JudikaturBFG

RV/7103134/2023 – BFG Entscheidung

Entscheidung
18. September 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Lisa Pucher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf Adr***, vertreten durch Mag. Harald Robert Heinzl, Mexikoplatz 24/6, 1020 Wien, über die Beschwerde vom 28. Februar 2023 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 11. November 2022 betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab April 2021 für das Kind ***Kind2***, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der steuerliche Vertreter von ***Bf*** (Mag. Harald Robert Heinzl) brachte am 15.07.2022 für den am ***GebDatum*** geborenen Sohn ***Kind2*** einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend ab 01.04.2021 ein. Der Sohn war im März 2021 volljährig geworden und das Finanzamt hatte die Auszahlung der Familienbeihilfe an den Bf ab April 2021 eingestellt.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 11.11.2022 unter Verweis auf § 5 Abs 3 FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass ***Kind2*** sich nicht ständig in Österreich aufhalte - er befinde sich ständig zu Schulzwecken in einem Drittland (Vereinigtes Königreich) - die Familienbeihilfe stehe daher nicht zu.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Begründend wurde wie folgt ausgeführt: Es werde beantragt, die Familienbeihilfe für ***Kind2*** von April 2021 bis April 2023 zu gewähren. Es stimme, dass im Zeitraum vom 17.06.2008 bis 06.07.2017 eine ZMR-Meldung von ***Kind2*** in Österreich vorgelegen sei und danach nicht mehr. Es könne aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollzogen werden, weshalb es zur Abmeldung von ***Kind2*** im ZMR gekommen sei. Eine ZMR-Meldung sei aber ohnedies nur ein Indiz für das Vorliegen eines Wohnsitzes. Trotz erfolgter Abmeldung habe im Zeitraum vom 06.07.2017 bis heute ein abgeleiteter Wohnsitz beim Vater vorgelegen. Nach Ritz (BAO-Kommentar § 26 Rz 12) hätten volljährige Kinder, die keine eigene Wohnung haben und bei ihren Eltern leben, dort einen sogenannten abgeleiteten Wohnsitz.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 25.04.2023 mit folgender Begründung ab: Anspruchsvoraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe sei der laufende Inlandsaufenthalt des anspruchsvermittelnden Kindes. Im gegenständlichen Fall habe sich ***Kind2*** (unstrittig) dauerhaft zu Schulzwecken in Großbritannien befunden. Der Schulbesuch in Großbritannien stelle einen ständigen Aufenthalt im Ausland dar. Bei der Beurteilung des ständigen Aufenthaltes seien objektive Kriterien maßgeblich, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen seien. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen würden, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liege jedenfalls vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt.

Am 25.05.2023 wurde ein Vorlageantrag gestellt. Nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 habe Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, habe dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist. Der Bf trage die überwiegenden Unterhaltskosten für ***Kind2***, es sei auch keine andere Person für die Familienbeihilfe in Bezug auf ***Kind2*** anspruchsberechtigt. Auf die Ausführungen in der Beschwerde werde verwiesen. Der Bf beantrage überdies die Entscheidung durch den gesamten Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 BAO.

