Ra 2024/06/0161 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung
Rückverweise
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Ing. Dr. M S in A, vertreten durch die M2S Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Volksfeststraße 4/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 30. Juli 2024, 405 3/1237/1/13 2024, betreffend eine Übertretung des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Februar 2024, mit welchem ihm eine Verwaltungsübertretung nach § 78 Abs. 1 Z 3 erster Fall Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) zur Last gelegt wurde, weil er entgegen § 31 Abs. 2 ROG 2009 eine näher bezeichnete Wohnung vom 11. April 2022 bis 31. Dezember 2022 raumordnungswidrig als Zweitwohnung verwendet habe, und mit welchem über ihn gemäß § 78 Abs. 2 Z 2 ROG 2009 eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.000, (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage und 19 Stunden) verhängt sowie der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit € 200, bemessen worden war, mit einer sich auf die im Spruch genannten Rechtsvorschriften beziehenden Maßgabe als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
5 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass im Tatzeitraum für die gegenständliche Wohnung im Zentralen Melderegister keine Meldung als Haupt oder Nebenwohnsitz verzeichnet sei. Die gegenständliche Wohnung sei vom Revisionswerber im Tatzeitraum als Wohnung für vorübergehende Wohnzwecke genutzt worden. Die Wohnnutzung im Tatzeitraum sei (unter anderem) nicht für Zwecke der Berufsausübung erfolgt. Beweiswürdigend wertete das Verwaltungsgericht die Angaben des Revisionswerbers, wonach er die von ihm behauptete Wohnungsnutzung für berufsbedingte Aufenthalte zeitlich nicht konkretisieren oder belegen könne, weil er weder über private Auszeichnungen verfüge noch auf die Kalenderdaten des ehemaligen Dienstgebers zurückgreifen könne, als Schutzbehauptung. Der Revisionswerber sei der ausdrücklichen Aufforderung des Verwaltungsgerichtes in der Ladung zur mündlichen Verhandlung, Nachweise beizubringen, nicht nachgekommen. In der Verhandlung habe er lediglich vorgebracht, mangels Rückgriff auf die Kalenderdaten seines ehemaligen Dienstgebers bzw. mangels privater Aufzeichnungen keine konkrete zeitliche Zuordnung der behaupteten Nutzung zu beruflichen Zwecken treffen zu können. Dem Revisionswerber sei demnach der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung eines Grundes im Sinn des § 5 Z 17 lit. a sublit. dd ROG 2009 ungeachtet der Beurteilung der Frage eines dringenden Wohnbedürfnisses nicht gelungen. Die „globale“ Behauptung der beruflichen Nutzung ohne zeitliche Eingrenzung und Objektivierung durch Nachweise oder konkrete Beweisanbote reiche für die Geltendmachung eines Grundes nach § 5 Z 17 lit. a sublit. dd ROG 2009 nicht aus. Andere Gründe seien vom Revisionswerber nicht behauptet worden.
6 In den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen führt der Revisionswerber aus, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten nicht so weit gehen könne, dass sich die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren ersparen könne, zu dessen Durchführung sie verpflichtet gewesen wäre und es habe die Behörde zunächst selbst für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen. Das Verwaltungsgericht wäre daher zunächst zu eigenen Ermittlungen dahingehend verpflichtet gewesen, ob das Vorbringen des Revisionswerbers, er würde die Wohnung lediglich zur Berufsausübung verwenden, den Tatsachen entspreche. Seitens des Verwaltungsgerichtes seien jedoch jegliche Ermittlungen dazu unterlassen worden, obwohl diese leicht möglich gewesen wären.
7 Weiters gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren so weit gehen könne, dass Informationen und Daten offengelegt würden, die einem Geheimnisschutz, konkret der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht, unterlägen und der Beschuldigte dadurch seine Verschwiegenheitspflicht verletzen würde.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entbindet das Offizialprinzip die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf, also insbesondere dann, wenn es auf Umstände ankommt, die in der Sphäre der Partei selbst gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei Informationen betreffend betriebsbezogene bzw. personenbezogene Umstände der Fall ist, über die allein die Partei verfügt.
Unterlässt eine Partei die ihr obliegende Mitwirkung trotz der ihr allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einbezieht; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag. Die Verletzung der Obliegenheit des Antragstellers zur Mitwirkung bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes („Mitwirkungspflicht“) enthebt die Behörde aber nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt überhaupt festzustellen, und auch nicht von ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör oder ihrer Begründungspflicht.
Gemäß § 17 VwGVG ist das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblich (vgl. zum Ganzen VwGH 1.3.2023, Ra 2023/07/0005, mwN).
9 Zwar trifft es nach dem oben Gesagten zu, dass eine unterlassene Mitwirkung durch die Partei die Behörde wie auch das Verwaltungsgericht nicht von der amtswegigen Ermittlungspflicht entbindet. Das Verwaltungsgericht hat fallbezogen aber nicht etwa amtswegige Ermittlungen unterlassen, sondern ist, nachdem dessen Aufforderung zur zeitlichen Konkretisierung und zum Beleg der behaupteten beruflichen Verwendung der gegenständlichen Wohnung sowie zum behaupteten Leerstand in der Ladung zur mündlichen Verhandlung sowie in der Verhandlung selbst erfolglos geblieben sind, zum Ergebnis gelangt, dass auf Basis des vom Revisionswerber erstatteten Vorbringens und der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Beweise eine berufsbedingte Nutzung der gegenständlichen Wohnung nicht festgestellt werden könne.
10 Die Revision vermag weder darzulegen, dass damit die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gezogenen Leitlinien zum Verhältnis zwischen Amtswegigkeit und Mitwirkungspflicht überschritten worden wären, noch darzutun, aufgrund welcher konkreten (amtswegigen) Ermittlungen das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen (vgl. zur erforderlichen Darlegung der Relevanz etwa VwGH 23.8.2024, Ra 2024/06/0125, Rn. 7, mwN).
11 Im Übrigen wurde der Revisionswerber seitens des Verwaltungsgerichtes nicht dazu aufgefordert, Informationen über Mandanten, deren Projekte oder Ausschreibungsverfahren offenzulegen; der Revisionswerber bringt auch nicht vor, inwiefern eine Offenlegung solcher Informationen zur vom Verwaltungsgericht abverlangten zeitlichen Konkretisierung seiner berufsbedingten Aufenthalte in der gegenständlichen Wohnung und deren Beleg erforderlich sein sollte, weshalb das dazu erstattete Zulässigkeitsvorbringen ins Leere geht.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. Oktober 2024