JudikaturBFG

RS/7100146/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
17. September 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** betreffend Säumnisbeschwerde v. 01.09.2025 wegen der vorgebrachten Säumigkeit des ***FA*** DS ***2*** in der Entscheidung über die am 18.02.2025 bzw.am 26.02.2025 eingereichten Anträge auf Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2023 bzw.2024 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1.Festgestellter Sachverhalt:

Mit Eingaben vom 18.02.2025 bzw. v. 26.02.2025 wurden die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2023 und 2024 beim FAÖ DS ***2*** elektronisch eingereicht.

Mit Eingabe der beschwerdeführenden Partei (Bfin.) vom 01.09.2025 wurde beim FAÖ zu obiger St.Nr. eine Säumnisbeschwerde (im Wege des Finanzonline) für die Jahre 2023 und 2024 eingebracht, da über die eingereichten Erklärungen betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2023 und 2024 noch keine Bescheide erlassen worden wären.

In ihrer Säumnisbeschwerde v.01.09.2025 brachte die Bfin. Folgendes vor:

"Beschwerde und Untätigkeitseinspruch - Sehr geehrte Damen und Herren hiermit erhebe ich formell Beschwerde sowie Untätigkeitseinspruch aufgrund der unverhältnismäßigen Verzögerung der Erledigung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2023 und 2024 , Steuernummer ***5***. Der Antrag wurde vor über sechs Monaten eingebracht. Trotz mehrerer telefonischer Kontaktaufnahmen und dem wiederholten Hinweis auf die dringende finanzielle Notwendigkeit ist bis heute keinerlei Erledigung erfolgt. Die anhaltende Verzögerung ist nicht mehr nachvollziehbar und absolut inakzeptabel. Der Eindruck drängt sich auf, dass hier bewusst Zeit verschleppt wird, möglicherweise in der Hoffnung, dass sich der Antrag durch das hohe Alter der Antragstellerin von selbst erledigt. Sollte das der Fall sein, wäre das ein schwerwiegender ethischer und rechtlicher Verstoß. Ich erinnere Sie daran, dass ich unter starken altersbedingten gesundheitlichen Einschränkungen leide, insbesondere unter massiven Knieproblemen. Der dringend benötigte Treppenlift kann nicht finanziert werden, weil Sie Ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur fristgerechten Erledigung nicht nachkommen. Wir haben Sie mehrfach telefonisch auf die Dringlichkeit hingewiesen, ohne nennenswerte Reaktion Ihrerseits. Die gesetzlich vorgesehene angemessene Frist zur Bescheiderlassung ist damit längst überschritten. Es handelt sich hierbei nicht nur um einen Verstoß gegen die Verfahrenspflichten der Abgabenbehörde, sondern auch um eine erhebliche Beeinträchtigung des gesundheitlichen und sozialen Wohlergehens einer hochbetagten, pflegebedürftigen Person. Ich fordere Sie daher letztmalig auf, den Bescheid umgehend zu erlassen, die Arbeitnehmerveranlagung abzuschließen und die Gutschrift sofort auszubezahlen. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, weitere Schritte einzuleiten. Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter behalte ich mir ausdrücklich vor. Ich ersuche um schriftliche Rückmeldung und eine umgehende Erledigung."

Am 12.09.2025 wurden -nach einem Vorhalteverfahren v. 29.04.2025 und diesbezüglicher Vorhaltsbeantwortung v. 08.7.2025 - noch vom FAÖ DS ***2*** jeweils die Veranlagungsbescheide für 2023 und 2024 erlassen (Gutschrift 2023 idHv. € 5.705,00 und für 2024 idHv. € 5.032,00).

Am 15.09.2025 wurde die Säumnisbeschwerde v.01.09.2025 samt Anlagen (Säumnisbeschwerde, Einkommensteuerbescheid 2023 und 2024) an das BFG (Post, Sitz) weitergeleitet. Das E-Mail hatte folgenden Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren! Säumnisbeschwerde ANV 2023 und 2024 ***Bf1*** St.Nr. ***5*** temp. zuständ. Team FA ***1***-AV ***3*** ***4***_Säumnisbeschwerde ANV 2023-2024.pdf; 20250912 _Einkommensteuerbescheid 2023.pdf; 20250912_Einkommensteuerbescheid 2024.pdf - Im Finanzamt Österreich ist im o.a. Fall am 01.09.2025 eine Säumnisbeschwerde betreffend ANV 2023 und 2024 eingelangt. Diese wird gemäß § 53 BAO zuständigkeitshalber weitergeleitet. Die dazu am 12.09.2025 ergangenen Einkommensteuerbescheide 2023 und 2024 werden ebenfalls übermittelt."

