BundesrechtInternationale VerträgeNukleare Sicherheit und Strahlenschutz (Tschechische R)

Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz (Tschechische R)

In Kraft seit 01. Juli 2008
Up-to-date

Artikel 1

Art. 1

1. Dieses Abkommen wird nur auf zivile Kernanlagen oder zivile nukleare Tätigkeiten angewendet.

2. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Begriff

a) Kernanlagen: Kernreaktoren, Anlagen des Kernstoffbrennkreislaufes sowie Anlagen zur Behandlung radioaktiver Abfälle

b) nukleare Tätigkeiten:

i) die Beförderung und Lagerung von Kernbrennstoffen oder radioaktiven Abfällen und

ii) die Herstellung, Verwendung, Lagerung, Endlagerung und Beförderung von Radioisotopen für landwirtschaftliche, industrielle, medizinische sowie damit zusammenhängende wissenschaftliche Zwecke und Forschungszwecke.

Artikel 2

Art. 2

1. Bei jedem Vorfall im Zusammenhang mit den in Artikel 1 aufgelisteten Anlagen oder Tätigkeiten, der eine Freisetzung radioaktiver Substanzen jenseits der gemeinsamen Staatsgrenze zur Folge hat oder haben könnte, der von Bedeutung für die Sicherheit der anderen Vertragspartei im Zusammenhang mit strahlungsbedingten Folgen ist, benachrichtigt die Vertragspartei, auf deren Hoheitsgebiet sich der Vorfall ereignet hat, die andere Vertragspartei im Wege der Kontaktstellen.

2. Die Benachrichtigung gemäß Absatz 1 erfolgt spätestens dann, wenn Maßnahmen zum Schutz der eigenen Bevölkerung der Vertragspartei eingeleitet werden.

3. Die Vertragsparteien informieren einander im Wege der Kontaktstellen auch über Ereignisse, die keinen Vorfall gemäß Absatz 1 darstellen, bei denen es aber notwendig ist, dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung einer der Vertragsparteien Rechnung zu tragen. Einzelheiten werden im Rahmen einer Durchführungsvereinbarung festgelegt, die die zuständigen Behörden der Vertragsparteien so bald als möglich abschließen werden.

4. Weiters stellt die informierende Vertragspartei der anderen Vertragspartei auf deren Antrag Erläuterungen zu den gemäß Absatz 2 und 3 übermittelten Angaben zur Verfügung.

5. Jede Vertragspartei teilt unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Abkommens der anderen Vertragspartei auf diplomatischem Wege ihre Kontaktstelle mit.

6. Diese Kontaktstellen stellen unmittelbar nach ihrer Errichtung das gegenseitige Einvernehmen über die genaue Vorgangsweise bei der Übermittlung von Informationen her. Die Überprüfung dieses Übermittlungssystems findet mindestens einmal jährlich statt.

Artikel 3

Art. 3

1. Die Vertragsparteien tragen dafür Sorge, dass die gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieses Abkommens übermittelte Information einen solchen Umfang hat, der es der anderen Vertragspartei ermöglicht, über die Vorbereitung oder Durchführung entsprechender Maßnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung zu entscheiden. Diese Information enthält insbesondere Angaben über

a) den Zeitpunkt und, soweit es zweckmäßig ist, den genauen Ort und die Art des nuklearen Unfalls;

b) die betroffene Anlage oder Tätigkeit;

c) die vermutete oder festgestellte Ursache und die vorhersehbare Entwicklung des nuklearen Unfalls in Bezug auf die grenzüberschreitende Freisetzung radioaktiver Stoffe;

d) die allgemeinen Merkmale der radioaktiven Freisetzung einschließlich, soweit möglich und zweckmäßig, der Art, der wahrscheinlichen physikalischen und chemischen Form und der Menge, Zusammensetzung und effektiven Höhe der radioaktiven Freisetzung;

e) Informationen über die derzeitigen und vorhergesagten meteorologischen und hydrologischen Bedingungen, die zur Vorhersage der grenzüberschreitenden Freisetzung der radioaktiven Stoffe erforderlich sind;

f) die Ergebnisse der Umweltüberwachung in Bezug auf die grenzüberschreitende Freisetzung der radioaktiven Stoffe;

g) die ergriffenen oder geplanten Schutzmaßnahmen außerhalb der betroffenen Anlage;

h) die Vorhersage über das Verhalten der radioaktiven Freisetzung im weiteren Verlauf.

2. Die übermittelten Angaben werden entsprechend der weiteren Entwicklung der Situation laufend auf den neuesten Stand gebracht. Weiters werden von der benachrichtigenden Vertragspartei der anderen Vertragspartei auf deren Antrag Erläuterungen und Ergänzungen zu den übermittelten Angaben zur Verfügung gestellt.

