Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2025, W601 2313772 3/14E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der im Jahr 1998 geborene Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste am 30. Jänner 2022 unter Verwendung eines verfälschten somalischen Reisepasses und eines gefälschten italienischen Visums nach Österreich ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 25. Juli 2023 rechtskräftig abgewiesen wurde. Unter einem wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Zudem wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für eine freiwillige Ausreise gewährt.
2Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge nicht nach und tauchte unter, bis er am 13. September 2023 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte, welchen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 20. Juni 2024 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Unter einem wurde ihm keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 8. Juli 2024 als unbegründet ab.
3 Am 28. Jänner 2025 wurde der Revisionswerber welcher seiner Ausreiseverpflichtung wiederum nicht nachgekommen war in Vollziehung eines Festnahmeauftrages des BFA gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 1 Z 2 BFA VG festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt, wo er bis zum 30. Jänner 2025 angehalten wurde. Im Zuge eines am 30. Jänner 2025 mit der somalischen Vertretungsbehörde in Genf durchgeführten Videointerviews wurde der Revisionswerber von der Vertretungsbehörde Somalias als somalischer Staatsangehöriger identifiziert.
4 Bei einem am 14. März 2025 durchgeführten Rückkehrberatungsgespräch gab der Revisionswerber an, nicht rückkehrwillig zu sein.
5 Am 20. Mai 2025 wurde der Revisionswerber in Vollziehung eines auf § 34 Abs. 3 Z 1 BFAVG gestützten Festnahmeauftrages des BFA festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt. Mit Mandatsbescheid vom 23. Mai 2025 verhängte das BFA über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung.
6 Die am 28. Mai 2025 begonnene begleitete Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia scheiterte, da in Mogadischu die Übernahme des Revisionswerbers durch die dort zuständige „Immigration and Citizenship Agency“ Somalias (ICA) verweigert wurde. Die ICA begründete dies damit, dass eine Überstellung im Vorfeld schriftlich angekündigt werden müsse und diese Nachricht die entsprechenden Papiere bzw. Informationen zur Art der Rückführung zu enthalten habe. Nach einer Prüfung werde sodann eine Zusage („Approval Letter“) oder Ablehnung erteilt. Daraufhin wurde der Revisionswerber wieder nach Österreich rücküberstellt, wo er am 30. Mai 2025 ankam, festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt wurde.
7Mit Mandatsbescheid vom 30. Mai 2025 verhängte das BFA über den Revisionswerber erneut gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung.
8 Die gegen diesen Schubhaftbescheid und die darauf gegründete Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde vom 4. Juni 2025 wies das BVwG mit Erkenntnis vom 11. Juni 2025 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Unter einem stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen. Eine weitere, am 18. Juni 2025 erhobene Schubhaftbeschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG mit Erkenntnis vom 23. Juni 2025 ebenfalls als unbegründet ab, wobei es wiederum aussprach, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorlägen.
9 Am 21. Juli 2025 erhob der Revisionswerber Schubhaftbeschwerde gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit 24. Juni 2025, welche das BVwG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlungmit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA VG als unbegründet abwies. Unter einem stellte es gemäß § 22a Abs. 3 BFAVG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorlägen. Schließlich traf es diesem Verfahrensergebnis entsprechende Kostenentscheidungen und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
11 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß Art. 133 Abs. 9 B VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden.
12An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
13 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt zunächst vor, dass das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wonach konkrete Feststellungen zur Realisierbarkeit der Abschiebung erforderlich seien. Das BVwG habe sich lediglich in oberflächlicher, nicht nachvollziehbarer Weise mit der Effektuierbarkeit der Abschiebung des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Es hätte einer begründeten Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob und in welchem Zeitraum das für eine Rücküberstellung des Revisionswerbers nach Somalia fehlende Dokument der „Approval Letter“ der ICA vorliegen werde bzw. welche Erfolgschancen den dazu angestrengten Bemühungen der Behörden zukämen.
14Einzuräumen ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung stets nur dann rechtens sein kann, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Es sind daher Feststellungen zur möglichen Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der (jeweils) zulässigen Schubhafthöchstdauer zu treffen (vgl. des Näheren VwGH 11.5.2017, Ra 2016/21/0144, Rn. 10, aus der letzten Zeit etwa VwGH 17.11.2022, Ra 2020/21/0497, Rn. 15).
