JudikaturBVwG

W270 2277885-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
09. August 2024

Spruch

W270 2277885-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Günther GRASSL als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter:innen Univ.-Prof. Dr. Josef DONNERER, Mag.a Dr.in Sabine VOGLER, Univ.-Doz. Mag. Dr. Christian PFIL sowie Prof. Mag. Heinz KRAMMER als Beisitzer:innen über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Gillhofer Plank Rechtsanwälte GesBR, 1010 Wien, Herrengasse 6-8/3/5, gegen den Bescheid des Dachverbands der Sozialversicherungsträger vom 07.08.2023, Zl. XXXX , betreffend den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Erstattungskodex, zu Recht erkannt:

A)

I. Der angefochtene Bescheid wird aufgrund der Antragszurückziehung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

II. Ein Kostenersatz findet nicht statt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

1. Die XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) beantragte mit Eingaben an den Dachverband der Sozialversicherungsträger (in Folge: belangte Behörde), dort eingelangt am 13.02.2023, die Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Erstattungskodex (in Folge: EKO).

2. Mit Bescheid vom 07.08.2023 zur Zahl XXXX wies die belangte Behörde die Anträge ab und strich diese Arzneispezialität aus dem EKO.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde. Sie focht darin den Bescheid jeweils im gesamten Umfang, sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften, an. Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 11.09.2023 einlangte.

4. Mit Schriftsatz vom 22.05.2023 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie ihren Antrag auf Aufnahme in den EKO betreffend der Arzneispezialität XXXX zurückzieht.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf den Inhalt der Verfahrensakten und können – einschließlich der Zurückziehungserklärung, die von einer durch eine berufsmäßige Parteienvertreterin vertretenen Partei abgegeben wurde und nicht den geringsten Anlass zum Zweifel an der Ernsthaftigkeit bietet – als unstrittig gesehen werden.

III. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchpunkt A) I. – Ersatzlose Behebung des Bescheides und Zurückweisung

1.1. Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

1.2. Die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages bewirkt den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Fall angehalten, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben (vgl. VwGH 25.06.2021, Ro 2019/05/0018, m.w.N.).

1.3. Im Falle der Zurückziehung des verfahrensleitenden Antrags hat die Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos zu beheben. Dies gilt auch im Falle einer Zurückziehung des verfahrensleitenden Antrags auch noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend einen Bescheid nach dem AVG (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Rz 42 m.w.N.).

1.4. Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22.05.2023, den verfahrenseinleitenden Antrag vom 01.09.2024 zurückgezogen.

1.5. Mit der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags ist die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des gegenständlichen Bescheides nachträglich weggefallen, sodass der bekämpfte Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos zu beheben war.

2. Zu Spruchpunkt A) II. – Kostenersatz:

2.1. § 351j Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 i.d.F. BGBl. I Nr. 104/2019, lautet:

„§ 351j. (1) Die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht werden durch einen pauschalierten Kostenersatz in der Höhe von 2 620 Euro abgegolten. Den Kostenersatz hat diejenige Partei des Beschwerdeverfahrens zu tragen, die im Beschwerdeverfahren unterlegen ist. Im Falle eines teilweisen Unterliegens ist der Kostenersatz von beiden Parteien zur Hälfte zu tragen. In Verfahren bei Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Dachverband hat den Kostenersatz jedenfalls der Dachverband zu tragen, wenn nicht die Beschwerde mangels Säumigkeit zurückgewiesen wird.“

2.2. Gegenständlich kam es zu keinem (auch nur teilweisen) „Unterliegen“ einer Partei.

2.3. Nun treffen bestimmte, einen Aufwands- oder Kostenersatz regelnde andere Verfahrensvorschriften besondere Vorkehrungen für den Fall, dass eine erhobene Beschwerde zurückgezogen wird. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang etwa auf § 35 Abs. 3 VwGVG betreffend die Zurückziehung einer Maßnahmenbeschwerde oder § 51 VwGG zur Zurückziehung einer Revision nach Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof bzw. bei einer außerordentlichen Revision nach Einleitung des Vorverfahrens.

2.4. Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften – etwa des § 35 Abs. 3 VwGVG – scheidet aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts hier jedoch aus:

2.5. So ist für den Verwaltungsgerichtshof Voraussetzung der Zulässigkeit einer Analogie das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke. Ein solche ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt nur dann in Betracht, wenn das Gesetz anders nicht vollziehbar ist oder wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen – unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers – ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher – schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung – auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (zum Ganzen aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 31.07.2020, Ra 2020/11/0086, Rn. 27, m.w.N.). Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang jedoch nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so – beispielsweise – wenn den Gesetzesmaterialien mit Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt (vgl. VwGH 04.12.2020, Ro 2020/10/0015, Rn. 18, m.w.N.).

2.6. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschreibung eines – dann wohl dem Beschwerdeführer oder der Beschwerdeführerin aufzuerlegenden – Kostenersatzes auch für den Fall der Zurückziehung einer Beschwerde gewollt hat, sind nicht ersichtlich:

2.7. So geht die Vorschrift des geltenden § 351j ASVG auf das 2. Verwaltungsgerichtsbarkeits- Anpassungsgesetz – Bundesministerium für Gesundheit, BGBl. I Nr. 130/2013, zurück. Die dazugehörigen Erläuterungen führen (auszugsweise) aus (s. ErläutRV 2167 BlgNR 24. GP, S. 9):

„…

Die Kostentragung der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht soll künftig in Anlehnung an die Regelungen für Verfahren vor dem Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof in Form eines pauschalierten Kostenersatzes in Höhe von 2 620 Euro erfolgen, der von derjenigen Partei zu tragen ist, die im Beschwerdeverfahren unterlegen ist. Hinzuweisen ist darauf, dass schon bisher die Verfahrenskosten mittels Verordnung des Bundesministers für Gesundheit (§ 351j Abs. 7 ASVG in der geltenden Fassung) pauschaliert festgesetzt wurden. Eine Valorisierung hat unter den Vorgaben des § 351j Abs. 2 ASVG durch eine vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erlassende Verordnung zu erfolgen.

…“

2.8. Zwar wollte sich der Gesetzgeber an die Regelungen u.a. für den Verwaltungsgerichtshof „anlehnen“, doch bedeutet das noch nicht, dass er deshalb auch einen Kostenersatz für den Fall der Beschwerdezurückziehung wollte.

2.9. Daran ändert auch nichts, dass die in Durchführung von § 351j Abs. 7 ASVG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 130/2013, erlassene UHK-Verfahrenskostenverordnung, BGBl. II Nr. 285/2004, in ihrem § 1 Z 3 einen (verminderten) pauschalierten Kostenersatz für den Fall einer Beschwerdezurückziehung vor Beginn der Sitzung der Unabhängigen Heilmittelkommission vorsah.

3. Zur Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung:

3.1. Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

3.2. Gegenständlich war der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht klärungsbedürftig. Die gegenständliche Entscheidung konnte daher unter Entfall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

4. Zu Spruchpunkt B) – Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – oben zitierten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.