BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2024, Zl. XXXX :
A)
Das Verfahren wird gemäß §§ 38a Abs. 1 AVG, 17 VwGVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024, W261 2289490-1/11Z, ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 09.04.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am 10.04.2023 fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus XXXX stamme. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er vom syrischen Regime inhaftiert worden sei, weil seine beiden Brüder vom Militär geflüchtet seien.
3. Am 06.02.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er im Alter von 17 Jahren vom syrischen Regime inhaftiert worden sei, weil seine Brüder vom Heer desertiert seien. Er sei schließlich gegen die Bezahlung von Bestechungsgeld freigelassen worden. Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen worden sei, hätte er zum Militär einrücken müssen. Da er dies nicht gewollt habe, sei er ausgereist. Ein Freikauf sei für ihn nicht möglich, da er nicht an die Regierung, welche ihn gefangen genommen und gefoltert habe, Geld zahlen könne.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 07.03.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Syrien keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Aufgrund der instabilen Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren.
5. Mit Eingabe vom 04.04.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus XXXX stamme. Er sei im wehrfähigen Alter und habe den Militärdienst noch nicht abgeleistet. Er wolle nicht an Kriegshandlungen teilnehmen und befürchte, aufgrund seiner Weigerung, den Militärdienst anzutreten, verfolgt zu werden. Im September 2014 sei der Beschwerdeführer an einem Checkpoint festgehalten und inhaftiert worden, weil sein Bruder als Reservist desertiert sei. Gegen die Bezahlung von Bestechungsgeld sei der Beschwerdeführer freigekommen. Im Falle einer Rückkehr drohe dem Beschwerdeführer die Gefahr, vom syrischen Regime zwangsrekrutiert zu werden. Vom Beschwerdeführer könne nicht verlangt werden, sich auf den unsicheren Prozess des Freikaufens einzulassen.
6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 10.04.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024, W261 2289490-1/11Z, hat dieses im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen vorgelegt:
„1.) Ist Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes im Sinne dieser Bestimmung tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
1.a.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US-Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?
1.b.) Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist auch Art. 9 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen?
2.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs. 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 lit. b und c der Richtlinie 2011/95 dahin auszulegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung dann nicht ausschließt, wenn ein Antragsteller im Sinne des Art. 2 lit. i dieser Richtlinie eine religiöse beziehungsweise moralische Grundhaltung oder eine politische Meinung, Anschauung beziehungsweise Überzeugung hat, aufgrund derer er die Zahlung dieser Gebühr nicht leisten möchte?
3.) Wenn zumindest Frage 1 zu bejahen ist: Sind Art. 9 Abs. 2 lit. e und – soweit Frage 1.b. zu bejahen ist – c in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 lit. a und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 sowie Art. 46 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes dahin auszulegen, dass es für die Frage, ob die Möglichkeit der Zahlung einer in einem Herkunftsstaat gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die von der Verpflichtung zur Ableistung eines Militärdienstes tatsächlich befreien würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung ausschließt, auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz beziehungsweise den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über einen Rechtsbehelf gegen die behördliche Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ankommt?
4.) Stehen die unionsrechtlichen Bestimmungen der Verordnung Nr. 36/2012 des Rates vom 18. Januar 2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 442/2011 in der geltenden Fassung der Annahme entgegen, dass die Möglichkeit der Zahlung einer in Syrien gesetzlich vorgesehenen Gebühr, die für im Ausland lebende syrische Staatsangehörige eine Befreiung von der Verpflichtung zur Ableistung des Militärdienstes für den Herkunftsstaat bedeuten würde, das Vorliegen einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. e oder c der Richtlinie 2011/95 ausschließt, wenn die Zahlung einer solchen Gebühr das einzige Mittel darstellt, um bei Rückkehr nach Syrien einer Einziehung zu diesem Militärdienst zu entgehen, und diese Gebühr nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts bemessen ist, wobei 10.000,– US-Dollar bei einem Jahr, 9.000,– US-Dollar bei zwei Jahren, 8.000,– US-Dollar bei drei Jahren und 7.000,– US-Dollar bei vier Jahren Auslandsaufenthalt zu entrichten sind und für jedes weitere Jahr jeweils eine Gebühr von 200,– US-Dollar anfällt?“
1.2. Zur Person und den vorgebrachten Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist ein männlicher, syrischer Staatsangehöriger, der am XXXX in XXXX geboren ist.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers steht aktuell unter dem Einfluss des syrischen Regimes. Der Beschwerdeführer ist im wehrpflichtigen Alter.
Der Beschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen vor, dass er aus Angst vor der Einziehung in den Militärdienst zur syrischen Armee sein Heimatland verlassen habe.
Er sei nicht bereit, eine Befreiungsgebühr zu bezahlen, weil er das syrische Regime ablehne und dieses nicht finanziell unterstützen wolle.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.09.2024, W261 2289490-1/11Z, und auf Grund der Aktenlage des gegenständlichen Verfahrens.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde – sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen – berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
§ 38 AVG ist gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht maßgeblich, wobei diese Bestimmung nur Vorfragen erfasst, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden sind (VwGH 14.04.2021, Ra 2020/19/0379).
Auf der Grundlage des § 38 AVG können Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) ausgesetzt werden; eine dem EuGH zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrechts kann nämlich eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellen, welche zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des EuGHs von diesem zu entscheiden ist (VwGH 14.04.2021, Ra 2020/19/0379).
3.2. Gegenständlich hat das Verwaltungsgericht die unter 1.1. dargestellten Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese werden auch im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevant sein, da der Beschwerdeführer vorgebracht hat, aus Angst vor der Einziehung in den Militärdienst bei der syrischen Armee Syrien verlassen zu haben und ein Freikauf grundsätzlich in Frage kommt.
3.3. Somit liegen die Voraussetzungen für die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum Vorliegen der Vorabentscheidung durch den EuGH vor. Daher ist die Rechtsache bis zur Entscheidung des EuGH gemäß §§ 38a Abs. 1 AVG, 17 VwGVG auszusetzen.
Diese Entscheidung hat mit nicht bloß verfahrensleitendem (vgl. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023, 0024; 24.03.2015, Ro 2014/05/0089; 28.10.2015, Ra 2015/10/0102) Beschluss zu ergehen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
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