Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des A D, vertreten durch Dr. Christian Puchner und Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2025, W150 2313574 1/20E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der im Jahr 2001 geborene Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Mai 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 9. April 2021 rechtskräftig abgewiesen wurde. Unter einem wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Zudem wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für eine freiwillige Ausreise gewährt.
2 Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung in der Folge nicht nach.
3Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. März 2023 wurde über den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter einem wurde ihm eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Revisionswerber die gewährte Frist zur Ausreise nicht eingehalten habe und eine Abschiebung durch Verlassen seiner Unterkunft mutwillig und rechtswidrig verhindert habe. Zudem sei er mit Urteil eines Landesgerichtes vom 4. August 2021 wegen eines Suchtmitteldeliktes zu einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von drei Monaten verurteilt worden.
4 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das BVwG mit Erkenntnis vom 24. November 2023nachdem das BFA eine für das vorliegende Verfahren nicht relevante Beschwerdevorentscheidung erlassen und der Revisionswerber einen Vorlageantrag nach § 15 Abs. 1 VwGVG gestellt hatte insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbots auf zwei Jahre herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Am 21. Mai 2025 wurde der Revisionswerber in Vollziehung eines auf § 34 Abs. 3 Z 1 BFAVG gestützten Festnahmeauftrages des BFA festgenommen und in ein Anhaltezentrum überstellt. Mit Mandatsbescheid vom 22. Mai 2025 verhängte das BFA über ihn gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 6. Juni 2025 wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen den Schubhaftbescheid und die „Anhaltung in Schubhaft seit 19. Mai 2025“ erhobene Beschwerde vom 30. Mai 2025 gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFAVG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 und Abs. 6 FPG bezüglich des Zeitraums ab dem 22. Mai 2025 als unbegründet ab, hinsichtlich des Zeitraums von 19. Mai 2025 bis 21. Mai 2025 als unzulässig zurück. Unter einem stellte es gemäß § 22a Abs. 3 BFAVG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorlägen. Schließlich traf es diesem Verfahrensergebnis entsprechende Kostenentscheidungen und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß Art. 133 Abs. 9 B VG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Artikels sinngemäß anzuwenden.
9An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt zunächst vor, dass das BVwG von in der Revision näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, da es nicht dargetan habe, dass für den Revisionswerber ein Heimreisezertifikat (zeitgerecht) erlangt werden könne bzw. seine Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer erfolgen könne. Das BVwG habe nur unzureichende bzw. keine Feststellungen betreffend die mögliche Realisierbarkeit der Abschiebung getroffen.
11 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach den mit der Revision nicht konkret bestrittenen Feststellungen des BVwG für eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia die Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht erforderlich sei, sondern hierfür ein Laissez Passer sowie eine Identitätsbestätigung und ein „Approval Letter“ der somalischen Behörden ausreiche.
12Richtig ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung stets nur dann rechtens sein kann, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Es sind daher Feststellungen zur möglichen Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der (jeweils) zulässigen Schubhafthöchstdauer zu treffen (vgl. des Näheren VwGH 11.5.2017, Ra 2016/21/0144, Rn. 10, aus der letzten Zeit etwa VwGH 17.11.2022, Ra 2020/21/0497, Rn. 15).
13 Diesen Begründungserfordernissen ist das BVwG jedoch ausreichend nachgekommen. So stellte es im Zusammenhang mit der Frage der Effektuierbarkeit der Abschiebung nach Somalia fest, dass der Revisionswerber im Rahmen eines Videointerviews am 28. Mai 2025 von der somalischen Vertretungsbehörde als somalischer Staatsangehöriger mündlich identifiziert und für ihn bereits ein EU Laissez Passer ausgestellt worden sei. Eine schriftliche Identifizierungsbestätigung sei innerhalb der nächsten zwei Wochen zu erwarten. Linienflüge nach Somalia fänden regelmäßig statt. Ein gültiges Heimreisezertifikat liege für den Revisionswerber nicht vor, sei jedoch auch nicht notwendig. Für die Einreise nach Somalia sei eine Identifizierung des Revisionswerbers, ein EU Laissez Passer sowie eine Vorausinformation der somalischen Grenzbehörde erforderlich, die daraufhin im Genehmigungsfall einen sogenannten „Approval Letter“ ausstelle. Dies sei dem BFA seit 29. Mai 2025 bekannt. Seitens der Schweizerischen Behörden würden Rückführungen nach Somalia mittels Laissez Passer durchgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit den somalischen Behörden habe sich seit Jahresende 2024 erheblich verbessert. Die Abschiebung des Revisionswerbers erscheine somit insgesamt zeitnah, jedenfalls innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer wahrscheinlich.
14Entgegen den Ausführungen in der Revision traf das BVwG somit konkrete Feststellungen zur Frage der Effektuierbarkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia und leitete aus diesen schlüssig ab, dass die Abschiebung des Revisionswerbers innerhalb der Schubhafthöchstdauer wahrscheinlich sei. Damit steht das Erkenntnis des BVwG auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Zulässigkeit der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht notwendiger Weise voraussetzt, dass ihre Effektuierung schon als gewiss feststeht. Die Abschiebung muss sich nach Lage des Falles lediglich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (vgl. VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0080, Rn. 6, mwN). Vor dem Hintergrund der in Rn. 13 dargestellten Feststellungen denen in der Revision nicht entgegengetreten wird durfte das BVwG zu Recht eine derart ausreichende Wahrscheinlichkeit annehmen.
15 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung zur Zulässigkeit der Revision zudem gegen die Annahme des BVwG, dass eine die Schubhaft rechtfertigende Fluchtgefahr vorliege.
16Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob konkret von einem Sicherungsbedarf bzw. von Fluchtgefahr auszugehen ist, der nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne, stets eine solche des Einzelfalles, die daher als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. dazu etwa VwGH 23.5.2024, Ra 2021/21/0095, Rn. 11, mwN).
17 Das ist hier der Fall. Das BVwG ging nämlich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber schon deshalb in vertretbarer Weise von einer nur durch Schubhaft zu sichernden Fluchtgefahr aus, weil der Revisionswerber nach den insoweit in der Revision nicht konkret bestrittenen Feststellungen des BVwG öfters und über längere Zeit hindurch die Meldevorschriften in Österreich nicht einhielt und dadurch versuchte, sich vor den Behörden verborgen zu halten, er unentschuldigt zu mehreren Gerichtsterminen nicht erschienen ist, gegen ihn eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht und er durch Untertauchen seine Abschiebung zu behindern versuchte. In Anbetracht dieses Verhaltens des Revisionswerbers durfte das BVwG jedenfalls vertretbar von Fluchtgefahr ausgehen, der nur durch Schubhaft und nicht auch durch gelindere Mittel begegnet werden könne.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 1. Oktober 2025