Am 20.09.2023 wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Erläuternd führte die belangte Behörde aus: Mit Vorhalt vom 09.06.2023 sei der Bf aufgefordert worden, eine Aufstellung der monatlichen Lebenshaltungskosten von ***Kind2*** sowie Nachweise über die Kostentragung ab April 2021 bis laufend vorzulegen. Weiters sei das Abschlusszeugnis bzw die Abmeldung von der ***M Academy*** sowie ein Tätigkeitsnachweis von ***Kind2*** für den Zeitraum zwischen Abschluss der Ausbildung an der ***M Academy*** und Beginn am ***T College*** in ***E*** abverlangt worden. Der Vorhalt sei trotz Fristverlängerung unbeantwortet geblieben. Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab April 2021 liege kein Tätigkeitsnachweis für ***Kind2*** vor. Ferner könne anhand der bisher vorgelegten (teils unleserlichen) Belege sowie mangels Vorlage einer Aufstellung der Lebenserhaltungskosten von ***Kind2*** keine überwiegende Kostentragung durch den Bf festgestellt werden. Der Familienbeihilfenanspruch scheide daher schon deshalb aus. Erst ab dem Jahr 2022 (Spring Term) sei die Einschreibung am ***T College*** nachgewiesen worden. Diesbezüglich sei jedoch festgehalten, dass die Gleichstellung des Vereinigten Königreichs mit Mitgliedstaaten der EU mit 31.12.2020 endete und daher § 5 Abs 3 FLAG 1967 zur Anwendung gelange. Demnach sei der Familienbeihilfenanspruch ausgeschlossen, wenn sich das potenziell anspruchsvermittelnde Kind ständig im Ausland (Drittland) aufhält. Auf den Wohnsitz und ständigen Aufenthalt der Eltern bzw der (vermeintlich) anspruchsberechtigten Person komme es daher ebensowenig an, wie auf die Staatsbürgerschaft, deren Berufsausübung in Österreich, den Mittelpunkt der Lebensinteressen, die Tragung der Kosten des Lebensunterhaltes oder die Argumentation, dass der Auslandsaufenthalt nur zu Ausbildungszwecken erfolgt. Folglich scheide der Familienbeihilfenanspruch für den Zeitraum ab der Ausbildung von ***Kind2*** am ***T College*** auch gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 aus.

Am 02.06.2025 fand am Bundesfinanzgericht in Bezug auf die hier gegenständliche Beschwerdesache, aber auch in Bezug auf den Fall RV/7100500/2025 (betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum September 2019 bis April 2023 für das Kind des Bf ***Kind1***) in Anwesenheit des Bf sowie seines steuerlichen Vertreters (Mag. Harald Robert Heinzl) ein Erörterungstermin statt. Die beschwerdeführende Partei übergab verschiedene Schriftstücke (Aufstellung über Nettoeinkünfte vom Bf, Stellungnahme vom 28.05.2025 zu den in der Ladung angesprochenen Beweisthemen, Kontoauszug, Unterlage zum Nachweis eines Darlehens bei der BAWAG, Email von ***Kind3***, Staatsbürgerschaftsnachweise der Kinder, Geburtsurkunden der Kinder). Zumal der Bf behauptete, die Unterhaltskosten für ***Kind2*** und ***Kind1*** überwiegend zu tragen und dass diese auch in den Ferien immer wieder bei ihm in Österreich aufhältig seien, ging die erkennende Richterin davon aus, dass der Bf in der Lage ist, ad hoc (oder auch nach Rücksprache mit seinen Kindern im Vorfeld zum Erörterungstermin) Angaben zu den hier entscheidenden - die persönliche Sphäre seiner eigenen Kinder betreffenden - Beweisthemen machen kann, weshalb die Abhaltung eines Erörterungstermines, bei dem sowohl der Bf selbst als auch sein steuerlicher Vertreter anwesend sein sollten, opportun erschien. Zu den offenen Sachverhaltsfragen wurde der Bf im Vorfeld zum Erörterungstermin bereits mit der Ladung vom 25.04.2025 detailliert informiert, um dem Bf eine angemessene Vorbereitung zu ermöglichen.

Mit Eingabe vom 07.07.2025 zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat zurück und reichte diverse Unterlagen nach (Emails von ***Kind3***, im Vereinigten Königreich lebender Bruder von ***Kind2***, in denen er vorab von Mag. Harald Robert Heinzl formulierte Fragen beantwortet, etwa dazu, wie der Unterhalt für ***Kind1*** und ***Kind2*** bestritten wird; Bestätigung/***M Academy***, datiert mit 26.02.2021 ["This certificate is awarded to ***Kind2*** For 100% attendance in for the month of February 2021]; Bestätigung einer Einrichtung namens OCR, datiert mit 11. November 2021 ["This is to certify that ***Kind2*** has been awarded the Units listed below in the context of OCR Level 1 NVQ in Health and Social Care"]).

