IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag.Dr. Katrin Allram in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom 15. September 2022 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 16. August 2022 betreffend Wiederaufnahme der Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Erbe nach seiner Mutter. Bei der Erblasserin seien infolge Behinderung hohe Krankheitskosten angefallen, die in der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 bis 2017 nicht berücksichtigt worden seien. Aus diesem Grund beantragte der Bf. mit Eingabe vom 11. April 2022 die Wiederaufnahme der Verfahren bzw. regte er alternativ eine amtswegige Wiederaufnahme an.
Mit Schreiben vom 27. April 2022 ersuchte die belangte Behörde den Bf., ergänzende Angaben zu den beantragten Änderungen und zu den zu berücksichtigenden Kosten zu machen.
Eine Beantwortung des Ergänzungsersuchens durch den Bf. erfolgte nicht.
Mit Bescheiden vom 16. August 2022 wurde der Antrag des Bf. auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017 abgewiesen.
Dagegen erhob der Bf. mit Eingabe vom 15. September 2022 Beschwerde und beantragte erneut die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren seiner verstorbenen Mutter für die Jahre 2015 bis 2017.
Am 27. Oktober 2022 reichte der Bf. Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 bis 2017 ohne weitere Nachweise ein.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 3. Februar 2023 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Hinweisen auf höchstgerichtliche Rechtsprechung aus, dass die nachträgliche Geltendmachung vergessener Absetzbeträge und Freibeträge eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließe.
In der Eingabe vom 18. Februar 2023 stellte der Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
Am 25. Oktober 2023 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte im angeschlossenen Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist Erbe nach seiner am TT. Oktober 2017 verstorbenen Mutter. Die Verlassenschaft wurde dem Bf. mit Beschluss vom 9. März 2020 nach einer bedingten Erbantrittserklärung zur Gänze eingeantwortet.
Die Erblasserin reichte am 17. März 2017 eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 ein und machte darin außergewöhnliche Belastungen infolge von Krankheit und Behinderung geltend. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 erging am 26. Juni 2017.
Die Erblasserin reichte am 17. März 2017 eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 ein und machte darin außergewöhnliche Belastungen aufgrund ihrer Behinderung geltend. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 erging am 26. Juni 2017.
Der Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017 erging am 13. Juli 2020.
Die Erblasserin war in den Streitjahren 2015 bis 2017 Invalidin. Der Umstand, dass aus der Erkrankung der Erblasserin Aufwendungen resultieren, war der Erblasserin jedenfalls bereits seit dem Jahr 2015 bekannt.
Mit Eingabe vom 11. April 2022 beantragte der Bf. die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren seiner verstorbenen Mutter für die Jahre 2015 bis 2017, da Kosten im Zusammenhang mit der Erkrankung der Erblasserin nicht berücksichtigt wurden.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie auf Datenbankabfragen.
Aus den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 und 2016, die am 17. März 2017 bei der belangten Behörde eingebracht wurden, ergibt sich, dass der Erblasserin bereits im Jahr 2015 Aufwendungen aufgrund ihrer Behinderung entstanden sind. Der Umstand, dass aus der Erkrankung der Erblasserin Aufwendungen entstehen, ist der Erblasserin daher seit dem Jahr 2015 bekannt.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 lit. b Bundesabgabenordnung (BAO) auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der Wiederaufnahmsantrag hat gemäß § 303 Abs. 2 BAO zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird.
Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder iVm dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0006).
Zweck der Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind. Das Neuhervorkommen von Tatsachen ist bei der beantragten Wiederaufnahme aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen (vgl. VwGH 24.2.2021, Ra 2020/15/0105 mwN). Tatsachen, die dem Antragsteller schon immer bekannt gewesen sind, deren steuerliche Berücksichtigung er aber unterlassen hat, eröffnen ihm daher keinen Antrag auf Wiederaufnahme (vgl. VwGH 29.9.2022, Ro 2022/15/0011).
Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl. VwGH 27.1.2011, 2007/15/0262).
Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen gemäß § 19 Abs. 1 BAO die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt somit in materiellrechtlicher und in verfahrensrechtlicher Sicht voll an die Stelle des Rechtsvorgängers (vgl. VwGH 17.10.2003, 99/17/0463). Es gehen sohin auch verfahrensrechtliche Rechtspositionen wie das Antragsrecht auf Wiederaufnahme des Verfahrens über (vgl. Ritz/Koran, BAO8 2025 § 19 Rz 8). Den Erben stehen die Wiederaufnahmsgründe des Rechtsvorgängers zu Gebote (vgl. VwGH 16.12.1969, 1302/69).
Der Bf. ist als Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin dem Grunde nach berechtigt, gestützt auf die der Erblasserin zur Verfügung stehenden Wiederaufnahmsgründe einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren zu stellen. In seinem auf den Neuerungstatbestand gestützten Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017 führte der Bf. aus, dass Aufwendungen infolge der Invalidität seiner verstorbenen Mutter nicht berücksichtigt wurden.
Nach dem in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhalt war die Erblasserin (jedenfalls) bereits ab dem Jahr 2015 Invalidin, da sie selbst damit in Zusammenhang stehende Aufwendungen in den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung geltend machte. Die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 und 2016 ergingen am 26. Juni 2017, jener betreffend das Jahr 2017 erging am 13. Juli 2020. Zu diesen Zeitpunkten war die Erblasserin bereits Invalidin und war dieser Umstand sowie die damit einhergehenden Aufwendungen auch in der Sphäre der Erblasserin und damit des Bf. bekannt. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des VwGH stellen aber Tatsachen, die dem Antragsteller schon immer bekannt waren, deren steuerliche Berücksichtigung aber unterlassen wurde, keinen Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar. Demnach war die streitgegenständliche Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Anzumerken ist schließlich, dass auf die vom Bf. angeregte Wiederaufnahme von Amts wegen kein Rechtsanspruch besteht (vgl. VwGH 4.2.2009, 2008/15/0266).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Lösung der streitgegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich aus der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die ordentliche Revision war folglich nicht zuzulassen.
Wien, am 16. April 2025