BundesrechtInternationale VerträgeRegulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses

Regulierung des Rheins von der schweizerisch-liechtensteinischen Staatsgrenze bis zur Mündung des Illflusses

In Kraft seit 17. November 1931
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Art. 1

(1) Hinsichtlich der Ausgestaltung und Erhaltung der Wuhre und der Dämme des Rheins von der Illmündung aufwärts, sowie wegen Festsetzung der Höhen der Konstruktionsunterkanten der Rheinbrücken werden die beiden Vertragsstaaten jeweils im Einvernehmen vorgehen und sich zu diesem Zwecke die Ausbau- und Erhaltungsprogramme alljährlich gegenseitig zur Zustimmung übermitteln.

(2) Falls innerhalb einer Frist von drei Monaten gegen die Bauabsichten des einen Vertragsstaates keine Einwendung erfolgt, ist die Zustimmung des andern Vertragsstaates als gegeben zu betrachten.

(3) Durch fortlaufende Pegelbeobachtungen, jeweilige Aufnahme der Hochwasserlinie und periodische Aufnahmen der Rheinsohle sollen die zur Prüfung der Wasserstände und des Zustandes der Bauwerke erforderlichen Grundlagen gewonnen werden.

(4) Die beiden Vertragsstaaten verpflichten sich, der Einrichtung und Ausgestaltung des Hochwassermeldedienstes und des Wasserwehrdienstes am Rheine besondere Obsorge zuzuwenden.

Art. 2

Die fürstlich liechtensteinische Regierung verpflichtet sich, im Interesse der ferneren Erhaltung der regulierten Rheinstrecke und in Hinsicht auf die notwendige Reinhaltung des Binnenkanals, in den seitlichen Zuflüssen des Rheins, die ihm unmittelbar oder mittelbar Geschiebe zuführen, Verbauungen und Anlagen auszuführen, die geeignet sind, die Geschiebeführung hintanzuhalten.

Art. 3

(1) Die beiden Vertragsstaaten verpflichten sich, für die einwandfreie Erhaltung der Wuhre und Dämme am Rhein in der Vertragsstrecke (Artikel 1) jederzeit Sorge zu tragen.

(2) Die fürstlich liechtensteinische Regierung übernimmt es, das Wuhrwesen derart zu regeln, daß die Erhaltung der Dämme und Wuhre nicht den Gemeinden überlassen, sondern vom Staate selbst bewirkt wird.

Art. 4

(1) Die Projekte für die Herstellung des liechtensteinischen Binnenkanals von Triesen abwärts bis zu seiner geplanten Mündung oberhalb des Matschelser Bergles und dessen allfällige spätere Umgestaltung durch Einbeziehung der oberen Strecke von Triesen bis Balzers, sowie für die Regulierung des Spirsgrabens bedürfen der Genehmigung beider Staaten und sind sodann für sie bindend.

(2) Jede grundsätzliche Projektsänderung bedarf der einvernehmlichen Behandlung.

Art. 5

Bezüglich der Ausführung des liechtensteinischen Binnenkanals wird vereinbart:

a) diesem Kanale darf nur geschiebefreies Wasser zugeführt werden;

b) der Inangriffnahme des Binnenkanals in der Mittelstrecke von der österreichisch-liechtensteinischen Wuhrgrenze aufwärts bis zum Gampriner Damm und einer provisorischen Ausmündung des Kanals nächst der österreichisch-liechtensteinischen Wuhrgrenze wird in der Voraussetzung zugestimmt, daß dieser Zustand in angemessener Weise zeitlich begrenzt ist;

c) die Durchführung des Kanalteilstückes vom Gampriner Damm abwärts bis zur österreichisch-liechtensteinischen Wuhrgrenze samt der einstweiligen Mündung in den Rhein nächst der bezeichneten Wuhrgrenze hat bis Ende des Jahres 1935 zu erfolgen;

d) der Gampriner Damm ist in seiner Höhenlage auszugleichen; die für seine Abdichtung sowie für eine Verbesserung der landseitigen Einbindung erforderlichen Maßnahmen sind ohne Verzug vorzukehren.

Art. 6

Nach Fertigstellung der Teilstrecke von der österreichisch-liechtensteinischen Wuhrgrenze bis zum Gampriner Damm wird nach Bedarf durch Vertreter beider Staaten überprüft werden, ob und welche Nachteile oder Schäden sich aus dem Bestande der geänderten Kanalanlage für das unterliegende Gelände ergeben. In Angelegenheit der Behebung etwa aufgetretener Nachteile wird durch zwischenstaatliche Verhandlungen zu klären sein, ob die Fortsetzung des Kanals bis zum Matschelser Bergle notwendig wird oder ob vielleicht durch Baumaßnahmen geringeren Umfanges eine wirksame Sanierung möglich ist.

