IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach ***Bf***, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin ***Witwe***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 27. Juni 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 11. Juni 2024 betreffend Einkommensteuer 2023, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer für 2023 mit 381,00 Euro festgesetzt wird.
Die Bemessungsgrundlagen sind dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen
Am xx.xx.2024 verstarb ***Bf***. Am 8.3.2024 langte bei der belangten Behörde eine in dessen Namen und offenkundig von seiner Gattin ***Witwe*** ausgefüllte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2023 ein. Darin wurden - offensichtlich irrtümlich - außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt (Kennzahl 730) in Höhe von 8.484,69 € und zusätzlich außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt (Kennzahlen 435 "Taxikosten" und 476 "zusätzliche Kosten Behinderung") in Höhe desselben Gesamtbetrages geltend gemacht.
Mit Vorhalt vom 10.4.2024 ersuchte die belangte Behörde die Witwe um Nachweise zu einer vom Verstorbenen bezogenen Rentenversicherung aus Deutschland, um eine Aufstellung und Belege zu den gesamten geltend gemachten Krankheitskosten sowie eine Bescheinigung des Sozialministeriumsservice bezüglich Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln im Hinblick auf die geltend gemachten Taxikosten.
Die erwähnte Bescheinigung wurde vom Sozialministeriumsservice am 15.5.2024 ausgestellt und an die belangte Behörde übermittelt. Am 23.5.2024 langte bei der belangten Behörde auch die Beantwortung des Vorhalts vom 10.4.2024 samt den angeforderten Unterlagen ein.
Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.6.2024 berücksichtigte die belangte Behörde nur Aufwendungen in Höhe von 900,00 € als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt und in Höhe von 3.809,72 € als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt. Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, Aufwendungen für die Vorbeugung von Krankheiten sowie für die Erhaltung der Gesundheit seien nicht abzugsfähig, sodass im Schätzungswege nur 60 % der beantragten Apothekenkosten anerkennungsfähig seien; die geltend gemachten Taxikosten seien nicht abzugsfähig, da die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit erst seit November 2023 vorliegen würden, während die Rechnungen jedoch frühere Zeiträume beträfen; der Freibetrag für Behinderung könne nicht berücksichtigt werden, da der Verstorbene ganzjährig Pflegegeld bezogen habe.
Dagegen erhob die Witwe im Namen der Verlassenschaft am 27.6.2024 rechtzeitig Beschwerde. Darin führt sie begründend zusammengefasst aus, die vom Finanzamt nicht anerkannten Ausgaben für Flüssignahrung bzw. Nahrungsergänzungsmittel seien notwendig gewesen, da ihr Gatte ansonsten nicht ausreichend ernährt worden wäre; aufgrund des Gesundheitszustandes ihres Gatten sei ihm weder eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch eine Fahrt mit einem Krankentransportwagen zumutbar gewesen, weshalb die Taxikosten erforderlich gewesen seien; das Pflegegeld habe nicht alle Kosten abgedeckt, zumal es verabsäumt wurde, einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes zu stellen.
Mit weiterem Vorhalt vom 31.10.2024 ersuchte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei um Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Flüssignahrung bzw. Nahrungsergänzungsmittel, aus der sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Verordnung und der zu behandelnden Krankheit ergebe. Am 11.11.2024 legte die beschwerdeführende Partei ein ärztliches Attest vom 8.11.2024 vor, mit welchem bestätigt wird, dass eine Versorgung des Verstorbenen mit dem gegenständlichen Präparat im Jahr 2023 notwendig gewesen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28.11.2024 gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise statt und gewährte den Abzug der geltend gemachten Taxikosten. Den Abzug der Kosten für die gegenständliche Flüssignahrung bzw. Nahrungsergänzungsmittel versagte die belangte Behörde jedoch weiterhin; durch die nunmehrige Berücksichtigung der einzelnen Belege ergab sich insoweit eine Verböserung gegenüber der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Schätzung. Diesbezüglich führte sie begründend aus, das vorgelegte ärztliche Attest sei keine ärztliche Verordnung bzw. Verschreibung im Sinne einer verbindlichen Anordnung im Rahmen eines medizinischen Behandlungsplanes, zumal die gegenständlichen Mittel auch ohne ärztliche Verschreibung erwerbbar seien. Zudem sei das Attest erst im Nachhinein erstellt worden und stelle kein schlüssiges bzw. nachvollziehbares medizinisches Gutachten dar. Der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Ausgaben sei damit nicht erbracht worden. Verbösernd brachte die belangte Behörde weiters im Zusammenhang mit den Krankenhausaufenthalten eine Haushaltsersparnis in Höhe von 78,45 € (15 Tage à 5,23 €) in Abzug.
