Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch V, über die Beschwerde vom 14.07.2020 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom 07.11.2019, Abgabenkontonummer a, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH im Ausmaß von 239.052,27 Euro zu Recht erkannt:
Der Vorlageantrag vom 09.07.2024 wird gemäß § 278 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Über die mit dem Gesellschaftsvertrag vom D1 errichtete X.GmbH wurde mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D2, ein Ausgleichsverfahren eröffnet. Dieses wurde mit dem Beschluss des Gerichtes vom D3 nach rechtskräftiger Bestätigung des angenommenen des Ausgleichs aufgehoben.
Mit dem Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D4, wurde über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet, das nach Schlussverteilung mit dem Beschluss des Gerichtes vom D5 aufgehoben wurde.
Die X.GmbH wurde am D5 gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.
Mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom 07.11.2019 zog das Finanzamt Wien 4/5/10 (nunmehr Finanzamt Österreich) ***Bf1*** gemäß § 9 BAO zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.GmbH in der Höhe von insgesamt 239.052,27 Euro heran.
Im Schriftsatz vom 04.12.2019 stellte der Vertreter des Bf., V1, den Antrag auf Mitteilung der der Haftung zugrunde liegenden Abgabenansprüche. Der Vertreter des Bf. verwies in diesem Zusammenhang auf die Hemmung der Beschwerdefrist (§ 248 in Verbindung mit § 245 Abs. 2 BAO), stellte aber auch vorsorglich den Antrag, die Beschwerdefrist bis 14.02.2020 zu verlängern.In der Folge beantragte der Vertreter des Bf. mehrmals, die Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu verlängern (Eingaben vom 12.02.2020, 08.04.2020, 30.06.2020) und wies jeweils darauf hin, dass seine Anträge vom 04.12.2019 unerledigt seien.
Nachdem das Finanzamt das Ansuchen um Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom 30.06.2020 mit dem Bescheid vom 07.07.2020 abgewiesen hatte, brachte der Vertreter des Bf. in dem mit 14.07.2020 datierten Schriftsatz das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid mit der Begründung ein, er könne diesen nicht nachvollziehen und halte ihn für rechtswidrig. Eine ausführliche Begründung werde er nachreichen, sobald seine Anträge vom 04.12.2019 erledigt worden seien.
Im Schriftsatz vom 16.07.2020 ergänzte der Vertreter des Bf. den Schriftsatz vom 14.07.2020. Mit dem Bescheid vom 11.03.2021 wies das Finanzamt die Ergänzung des Schriftsatzes vom 16.07.2020 mit der Begründung zurück, sie sei nicht fristgerecht eingebracht worden. Dieser Bescheid wurde vom Bundesfinanzgericht mit dem Erkenntnis vom 22.05.2025, RV/7100220/2025, aufgehoben.
In den Schriftsätzen vom 16.11.2020 und vom 22.12.2020 erstattete der Vertreter des Bf. weiteres Vorbringen.
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 15.05.2024 wies das Finanzamt die Beschwerde gemäß § 260 BAO mit der Begründung zurück, diese sei nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht worden. Aufgrund mehrerer Fristverlängerungsanträge habe die Frist zur Einbringung einer Beschwerde nach der Erlassung des Abweisungsbescheides vom 07.07.2020 Iaut Zustellnachweisam 10.07.2024 geeendet; die Beschwerde vom 14.07.2024 sei daher nachweislich verspätet eingebracht worden.
Daraufhin stellte V2 im Schriftsatz vom 09.07.2024 den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ("Ich stelle für meinen Mandanten aufgrund der abweisenden BVE vom 15.05.2024 in offener (bis 18.07.2024 verlängerter) Frist den Vorlageantrag"). Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit dem Beschluss vom 19.03.2025 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 83 Abs. 1 in Verbindung mit § 85 Abs. 2 BAO aufgetragen, die dem steuerlichen Vertreter V2 erteilte Vollmacht vorzulegen. Dem Mängelbehebungsauftrag werde auch entsprochen, wenn sich der steuerliche Vertreter V2 auf die ihm erteilte Vollmacht berufe. Begründend wurde ausgeführt, der einschreitende Steuerberater V2 habe weder eine Vollmachtsurkunde vorgelegt noch habe er sich ausdrücklich auf die ihm erteilte Vollmacht berufen. Die Formulierung "Ich stelle für meinen Mandanten den Vorlageantrag" stelle keine Berufung auf eine erteilte Vollmacht dar, weshalb ein Mängelbehebungsauftrag zu ergehen habe. Die Behebung des Mangels wurde innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zustellung des Beschlusses aufgetragen.
Im Schriftsatz vom 14.04.2025 gab V2 bekannt, er berufe sich in offener Frist auf die von seinem Mandanten erteilte Vollmacht. Die Mängelbehebung weist keine Unterschrift auf.
Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Schreitet ein steuerlicher Vertreter ein, der nicht durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist bzw. beruft sich der steuerliche Vertreter nicht auf die ihm vom Vertretenen erteilte Bevollmächtigung, gilt § 85 Abs. 2 BAO sinngemäß.
Liegen die Voraussetzungen des § 85 Abs 2 BAO vor, ist (auch) das Bundesfinanzgericht verpflichtet, einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag zur Mängelbeseitigung gemäß § 85 Abs 2 BAO ist nicht in das Ermessen der Behörde gestellt (z.B. VwGH 19.12.2013, 2011/15/0183).
Formgebrechen sind solche Gestaltungen, die gesetzlich normierten Vorschriften widersprechen, wenn diese Vorschriften die formelle Behandlung eines Anbringens sicherstellen oder die Erledigung für die Behörde erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen sollen. Das Gesetz nennt beispielhaft das Fehlen einer Unterschrift als Formgebrechen (VwGH 28.06.2001, 2001/16/0178).Der Mängelbehebung haftet daher wegen des Fehlens einer Unterschrift ein Formgebrechen an. Wird aber einem berechtigten Auftrag zur Mängelbehebung nicht oder nicht zeitgerecht entsprochen, gilt die Beschwerde kraft Gesetzes als zurückgenommen.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt die Erklärung der Zurücknahme der Beschwerde gemäß § 278 Abs 1 lit. b BAO mit Beschluss. Der Eintritt dieser Folge wird nicht durch den auf diese Rechtstatsache bezugnehmenden Beschluss begründet, sondern festgestellt, und kann somit auch durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebungen nicht mehr beseitigt werden (VwGH 06.07.2006, 2006/15/0157 ).Eine weitere Mängelbehebung zur Nachholung der fehlenden Unterschrift ist daher nicht möglich.
Der vom nicht ausgewiesenen steuerlichen Vertreter V2 eingebrachte Vorlageantrag vom 09.07.2024 war daher als zurückgenommen zu erklären.
Gemäß § 274 Abs 1 Z 1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn dies beantragt wird. Gemäß § 274 Abs 3 BAO kann ungeachtet eines Antrages von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Beschwerde als zurückgenommen (§ 85 Abs 2 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3 und § 261 BAO) zu erklären ist. Da lediglich eine Formalentscheidung zu treffen war, und darüberhinaus dem (nicht ausgewiesenen) Vertreter des Bf. am 29.04.2025 mitgeteilt wurde, dass die Beschwerde als zurückgenommen zu erklären ist, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus Gründen der Zweckmäßigkeit unterbleiben.
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Rechtsfolge der Zurücknahmeerklärung des Beschwerdeverfahrens im Falle einer Nichtbeantwortung eines zu Recht ergangenen Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, liegt im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am 2. Juni 2025
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