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

***Kind2***, geboren am ***GebDatum***, eines der fünf leiblichen Kinder des in Österreich wohnhaften und lebenden Bf, verweilt seit dem Jahr 2009 ununterbrochen (vom teilweisen Verbringen von Ferientagen beim Kindesvater in Österreich abgesehen) im Vereinigten Königreich. Ab September 2014 hatte ***Kind2*** eine Bildungseinrichtung (Schule) namens ***M Academy*** in ***E*** besucht (Anmerkung: Es handelt sich nach einer Internetrecherche hierbei grundsätzlich um eine Schule der Sekundarstufe, secondary school, auch genannt high school, die in Großbritannien die Schulstufen 7 bis 11 umfasst; die Schüler sind typischerweise 11-16 Jahre alt, sie wird mit dem GCSE = General Certificate of Secondary Education abgeschlossen, danach können Schüler eine weiterführende Schulausbildung absolvieren, zB an einem "sixth form" College wie dem ***T College***, siehe unten, das zwei Jahre dauert und mit den A-Levels endet). Im Februar 2021 hat ***Kind2*** diese Bildungseinrichtung noch besucht. Im März 2021 ist ***Kind2*** 18 Jahre alt geworden. Im Jänner 2022 (also mit dem Spring Term) hat ***Kind2*** ein zwei Jahre dauerndes Ausbildungsprogramm am ***T College***, ***E*** ("sixth form") begonnen.

2. Beweiswürdigung

Dass ***Kind2*** eines der fünf leiblichen Kinder des Bf ist und seit dem Jahr 2009 ununterbrochen (vom teilweisen Verbringen von Ferientagen beim Kindesvater in Österreich abgesehen) im Vereinigten Königreich verweilt, ergibt sich aus dem Parteienvorbringen, welches seitens der belangten Behörde unbestritten geblieben ist.

Die Feststellung, wonach ***Kind2*** im Jänner 2022 das zwei Jahre dauernde Ausbildungsprogramm am ***T College*** begonnen hat, gründet sich auf die im Akt aufliegende Bestätigung eben dieser Einrichtung, wonach ***Kind2*** ab dem Spring Term 2022 die Kurse GCE A2 Level Biology, GCE A2 Level Chemistry, GCE A2 Level Physics, Tutorial U6 und Supplementary Biology A2 belegt bzw besucht hat, datiert mit 10.06.2022. Das Spring Term beginnt im Vereinigten Königreich typischerweise Anfang Jänner.

Dass ***Kind2*** ab September 2014 die Bildungseinrichtung ***M Academy*** besuchte, wurde aus einer aktenkundigen Bestätigung dieser Einrichtung vom 15.10.2015 geschlossen. Dass ***Kind2*** diese Schule/Bildungseinrichtung im Februar 2021 noch besucht hat, ergibt sich aus der mit dem Schreiben vom 07.07.2025 übermittelten Bestätigung vom 26.02.2021.

