächtige Clans und Minderheiten oft vernachlässigt (BS 2022, S. 10- Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 - Somalia Country Report).

Somalia ist eines der wenigen Länder in Afrika, wo es eine dominante Mehrheitskultur und -Sprache gibt. Die Mehrheit der Bevölkerung findet sich innerhalb der traditionellen somalischen Clanstrukturen (UNHCR 22.12.2021, S. 56 - UN High Commissioner for Refugees (22.12.2021): Citizenship and Statelessness in the Horn of Africa). Somalia ist nach Angabe einer Quelle ethnisch sehr homogen; allerdings sei der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung unklar (AA 28.6.2022, S. 11/14). Gemäß einer Quelle teilen mehr als 85 % der Bevölkerung eine ethnische Herkunft (USDOS 12.4.2022, S. 40). Eine andere Quelle besagt, dass die somalische Bevölkerung aufgrund von Migration, ehemaliger Sklavenhaltung und der Präsenz von nicht nomadischen Berufsständen divers ist (GIGA 3.7.2018, - Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Global and Area Studies (3.7.2018): Sachverständigengutachten zu XXXX ). Es gibt weder eine Konsistenz noch eine Verständigungsbasis dafür, wie Minderheiten definiert werden (UNOCHA 14.3.2022 - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (14.3.2022): Somalia Humanitarian Bulletin, February 2022; vgl. NLMBZ 1.12.2021, S. 44, - Ministerie von Buitenlandse Zaken [Niederlande] (1.12.2021): Algemeen ambtsbericht Somalië). Insgesamt reichen die Schätzungen hinsichtlich des Anteils an Minderheiten an der Gesamtbevölkerung von 6 % bis hin zu 33 %. Diese Diskrepanz veranschaulicht die Schwierigkeit, Clans und Minderheiten genau zu definieren (NLMBZ 1.12.2021, S. 44; vgl. SEM, 31.5.2017, S. 12). Jedenfalls trifft man in Somalia auf Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 18.4.2021, S. 12 - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017, S. 5).

Insgesamt ist das westliche Verständnis einer Gesellschaft im somalischen Kontext irreführend. Dort gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre. Zudem herrscht eine starke Tradition der sozialen Organisation abseits des Staates. Diese beruht vor allem auf sozialem Vertrauen innerhalb von Abstammungsgruppen. Seit dem Zusammenbruch des Staates hat sich diese soziale Netzwerkstruktur reorganisiert und verstärkt, um das Überleben der einzelnen Mitglieder zu sichern (BS 2022, S. 34). Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird. Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017, S. 8).

Die sogenannten „noblen“ Clanfamilien können (nach eigenen Angaben) ihre Abstammung auf mythische gemeinsame Vorfahren und den Propheten Mohammed zurückverfolgen. Die meisten Minderheiten sind dazu nicht in der Lage (SEM 31.5.2017, S. 5). Somali sehen sich als Nation arabischer Abstammung, „noble“ Clanfamilien sind meist Nomaden:

Darod gliedern sich in die drei Hauptgruppen: Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Juba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd-/Zentralsomalia präsent.

Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind Habr Gedirund Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Dschibuti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten DirClans sind Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia).

Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

Rahanweyn bzw. Digil-Mirifle sind eine weitere Clanfamilie (SEM 31.5.2017, S. 10). Vor dem Bürgerkrieg der 1990er war noch auf sie herabgesehen worden. Allerdings konnten sie sich bald militärisch organisieren (BS 2020, S. 9 - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten – nicht aber die berufsständischen Gruppen – haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u. a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017, S. 25). In Mogadischu verfügen die Hawiye-Clans Abgaal, Habr Gedir und teilweise auch Murusade über eine herausragende Machtposition. Allerdings leben in der Stadt Angehörige aller somalischen Clans, auch die einzelnen Bezirke sind diesbezüglich meist heterogen (FIS 7.8.2020, S. 38ff- Finnish Immigration Service [Finnland] (7.8.2020): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu in March 2020).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die „noblen“ Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen anderer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen „nobler“ Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017, S. 5). Insgesamt gibt es keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen (LI 4.4.2016, S. 9- Landinfo [Norwegen] (4.4.2016): Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in Southern Somalia). Zudem gewinnt die Mitgliedschaft in einer islamischen Organisation immer mehr an Bedeutung. Dadurch kann eine „falsche“ Clanzugehörigkeit in eingeschränktem Ausmaß kompensiert werden (BS 2022, S. 25).