15 Diesen Begründungserfordernissen ist das BVwG jedoch fallbezogen ausreichend nachgekommen. So stellte es im Zusammenhang mit der Frage der Effektuierbarkeit der Abschiebung nach Somalia fest, dass für eine Abschiebung nach Somalia eine Identitätsbestätigung, ein EU Laissez Passer und entsprechend der in Rn. 6 dargelegten Information des ICA ein „Approval Letter“ der somalischen Behörden notwendig sei. Der Revisionswerber sei am 30. Jänner 2025 im Rahmen eines Videointerviews von der somalischen Vertretungsbehörde als somalischer Staatsangehöriger identifiziert worden, und es sei für ihn bereits ein EU Laissez Passer ausgestellt worden. Die Abschiebung am 28. Mai 2025 sei lediglich am fehlenden „Approval Letter“ gescheitert. Am 30. Mai 2025 habe das BFA bei der zuständigen Stelle in Somalia ein solches Dokument beantragt. Am 10. Juni 2025 habe die ICA den Erhalt des Antrages bestätigt und um Auskunft ersucht, ob es sich um eine freiwillige oder zwangsweise Rückführung handle. Diese Anfrage sei vom BFA am 10. Juni 2025 beantwortet worden. Nach mehreren Urgenzen seitens des BFA beim ICA habe am 14. Juli 2025 der dortige Ansprechpartner eine „baldige“ Antwort in Aussicht gestellt. Eine Ablehnung des Antrages auf Ausstellung eines „Approval Letter“ sei auch nachdem bekannt gegeben worden sei, dass es sich um eine zwangsweise Rückführung handle bislang nicht erfolgt. Weiters hätten somalische Vertreter im Rahmen eines Technical Dialogue der Europäischen Kommission am 8. Juli 2025 ihre Bereitschaft zu Rückführungen aus allen EU-Mitgliedstaaten nach Somalia erklärt und habe Deutschland am 10. Juli bzw. 11. Juli 2025 zwangsweise Rückführungen nach Somalia durchgeführt. Ausgehend davon sei mit der Ausstellung des „Approval Letter“ durch die ICA und mit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia innerhalb der nächsten dreieinhalb Monate, jedenfalls binnen der höchstzulässigen Schubhaftdauer, zu rechnen.
16Entgegen den Ausführungen in der Revision traf das BVwG somit umfangreiche Feststellungen zur Frage der Effektuierbarkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia und leitete aus diesen schlüssig ab, dass mit dem Erhalt des „Approval Letter“ für den Revisionswerber zeitnah zu rechnen und damit eine Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer „maßgeblich wahrscheinlich“ sei. Damit steht das Erkenntnis des BVwG auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Zulässigkeit der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht notwendiger Weise voraussetzt, dass ihre Effektuierung schon als gewiss feststeht. Die Abschiebung muss sich nach Lage des Falles lediglich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (vgl. VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0080, Rn. 6, mwN). Vor dem Hintergrund der in Rn. 15 dargestellten Feststellungen denen in der Revision nicht entgegengetreten wird durfte das BVwG zu Recht eine derart ausreichende Wahrscheinlichkeit annehmen.
17 Dem eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister lässt sich im Übrigen entnehmen, dass der Revisionswerber dann tatsächlich am 1. September 2025 nach Somalia abgeschoben wurde.
18 Der Revisionswerber releviert in der Begründung zur Zulässigkeit der Revision zudem, dass die in der Beschwerde beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen wäre. Das BVwG hätte nämlich nach Auffassung des Revisionswerbers im Hinblick auf die angenommene Fluchtgefahr und die Nichtanwendung gelinderer Mittel nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen dürfen.
19 Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass nicht in allen Fällen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks erforderlich ist, um die konkrete Fluchtgefahr insbesondere im Hinblick auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit des betreffenden Fremdenbeurteilen zu können. Sie lässt sich vielmehr auch aus einem einschlägigen Vorverhalten ableiten (vgl. etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2024/21/0026, Rn. 11, mwN).
20 Vor diesem Hintergrund stützte sich das BVwG zutreffend darauf, dass der Revisionswerber mit einem verfälschten Reisepass und gefälschten Visum in das Bundesgebiet eingereist war, bis zuletzt keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, trotz einer durchsetzbaren und durchführbaren Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung bereits über einen längeren Zeitraum nicht nachgekommen und zeitweise untergetaucht war, über keine familiären Anknüpfungspunkte und keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich verfügte sowie nicht selbsterhaltungsfähig war.
21 Schon angesichts dieses Vorverhaltens durfte das BVwG trotz einer allenfalls bestehenden Beziehung des Revisionswerbers zu einer in Österreich lebenden Frau in vertretbarer Weise vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgehen und das Ausreichen eines gelinderen Mittels verneinen. Vor dem Hintergrund der oben in Rn. 19 referierten Judikatur war es daher fallbezogen auch vertretbar, insoweit einen geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA VG anzunehmen und von einer Verhandlung abzusehen.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2025