Erlassung von Leitgrundsätzen für die Methodik, die Annahmen und den zeitlichen Rahmen der wirtschaftlichen Analyse (Kosten-Nutzen-Analyse) nach Maßgabe des Anhangs IX Teil 2 der Richtlinie 2012/27/EU
Vorwort
§ 1 Ziel
§ 1 § 1
Ziel dieser Verordnung ist die Festlegung von Leitgrundsätzen für die Methodik, die Annahmen und den zeitlichen Rahmen zur Durchführung einer wirtschaftlichen Analyse (Kosten-Nutzen-Analyse) bei Anlagen mit einer thermischen Gesamtnennleistung von mehr als 20 MW nach Maßgabe des Anhangs IX Teil 2 der Richtlinie 2012/27/EU.
§ 2 Anwendungsbereich
§ 2 § 2
(1) Diese Verordnung ist anzuwenden:
1. im elektrizitätsrechtlichen Bewilligungsverfahren nach dem 7. Hauptstück des Salzburger Landeselektrizitätsgesetzes 1999 auf Stromerzeugungsanlagen mit einer thermischen Gesamtnennleistung von mehr als 20 MW, die nicht die Kriterien einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung erfüllen, zur Bewertung der Vorkehrungen für den Betrieb der Anlagen als hocheffiziente KWK-Anlage oder der Umrüstung zu einer solchen;
2. im Bewilligungsverfahren nach dem 5. Abschnitt des S.EU-Rechtsvorschriften-Begleitgesetzes
a) auf Industrieanlagen mit einer thermischen Gesamtnennleistung von mehr als 20 MW, bei denen Abwärme mit einem nutzbaren Temperaturniveau entsteht, diese aber weder rückgeführt noch mittels hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und/oder Anbindung dieser Anlage an ein Fernwärme- und Fernkältenetz genutzt wird, zur Bewertung der Verwendung der Abwärme zur Deckung eines wirtschaftlich vertretbaren Bedarfs, auch durch KWK, und der Anbindung dieser Anlagen an ein Fernwärme- und Fernkältenetz sowie
b) auf Fernwärme- und Fernkältenetze oder auf Energieerzeugungsanlagen mit einer thermischen Gesamtnennleistung von mehr als 20 MW in einem bestehenden Fernwärme- oder Fernkältenetz, die Abwärme von nahe gelegenen Industrieanlagen nicht verwenden, zur Bewertung der Verwendung der Abwärme von nahe gelegenen Industrieanlagen.
(2) Wird die Errichtung oder die erhebliche Modernisierung einer Anlage nach Abs 1 geplant, so wird die geplante Anlage mit einer gleichwertigen Anlage verglichen, bei der dieselbe Menge an Strom oder an Prozesswärme erzeugt, jedoch Abwärme rückgeführt und Wärme mittels hocheffizienter KWK und/oder Fernwärme- und Fernkältenetze abgegeben oder Abwärme von nahe gelegenen Industrieanlagen verwendet wird.
§ 3 Begriffsbestimmungen
§ 3 § 3
(1) Im Sinn dieser Verordnung gelten als:
1. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): die gleichzeitige Erzeugung thermischer Energie und elektrischer und/oder mechanischer Energie in einem Prozess;
2. hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung: die KWK, die den in Anlage IV des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010, BGBl I Nr 110, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I Nr 108/2017, festgelegten Kriterien entspricht;
3. geplante Anlage: eine Anlage nach § 2 Abs 1 mit einer thermischen Gesamtnennleistung von mehr als 20 MW, deren Errichtung oder erhebliche Modernisierung geplant ist und die
- als Stromerzeugungsanlage nicht die Kriterien einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung erfüllt,
- als Industrieanlage Abwärme mit einem nutzbaren Temperaturniveau weder rückführt noch mittels hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung und/oder Anbindung dieser Anlage an ein Fernwärme- und Fernkältenetz nutzt oder
- als Fernwärme- oder Fernkältenetz oder Energieerzeugungsanlage die Abwärme von nahe gelegenen Industrieanlagen nicht verwendet;
4. Vergleichsanlage: eine zur geplanten Anlage gleichwertige Anlage, bei der dieselbe Menge an Strom oder an Prozesswärme erzeugt, jedoch Abwärme rückgeführt und Wärme mittels hocheffizienter KWK und/oder Fernwärme- und Fernkältenetze abgegeben oder Abwärme von nahe gelegenen Industrieanlagen verwendet wird.
