LandesrechtVorarlbergVerordnungenVerordnung der Landesregierung über die Bildungs- und Betreuungsarbeit in Kleinkind-, Kindergarten- und Schulkindgruppen

Verordnung der Landesregierung über die Bildungs- und Betreuungsarbeit in Kleinkind-, Kindergarten- und Schulkindgruppen

In Kraft seit 01. Januar 2023
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§ 1 § 1 Allgemeines

Diese Verordnung regelt Näheres zur Bildungs- und Betreuungsarbeit in Kleinkind- und Kindergartengruppen; für Schulkindgruppen gelten die §§ 2 Abs. 1 bis 3, 4 und 5 Abs 1.

§ 2 § 2 Grundsätze der Bildungs- und Betreuungsarbeit einschließlich frühe sprachliche Förderung

(1) Die Bildungs- und Betreuungsarbeit erfolgt auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse der Pädagogik unter Berücksichtigung sonstiger einschlägiger Wissenschaften. Im Rahmen der Gestaltung der Bildungs- und Betreuungsarbeit sind die Bedürfnisse von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf oder mit besonderen Begabungen besonders zu beachten. Zudem sind, insbesondere unter den Aspekten Bewegung und Ernährung, geeignete Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu treffen.

(2) In Lern- und Bildungsprozessen sollen Kinder vielseitige Kompetenzen im Sinne von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten erwerben. Basis der Lern- und Bildungsprozesse in Kinderbildungs- und betreuungseinrichtungen sind insbesondere die Prinzipien Ganzheitlichkeit und Lernen mit allen Sinnen, Individualisierung, Differenzierung, Empowerment, Lebensweltorientierung, Inklusion, Sachrichtigkeit, Diversität, Geschlechtssensibilität, Partizipation, Transparenz und Bildungskooperation. Die Kinder sollen in ihrer Sozialkompetenz und in ihrer Eigenständigkeit gestärkt werden und ein Verantwortungsgefühl für sich und ihre Umwelt entwickeln.

(3) Kinder sind unter Berücksichtigung der kindlichen Lernformen, wie etwa Spielen, Lernen durch Erfahrung und Handeln, Lernen durch Erfolg, Lernen am Modell und durch Erkenntnis in der Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen.

(4) Im Rahmen der frühkindlichen Bildung werden die Kinder durch geeignete Maßnahmen auf den Übergang in andere Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen bzw. in die Schule vorbereitet und bei der Entwicklung von Transitionskompetenzen unterstützt.

(5) Sprachbildung und -förderung hat als durchgängiges Prinzip während der Bildungs- und Betreuungsarbeit mit den Kindern zu erfolgen. Die Kinder sind von Beginn an in ihren Sprachkompetenzen sowie ihrem Spracherwerb zu fördern und bestmöglich in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Eine Förderung der Bildungssprache Deutsch mit Fokus auf die Sprachkompetenzen bei Schuleintritt hat insbesondere in den letzten beiden Betreuungsjahren vor Schuleintritt stattzufinden.

(6) Kinder, die einen Sprachförderbedarf aufweisen, sind durch entsprechende Maßnahmen so zu unterstützen, dass sie dem Unterricht in der Volksschule bestmöglich folgen können.

(7) Am Ende des letzten Betreuungsjahres vor Schuleintritt hat die Kinderbildungs- und –betreuungseinrichtung, in der das Kind eine Kindergartengruppe besucht hat, den Erziehungsberechtigten zur Sicherung der durchgängigen Sprachförderung ein Übergabeblatt mit Darstellung der Sprachentwicklung ihres Kindes zu übergeben. Die Erziehungsberechtigten haben dieses Übergabeblatt bis zum Beginn des Schuljahres der Schule vorzulegen. Sofern die Erziehungsberechtigten dieser Verpflichtung nicht nachkommen, hat die Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung, in der das Kind eine Kindergartengruppe besucht hat, das Übergabeblatt auf Verlangen der Schule zur Verfügung zu stellen.

§ 3 § 3 Pädagogische Grundlagendokumente

Die Bildungs- und Betreuungsarbeit in Kleinkind- und Kindergartengruppen orientiert sich an den folgenden pädagogischen Grundlagendokumenten:

a) „Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich“,

b) „Leitfaden zur sprachlichen Bildung und Förderung am Übergang von elementaren Bildungseinrichtungen in die Volksschule“,

c) „Modul für Fünfjährige“,

d) „Werte- und Orientierungsleitfaden – Werte leben, Werte bilden. Wertebildung in der frühen Kindheit“ und

e) sonstige Dokumente, die vom Bund mit Zustimmung der Länder zur Verfügung gestellt werden.