3. Diese Angaben und deren allfällige Ergänzungen werden so lange übermittelt, bis die in Artikel 2 Absatz 1 dieses Abkommens erwähnte Situation nicht mehr gegeben ist, oder bis die zur Beurteilung der Sachlage ausreichenden Informationen vorliegen.

Artikel 4

Art. 4

1. Die Vertragsparteien einigen sich darauf, im Bereich des außerbetrieblichen Notfallschutzes zusammenzuarbeiten. Technische und administrative Einzelheiten werden im Rahmen einer Durchführungsvereinbarung festgelegt.

2. Falls ein Ereignis gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieses Abkommens eintritt, pflegen die Vertragsparteien unverzüglich das Einvernehmen über die notwendige Zusammenarbeit zur Gewährleistung des Schutzes von Gesundheit und Vermögen ihrer Bevölkerungen sowie über die mögliche Hilfeleistung.

3. Allfällige weitere Maßnahmen werden von den Kontaktstellen gemäß Artikel 2 Absatz 5 dieses Abkommens vereinbart.

Artikel 5

Art. 5

1. Die Vertragsparteien richten einen dauernden und automatischen Datenaustausch der Strahlungs-Überwachungssysteme ein, um die Vorbereitung beider Seiten für jeden außergewöhnlichen Vorfall mit radiologischen Folgen zu unterstützen. Technische und administrative Einzelheiten werden im Rahmen einer Durchführungsvereinbarung festgelegt.

2. Wenn und sobald die Vertragsparteien Entscheidungshilfesysteme für die Unterstützung des außerbetrieblichen Notfallschutzes implementiert haben (z. B. System RODOS), sollen die von diesen Systemen zur Verfügung gestellten Informationen automatisch zwischen den Vertragsparteien ausgetauscht werden.

3. Ein Jahresbericht über die Ergebnisse der Strahlenüberwachung, der auch die Ergebnisse der laborgestützten Überwachung enthält, wird der anderen Vertragspartei einmal jährlich übermittelt. Im Fall bedeutender Abweichungen vom Normalzustand wird diese Information unverzüglich der anderen Vertragspartei im Wege der Kontaktstellen übermittelt. Auf Ersuchen einer Vertragspartei übermittelt die andere Vertragspartei ergänzende Daten.

Artikel 6

Art. 6

1. Die Vertragsparteien informieren einander einmal jährlich über ihre Rechtsvorschriften sowie ihre Verwaltung betreffend nukleare Sicherheit und Strahlenschutz sowie über ihre Nuklearprogramme, eingeschlossen vorhandene Kernanlagen und nukleare Tätigkeiten wie in Artikel 1 Absatz 2 dieses Abkommens festgehalten, über die aus dem Betrieb von Kernanlagen und der Ausübung von nuklearen Tätigkeiten gewonnene Erfahrung sowie über den neuesten Stand zumindest der in der Anlage zu diesem Abkommen angeführten Angaben, soweit es geeignet erscheint.

2. Die Vertragsparteien informieren einander auch über jene Kernanlagen, die im Planungsstadium oder in Bau befindlich sind, wie in Artikel 1 Absatz 2 lit. a dieses Abkommens festgehalten und stellen einander zumindest die in der Anlage zu diesem Abkommen angeführten Angaben zur Verfügung.

3. Die Vertragsparteien informieren einander weiters über große Veränderungen wie eine Leistungssteigerung oder eine Erneuerung oder Erweiterung der Betriebsbewilligung in vorhandenen Kernanlagen wie in Artikel 1 Absatz 2 lit. a dieses Abkommens festgehalten und stellen einander zumindest die in der Anlage zu diesem Abkommen angeführten Angaben zur Verfügung.

4. Die Vertragsparteien informieren einander auch über den Abbau von Kernanlagen wie in Artikel 1 Absatz 2 lit.a dieses Abkommens festgehalten und stellen einander zumindest die in der Anlage zu diesem Abkommen angeführten Angaben zur Verfügung.

5. Die Informationen gemäß Absatz 2 bis 4 sollen zu einem Zeitpunkt mitgeteilt werden, der es der anderen Vertragspartei ermöglicht, das Vorhaben zeitgerecht zu beurteilen. Über Ersuchen wird der Beurteilungsprozeß in Einzelfällen und auf Basis einer diesbezüglichen vorherigen Einigung durch Übermittlung zusätzlicher Informationen unterstützt, die in Umfang und Einzelheiten dem Fortschritt und der Natur des Vorhabens entsprechen. Stellungnahmen der anderen Vertragspartei werden von den zuständigen Behörden in deren Ermittlungen und Beratungen miteinbezogen.

Artikel 7

Art. 7

1. Die Vertragsparteien führen einmal jährlich gemeinsame Expertentagungen durch, die insbesondere

a) die Durchführung dieses Abkommens bewerten,

b) die gemäß Artikel 6 erteilten Informationen erörtern,

c) die Ergebnisse des gemäß Artikel 5 dieses Abkommens durchgeführten Meßprogramms auswerten,

d) sonstige aktuelle Fragen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes erörtern.

