Spruch
G304 2264543-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und die fachkundige Laienrichterin Maria HIERZER als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Sozialversicherungsnummer: XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 21.11.2022, OB: XXXX , betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)Der Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 100/2018, sowie § 1 Abs. 4 Z 3 der der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, stattgegeben.
Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen befristet bis 31.12.2024 vor.
B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 12.04.2022 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein.
Das vom BF ausgefüllte Antragsformular enthält folgenden Hinweis:
„Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.“
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens betreffend den „Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung“ wurde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Chirurgie, vom 30.09.2022 wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 27.09.2022 bezüglich Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. zu den Fragen, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen und warum, Folgendes ausgeführt:
„Hinzuweisen ist darauf, dass aktuell eine UA-Stützkrücke verwendet wird; ein Vollbelastung ist möglich. Nicht für den ausreichenden Zeitraum ist davon auszugehen, dass Stützkrücken notwendig wären. Das gleiche gilt dafür, dass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken und die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel sowie der sichere Transport in absehbarer Zeit möglich sein sollte.“
Dies wurde im Gutachten nach dem Untersuchungsbefund angeführt, im Zuge welchen zu „Gesamtmobilität – Gangbild“ Folgendes festgehalten wurde:
„Es zeigt sich ein unsicheres Gangbild mit verkürzter Schrittlänge links; verwiesen wird auf den Facharztbefund aus dem AUVA-UKH (…) sowie das nachrichtliche Verwenden von 2 UA-Stützkrücken.“
3. Im Zuge einer nachfolgenden „Stellungnahme“ vom 17.11.2022 führte der Sachverständige, Facharzt für Chirurgie, Folgendes an:
„(…),
ich habe mein medizinisches Sachverständigengutachten vom 30.9.2022 nochmals gesichtet und mit den Einwendungen des Antragstellers abgeglichen. Verweisen möchte ich auf dem Befundbericht aus dem AUVA-UKH (…). Auch dieser bestätigt, dass der Antragsteller nach stattgehabter operativer Behandlung eine Vollbelastung möglich- und zumutbar ist. In Summe ergeben sich somit keine Änderung zu meinem bereits erstatteten Sachverständigengutachten. Dieses wird voll inhaltlich aufrecht erhalten. (…).“
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.11.2022 wurde der am 12.04.2022 eingelangte Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend dafür wurde ausgeführt, dass die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens der einen Bestandteil der Begründung bildenden Beilage – dem vidierten schlüssigen Gutachten vom 30.09.2022 samt ärztlicher Stellungnahme vom 17.11.2022 – zu entnehmen seien und die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden seien.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensjahr vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vorliegen.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschwere.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke.
Da das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen, sei der Antrag des BF abzuweisen.
Folgende „Anmerkung“ wurde hinzugefügt:
„(…)
Da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorliegen, kann ein Ausweis gemäß § 29b – StVO (Parkausweis) nicht ausgestellt werden.“
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Der BF brachte vor, dass seine Gesundheit vor allem durch schmerzhafte Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule maßgeblich beeinträchtigt sei, bereits bei geringer Belastung eine Schmerzverstärkung eintrete, wies auf starke Schmerzen im Hüftbereich, auf eine massive Mobilitätseinschränkung, ständige Angewiesenheit auf Gehhilfen und unter anderem auch darauf hin, dass er an einer koronaren Herzkrankheit sowie an Diabetes mellitus Typ I leide, welcher maßgeblich beeinträchtigte Gesundheitszustand ihm die Zurücklegung längerer Strecken nicht mehr möglich mache. Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels sei ihm nicht zumutbar. Als Beweis dafür soll ein einzuholendes orthopädisches und internistisches Sachverständigengutachten dienen.
6. Am 23.12.2022 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
7. Mit Verfügung des BVwG vom 16.03.2023, Zl. G304 2264543-1/3Z, wurde Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, ersucht, ein medizinisches Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung, welches das Vorbringen des BF und allfällig mit der Beschwerdeschrift vorgelegte medizinische Befunde berücksichtigt, „binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Anordnung“ dem BVwG zu übermitteln.