Ob und gegebenenfalls welche Ausbildungsmaßnahmen ***Kind2*** in den Monaten April bis Dezember 2021 verfolgt hat, war nicht feststellbar. Keine Feststellung konnte auch dazu getroffen werden, wann ***Kind2*** seine Ausbildung an der ***M Academy*** abgeschlossen hat. Die letzte aktenkundige Bestätigung der ***M Academy*** betrifft das Monat Februar 2021; im Lichte dessen wurde der Bf im Verfahren mehrfach aufgefordert, weitere Angaben zu den von ***Kind2*** im Zeitraum April bis Dezember 2021 verfolgten Tätigkeiten bzw Ausbildungsmaßnahmen zu machen (dies schon in einem unbeantwortet gebliebenen Ergänzungsersuchen vom 09.06.2023, aber auch später in der Ladung zum Erörterungstermin sowie im Erörterungstermin selbst, wo dem Bf letztendlich auch noch vom BFG die Gelegenheit dazu eingeräumt wurde, sein Vorbringen diesbezüglich innerhalb von fünf Wochen noch zu ergänzen). Gleichsam wurde seitens des BFG und auch schon von der belangten Behörde immer wieder um Vorlage eines Abschlusszeugnisses ersucht; daraus wäre der maßgebliche Tag der Ablegung der letzten Prüfung ableitbar gewesen oder (falls nicht) wäre die Frage unter Einbindung von ***Kind2*** sicher schnell beantwortbar gewesen; wann man selbst bestimmte Ausbildungen beendet bzw bestimmte Abschlussprüfungen absolviert hat, merkt man sich üblicherweise, insbesondere, wenn dies erst wenige Jahre her ist. Das Ausstellen von Abschlusszeugnissen durch Bildungseinrichtungen ist völlig gängig und jeder Ausbildungsmaßnahme inhärent, zumal Nachweise über absolvierte Ausbildungen nicht nur in gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt über Familienleistungen, sondern vor allem im weiteren Lebensweg (bei der Bewerbung für Universitäten oder schließlich am Arbeitsmarkt) als unabdingbar betrachtet werden müssen. Angesichts dessen kann das Ansinnen des BFG, das Abschlusszeugnis von ***Kind2*** sehen zu wollen, nicht als unzumutbar betrachtet werden; eine (mittlerweile 22-jährige und damit volljährige) Person, die ein Studium an einem College im Vereinigten Königreich betreibt bzw betrieben hat, wird in der Regel leicht in der Lage sein, ein Abschlusszeugnis aufzufinden (oder zumindest von der Bildungseinrichtung ein Duplikat ausstellen zu lassen) und sodann in Kopie wem auch immer zu übermitteln, wenn sie denn über ein solches verfügt. Dies ist bis heute nicht geschehen. Man hat es stattdessen dabei bewenden lassen, die Behauptung aufzustellen, ***Kind2*** wäre an der ***M Academy*** gewesen, das hätte ca 6 Jahre gedauert, er habe es abgeschlossen, wann, wisse der Bf (als Kindesvater) allerdings nicht genau, hierzu müssten die Kinder eingebunden werden, was allerdings dann offensichtlich nicht erfolgt ist. Aber auch zu anderen, möglicherweise im Zeitraum April bis Dezember 2021 verfolgten Ausbildungsmaßnahmen sind taugliche Nachweise nicht vorgelegt worden; im am 07.07.2025 nachgereichten Schreiben von Mag. Heinzl wird nur allgemein festgehalten, man habe nun die Information erhalten, dass ***Kind2*** zwischen "März und Dezember 2021" eine Berufsausbildung im Gesundheits- und Sozialwesen "besucht" habe (Anmerkung: Diese Information stammt aus einem Email von ***Kind3***, datiert mit 16.06.2025; weshalb sich nicht ***Kind2*** selbst, sondern nur sein älterer Bruder zu der Thematik sachdienlich äußert und damit den Beweisnotstand seines Vaters, der im Übrigen