Zusammengefasst wurden im abgabenbehördlichen Verfahren folgende außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt belegmäßig nachgewiesen bzw. vom Finanzamt anerkannt:
*) Die Kosten für die Gleitsichtbrille wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt anerkannt; da diese jedoch unterhalb des Selbstbehaltes lagen, hatten sie keine betragsmäßige Auswirkung auf den angefochtenen Bescheid bzw. die Beschwerdevorentscheidung.
Mit rechtzeitigem Vorlageantrag vom 9.12.2024 begehrte die Witwe (wie sich aus der Anführung der entsprechenden Steuernummer ergibt) im Namen der Verlassenschaft die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Begründend wiederholte sie darin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und verwies auf die nachgereichte ärztliche Bestätigung, aus welcher sich die Notwendigkeit der Versorgung mit Flüssignahrung ergebe.
Am 10.1.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, ohne dabei neues Vorbringen zu erstatten.
Mit Schreiben vom 26.2.2025 teilte das Gericht der Witwe sowie der belangten Behörde seine Überlegungen zur Notwendigkeit der Versorgung mit Flüssignahrung, zur Höhe der Haushaltsersparnis sowie zur Anrechnung des Pflegegeldes mit. Dazu nahm die Witwe gegenüber dem Gericht am 7.3.2025 telefonisch und mit Schreiben vom 9.3.2025 schriftlich Stellung. Sie brachte zusammengefasst vor, es sei keine Haushaltsersparnis eingetreten, da ihr Gatte das Essen im Krankenhaus nicht vertragen habe und sie daher auch während der Krankenhausaufenthalte täglich für ihn gekocht habe; das Pflegegeld sei als Unterstützung für die pflegenden Angehörigen gedacht und daher nicht abzuziehen; außerdem habe ihr Gatte laufend Einkommensteuervorauszahlungen getätigt, die nicht berücksichtigt worden seien.
Mit weiterem Schreiben vom 14.3.2025 teilte das Gericht der belangten Behörde mit, dass das Gericht aufgrund des für glaubwürdig erachteten Vorbringens der Witwe vom Ansatz einer Haushaltsersparnis nun gänzlich absehe. Die belangte Behörde reagierte weder auf das Schreiben vom 26.2.2025 noch auf jenes vom 14.3.2025.
2. Sachverhalt
***Bf***, geboren am xx.xx.1941, war im Jahr 2023 ganzjährig erkrankt; er litt an einer fortgeschrittenen onkologischen Erkrankung mit ossären (Knochen-) Metastasen. In diesen Zeitraum fallen mehrere ambulante und stationäre Krankenhausaufenthalte sowie Arztbesuche, zu welchen er mit dem Taxi gefahren wurde. Da er das Essen im Krankenhaus nicht vertrug, kochte seine Ehegattin ***Witwe*** auch während der stationären Krankenhausaufenthalte für ihn und brachte ihm das von ihr zubereitete Essen. Zuhause war stets erhöhter Pflegebedarf gegeben. Die Pflege erfolgte durch seine Ehegattin. Am xx.xx.2024 verstarb ***Bf*** zuhause.