Art. 7

(1) Für die Kosten aller zur Abfuhr der liechtensteinischen Binnengewässer notwendigen Kanalanlagen einschließlich der Kosten der Projektsbeschaffung, des wasserrechtlichen Verfahrens, der Grundeinlösung u. dgl. und für die Erhaltung dieser Bauanlagen hat das Fürstentum Liechtenstein aufzukommen.

(2) Vor Inangriffnahme des Kanalunternehmens muß dessen finanzielle Durchführung einschließlich der Erhaltung sichergestellt sein.

Art. 8

Die Regulierung des Spirsgrabens ohne dessen Seitenzubringer wird seitens Österreichs längstens bis zum Zeitpunkte der Vollendung des liechtensteinischen Binnenkanals in der Teilstrecke Gampriner Damm-österreichisch-liechtensteinische Wuhrgrenze fertigzustellen sein.

Art. 9

(1) Zu den nach dem einvernehmlich festgelegten Projekte de dato Bregenz, Oktober 1929, mit 689.000 S veranschlagten Baukosten der Regulierung des Spirsgrabens von seiner Mündung bis zum Frickgraben, und zwar ohne dessen Zubringer, verpflichtet sich das Fürstentum Liechtenstein einen Baubeitrag von 25 Prozent der tatsächlichen Kosten zu übernehmen, jedoch nur bis zum Höchstbetrage von 150.000 Schweizer Franken (in Worten: Einhundertfünfzigtausend Schweizer Franken); dieser Baubeitrag ist nach Maßgabe des Baufortschrittes abzustatten.

(2) Für die nach Abzug des Beitrages des Fürstentums Liechtenstein noch erübrigenden Kosten der auf österreichischem Gebiete gelegenen Teile der Spirsgrabenregulierung sowie für die Erhaltung des regulierten Spirsgrabens in dieser Strecke hat die Republik Österreich aufzukommen.

Art. 10

Die Kosten der Regulierung und Erhaltung des Frickgrabens im Zuge der Grenze zwischen Österreich und Liechtenstein werden nach einem noch zu vereinbarenden Projekte von beiden vertragschließenden Staaten je zur Hälfte getragen werden.

Art. 11

Für die Regulierung der Esche wird seitens Österreichs eine Beitragsleistung zu den Baukosten auf Grund eines einvernehmlich zu verfassenden Projektes nach Maßgabe des aus dieser Regulierung für das österreichische Gebiet sich ergebenden Nutzens grundsätzlich zugesichert.

Art. 12

(1) Die Republik Österreich und das Fürstentum Liechtenstein erklären sich damit einverstanden, daß die Durchführung aller Arbeiten, welche nach Artikel 1 dieses Vertrages am Rhein bewirkt werden, jederzeit einer gegenseitigen Kontrolle unterzogen werden können, die von je einem seitens Österreichs und Liechtensteins zu bestimmenden technischen Organe gemeinsam ausgeübt wird.

(2) Die näheren Bestimmungen über diese gegenseitige Bau- und Erhaltungskontrolle werden gesondert, jedoch vor Bauinangriffnahme getroffen.

(3) Gleichartige Bestimmungen gelten auch für die Bau- und Erhaltungsarbeiten am liechtensteinischen Binnenkanal, am Spirs- und Frickgraben und an der Esche.

Art. 13

(1) Können sich die beiden Vertragsstaaten über im Zuge der Baudurchführung zu treffende Maßnahmen oder aber bei Auslegung oder bei Anwendung einzelner Vertragsbestimmungen nicht einigen, so entscheidet ein Schiedsgericht, in das jeder Vertragsteil einen Schiedsrichter entsendet.

(2) Der Obmann, der keinem der vertragschließenden Staaten angehören darf, wird von beiden Regierungen im gemeinsamen Einverständnis bezeichnet.

(3) Findet die gemeinsame Bezeichnung des Obmannes nicht innerhalb sechs Monaten, nachdem eine Partei die schiedsgerichtliche Erledigung des Streitfalles in Vorschlag gebracht hat, statt, so erfolgt die Wahl in sinngemäßer Anwendung des in Artikel 45, Absatz 4 ff., des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle von 1907 vorgesehenen Verfahrens.

Art. 14

Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifikationsurkunden sollen sobald wie möglich in Wien ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt vier Wochen nach dem Austausche der Ratifikationsurkunden in Kraft.

Dieser Vertrag wurde in zwei übereinstimmenden Urschriften in deutscher Sprache ausgefertigt.

Zu Urkund dessen haben die Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet und mit ihren Siegeln versehen.

Geschehen in Vaduz, am 23. Juni eintausendneunhundertdreißigeins.