behauptet, den Lebensunterhalt seiner Kinder überwiegend zu finanzieren, beseitigt, ist nicht nachvollziehbar); die vorgelegte Bestätigung einer Einrichtung namens OCR dazu, die am 11.11.2021 ausgestellt worden ist, lässt keinerlei Rückschlüsse darüber zu, in welchen Monaten (dh von wann bis wann) die betreffende Ausbildung absolviert wurde (theoretisch könnte dies wann auch immer, dh auch außerhalb des Jahres 2021 gewesen sein; klar erscheint nur, dass sie am 11.11.2021 bereits absolviert war; der Bf ist im Verfahren darüber belehrt worden, dass es sich bei der Familienbeihilfe um einen monatsbezogenen Anspruch handelt und daher auch überprüfbar sein muss, in welchem Zeitraum genau die Ausbildung absolviert worden sein soll, siehe (§ 10 Abs 2 FLAG 1967). Das heißt dadurch wird vom durch einen Steuerberater vertretenen Bf wiederum kein zweckdienlicher Beitrag zur Aufklärung der Sachlage geleistet, anstatt sich bewusst verfahrensfördernd einzubringen und sogleich proaktiv das Gesamtbild aufzuzeigen (Ausführungen zu Beginn und Ende der betreffenden Ausbildungsmaßnahme, nähere Ausführungen zum in Aussicht genommenen Berufsbild und zu den diesbezüglich ins Auge gefassten beruflichen Plänen von ***Kind2***, Erklärungen zum zeitlichen Ausmaß der allenfalls verfolgten Ausbildungsmaßnahme, Ausführungen dazu, ob die Ausbildung während des Zeitraumes, in der sie verfolgt wurde, die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen hat). Dies erscheint insgesamt unkooperativ und der Bf verletzte dadurch aus Sicht des BFG seine Mitwirkungspflicht (siehe dazu näher unten unter Punkt II.3.1). Fragwürdig erscheint auch, warum man sich zu dieser Frage nicht bereits für Zwecke des Erörterungstermin - gegebenenfalls nach vorheriger Rücksprache mit den Kindern - vorbereitet hat. Die später nur sehr vage ins Treffen geführte Ausbildungsmaßnahme im Gesundheits- und Sozialwesen von März bis Dezember 2021 fand im Erörterungstermin - trotz konkreter Befragung des Bf zu diesem Beweisthema (Tätigkeit von ***Kind2*** in den Monaten April bis Dezember 2021) - keinerlei Erwähnung; erst nachdem im Erörterungstermin (von der Vertreterin der belangten Behörde) konkret Zweifel geäußert werden, ob der Schutz des Brexit-Abkommens für die Ausbildung am ***T College*** ab Jänner 2022 weiter greift, wenn ***Kind2*** von April bis Dezember 2021 nicht im Sinne des FLAG ernsthaft und zielstrebig einer Berufsausbildung nachgegangen ist, ergänzt man das Sachverhaltsvorbringen diesbezüglich, während der Bf im Erörterungstermin noch festgehalten hatte, seines Wissens habe es einen Zeitraum vor Beginn des Studiums am ***T College*** gegeben, wo ***Kind2*** "nichts" gemacht hat. Vor dem Hintergrund all dieser Umstände konnte weder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, wann ***Kind2*** seine Ausbildung an der ***M Academy*** abgeschlossen hat, noch darauf, dass er im Zeitraum April bis Dezember 2021 Ausbildungsmaßnahmen gesetzt hat, bei denen in weiterer Folge eine Würdigung vorzunehmen gewesen wäre, ob diese den Anforderungen an eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung genügten oder ob Ausbildungsmaßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt (im Sinne des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967) begonnen wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Vorauszuschicken ist folgendes:

Im Abgabenverfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz, demzufolge die materielle Wahrheit zu erforschen ist. Ungeachtet der in § 115 Abs 1 erster Satz BAO umschriebenen amtswegigen Ermittlungspflicht haben auch die Abgabepflichtigen (aber selbstverständlich auch Antragsteller in antragsgebundenen Verfahren wie dem hier betroffenen) an der Wahrheitsfindung und Sachaufklärung mitzuwirken; ohne eine solche Mitwirkung wäre die Erforschung der materiellen Wahrheit vielfach nicht möglich oder mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht unter anderem wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (zB VwGH 28.05.2002, 97/14/0053, VwGH 09.09.2004, 99/15/0250, VwGH 13.09.2006, 2002/13/0091, VwGH 25.06.2007, 2004/17/0105), die nur der Abgabepflichtige bzw der Antragsteller aufklären kann, oder wenn Behauptungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens im Widerspruch stehen (VwGH 22.01.1992, 90/13/0200, VwGH 07.06.2001, 95/15/0049, VwGH 30.09.2004, 2004/16/0061), vor allem aber auch, wenn Sachverhaltselemente - wie hier - ihre Wurzeln im Ausland haben (VwGH 23.02.1994, 92/15/0159, VwGH 26.07.2000, 95/14/0145), zumal die behördlichen Ermittlungsmöglichkeiten im Ausland eingeschränkt sind. Die erhöhte Mitwirkungspflicht hat beispielsweise zur Folge, dass es am Abgabepflichtigen bzw Antragsteller liegt, Vorsorge zu treffen, dass für das Abgabenverfahren erforderliche Urkunden und Dokumente verfügbar sind sowie alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind. Auch wenn die Partei die sie treffende erhöhte Mitwirkungspflicht verletzt, hat die Behörde den maßgebenden Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ( § 167 BAO) festzustellen (vgl VwGH 23.02.1994, 92/15/0159). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht hat aber beispielsweise zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung hinausgehende Maß hin zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf (vgl § 115 Abs 1 letzter Satz BAO in Verbindung mit 1660 BlgNR XXV. GP, 24 f unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VwGH). Allgemein trifft den Abgabepflichtigen bzw den Antragsteller eine Offenlegungspflicht, dh die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind nach Maßgabe der Abgabenvorschriften vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. "Offenlegen" bedeutet, der Abgabenbehörde ein richtiges, umfassendes und klares Bild von den für die Entscheidung maßgebenden Umständen zu verschaffen (VwGH 15.12.1983, 82/15/0166). Auf Verlangen der Abgabenbehörde ist der Inhalt von Anbringen in Erfüllung der Offenlegungspflicht zur Beseitigung von Zweifeln zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung ( § 138 Abs 1 BAO). § 138 Abs 1 BAO betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabepflichtigen bzw des Antragstellers aufklärbar sind, also Umstände, denen der Abgabepflichtige bzw der Antragsteller hinsichtlich der Beweisführung nähersteht als die Abgabenbehörde (zB VwGH 24.02.2004, 99/14/0247). Es handelt sich um Tatsachen, bei deren Beweisbarkeit vorsorglich gewirkt werden kann (VwGH 12.06.1990, 89/14/0173). Beweisen heißt, ein behördliches Urteil über die Gewissheit des Vorliegens einer entscheidungswesentlichen Tatsache herbeiführen (VwGH 13.11.1986, 85/16/0109). Die Glaubhaftmachung hat den Nachweis der Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand (zB VwGH 30.04.2003, 98/13/0119, VwGH 28.05.2008, 2006/15/0125) und unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (VwGH 25.03.1992, 90/13/0295, VwGH 27.05.1998, 97/13/0051, VwGH 28.05.2008, 2006/15/0125). Ein Sachverhalt ist glaubhaft gemacht, wenn die Umstände des Einzelfalles dafürsprechen, der vermutete Sachverhalt habe von allen anderen denkbaren Möglichkeiten die größte Wahrscheinlichkeit für sich (VwGH 14.09.1988, 86/13/0150). Die Glaubhaftmachung setzt die schlüssige Behauptung der maßgeblichen Umstände durch den Abgabepflichtigen bzw den Antragsteller voraus (VwGH 26.04.1989, 89/14/0027).