Auch Angehörige starker Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter DirClan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gerät eine Einzelperson immer dann in die Rolle der Minderheit, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Die Position als „Gast“ ist schwächer als jene des „Gastgebers“. Im System von „hosts and guests“ sind Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als „Gäste“. Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017, S. 11f/32f).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus. Diskriminierung erfolgt etwa auch beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Gerichtsverfahren (USDOS 12.4.2022, S. 40). Angehörige eines Sub-Clans können in von einem anderen (Sub-)Clan dominierten Gebiete auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 18.4.2021, S. 12). In Mogadischu ist es im Allgemeinen schwierig, Menschen die dort aufgewachsen sind, nach Clans zu differenzieren. Es gibt keine äußerlichen Unterschiede, auch der Akzent ist der gleiche. Selbst anhand von Namen lassen sich die Menschen nicht einmal ethnisch zuordnen, da vor allem arabische Namen verwendet werden (UNFPA/DIS 25.6.2020- UN Population Fund / Danish Immigration Service (Dänemark) (25.6.2020): SkypeInterview des DIS mit UNFPA, in: DIS (11.2020): Somalia - Health System, S.79-84).

1.3.6. Ethnische Minderheiten

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums (SEM 31.5.2017, S. 11). Die soziale Stellung der einzelnen ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich (SEM 31.5.2017, S. 14). Sie werden aber als minderwertig (NLMBZ 1.12.2021, S. 44) und mitunter als Fremde erachtet (SPC 9.2.2022). So können Angehörige ethnischer Minderheiten auf Probleme stoßen - bis hin zu Staatenlosigkeit - wenn sie z. B. in einem Flüchtlingslager außerhalb Somalias geboren wurden (UNHCR 22.12.2021, S. 58).

Generell sind Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung mehr ausgesetzt, wie dies Anfang der 1990er der Fall war (NLMBZ 1.12.2021, S. 44). Dies gilt auch für Mogadischu. Allerdings sind dort all jene Personen, welche nicht einem dominanten Clan der Stadt angehören, potenziell gegenüber Kriminalität vulnerabler (LI - Landinfo [Norwegen] (21.5.2019b): Somalia: Rer Hamar-befolkningen i Mogadishu, S. 3). In den Städten ist die Bevölkerung aber allgemein gemischt, Kinder gehen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit in die Schule und Menschen ins Spital (UNFPA/DIS 25.6.2020).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF

2.1.1. Die Identität der BF gilt mangels Vorlage von unbedenklichen Dokumenten als nicht erwiesen, weshalb hinsichtlich des Namens XXXX und des Geburtsdatums XXXX lediglich Verfahrensidentität vorliegt. Auch der mit XXXX titulierte Schriftsatz (AS 201) konnte die Identität der BF nicht zweifelsfrei klären, da dieser ausschließlich auf den Angaben der BF beruht. Der im Spruch angeführte Aliasname XXXX ergibt sich aus ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Niederschrift der mündlichen Verhandlung; in der Folge: NSV S. 9).

Die Feststellungen zu ihrer Staats- und Religionszugehörigkeit sowie ihrer somalischen Herkunft gründen sich auf ihre insoweit gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der Erstbefragung am XXXX (AS 23 ff), der Einvernahme vor dem BFA am XXXX (AS 180), den Angaben in der Beschwerde (AS 340) bzw. ihren Sprachkenntnissen der somalischen Sprache.

Die belangte Behörde stellte fest, dass die BF dem Clan der XXXX zugehörig ist (AS 217). Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die dies in Zweifel ziehen ließen.

Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die BF aus Dorf XXXX im Verwaltungskreis von XXXX stammt (AS 29, AS 184 und AS 340, AS 217).

Es haben sich keine Hinweise ergeben, an ihren Angaben, gesund zu sein, zu zweifeln (AS 115, AS 181, NSV S.6).

1.1.2. Ihre Angaben, im Herkunftsstaat eine Koranschule besucht sowie das Handwerk des Fädelns erlernt zu haben, sind vor dem Hintergrund ihrer diesbezüglichen Schilderungen glaubhaft (NSV S. 18). Weiters konnte sie nachvollziehbar erklären, dass sie ihren Lebensunterhalt im Herkunftsstaat teilweise durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten konnte (NSV S. 18; „Es war nicht ausreichend, aber eigentlich schon. Manche haben mir für meine Dienste gezahlt und manche haben gemeint, dass sie nichts haben. An den Tagen, wo ich was verdiente, konnte ich mein Leben finanzieren.“) bzw. auch von ihrer Tante mütterlicherseits finanziell unterstützt wurde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG war die BF in der Lage XXXX (NSV S.18). Die BF ist entgegen ihren Angaben folglich keine Analphabetin (AS 25, AS 180, AS 185, NSV S.7, 13)

1.1.2. Die Feststellungen hinsichtlich der in Somalia lebenden Mutter und Tante BF ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben (AS 25, AS 27, AS 183 ff, NSV S. 12f).

