JudikaturBVwG

W164 2299665-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 2024

Spruch

W164 2299665-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse vom 22.07.2024, GZ BV-2024/562, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach § 38 AVG, zu Recht erkannt:

A)

I.

1. Der letzte Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides lautend „Die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens erfolgt ausschließlich auf Antrag der Antragstellerin unter Vorlage der mit der Rechtskraft versehenen Entscheidung im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zu Geschäftszahl XXXX “ wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

II.

Der Antrag der BF, die belangte Behörde gem. § 35 VwGVG iVm der VWG-Aufwandersatzverordnung BGBl II 517/2013 zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verpflichten, wird gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit 74 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.07.2024 hat die Österreichische Gesundheitskasse das Verfahren über die Anträge der nunmehrigen Beschwerdeführerin (in Folgenden BF) auf Gewährung einer Kostenerstattung für die Inanspruchnahme

1. des Doz. Dr. XXXX , MBA, Facharzt für Urologie, XXXX , laut Rechnung vom 19.01.2024 in der Höhe von € 150,

2. des Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, XXXX , laut Rechnung vom 11.01.2024 in der Höhe von € 200,00,

3. des Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, XXXX , laut Rechnung vom 13.02.2024 in der Höhe von € 300,00,

bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts Wien im Verfahren zu Geschäftszahl XXXX ausgesetzt.

Mit dem letzten Satz des Spruches des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Fortsetzung des Verfahrens ausschließlich auf Antrag der nunmehrigen BF unter Vorlage der mit Rechtskraftvermerk versehenen Entscheidung im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, GZ XXXX erfolgen würde.

Zur Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, die BF habe laut Versicherungsdatenauszug vom 18.07.2024 im Zeitraum 01.09.2022 bis 31.05.2023 einen Pensionsvorschuss bezogen. Seit 21.02.2024 beziehe sie eine Berufsunfähigkeitspension. Für die Zeit zwischen 01.06.23 und 20.02.2024 liege keine Meldung zur Sozialversicherung vor. Die BF sei im letztgenannten Zeitraum – die verfahrensgegenständlichen ärztlichen Leistungen wurden in diesem Zeitraum in Anspruch genommen – nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert gewesen.

Die Pensionsversicherungsanstalt habe der BF für den Zeitraum von 01.06.2023 bis 20.02.2024 zunächst Rehabilitationsgeld gewährt und habe diese Leistung dann rückwirkend in eine Berufsunfähigkeitspension umgewandelt. In der Folge habe die Pensionsversicherungsanstalt die genannte Leistung für die Zeit von 01.06.2023 bis 20.02.2024 jedoch mit Bescheid nachträglich aberkannt, weshalb für diesen Zeitraum nun keine Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gegeben sei. Gegen den genannten Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt habe die BF Klage an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zur GZ XXXX erhoben.

Die Frage, ob der BF eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründende Leistung im Zeitraum der Inanspruchnahme der Wahlarzthilfen zukomme, bilde für die verfahrensgegenständliche Entscheidung über den Kostenerstattungsanspruch eine wesentliche Vorfrage. Das Verfahren werde daher gem. § 38 AVG ausgesetzt. Auf Antrag der BF unter Vorlage der mit Rechtskraftvermerk versehenen Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zur GZ XXXX werde das Verfahren fortgesetzt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die BF bestätigt darin zunächst den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt und führte aus, sie sei gewissermaßen hinterrücks und gesetzwidrig aus ihrem Versicherungsschutz hinausgeworfen worden und habe dies nur zufällig durch die gegenständlichen Inanspruchnahmen von ärztlichen Leistungen erfahren. Der PVA wäre es rechtlich nicht zugestanden, so vorzugehen. Selbst wenn der BF im genannten Zeitraum die Berufsunfähigkeitspension nicht in der bezogenen Höhe zugestanden wäre, so wäre sie ihr jedenfalls dem Grunde nach zuzusprechen gewesen. Den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, mit dem die Auszahlung der Berufsunfähigkeitspension für den hier relevanten Zeitraum verweigert wurde, habe die BF mit Klage bekämpft. Der Bescheid der PVA sei mit Klagserhebung außer Kraft getreten und damit nicht (mehr) präjudiziell. Die belangte Behörde stelle auf eine Präjudizialität ab, die es gar nicht gebe. Die Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens sei rechtswidrig.

Die BF beantragte die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, ferner der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, in der Sache selbst zu erkennen und auszusprechen, dass der BF die verfahrensgegenständlich eingereichten Rechnungen zu erstatten seien. Die BF beantragte ferner, das Verwaltungsgericht möge dem Rechtsträger der belangten Behörde den Ersatz der der BF entstandenen Aufwendungen auftragen.