Der unter Bedachtnahme auf die soeben dargestellten Grundsätze festgestellte Sachverhalt wird wie folgt gewürdigt:

Als Zeiten der Berufsausbildung können nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für einen Beruf auch tatsächlich erfolgt ist. Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Abgabenbehörde bzw das BFG in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl VwGH 18.11.2008, 2007/15/0050, VwGH 21.01.2004, 2003/13/0157). Dass ***Kind2*** in den Monaten April bis Dezember 2021 (er war damals nicht mehr minderjährig) einer Ausbildung nachgegangen ist, konnte nicht als erwiesen angenommen werden (siehe dazu Punkt II.2). Ein Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ("für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. […]") besteht daher in diesen Monaten nicht.

Auch ein auf § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 in der hier maßgeblichen Fassung (BGBl Nr 376/1967 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 28/2020) gestützter Familienbeihilfenanspruch ("für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss ,der' Schulausbildung begonnen wird; […]") war bei der hier gegebenen Sachlage nicht weiter in Betracht zu ziehen. Es konnte nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, wann ***Kind2*** die Schulausbildung an der ***M Academy*** abgeschlossen hat; auch wann und ob ***Kind2*** (im Zeitraum April bis Dezember 2021) mit einer weiteren Berufsausbildung begonnen hat, war - mangels entsprechender Mitwirkung des Bf - nicht feststellbar; dementsprechend ist aber auch im Dunkeln geblieben, weshalb ***Kind2*** sein Ausbildungsprogramm am ***T College*** nicht bereits im Herbst 2021, sondern erst im Jänner 2022 angetreten ist; es ist kein Grund ersichtlich, warum dies nicht möglich gewesen sein soll, bei ***Kind1*** (der Schwester von ***Kind2***) lag der Ausbildungsbeginn am ***T College*** beispielsweise bereits im September 2018 (Autumn und nicht Spring Term). Ob die Ausbildung an der ***M Academy*** unter den Begriff "Schulausbildung" im Sinne des § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 einzuordnen ist, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben.

Ab Jänner 2022 hat ***Kind2*** das ***T College*** besucht. Selbst wenn in dieser Ausbildung am ***T College*** unzweifelhaft eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 zu sehen wäre, die von ***Kind2*** ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, steht einem Familienbeihilfenanspruch des Antragstellers für die Monate ab Jänner 2022 nunmehr § 5 Abs 3 FLAG 1967 entgegen. Gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs 2 BAO zu beurteilen (vgl etwa VwGH 24.06.2010, 2009/16/0133 mwN sowie Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 5 Rn 9). In Anbetracht der dafür maßgeblichen Kriterien ist davon auszugehen, dass ***Kind2*** im beschwerdegegenständlichen Zeitraum seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 26 Abs 2 BAO im Vereinigten Königreich hatte. § 5 Abs 3 FLAG 1967 kommt für ständig im Europäischen Wirtschaftsraum aufhältige Kinder nicht zum Tragen (siehe § 53 Abs 1 Satz 2 FLAG 1967: "Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten."; vgl auch Art 67 Satz 1 der VO 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit: "Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden."). Das Vereinigte Königreich gilt allerdings seit dem Austritt aus der EU als Drittstaat.

An diesem Ergebnis ändert auch das Brexit-Abkommen nichts: Art 32 Abs 1 lit d des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (2019/C 384 I/01, "Brexit-Abkommen") regelt: "Die Vorschriften der Artikel 67, 68 und 69 der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 finden, solange die Voraussetzungen erfüllt sind, auf die Gewährung von Familienleistungen, auf die am Ende des Übergangszeitraums Anspruch besteht, für die folgenden Personen weiter Anwendung: i) Unionsbürger […]". Österreich ist demnach abkommensrechtlich verpflichtet, ab Ende des Übergangszeitraumes (= gemäß Art 126 Brexit-Abkommen der 31.12.2020) die Vorschriften der Artikel 67, 68 und 69 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 (im Verhältnis zum Vereinigten Königreich) "weiter" anzuwenden bzw § 5 Abs 3 FLAG 1967 unangewendet zu lassen, dies jedoch nur "solange die Voraussetzungen erfüllt sind". Die Anspruchsvoraussetzungen für den Familienbeihilfenbezug waren in den Monaten April bis Dezember 2021 als nicht gegeben anzunehmen. Die Verpflichtung Österreichs, die Vorschriften der Artikel 67, 68 und 69 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 (im Verhältnis zum Vereinigten Königreich) "weiter" anzuwenden bzw § 5 Abs 3 FLAG 1967 nicht anzuwenden, ist somit nach dem klaren Wortlaut des Brexit-Abkommens erloschen (so auch bereits BFG 15.10.2021, RV/710900/2021: "Bestand zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch der Bf auf Familienleistungen, sind diese auch ab 1.1.2021 der Bf trotz des Austritts des Vereinigten Königreichs zu gewähren, solange dieser Anspruch nicht auf Grund Wegfalls [anderer] Anspruchsvoraussetzungen erlischt.").

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Bf in den streitgegenständlichen Monaten die Unterhaltskosten für ***Kind2*** überwiegend trug, hat sich erübrigt.

Es war schon aus den soeben angeführten Erwägungen spruchgemäß zu befinden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am 18. September 2025