Ihre Angaben gegenwärtig keinen Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Schwester zu haben, weil das Handy verloren worden sei, sind nach ihren vagen Schilderungen nicht glaubhaft (NSV S. 11). Es ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die BF weiterhin Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Tante mütterlicherseits im Herkunftsstaat hat.

Die BF gab bei ihrer Erstbefragung, vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht konstant an, dass ihr Vater verstorben sei und sie über keine Geschwister im Herkunftsstaat verfüge. Die Behörde hat richtigerweise festgehalten, dass in dem vorgelegte XXXX “ vom XXXX der Vater als Vormund der Braut angeführt ist (AS 127) und die BF in der Einvernahme am XXXX ausgeführt hat, dass keine Verwandten bei der Trauung mit XXXX involviert gewesen wären (AS 305f). Die Behörde hat jedoch auch festgestellt, dass es sich bei diesem Schriftsatz um eine „Gefälligkeitsausstellung“ handle, sowie diese nicht zum Beweis der Identität der BF bzw. einer geschlossenen Ehe herangezogen werden könne. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass das vorgelegte Schriftstück ausschließlich die Angaben der BF enthält. In diesbezüglich XXXX kann es daher auch nicht als Beweis dafür herangezogen werden kann, dass der Vater der BF lebt, weil er auf diesem Schriftsatz namentlich angeführt ist.

1.1.3. Die Angaben der BF hinsichtlich ihrer ersten Ehe sind widersprüchlich. In der Erstbefragung gab die BF an, mit einem Mann namens XXXX zwangsverheiratet worden, welcher sie beleidigt, sehr schlecht behandelt und ihr die gemeinsamen Kinder „weggenommen“ hätte. Vor der belangten Behörde gab die BF an, „mit einem älterer Mann um die 50 Jahre oder älter“ namens XXXX verheiratet gewesen zu sein. In der mündlichen Verhandlung schilderte die BF im Herkunftsstaat in erster Ehe einen Mann namens XXXX aus Liebe geheiratet zu haben, welcher sie immer gut behandelt hätte. Ihre Ehe sei gegen den Willen beider geschieden worden und er gelte seither als verschollen.

Nach einer Gesamtbetrachtung ihrer Angaben ist nicht davon auszugehen, dass die BF im Herkunftsstaat zwangsverehelicht wurde. Zumal auch die Angaben zur seiner Person nicht schlüssig sind, ist weiters auch nicht davon auszugehen, dass die BF mit einem Mann namens XXXX verheiratet war bzw. XXXX gemeinsame Kinder aus dieser Ehe entstammen (NSV S. 13). Vor dem Hintergrund ihrer vagen Angaben kann weiters nicht davon ausgegangen werden, dass sie Mutter von XXXX Kindern ist.

Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die BF ledig ist. In der mündlichen Verhandlung gab die BF an, dass XXXX durch Ausruf der Scheidungsworte von ihr getrennt habe (NSV S.15). Vor dem Hintergrund des nachgereichten Protokolls des XXXX nicht verheiratet sind. Zumal die BF in der mündlichen Verhandlung angab, dass die Ehe zu ihm nicht mehr aufrecht sei, konnte die im Beschwerdeschriftsatz beantragte Zeugeneinvernahme von XXXX zum Beweis der aufrechten Eheführung unterbleiben.

Es ist daher festzustellen, dass die BF ledig ist.

1.1.4. Die Feststellung, dass die BF im Bundesgebiet unbescholten ist, ergibt sich aus dem vom Gericht eingeholten, aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

2.2. Zum Fluchtvorbringen

Die BF ist hinsichtlich ihrer vorgebrachten Fluchtgründe der Zwangsverehelichung mit XXXX , einer drohenden Zwangsverehelichung mit einem XXXX Mitglied namens XXXX , ihrer behauptetetn Entführung in ein Shabaab Lager bzw. ein Haus sowie ihrer Schilderung zu einem Spionageakt in einem Regierungsgebäude gezwungen worden zu sein unglaubwürdig.

2.2.1. Sie wurde wie unter II.1.1.3. angeführt weder mit einem Mann namens XXXX zwangsverehelicht, noch von einem Mann namens XXXX (AS 190) entführt, zur Ehe gezwungen oder zu einem Spionageakt in einem Regierungsgebäude gezwungen (AS 185ff).

2.2.2. Auch wenn den aktuellen Länderberichten folgend Zwangsehen in Somalia häufig vorkommen (II.1.3.3.) sind ihre Schilderungen hinsichtlich einer drohenden Zwangsverehelichung mit einem Mann namens XXXX nicht glaubhaft.