2. Die Informationen über Inhalt, Verlauf und Ergebnis einer gemeinsamen Expertentagung werden den zuständigen Organen zur Erwägung übermittelt.

3. Über Zeit und Ort der gemeinsamen Expertentagung und die Zusammensetzung der Expertendelegationen wird im Wege der Koordinatoren das Einvernehmen hergestellt.

4. Bei Bedarf können im Einvernehmen der beiden Vertragsparteien zusätzliche Expertentagungen gemäß Absatz 1 abgehalten werden.

Artikel 8

Art. 8

1. Zur Durchführung dieses Abkommens werden von den Vertragsparteien auf diplomatischem Wege Koordinationsstellen bestimmt.

2. Die Koordinationsstellen werden insbesondere darauf achten, dass

a) alle Dokumente und Informationen, die als Teil der Zusammenarbeit gemäß Artikel 5 und 6 des Abkommens mitzuteilen sind, ausgetauscht werden, solange nicht eine besondere Form zur Informationsmitteilung in einzelnen Fällen in Betracht gezogen wird,

b) die gemeinsamen Expertentagungen gemäß Artikel 7 des Abkommens durchgeführt werden.

3. Die Vertragsparteien informieren einander auf diplomatischem Wege über eine allfällige Änderung in der Bestimmung ihrer Koordinationsstellen.

Artikel 9

Art. 9

Den Inhalt der von der anderen Vertragspartei gemäß den Artikeln 2, 3, 5 und 6 dieses Abkommens erhaltenen Informationen kann jede Vertragspartei zur Informierung der Öffentlichkeit verwenden, soweit sie die andere Vertragspartei nicht als vertraulich erklärt.

Artikel 10

Art. 10

Der gegenseitige Informationsaustausch gemäß diesem Abkommen erfolgt kostenlos. Soweit die Beschaffung ergänzender Informationen mit bedeutenden Auslagen verbunden ist, werden diese Auslagen von der ersuchenden Vertragspartei ersetzt.

Artikel 11

Art. 11

Jegliche Streitigkeiten betreffend die Auslegung und die Durchführung dieses Abkommens und die Realisierung einer durch dieses Abkommen geregelten Tätigkeit werden durch Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien beigelegt.

Artikel 12

Art. 12

Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Abkommens verliert das am 18. November 1982 in Wien unterzeichnete Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit Kernanlagen seine Gültigkeit.

Artikel 13

Art. 13

1. Dieses Abkommen unterliegt der Genehmigung nach den Verfassungsvorschriften der Vertragsparteien und tritt mit dem Tage in Kraft, an dem beide Vertragsparteien einander auf diplomatischem Wege bekanntgeben, daß die entsprechenden innerstaatlichen Voraussetzungen für dessen Inkrafttreten erfüllt sind.

2. Die beigefügte Anlage ist Bestandteil dieses Abkommens. Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können Durchführungsvereinbarungen zu diesem Abkommen abschließen.

3. Dieses Abkommen wird auf unbeschränkte Zeit geschlossen. Es kann von jeder Partei schriftlich auf diplomatischem Wege gekündigt werden. Die Kündigung wird sechs Monate nach Übergabe der diplomatischen Note wirksam.

Geschehen zu Wien, am 25. Oktober 1989 in zwei Urschriften, jede in deutscher und tschechischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.

ANLAGE

ZUM ABKOMMEN ZWISCHEN DER REGIERUNG DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DER REGIERUNG DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN SOZIALISTISCHEN REPUBLIK ZUR REGELUNG VON FRAGEN GEMEINSAMEN INTERESSES IM ZUSAMMENHANG MIT DER NUKLEAREN SICHERHEIT UND DEM STRAHLENSCHUTZ

Anl. 1

Zu Artikel 6, Absatz 2 des Abkommens werden folgende Angaben übermittelt:

Name der Anlage

Ort und Adresse der Anlage

Betreiber

Zweck

grundlegende technische Daten der Anlage

gegenwärtiger Status

Betriebsdaten

grundlegende Beschreibung des Ortes der Anlage.

Zu den kernenergetischen Reaktoren werden darüber hinaus insbesondere folgende Angaben angeführt:

Reaktortyp

Leistung

Spaltzone (zB Geometrie, Brennstoff, Beladung, Anreicherung, Abbrand, Leistungsdichte)

Reaktorgefäß

Kühlmittel und Kühlkreisläufe (primär und sekundär) des Reaktors Dampferzeuger

zulässige Werte und Bedingungen für die Abgaben radioaktiver Stoffe in die Umwelt, zulässige Werte und Bedingungen für die Lagerung radioaktiver Abfälle und Bedingungen für die Manipulation mit abgebranntem Kernbrennstoff

Systeme zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit mit Ausnahme der Systeme des physischen Schutzes.