Die BF stellte darüber hinaus einen Antrag auf Strafminderung und die bloße Ermahnung iSd § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1, letzter Satz VStG, welcher hier mangels Relevanz für die gegenständlichen Rechtssache nicht aufzugreifen war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Hinsichtlich der Feststellungen wird auf Punkt 1, Verfahrensgang verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes in Zusammenhalt mit der Beschwerde und ist, soweit entscheidungswesentlich, unbestritten. In der Beschwerde wurden keine Beweisthemen geltend gemacht, die das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung aufgezeigt hätten. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erübrigt sich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von § 414 Abs. 2 ASVG umfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

A I.1) Abweisung der Beschwerde gegen die Aussetzung des Verfahrens :

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat grundsätzlich ein subjektives Recht der Verfahrensparteien darauf anerkannt, dass das Verfahren nicht entgegen § 38 AVG ausgesetzt sondern die Vorfrage selbständig beurteilt wird. Eine solche Beschwerde führt dann zur Aufhebung des Aussetzungsbescheides wenn entweder die Voraussetzungen des § 38 AVG nicht gegeben waren oder wenn die Behörde ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat.

Ermessensleitende Determinanten für das Auswahlermessen der Behörde iSd § 38 erster Satz AVG sind dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist das Effizienzprinzip des § 39 AVG als leitender Grundsatz heranzuziehen, ebenso der Aspekt der Verfahrensökonomie. (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG, Manz-Kommentar, RZ 60, 61 zu § 38 mit Verweis auf VwGH 12.03.2999, 97/19/0066 u.a.).

Im vorliegenden Fall hat die BF keinen Behördenfehler im Sinne der obigen Ausführungen geltend gemacht. Das einzige Beschwerdeargument, der leistungsrechtliche Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt sei mit Klagserhebung außer Kraft getreten und daher nicht präjudiziell, geht ins Leere, dies aus folgendem Grund:

Die hier wesentliche Vorfrage des Bestehens eines leistungsrechtlichen Anspruchs aus der Pensionsversicherung bildet bereits den Gegenstand eines Verfahrens beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht. Präjudizialität ist im vorliegenden Fall gegeben. Die von der belangten Behörde vorgenommene Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens GZ XXXX entspricht daher § 38 AVG und erfolgte zu Recht. Ermessensfehler hat die BF weder in ihrer Beschwerde behauptet, noch ergeben sich amtswegig aufgrund des unstrittig vorliegenden Sachverhaltes begründete Zweifel daran, dass die vorgenommene Aussetzung mit den Grundsätzen des § 39 AVG und der Verfahrensökonomie im Einklang steht.

Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Aussetzung des Verfahrens durch die belangte Behörde erweist sich somit als rechtmäßig.

A I.2) Aufhebung des letzten Satzes des Spruchs im angefochtenen Bescheid, soweit er eine Fortsetzung des Verfahrens nur auf neuerlichen Antrag ausspricht:

Die belangte Behörde ist aufgrund des Bescheidantrags der BF vom 26.04.2024 verpflichtet das begehrte Verwaltungsverfahren amtswegig durchzuführen. Die von der belangten Behörde zu Recht in Anspruch genommene Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens ist mit dem rechtskräftigen Abschluss jenes Gerichtsverfahrens, dass über die hier wesentliche Vorfrage als Hauptfrage entscheidet, begrenzt. Danach ist die Aussetzung aufzuheben und das Verfahren bei der belangten Behörde amtswegig weiterzuführen.

Um so zeitnahe wie möglich vom Abschluss des gerichtlichen Verfahrens zu erfahren, hat die belangte Behörde die Möglichkeit, die BF an ihre Mitwirkungspflicht erinnern. Die Entscheidung der belangten Behörde, die Fortführung des Verfahrens vom einem neuerlichen Antrag der BF abhängig zu machen, geht jedoch über das hinaus und würde nicht mehr dem im Verwaltungsverfahren verankerten Prinzip der Amtswegigkeit entsprechen. Der letzte Satz des Spruchs des angefochtenen Bescheides war daher aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist auf folgende Judikatur des Verwaltungsgerichthofs hinzuweisen:

Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf, also insbesondere dann, wenn es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre der Partei selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. zuletzt VwGH Ra 2024/06/0161 vom 09.10.2024).

Im vorliegenden Fall wird die BF, die das zu erwartende Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts zur GZ XXXX als Verfahrenspartei zugestellt erhalten wird, nach Rechtskraft ihrer Mitwirkungspflicht im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nachzukommen haben, widrigenfalls der belangten Behörde eine verzögerte Fortsetzung des Verfahrens nicht vorgeworfen werden kann.

Zu A II.

Dem Antrag der BF, die belangte Behörde möge zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet werden, ist folgende Gesetzeslage entgegenzuhalten:

Gem. § 17 VwGVG iVm 74 Abs 1 AVG gilt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der Selbsttragung der Verfahrenskosten. Es besteht keine besondere Gesetzesbestimmung, die abweichend von diesem Grundsatz Kostenersatz für das vorliegende Beschwerdeverfahren iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vorsehen würde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben angeführte Judikatur des VwGH); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.