Mit weiterer Verfügung des BVwG vom 16.03.2023, Zl. G304 2264543-1/3Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 18.04.2023 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur Begutachtung einzufinden.
8. Am 25.04.2023 langte beim BVwG das nach Begutachtung des BF vom 18.04.2023 am 24.04.2023 erstellte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX ein.
In diesem wurde ein sich im Vergleich zum Vorgutachten vom 27.09.2022 samt Stellungnahme vom 17.11.2022 verschlechterter Gesundheitszustand (Verschlechterung des Allgemein- und Ernährungszustandes sowie der Gangstörung und der Belastungsschmerzen) festgestellt und dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht für zumutbar gehalten.
9. Mit Verfügung des BVwG vom 04.05.2023, Zl. G304 2264543-1/5Z, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung zum Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen.
Diese „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ wurde dem BF am 11.05.2023 zugestellt.
10. Eine schriftliche Stellungnahme des BF zu dem ihm als „Ergebnis der Beweisaufnahme“ vorgehaltenen Sachverständigengutachten ist innerhalb der ihm dafür gesetzten Frist und darüber hinaus bis dato beim BVwG nicht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen befristet bis 31.12.2024 vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Dass der BF einen Behindertenpass besitzt, war aus dem vorliegenden Akteninhalt ersichtlich.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
2.3. Der im Beschwerdeverfahren seitens der für den Fall zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG beigezogene Sachverständige, Facharzt für Innere Medizin, gab nach Begutachtung des BF am 18.04.2023 in seinem Gutachten vom 24.04.2023 das Vorbringen des BF wieder, unter anderem, dass er linksseitige Leisten- und Hüftschmerzen habe, wegen dieser Schmerzen nur mit Krücken gehen könne, und sein Reha-Aufenthalt im Juni 2022 nicht viel geholfen habe, und gab folglich in seinem Gutachten folgende „zusammenfassende Beurteilung“ ab:
„Beim Antragsteller kam es am 2.3.2022 infolge eines Sturzes zu einem Bruch der linken Hüfte, der Beckenschaufel sowie zu einem Bruch des linken unteren und oberen Schambeinastes. Trotz einer Operation und eines anschließenden Reha-Aufenthaltes bestehen noch Belastungsschmerzen sowie eine deutliche Gangstörung. Laut Antragsteller besteht der Verdacht auf eine Schraubenlockerung, Befunde diesbezüglich sind aber nicht vorliegend. Gehen ist auch mit 2 UA-Krücken nur langsam und unsicher möglich. Seit März 2022 hat der Antragsteller bereits die Pflegestufe 2. Die Pflegestufe 2 wurde heuer bis April 2024 verlängert. Insgesamt besteht auch ein reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand (BMI 19,7). Weiters ist eine koronare Herzkrankheit bekannt. 2005 wurde eine Bypassoperation durchgeführt. Cardiale Beschwerden werden vom Antragsteller nicht angeführt, ein aktueller Echokardiographiebefund ist nicht vorliegend. Eine Atemnot wird trotz chronischen Nikotinkonsum nicht angegeben.“
Im Gutachten wurden daraufhin als „Ergebnis der durchgeführten Begutachtung“ folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:
„GS1: Bruch der linken Hüftpfanne, der Beckenschaufel sowie des oberen – und unteren Schambeinastes am 02.03.2022, deutlicher Belastungsschmerz mit Gangstörung und mittelgradigen Funktionseinschränkungen. Der reduzierte Allgemeinzustand wird in dieser GS mitberücksichtigt.