Dieses E-Mail v. 15.09.2025 wurde zuständigkeitshalber an die Außenstelle Linz am 16.09.2025 übermittelt.

2.Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens)

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben ( § 97 BAO) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) …

Wie im Verfahrensgang ausgeführt wurden die Erklärungen betreffend ANV 2023 und 2024 am 18.02.2025 bzw.am 26.02.2025 elektronisch eingebracht. Die Frist von 6 Monaten zur Erlassung der entsprechenden Bescheide war am 01.09.2025 , dem Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde beim FAÖ DS ***2*** nur wenige Tage abgelaufen.

In Ritz/Koran, Kommentar zur BAO8 , § 284 BAO Rz 2 ff, wird dazu ausgeführt:

"Nach Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 2012/51) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet ( Art 132 Abs 3 B-VG idF BGBl I 2012/51).

Säumnisbeschwerden sind beim Verwaltungsgericht einzubringen; bei der Abgabenbehörde eingebrachte Säumnisbeschwerden sind (nach § 53 BAO) dem Verwaltungsgericht weiterzuleiten (vgl zB Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 284 Rz 8; VwGH 25.5.2022, Ra 2021/15/0035; Fellner in Ehrke-Rabel/Gunacker-Slawitsch, Rechtsmittelverfahren2, Rz 3.240; BFG 18.12.2023, RS/2100033/2023)."

Im konkreten Fall wurde die Säumnisbeschwerde beim FAÖ DS ***2*** eingebracht und nach Bescheiderlassung durch das FAÖ DS ***2*** jeweils v.12.09.2025 für 2023 und 2024 gem.§ 53 BAO idgF an das Gericht zur Entscheidung weitergeleitet. Das Gericht wurde daher für diese Beschwerde zuständig. Auf den Verfahrensgang wird hingewiesen.

Gemäß § 85a BAO haben Abgabenbehörden über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Die Sechsmonatsfrist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem das Anbringen auf einem zugelassenen Weg der Abgabenbehörde zugeleitet wurde (vgl. dazu Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO³ § 284 BAO Rz 2).

§ 53 BAO idF BGBl I 104 /2019 normiert:

"Die Abgabenbehörden haben ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, für deren Behandlung sie nicht zuständig sind, haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen."

Dieselben in Rz 10 :

"In § 284 Abs 3 ist (inhaltlich übereinstimmend mit dem bisherigen § 311 Abs 4) der Zeitpunkt des Überganges der Zuständigkeit von der Abgabenbehörde an das Verwaltungsgericht geregelt."

Dieselben weiters in Rz 11:

"Über Säumnisbeschwerden ist vom Verwaltungsgericht mit Beschluss oder mit Erkenntnis abzusprechen.

Als Beschlüsse kommen formale Erledigungen in Betracht, nämlich

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  "type": "ol",
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    {
      "type": "li",
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          "type": "em",
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            "Die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens, wenn der Bescheid erlassen wurde oder vor Einleitung des Beschwerdeverfahrens erlassen wurde,"
          ]
        }
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  ],
  "attributes": {
    "class": "ListeAufzhlung",
    "style": "list-style-type: disc;"
  }
}

Rz 26

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts endet weiters, wenn die säumige Behörde - obwohl sie sachlich hierzu nicht mehr zuständig ist - den betreffenden (versäumten) Bescheid erlässt (vgl BFG 27.1.2010, RS/3100005/2019; 30.3.2020, RS/7100140/2019; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 284 Rz 13)."

Rz 29

"Im Unterschied zu § 311 aF sieht § 284 Abs 6 die Parteistellung der Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird, vor."

Das FAÖ hat - noch vor Weiterleitung der Beschwerde an das Gericht am 15.09.2025 - mit Bescheiden vom 12.09.2025 über die Arbeitnehmerveranlagungen der Jahre 2023 und 2024 inhaltlich abgesprochen.

Der letzte Satz des § 284 Abs. 2 BAO idgF formuliert eindeutig: "Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen."

Andere verfahrensrechtliche Fragen waren daher auch nicht mehr zu klären.

Es war daher wie im Spruch des Beschlusses ersichtlich zu entscheiden.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO ergibt sich aus dem Gesetzestext. Überdies lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind somit nicht erfüllt.

Linz, am 17. September 2025