(2) Im Übrigen gelten die Begriffsbestimmungen des Salzburger Landeselektrizitätsgesetzes 1999.
§ 4 Systemgrenze
§ 4 § 4
(1) Bei der Bewertung sind innerhalb festgelegter geografischer Grenzen (Systemgrenzen) die geplante Anlage und etwaige geeignete bestehende oder potenzielle Wärmebedarfspunkte, die über die Anlage versorgt werden können, zu berücksichtigen, wobei den praktischen Möglichkeiten (zB technische Machbarkeit und Entfernung) Rechnung zu tragen ist.
(2) Die Systemgrenze wird so festgelegt, dass sie die geplante Anlage und die Wärmelasten umfasst, beispielsweise Gebäude und Industrieprozesse. Innerhalb dieser Systemgrenze sind die Gesamtkosten für die Bereitstellung von Wärme und Strom für beide Fälle zu ermitteln und zu vergleichen.
(3) Die Wärmelasten umfassen bestehende Wärmelasten, wie Industrieanlagen oder vorhandene Fernwärmesysteme, sowie in städtischen Gebieten die Wärmelasten und -kosten, die bestehen würden, wenn eine Gebäudegruppe oder ein Stadtteil ein neues Fernwärmenetz erhielte und/oder an ein solches angeschlossen würde.
§ 5 Umfang der Kosten-Nutzen-Analyse
§ 5 § 5
(1) Die Kosten-Nutzen-Analyse stützt sich auf die Beschreibung der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage.
(2) Die Anlagenbeschreibung hat insbesondere Angaben zu folgenden Kriterien zu enthalten:
1. elektrische Leistung,
2. thermische Leistung,
3. zum Einsatz gelangender Brennstofftyp,
4. geplante Verwendung,
5. geplante Anzahl der Betriebsstunden pro Jahr,
6. Standortwahl,
7. Bedarf an Strom und Wärme,
8. geplante Nutzungsdauer und
9. klimarelevante CO 2 -Emissionen.
(3) Beim Anlagenvergleich sind der Wärmeenergiebedarf und die Arten der Wärme- und Kälteversorgung, die von den nahe gelegenen Wärmebedarfspunkten innerhalb der Systemgrenze genutzt werden können, zu berücksichtigen. In den Anlagenvergleich fließen ferner die infrastrukturbezogenen Kosten der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage ein.
(4) Die Kosten-Nutzen-Analyse umfasst eine wirtschaftliche Analyse unter Berücksichtigung einer Finanzanalyse einschließlich einer Sensitivitäts- und Risikoanalyse.
(5) Zur Berücksichtigung externer Effekte (externe Kosten und externe Nutzen) kann die Finanzanalyse durch eine volkswirtschaftliche Analyse (§ 8) ergänzt werden, wenn für die Bewertung externer Effekte wissenschaftlich belegte, operationalisierbare Parameter verfügbar sind.
§ 6 Finanzanalyse
§ 6 § 6
(1) Die Finanzanalyse hat Aufschluss über die zu erwartenden tatsächlichen Cashflows zu geben, die sich einerseits aus den Investitionen und den zu erwartenden laufenden Kosten der geplanten Anlage und andererseits aus den Investitionen und den zu erwartenden laufenden Kosten des Betriebs einer Vergleichsanlage für einen Zeitraum von 30 Jahren ergeben.