***Bf*** bezog im Jahr 2023 eine inländische Pension in Höhe von brutto 24.312,54 € und eine Altersrente aus Deutschland in Höhe von netto 6.480,48 €. Außerdem bezog er im Jahr 2023 ganzjährig Pflegegeld (Jahresbetrag: 5.725,00 €).
***Bf*** leistete aufgrund des Vorauszahlungsbescheides vom 26.5.2021 in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 412,00 €, sohin insgesamt 1.236,00 €. Mit neuem Vorauszahlungsbescheid vom 28.8.2023 wurden die Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2023 mit 0,00 € festgesetzt. Am selben Tag wurden die in diesem Jahr bereits geleisteten Vorauszahlungen seinem Abgabenkonto wieder gutgeschrieben.
Ab 22.11.2023 betrug der Grad der Behinderung von ***Bf*** 50 % und lagen folgende Zusatzeintragungen im Behindertenpass vor: Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung; der Inhaber des Passes bedarf einer Begleitperson; der Inhaber kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen.
Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes konnte ***Bf*** auf normalem Wege nicht mehr ausreichend Nahrung zu sich nehmen. Deshalb war ergänzend die regelmäßige Einnahme von Fresubin notwendig. Dabei handelt es sich um Trinknahrung, die zur ergänzenden, aber auch zur ausschließlichen Ernährung geeignet ist.
Der Gesamtbetrag der Apothekenkosten laut den eingereichten Belegen in Höhe von 2.913,69 € setzt sich folgendermaßen zusammen:
Ausgaben (Rezeptgebühren) für rezeptpflichtige Medikamente sind in der Position "Vom Finanzamt in BVE anerkannte Ausgaben" enthalten. Die übrigen Produkte wurden allesamt ohne ärztliche Verordnung/Rezept erworben.
Die Beträge, die in der Tabelle auf Seite 3 dieses Erkenntnisses in der Spalte "eingereichte Belege" angeführt sind, wurden tatsächlich für den jeweiligen Zweck ausgegeben und in wirtschaftlicher Hinsicht aus dem Einkommen von ***Bf*** getragen. Grundsätzlich stehen diese Beträge im Zusammenhang mit der Behinderung von ***Bf***. Kein Zusammenhang mit der Behinderung besteht jedoch hinsichtlich der Gleitsichtbrille. Von den Apothekenkosten stehen lediglich die Rezeptgebühren ("Vom Finanzamt in BVE anerkannte Ausgaben") sowie die Aufwendungen für Fresubin im Zusammenhang mit der Behinderung.Die medizinische Notwendigkeit der übrigen Apothekenwaren wurde nicht nachgewiesen.
3. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den persönlichen Umständen von ***Bf*** und seiner Erkrankung ergeben sich aus der ärztlichen Bestätigung der Notwendigkeit eines regelmäßigen Krankentransports vom 31.1.2023, welche mit dem Vorbringen der Witwe übereinstimmt und deren Richtigkeit von der belangten Behörde nicht bestritten wurde. Die Witwe konnte glaubhaft machen, dass er das Essen im Krankenhaus krankheitsbedingt nicht vertrug und sie daher auch während der stationären Krankenhausaufenthalte für ihn kochte und ihm das von ihr zubereitete Essen brachte. Die belangte Behörde ist dem ebenfalls nicht entgegengetreten.
Die Höhe der bezogenen Pensionen bzw. des Pflegegeldes ergibt sich aus den von keiner Seite bestrittenen diesbezüglichen Unterlagen (Schreiben der Deutschen Rentenversicherung über die Rentenanpassung zum 1.7.2023, Lohnzettel der PVA für 2023). Die Feststellungen zu den geleisteten und wieder rückerstatteten Vorauszahlungen für das Jahr 2023 gründen auf dem Veranlagungsakt und Abgabenkonto von ***Bf***, in welche das Gericht amtswegig Einsicht genommen hat. Der Grad der Behinderung und die Eintragungen im Behindertenpass ergeben sich aus der entsprechenden Mitteilung des Sozialministeriumsservice vom 15.5.2024.