§ 4 § 4 Bildungsbereiche

Im Rahmen einer ganzheitlichen und vernetzten (interessensorientierten und geschlechtssensiblen) Bildungsarbeit sind bei der Begleitung und Förderung der Kinder insbesondere folgende Bildungsbereiche zu beachten:

a) Emotionen und soziale Beziehungen: Identität, Vertrauen und Wohlbefinden sowie Kooperation und Konfliktkultur,

b) Ethik und Gesellschaft: Werte, Diversität, Inklusion sowie Partizipation und Demokratie,

c) Sprache und Kommunikation: Sprache und Sprechen, verbale und nonverbale Kommunikation, Literacy sowie Informations- und Kommunikationstechnologien,

d) Bewegung und Gesundheit: Körper und Wahrnehmung, Bewegung sowie Gesundheitsbewusstsein,

e) Ästhetik und Gestaltung: Kultur und Kunst sowie kreativer Ausdruck und

f) Natur und Technik: Natur und Umwelt, Technik sowie Mathematik.

§ 5 § 5 Planung und Dokumentation der Bildungs- und Betreuungsarbeit, Reflexion, Bildungskooperation mit Erziehungsberechtigten

(1) Die pädagogischen Fachkräfte der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung haben sich täglich sorgfältig auf die Bildungs- und Betreuungsarbeit mit den Kindern vorzubereiten und diese zu planen. Die Vorbereitungen haben auf der Basis kontinuierlicher Beobachtungen der Kinder sowie der Reflexion zu erfolgen. Die Planung und Gestaltung der Lern- und Bildungsprozesse sowie der individuellen Förderung durch pädagogische Impulse und Bildungsangebote bzw. Aktivitäten sowie im begleiteten Freispiel richtet sich insbesondere nach den Ergebnissen der Einzel- und Gruppenbeobachtungen und orientieren sich an den Bedürfnissen der Kinder und unterstützen die Entwicklung kindlicher Kompetenzen.

(2) Bis zum Beginn des Betreuungsjahres hat die pädagogische Fachkraft eine schriftliche Jahresplanung auf Basis des einrichtungsspezifischen pädagogischen Konzepts zu erstellen und die praktischen Vorbereitungen für den Beginn des Betreuungsjahres abzuschließen. Die Jahresplanung ist aufgrund einer Situationsanalyse nach Maßgabe der Rahmenbedingungen in der Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtung, der Gruppenstruktur, des familiären Umfeldes und der örtlichen Gegebenheiten zu erstellen. Sie hat insbesondere pädagogisch relevante Unterschiede der Kinder sowie die dadurch bedingten Handlungsnotwendigkeiten zu enthalten.

(3) Die Dokumentation der Bildungs- und Betreuungsarbeit ist für jede Gruppe schriftlich zu führen und hat aus folgenden Unterlagen zu bestehen:

a) Gruppenbeobachtungen und daraus resultierenden Vorbereitungen für die Gruppe, einschließlichLangzeit- bzw. Projektplanungen

b) Einzelbeobachtungen mit daraus resultierenden individuellen Förderplanungen,

c) kind- und gruppenbezogene Reflexionen und

d) Anwesenheitslisten.

(4) Die pädagogischen Fachkräfte haben die Bildungs- und Betreuungsarbeit transparent zu gestalten und die Erziehungsberechtigten in geeigneter Weise über das Verhalten und die Entwicklung ihrer Kinder zu informieren. Erziehungsberechtigte sind insbesondere durch Elternabende, Elterngespräche und gemeinsame Veranstaltungen einzubinden.

§ 6 § 6 Instrumentarien zur Erhebung des Entwicklungsstandes

(1) Die pädagogischen Fachkräfte haben regelmäßige, systematische Beobachtungen der körperlichen, motorischen, kognitiven, sozial-emotionalen und sprachlichen Entwicklung der Kinder sowie die Dokumentation der Beobachtungsergebnisse im Rahmen der Entwicklungsdokumentation durchzuführen. Anhand dieser Beobachtungsergebnisse sind individuelle Förderplanungen zu erstellen. Die individuelle Förderung durch pädagogische Impulse und Bildungsangebote ist im Rahmen der Anwesenheit des Kindes durchzuführen. Die Entwicklungsdokumentation ist Grundlage der Entwicklungsgespräche mit den Erziehungsberechtigten.