Nach einer Gesamtbetrachtung ihrer Schilderungen ist daher davon auszugehen, dass sie weder von zwei Männern entführt, noch in ein XXXX Lager bzw. ein Haus gebracht wurde (AS 190f), noch ihr eine Flucht während des Abendgebets durch eine kleine Türe aus einem XXXX Komplex gelang (AS 186, AS 308).

2.2.3. In der mündlichen Verhandlung führte die BF weiters aus, XXXX nach Gewährung eines Aufenthaltsstatus nicht verlassen zu haben, weil sie von XXXX wurde, sondern weil sie dort „keinen Job gefunden“ hat (NSV S. 22).

2.2.4. Zu ihrem Fluchtgrund an, Minderheitsvolksgruppe bzw. dem Clan der XXXX anzugehören und daher im Herkunftsstaat diskriminiert worden zu sein, ist zu entgegen, dass generell Angehörige von Minderheiten keiner systematischen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sind (II.1.3.6.). Treffend hielt die belangte Behörde auch fest, dass die BF die in der Erstbefragung vorgebrachte Diskriminierung aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit verfolgt zu werden, in der Einvernahme vor dem BFA nicht substantiierte (AS 309).

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in Somalia allein aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit ist im gegenständlichen Fall daher nicht gegeben.

Den Länderberichten ist jedoch zu entnehmen, dass in ihrem Herkunftsstaat weibliche Angehörige von Minderheiten häufig Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden (vgl. II.1.3.2.). Personen die nicht Angehörige eines dominanten Clans sind, sind zudem gegenüber Kriminalität vulnerabler. Frauen, die einer Minderheit angehören, mangelt es an Schutz durch die traditionelle Clan-Struktur. Weiters ist den Länderberichten zu entnehmen, dass in Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen, von effektivem staatlichen Schutz nicht ausgegangen werden kann und sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer darstellt. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerks angewiesen, das i. d. R. enge Familienangehörige – geführt von einem männlichen Verwandten – umfasst. Für eine weibliche Angehörige von Minderheiten, die weder Aussicht auf familiäre noch Clanunterstützung hat, stellt eine Rückkehr tatsächlich eine Bedrohung dar.

Die BF ist als alleinstehende Frau XXXX , welche einem XXXX angehört und keine männlichen Verwandten hat, einer besonderen Gefährdung durch geschlechtsspezifische Gewalt in Somalia ausgesetzt. Es ist folglich bei einer Rückkehr der BF in den Verwaltungskreis von XXXX in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie geschlechtsspezifischer Gefahr bzw. Verfolgungshandlungen schutzlos ausgeliefert sein wird.

2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im aktuellen LIB wiedergegebenen und zitierten Länderberichten zu dem Herkunftsstaat des BF, welche in das Verfahren aufgenommen wurden. Das LIB gründet sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen –auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten UNHCR-Richtlinien sowie der Leitlinien der EUAA zu Somalia- nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter II.1.3. zitiert.

3. Rechtliche Beurteilung

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, welche in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

3.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation der Asylwerberin und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.3. Das individuelle Vorbringen einer Asylwerberin ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit der Asylwerberin und der objektiven Wahrscheinlichkeit ihres Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).

3.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher die BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.5. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ist einer der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegten Gründe, an welche die asylrelevante Verfolgungsgefahr anknüpft. (VwGH 20.10.1999, 99/01/0197). Die Verfolgung einer Asylwerberin aufgrund einer „Zwangsverheiratung" kann unter dem Gesichtspunkt einer geschlechtsspezifischen Verfolgung als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention asylrelevant sein (vgl. VwGH 15.10.2015, 2015/20/0181).

Auch eine alleine auf das Geschlecht bezugnehmende Verfolgung ist als Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu werten (VwGH 31.01.2001, 99/20/0497).

3.1.6. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, im gegenständlichen Fall vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichte eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung bzw. Bedrohung in ihrem Herkunftsort XXXX gegeben ist.

Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der – besonders vulnerablen – alleinstehenden somalischen Frauen, welche einem XXXX angehören und über keine männliche Familienangehörige verfügen, ist die BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung bzw. geschlechtsspezifischen Bedrohung hilflos ausgeliefert. Die Verfolgungsgefahr betreffend die BF findet ihre Deckung in einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe (vgl. hierzu VfGH 12.12.2024, E 2499/2024).

Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt aufgrund des der BF zukommenden Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Somalia nicht in Betracht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

Es haben sich keine Hinweise auf das Bestehen von Asylausschlussgründen iSd. § 6 AsylG 2005 ergeben.

Aufgrund des Bestehens einer aktuellen, maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr aus einem der Gründe, der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählt sind, ist der BF der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

3.1.7. Nach § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird diese Entscheidung mit der Feststellung verbunden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt

3.2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter II.3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es ist somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.