(2) Zur Ermittlung der zu erwartenden Erlöse aus der Strom-, Wärme- und Kälteproduktion der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage, sind entsprechende marktkonforme Preiserwartungen über eine Nutzungsdauer von 30 Jahren zu ermitteln.
(3) Die Finanzanalyse hat dabei jedenfalls folgende Kriterien zu beinhalten:
1. Investitionskosten für die Errichtung oder erhebliche Modernisierung der Anlage sowie für die Auskopplung, den Transport und die Einspeisung von Wärme bzw Kälte,
2. Betriebs- und Instandhaltungskosten für die Anlage und die Anbindung von Anlage und Netz,
3. Brennstoffkosten,
4. Finanzierungskosten unter Berücksichtigung eines Zeitraums von 30 Jahren und einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals,
5. sonstige Kosten, insbesondere für die Betriebsführung und Ausfallsicherung,
6. Steuern und Abgaben,
7. CO 2 -Kosten,
8. Erlöse aus dem Verkauf von Energie (Strom/Wärme/Kälte),
9. Förderungen und Subventionen,
10. kalkulatorischer Zinssatz und
11. Restbuchwert.
(4) Soweit möglich kann die Finanzanalyse darüber hinaus folgende Kriterien umfassen:
1. Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitskosten,
2. Kosten in den Bereichen Arbeitsmarkt und Energieversorgungssicherheit sowie
3. externe Nutzen im Bereich Umwelt, Klimaschutz, Gesundheit und Sicherheit.
§ 7 Sensitivitäts- und Risikoanalyse
§ 7 § 7
(1) In der Finanzanalyse sind sensible Kostenfaktoren mit einer Bandbreite in der Wirtschaftlichkeitsberechnung anzusetzen und deren Einfluss auf das Ergebnis darzustellen.
(2) Die Sensitivitäts- und Risikoanalyse ist für folgende Kostenfaktoren mit den jeweils angegebenen Bandbreiten durchzuführen:
1. kalkulatorischer Zinssatz (Variation +/- 75 %);
2. durchschnittlicher Day-Ahead Börsepreis Strom (Variation +/- 50 %);
3. erzielbarer Preis für Verkauf von Wärme/Kälte (Variation +/- 50 %);
4. CO 2 -Preis (Variation +/- 50 %);
5. Brennstoffkosten (Variation +/- 50 %);
6. Verbrauchsszenarien/Erlösszenarien (Variation +/- 50 %).
§ 8 Volkswirtschaftliche Analyse
§ 8 § 8
Die volkswirtschaftliche Analyse erweitert die Finanzanalyse um externe Effekte (externe Kosten und externe Nutzen), die der geplanten Anlage sowie der Vergleichsanlage zuzurechnen sind. Dabei können insbesondere Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima, die Gesundheit, die Versorgungssicherheit und Primärenergieeinsparungen, den Arbeitsmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit sowie der Nutzen für die Verbraucher (Strom-, Wärme- und Kältepreis) berücksichtigt werden.
§ 9 Barwertvergleich, Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse
§ 9 § 9
Im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse sind sowohl für die geplante Anlage als auch für die Vergleichsanlage die Barwerte zu ermitteln und einander gegenüberzustellen. Ein positives Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse liegt vor, wenn in der wirtschaftlichen Analyse und in der Finanzanalyse der abgezinste Gesamtnutzen die abgezinsten Gesamtkosten übersteigt und der so ermittelte Barwert der Vergleichsanlage höher ist als jener für die geplante Anlage (positives Kosten-Nutzen-Ergebnis).
§ 10 Umsetzungshinweis
§ 10 § 10
Durch diese Verordnung wird die Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG, ABl Nr L 315 vom 14. November 2012, in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, ABl Nr L 328 vom 21. Dezember 2018, umgesetzt.
§ 11 Inkrafttreten
§ 11 § 11
Diese Verordnung tritt mit 30. Dezember 2020 in Kraft.