Dass die ergänzende Ernährung mit Fresubin notwendig war, ergibt sich aus der ärztlichen Bestätigung vom 8.11.2024 und ist angesichts der Art und Schwere der Erkrankung auch für das Gericht nachvollziehbar. Dass Fresubin regelmäßig eingenommen wurde, ergibt sich schon aus der Anzahl (35) von einzelnen Rechnungen über den Kauf dieses Produktes. Dass Fresubin als Ergänzung und nicht als gänzlicher Ersatz für normale Nahrungsmittel eingenommen wurde, ergibt sich aus dem Umstand, dass die gekaufte Menge (304 Stück mit einem Brennwert von insgesamt 105.600 kcal) nicht annähernd den gesamten Nahrungsbedarf von ***Bf*** im Jahr 2023 (bei einem täglichen Bedarf von geschätzt 2.100 kcal wären dies 766.500 kcal) zu decken vermochte.
Der für Apothekenwaren ausgegebene Gesamtbetrag und dessen Zusammensetzung ergeben sich aus dem mit der Vorhaltsbeantwortung vom 23.5.2024 übermittelten Belegkonvolut. Daraus ist auch ersichtlich, dass es Rezepte für die vom Finanzamt in der BVE anerkannten Ausgaben gab, aber nicht für die übrigen Ausgaben.
Dass die Beträge, die in der Tabelle auf Seite 3 dieses Erkenntnisses in der Spalte "eingereichte Belege" angeführt sind, tatsächlich für den jeweiligen Zweck ausgegeben und diese Ausgaben in wirtschaftlicher Hinsicht aus dem Einkommen von ***Bf*** getragen wurden, hat die belangte Behörde nie bestritten und erscheint dem Gericht auch glaubhaft.
Dasselbe gilt auch weitgehend für den Zusammenhang dieser Ausgaben mit seiner Behinderung. Ein solcher Zusammenhang wurde von der Behörde aber hinsichtlich der Gleitsichtbrille bestritten und ist auch für das Gericht nicht ersichtlich. Da keinerlei ärztliche Verordnungen oder Bestätigungen zu den übrigen vom Finanzamt nicht anerkannten Apothekenwaren (außer Fresubin) vorgelegt wurden und auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet wurde, konnte das Gericht nur feststellen, dass diesbezüglich kein Zusammenhang mit der Behinderung besteht und deren medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen wurde.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Rechtslage und Vorbemerkungen
Gemäß § 34 EStG 1988 müssen für die steuerliche Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung drei Kriterien erfüllt sein:
"(1) […] Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. […]"
Im Falle einer Behinderung besteht grundsätzlich ein Anspruch auf einen nach dem Grad der Behinderung gestaffelten Freibetrag (§ 35 Abs. 3 EStG 1988). Dieser steht der bf. Partei jedoch gemäß § 35 Abs. 1 EStG 1988 nicht zu, weil ***Bf*** im gegenständlichen Jahr Pflegegeld bezogen hatte. Auf die Höhe des bezogenen Pflegegeldes kommt es dabei nicht an.
Anstelle dieses Freibetrages können gemäß § 34 Abs. 6 letzter Teilstrich EStG 1988 die behinderungsbedingten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt abzogen werden. Diese können jedoch nach dieser Bestimmung nur insoweit geltend gemacht werden, als sie das erhaltene Pflegegeld übersteigen oder in einer Verordnung des Bundesministers für Finanzen ausdrücklich festgelegt wird, dass die Mehraufwendungen ohne Anrechnung auf das Pflegegeld zu berücksichtigen sind.
Die einschlägige Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 303/1996 idgF, in der Folge: VO agB) normiert in § 1 Abs. 3, dass die Mehraufwendungen gemäß den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um das Pflegegeld zu kürzen sind. Die einzige im vorliegenden Fall anwendbare Bestimmung dieser Verordnung ist § 4 VO agB, wonach nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.
