JudikaturBFG

RV/7104222/2018 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Erbrecht
26. Februar 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde des mittlerweile verstorbenen A***B***, zuletzt wohnhaft Wien***, vormals vertreten durch Dr. Günther Geringer, 1040 Wien, Klagbaumgasse 8 Tür 9, nunmehr Verlassenschaft nach A***B***, gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 2014 und 2015 Steuernummer 99-123*** den Beschluss:

Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Begründung

Betriebsgegenstand des Einzelunternehmens des Beschwerdeführers war die Durchführung von Spenglerarbeiten und Bauwerksabdichtungen.

Im Rahmen einer Außenprüfung wurden nachstehende Aufzeichnungsmängel und Unregelmäßigkeiten festgestellt: Die Lieferadresse einer Eingangsrechnung habe eine Baustelle betroffen, für die es keine Ausgangsrechnungen gab (Tz 8 des Prüfungsberichts). Dazu lieferte der Beschwerdeführer im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens unterschiedliche Begründungen, letztendlich brachte er vor, diese Materiallieferung sei eine Provision für die Auftragserteilung eines Projektes gewesen. Für die Materiallieferung habe er daher keine Gegenleistung erhalten. Belege, eine Rechnung des Auftragserteilers oder ein sonstiges Beweismittel zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens konnte der Beschwerdeführer nicht vorlegen, bzw legte er nicht vor. Das Geschäft wurde von der Betriebsprüfung als nicht verbuchter Warenverkauf gewertet und der Materialaufwand mit dem errechneten durchschnittlichen Materialaufschlag des Beschwerdeführers von 15 % dem Erlös hinzugerechnet. Weiters fehlten nach den Feststellungen der Betriebsprüfung Rechnungen, sowie Bareingangs- und Barausgangsbestätigungen bzw seien diese nicht verbucht worden. Der Beschwerdeführer habe auch mehrere Grundaufzeichnungen, die er zum Teil freiwillig geführt habe, nicht vorgelegt oder diese innerhalb der Aufbewahrungsfrist vernichtet (Tz 9 und Tz 10 des Prüfungsberichts). Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, bei Arbeits- und Personalaufzeichnungen und Durchschreibeblöcken handle es sich nicht um Grundaufzeichnungen. Diese müssten daher auch nicht aufbewahrt werden. Die Prüferin ist von einer Schätzungsbefugnis gemäß § 184 BAO ausgegangen. Für die Kalkulation der Schätzungshöhe seien die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Mannstundenpreisen herangezogen worden (Tz 11 des Prüfungsberichts).

In der gegen die auf Basis der Feststellungen der Betriebsprüfung erhobenen Beschwerde wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er ergänzte lediglich, die nicht aufbewahrten Lieferscheine nicht vernichtet zu haben. Er legte aber weiter keine Beweismittel vor. Bezüglich der Schätzungshöhe wendete der Beschwerdeführer ein, dass Nichtleistungslöhne unberücksichtigt geblieben seien.

Mit den angefochtenen Bescheiden ergaben sich für den Beschwerdeführer Nachzahlungen von mehr als € 200.000.

Am tt.03.2024 verstarb der Beschwerdeführer.

Die Verlassenschaft war überschuldet.

Die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft wurden gegen Bezahlung der Bestattungskosten samt Nebenauslagen mit Beschluss des zuständigen Bezirksgerichtes vom 03.07.2024 gemäß § 154 AußStrG E***F*** an Zahlungs statt überlassen.Es wurde keine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben.

Der ruhende Nachlass ist eine anerkannte juristische Person.Das österreichische Recht ordnet den Erbschaftserwerb erst mit der Einantwortung an, nur aus dem verfahrensrechtlich erforderlichen Zeitraum zwischen dem Todesfall und der Einantwortung folgt seine rechtliche Existenz (vgl Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

§ 19 Abs 1 BAO lautet:"Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes."

Ein Fall einer Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) im zivilrechtlichen Sinn, in dem § 19 Abs 1 BAO anzuwenden ist, ist beispielsweise die Erbfolge nach §§ 547 und 797 ABGB.

Wird die Verlassenschaft jedoch armutshalber abgetan (§ 153 AußStrG) oder wird das Nachlassvermögen - wie im Beschwerdefall - an Zahlungs statt überlassen (§ 154 AußStrG), erfolgt jedoch keine Einantwortung und es kommt daher zu keiner Gesamtrechtsnachfolge.

Da im Beschwerdefall somit keine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, ist niemand befugt, das Beschwerdeverfahren fortzuführen. Es bestünde jedoch die Möglichkeit, einen Verlassenschaftskurator nach § 173 AußStrG zu bestellen.

Die Bestimmung des § 173 AußStrG lautet:"(1) Einigen sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht oder ist ein Verfahren über das Erbrecht einzuleiten (§§ 160 ff), so hat das Verlassenschaftsgericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen. Die Vertretungsbefugnis anderer Personen endet mit der Bestellung des Verlassenschaftskurators.(2) Ändern sich die Vertretungsverhältnisse während des Verfahrens, so hat der Gerichtskommissär die dadurch überholten Amtsbestätigungen von den Empfängern abzufordern."