(Pos. Nr. 02.05.11, unterer RSW, GdB 50%)
GS2: Koronare Herzerkrankung, Zustand nach Bypassoperation 2005
(Pos. Nr. 05.05.02, oberer RSW, GdB 40%)
GS3: Insulinpflichtiger Diabetes, gut eingestellt
(Pos. Nr. 09.02.02, oberer RSW, GdB 40%).“
In dem seitens des BVwG eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 wurde folglich ein sich im Vergleich zum Vorgutachten samt darauffolgender fachärztlicher Stellungnahme vom 17.11.2022 verschlechterter Gesundheitszustand mit Verschlechterung des Allgemein- und Ernährungszustandes sowie der Gangstörung und der Belastungsschmerzen festgestellt und festgehalten, dass eine kurze Wegstrecke aufgrund der Gangstörung und des reduzierten Allgemeinzustandes (eingeschränkte körperliche Belastbarkeit) selbstständig nicht zurückgelegt werden könne, und sowohl Ein- und Aussteigen bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe als auch der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht möglich und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dem BF daher nicht zumutbar ist.
Es wurde abschließend eine Besserung der Beschwerden unter einer regelmäßigen Physiotherapie für möglich gehalten und eine Nachuntersuchung im Oktober 2024 empfohlen.
Aus der für Oktober 2024 empfohlenen Nachuntersuchung ging eindeutig hervor, dass der Sachverständige seinem Gutachten „als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung“ beim BF vorliegende „voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Funktionseinschränkungen“ zugrunde legte.
Der BF hat gegen das ihm schriftlich vorgehaltene fachärztliche Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 innerhalb der ihm dazu gewährten zweiwöchigen Frist und darüber hinaus bis dato keine Einwendung erhoben.
Es wird folglich dem für schlüssig bzw. nachvollziehbar gehaltenen Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 gefolgt und davon ausgegangen, dass dem BF wegen eingeschränkter körperlicher Belastbarkeit das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sowie das Ein- und Aussteigen bei einem üblichen Niveauunterschied und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel daher nicht zumutbar ist.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass liegen daher vor, und zwar befristet bis 31.12.2024, weil mit Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 „eine Nachuntersuchung im Oktober 2024“ empfohlen wurde, und bis Ende des Jahres 2024 eine Besserung des Gesundheitszustandes des BF zu erwarten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 7 Abs. 1 BVwGG bestehen die Senate aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
Gemäß § 7 Abs. 2 BVwGG sind, wenn in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen ist, diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen. Ist in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung von mehr als zwei fachkundigen Laienrichtern vorgesehen, ist der Senat entsprechend zu vergrößern.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des BVwG durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 S. 1 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken.
Im gegenständlichen Fall liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
3.2. Zu A):
3.2.1. Gegenständlich relevante Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn 1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder 2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder 3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder 4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder 5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (…).
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (…).“
Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, idF BGBl. II Nr. 263/2016, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z. 1 lit. b oder d vorliegen.
3.2.2. Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013, mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
3.2.3. Dem für schlüssig bzw. nachvollziehbar gehaltenen Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 folgend ist dem BF die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke nicht möglich, dies aufgrund der trotz Operation und Reha-Aufenthalt nach „Bruch der linken Hüftpfanne, der Beckenschaufel sowie des oberen- und unteren Schambeinastes am 02.03.2022 vorliegenden deutlichen Belastungsschmerzen mit – deutlicher – Gangstörung und des reduzierten Allgemeinzustandes (eingeschränkte körperliche Belastbarkeit), dem BF des Weiteren auch das Ein- und Aussteigen bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht möglich, und ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel daher nicht zumutbar.
Es war der Beschwerde daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen, und zwar befristet bis 31.12.2024, weil mit Sachverständigengutachten vom 24.04.2023 „eine Nachuntersuchung im Oktober 2024“ empfohlen wurde, und bis Ende des Jahres 2024 eine Besserung des Gesundheitszustandes des BF zu erwarten ist.
3.2.4. Absehen von einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der EGMR hat etwa in seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt vor dem Hintergrund des vorliegenden, für schlüssig bzw. nachvollziehbar gehaltenen Sachverständigengutachtens vom 24.04.2023 geklärt, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.
3.3. Zu B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.