(2) Die Feststellung des Sprachförderbedarfs ist mittels des Beobachtungsbogens zur Erfassung der Sprachkompetenz in Deutsch von Kindern mit Deutsch als Erstsprache (BESK KOMPAKT) bzw. von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (BESK-DaZ KOMPAKT) durchzuführen. Ein Sprachförderbedarf liegt vor, wenn das Ergebnis der Beobachtung in einem der Bereiche den festgelegten Schwellenwert des Instruments unterschreitet. Die Erhebung des Sprachstandes und die Feststellung des Sprachförderbedarfs sind zu dokumentieren und wie folgt durchzuführen:

a) bei Kindern, die zu Beginn des Betreuungsjahres drei Jahre alt sind und eine Kleinkind- oder Kindergartengruppe besuchen, erstmalig im Zeitraum Mai bis Mitte Juni,

b) bei Kindern, die im Alter von vier Jahren erstmals eine Kleinkind- oder Kindergartengruppe besuchen, zu Beginn des Betreuungsjahres bis spätestens 31. Oktober bzw. wenn der Einstieg in die Kleinkind- oder Kindergartengruppe während des Jahres erfolgt und noch keine Sprachstandsfeststellung vorliegt, erstmalig bis Mitte Juni des Betreuungsjahres,

c) bei Kindern, die im Alter von vier Jahren eine Sprachförderung erhalten haben, bis Mitte Juni des gleichen Betreuungsjahres erneut,

d) bei Kindern, die im Alter von fünf Jahren (letztes Betreuungsjahr vor Schulbeginn) erstmals eine Kleinkind- oder Kindergartengruppe besuchen, bis spätestens 31. Oktober,

e) bei Kindern, die im Alter von fünf Jahren (letztes Betreuungsjahr vor Schulbeginn) eine Sprachförderung erhalten haben, letztmalig bis Mitte Juni des Betreuungsjahres,

f) bei Kindern, bei denen während des Betreuungsjahres die begründete Annahme besteht, dass kein Sprachförderbedarf mehr vorliegt, durch eine fakultativ durchzuführende außerordentliche Sprachstandsfeststellung.

(3) Die Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen gemäß Abs. 2, die am Ende des Betreuungsjahres durchgeführt wurden, sind bis 15. Juni des jeweiligen Betreuungsjahres der Landesregierung digital zu übermitteln; jene Ergebnisse der Sprachstandsfeststellungen gemäß Abs. 2, die zu Beginn des Betreuungsjahres durchgeführt wurden, sind bis 15. November digital zu übermitteln.

(4) Bei Kindern mit Sprachförderbedarf ist bei der individuellen Förderplanung insbesondere der Leitfaden zur sprachlichen Bildung und Förderung am Übergang von elementaren Bildungseinrichtungen in die Volksschule anzuwenden.

(5) Die Erhebung und Dokumentation des allgemeinen Entwicklungsstandes ist bei vierjährigen Kindern (vorletztes Betreuungsjahr) und bei jenen Kindern, die eine Kleinkind- oder Kindergartengruppe erst im letzten Jahr vor Schuleintritt besuchen, mittels eines standardisierten Beobachtungsbogens durchzuführen und hat ab Beginn des Betreuungsjahres zu erfolgen (Erstbeobachtung). Die standardiserte Beobachtung des Entwicklungsstandes hat sich auf die körperliche, motorische, kognitive und sozial-emotionale Entwicklung des Kindes zu beziehen. Die Wirkung der Fördermaßnahmen ist im darauffolgenden Herbst für jedes einzelne Kind, soweit es nicht bereits die Schule besucht, erneut zu beobachten und zu dokumentieren (Nachbeobachtung).

(6) Die pädagogische Fachkraft hat die Ergebnisse der Einzelbeobachtungen gemäß Abs. 5 der Landesregierung oder einem von ihr beauftragten Dritten bis spätestens Ende März (Erstbeobachtung) bzw. Ende Dezember (Nachbeobachtung) des jeweiligen Betreuungsjahres in anonymisierter Form zu übermitteln.

§ 7 § 7 Feststellung des Sprachförderbedarfs nicht angemeldeter Kinder

Die Feststellung des Sprachförderbedarfs von Kindern, die nicht zum Besuch einer Kindergartengruppe angemeldet sind (§ 25 KBBG), hat sich insbesondere auf die Bereiche Spontansprache, Sprachverständnis, Sprachproduktion, Wortschatz, Laut- u. Begriffsbildung sowie Grammatik zu beziehen. Sie ist in der Regel von einer pädagogischen Fachkraft gemäß § 16 Abs. 2 oder 3 des Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes durchzuführen und hat mithilfe eines standardisierten Verfahrens zu erfolgen. Sie erfolgt mit einem von der Landesregierung zugelassenen Erhebungsinstrument.

§ 8 § 8 Inkrafttreten und Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt am 1. Jänner 2023 in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten die §§ 1 bis 4, 5a und 6 des Kindergartenbildungs- und -erziehungsplans, LGBl.Nr. 53/2008, in der Fassung LGBl.Nr. 37/2010, Nr. 57/2012, Nr. 61/2018 und Nr. 21/2019, außer Kraft.