Da die Bestellung eines Verlassenschaftskurators mit Kosten verbunden ist, wäre dies nur dann erforderlich und sinnvoll, wenn die Beschwerde Aussicht auf Erfolg hätte, wobei sodann - eine ebenfalls mit Kosten verbundene - Nachtragsabhandlung durchgeführt werden müsste.

Das unbelegte Vorbringen des Beschwerdeführers zur Eingangsrechnung, die keiner Baustelle zugeordnet werden kann bleibt auf Behauptungsebene, wobei auf die Frage, für welches Bauvorhaben die Ware gekauft und verwendet wurde, unterschiedliche Antworten (es sei an die falsche Adresse geliefert und dann weitergeliefert worden; bzw es habe sich um ein Gegengeschäft gehandelt; etc), gegeben wurden. Allein daher ist dieses Vorbringen nicht glaubwürdig.

Die Grundaufzeichnungsmängel werden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Bestritten wird lediglich, dass die fehlenden Aufzeichnungen entweder gar nicht geführt worden seien oder keine Grundaufzeichnungen darstellten und daher nicht aufbewahrt hätten werden müssen.

In den ausgestellten Ausgangsrechnungen wurde nach Quadratmetern, nach Laufmetem, nach Stück, nach (Arbeits)Stunden, nach (Mann)Stunden und pauschal verrechnet. Teilweise wurden Arbeitsprotokolle, die Arbeitstage, Mannstunden und eine Beschreibung der verrichteten Dienstleistung an den angeführten Tagen enthalten, erstellt. Aufgrund dieser Verrechnungsweise ist es nicht glaubhaft, dass keine Personalaufzeichnungen bzw Stundenaufzeichnungen geführt wurden. Ebenso ist das Vorbringen nicht glaubwürdig, wonach der Beschwerdeführer sämtliche Mannstunden, welche er vor und nach Leistungserbringung nirgends aufzeichnet sogar noch nach Monaten für die Rechnungslegung im Kopf hat.

Nach seinen Angaben hat der Beschwerdeführer während der Bauführungen handschriftliche Notizen geführt, die mit Abschluss des jeweiligen Bauvorhabens und Abrechnung der Baustelle diese Notizen nicht mehr aufgehoben wurden.

Gemäß § 132 BAO sind Bücher und Aufzeichnungen sowie die zu den Büchern und Aufzeichnungen gehörigen Belege sieben Jahre aufzubewahren. Dazu gehören auch freiwillig geführte Aufzeichnungen.

Die gemäß §§ 124 und 125 BAO zu führenden Bucher und Aufzeichnungen sowie die ohne gesetzliche Verpflichtung geführten Bucher sind so zu führen, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle vermitteln können. Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 131 BAO).

Zusammenfassend wird festgestellt, dass einerseits festgestellten Mängel dazu geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen und darüber hinaus sich die einzelnen Geschäftsfälle aufgrund der gravierenden Mängel nicht von Anfang bis zum Ende nachvollziehen lassen, sodass die Grundlagen für die Abgaben nicht ermittelt oder berechnet werden können.Die Bemessungsgrundlagen für die Abgabenerhebung sind daher gemäß § 184 BAO zu schätzen.

Für die Hinzuschätzung des Materialerlöses wurde von der Betriebsprüfung der den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen zu entnehmende durchschnittliche Aufschlag zum Materialaufwand von 15 % angesetzt. Bei der Schätzung des Personalaufwandes wurde der gesetzliche Urlaubsanspruch berücksichtigt, die Krankenstände mithilfe der Krankmeldungen im Personalordner ermittelt und die Berufsschultage des Lehrlings mit 1 Schultag pro Woche abzüglich Ferien angenommen.

Der Schätzung kann auch der Höhe nach nicht entgegengetreten werden, da Grundlage des angewendeten Materialaufschlags die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen des Beschwerdeführers waren und entgegen seinem Vorbringen Nichtleistungszeiten bei der Schätzung sehr wohl berücksichtigt wurden.

Da somit eine materielle Entscheidung über die Beschwerde mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit oder zumindest wahrscheinlicher zu einer Abweisung geführt hätte, würde die Bestellung eines Verlassenschaftskurators vermeidbare Kosten und hohen Verwaltungsaufwand verursachen, weshalb von einem Antrag auf Bestellung mangels Erforderlichkeit Abstand genommen wird.

Wegen der fehlenden Möglichkeit, eine Rechtsmittelentscheidung der Verlassenschaft zuzustellen, kann eine solche durch das Gericht auch nicht wirksam erlassen werden. Das Beschwerdeverfahren ist daher einzustellen.

Dieser Beschluss kann daher rechtswirksam nur an die Amtspartei ergehen, weil aus den bereits genannten Gründen an die Verlassenschaft ohne eine (neuerliche) Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht zugestellt werden könnte und das Bundesfinanzgericht eine derartige Bestellung nicht als geboten erachtet.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da der Umstand, dass das Gericht die Veranlassung der Bestellung eines Verlassenschaftskurators als nicht erforderlich angesehen hat, nicht als Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, anzusehen ist.

Wien, am 26. Februar 2025