Zusammengefasst lässt sich aus der dargestellten Rechtslage ableiten, dass die geltend gemachten Kosten jeweils in eine der folgenden vier Kategorien einzuordnen sind:
a) Außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt (nicht durch die Behinderung bedingt);
b) (behinderungsbedingte) außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt gemäß §§ 2 bis 4 der VO agB, von denen das erhaltene Pflegegeld nicht abzuziehen ist;
c) andere (behinderungsbedingte) außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt, von denen das erhaltene Pflegegeld abzuziehen ist;
d) Kosten, die überhaupt keine außergewöhnliche Belastung darstellen.
4.2. Beurteilung der einzelnen geltend gemachten Kosten
Da die Kosten für die Gleitsichtbrille zwar offenkundig Folge einer Erkrankung sind, aber nach den Feststellungen nicht mit der Behinderung zusammenhängen, liegt insoweit eine außergewöhnliche Belastung vor, welche in die Kategorie a) fällt.
In die Kategorie b) fallen gemäß § 4 VO agB jedenfalls die Kosten der Heilbehandlung, und zwar sowohl die unmittelbaren Kosten (Arzthonorare, Krankenhausaufenthalte, Ausgaben für rezeptpflichtige Medikamente) als auch die mittelbaren Kosten (Taxikosten für Transporte zur Heilbehandlung, vgl. VwGH 23.1.2013, 2009/15/0094). Nach derselben Bestimmung fallen in diese Kategorie auch "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel". Im vorliegenden Fall sind dies die Kosten für das Hörgerät, das - nur kurzfristig angemietete - Pflegebett, eine Orthese sowie die rutschfesten Socken.
Die belangte Behörde hat von den Kosten für die Krankenhausaufenthalte eine Haushaltsersparnis in Höhe von 5,23 € pro Tag abgezogen. Dazu ist festzuhalten, dass es keine gesetzliche Bestimmung gibt, nach welcher ein solcher Abzug in jedem Fall erfolgen muss. Der Abzug einer Haushaltersparnis bei Krankenhausaufenthalten erfolgt grundsätzlich deshalb, weil jeder Mensch Nahrung zu sich nehmen muss und es insoweit an der Außergewöhnlichkeit (§ 34 Abs. 2 EStG 1988) einer Belastung mangelt, als gleichzeitig mit dieser Belastung auch die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Nahrungsmittel reduziert werden. Die Höhe der Haushaltsersparnis ist im Schätzungswege (§ 184 BAO) zu ermitteln. Der konkret von der Behörde herangezogene Wert von 5,23 € pro Tag gründet auf der Sachbezugswerteverordnung und entspricht ⁸⁄₁₀ (dem auf das Essen entfallenden Anteil) des täglichen Wertes der freien Station nach dieser Verordnung. Die Angemessenheit dieses Wertes kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da nach den Feststellungen keine Haushaltsersparnis eingetreten ist, weil ***Bf*** die Nahrung im Krankenhaus nicht vertragen hat und auch während der Krankenhausaufenthalte von seiner Gattin bekocht wurde. Daher ist im vorliegenden Fall überhaupt keine Haushaltsersparnis abzuziehen.
Strittig ist insbesondere, wie die Kosten für Fresubin und die übrigen geltend gemachten Apothekenkosten einzuordnen sind. Bei Fresubin handelt es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern ein Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmittel. Der erhöhte Nahrungsbedarf von ***Bf*** und dessen Deckung mittels Fresubin standen nach der ärztlichen Bestätigung vom 8.11.2024 im Zusammenhang mit seiner Behinderung. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist dieser Fall mit jenem Fall vergleichbar, welcher dem Erkenntnis des VwGH vom 31.5.2017, Ro 2015/13/0023, zugrunde lag. Darin erkannte das Höchstgericht, dass die Kosten einer Bulimie-Patientin für erhöhten Nahrungsbedarf eine außergewöhnliche Belastung darstellen können, "wenn aus Krankheitsgründen - hier wegen ständigen Erbrechens - ein Vielfaches an Nahrungsmitteln konsumiert werden muss, um dem Körper denselben lebensnotwendigen Nährwert zuzuführen". Dies trifft auch auf den vorliegenden Fall zu. Daher stellen die Ausgaben für Fresubin im vorliegenden Fall eine außergewöhnliche Belastung dar.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Ausgaben in die Kategorie b) oder c) einzuordnen sind und somit das Pflegegeld darauf anzurechnen ist oder nicht. Wie zuvor in Abschnitt 4.1. dieses Erkenntnisses dargestellt wurde, hat eine Anrechnung des Pflegegeldes immer zu erfolgen, sofern keine Ausnahme von diesem Grundsatz in der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen enthalten ist. § 4 VO agB sieht eine solche Ausnahme für "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung" vor.
Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmittel können nach Ansicht des Gerichts jedoch keine "Kosten der Heilbehandlung" darstellen, zumal der VwGH auch in seinem Erkenntnis vom 31.5.2017, Ro 2015/13/0023 (Bulimie-Fall) ausgeführt hat, dass es sich bei der erhöhten Nahrungsmittelzufuhr in jenem Fall nicht um Maßnahmen zur Heilung oder Linderung einer Erkrankung handelte. In seinem Erkenntnis vom 22.2.2023, Ro 2021/15/0005, hält der VwGH ferner fest, das nicht sämtliche Aufwendungen, die einer Verbesserung der Krankheit oder Behinderung dienen könnten bzw. einen positiven therapeutischen Zweck haben, eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 VO agB darstellen, sondern vielmehr nur solche, die mit ärztlich verordneten Maßnahmen oder institutionellen Betreuungsformen in unmittelbarem Zusammenhang standen. Eine ärztliche Verordnung von Fresubin ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt, sondern nur eine (nachträgliche) Bestätigung der Notwendigkeit von dessen Einnahme. Eine Subsumtion der Aufwendungen von Fresubin unter das alternative Tatbestandsmerkmal "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" ist hingegen schon deshalb nicht möglich, weil die Aufwendungen für Fresubin regelmäßig anfielen. Ob es überhaupt ein "Hilfsmittel" darstellt, kann somit dahingestellt bleiben. Es bleibt somit nur eine Einordnung in die Kategorie c) möglich.
Auch die geltend gemachten Kosten für Inkontinenz-Pflegebedarfsartikel sind notwendigerweise "regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" und daher in die Kategorie c) einzuordnen.
Da die medizinische Notwendigkeit der Apothekenwaren mit Ausnahme von Fresubin und den rezeptpflichtigen Medikamenten nicht nachgewiesen wurde, stellen diese nach Ansicht des Gerichts mangels Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 3 EStG 1988) überhaupt keine außergewöhnliche Belastung dar und sind somit in die Kategorie d) einzuordnen.
4.3. Zusammenfassende Darstellung
Zusammengefasst beurteilt das Gericht die geltend gemachten Aufwendungen wie folgt:
a) Die außergewöhnlichen Belastungen mit Selbstbehalt in Höhe von 900,00 € sind geringer als der anzuwendende Selbstbehalt in Höhe von 2.419,76 € und wirken sich daher nicht auf die Einkommensteuer aus.
b) Außergewöhnliche Belastungen im Ausmaß von 5.305,41 € werden ohne Abzug eines Selbstbehaltes und ohne Anrechnung des Pflegegeldes berücksichtigt.
c) Diese außergewöhnlichen Belastungen von 1.391,49 € sind gemäß § 34 Abs. 6 letzter Teilstrich EStG 1988 um das erhaltene Pflegegeld zu kürzen. Da sie geringer als das erhaltene Pflegegeld sind, wirken sie sich nicht auf die Einkommensteuer aus.
d) Diese Aufwendungen in Höhe von 678,10 € stellen überhaupt keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 dar und werden daher nicht berücksichtigt.
[...]
4.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall waren zunächst im Wege der freien Beweiswürdigung Tatfragen zu beurteilen, die einer Revision nicht zugänglich sind. In der rechtlichen Beurteilung weicht das Erkenntnis nicht von der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am 14. April 2025