JudikaturVwGH

Ra 2025/21/0036 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des F N, vertreten durch Mag. Daniel Kirch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Jänner 2025, G305 2301086 1/8E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der im Jahr 1981 geborene Revisionswerber, ein slowakischer Staatsangehöriger, ist seinen Angaben zufolge seit Dezember 2023 durchgehend in Österreich aufhältig und bereits davor nach seiner am 15. August 2023 erfolgten Entlassung aus einer in der Slowakei verbüßten mehrjährigen Freiheitsstrafe regelmäßig von der Slowakei nach Österreich gependelt. Seit Mitte Oktober 2023 ist der Revisionswerber in einem Restaurant in Österreich als Küchenhilfe beschäftigt. Die beim selben Unternehmen in Österreich berufstätige slowakische Ehefrau des Revisionswerbers und die drei gemeinsamen, in den Jahren 2007, 2010 und 2015 geborenen, hier die Schule besuchenden Söhne ebenfalls slowakische Staatsangehörige kamen mit dem Revisionswerber nach Österreich und leben mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt. Seine volljährige, verheiratete Tochter lebt in der Tschechischen Republik.

2 Nachdem der Revisionswerber in den Jahren 2007 und 2008 in der Slowakei jeweils wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafgerichtlich zu Freiheitsstrafen verurteilt worden war, folgte im Jahr 2013 eine weitere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen des Deliktes der gefährlichen Drohung. Schließlich wurde er mit rechtskräftigem Urteil eines slowakischen Kreisgerichtes vom 29. Mai 2017 wegen des besonders schweren Verbrechens des unerlaubten Herstellens, Besitzes und Handels mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen, Giften oder Vorprodukten zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Unter einem wurde er für die Dauer von 24 Monaten nach seiner Entlassung aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe verpflichtet, die erforderlichen Angaben über die Art und Weise und die Quellen seines Lebensunterhalts zu machen und diese nachzuweisen, sich innerhalb von festgelegten Fristen bei den slowakischen Behörden zu melden und ein Entfernen von dem in der Entscheidung des Gerichts angegebenen Wohnort im Voraus zu melden. Dieser Verurteilung welche einer zwischen dem Revisionswerber und der zuständigen Staatsanwaltschaft geschlossenen Schuld und Strafvereinbarung folgte lag im Wesentlichen der Tatvorwurf zugrunde, der Revisionswerber habe von Oktober 2013 bis zumindest Anfang Oktober 2016 in der Slowakei Methamphetamin in noch unbekannten Mengen beschafft, anschließend aufgeteilt, in kleinere Mengen abgepackt und an andere Personen weiterverkauft.

3 Im Hinblick auf seine Straffälligkeit erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nachdem es von der Niederlassungsbehörde infolge der vom Revisionswerber beantragten Ausstellung einer Anmeldebescheinigung von dessen Verurteilungen informiert worden warmit Bescheid vom 19. September 2024 gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot und gewährte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat.

4Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Jänner 2025 als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 11.3.2025, E 520/2025 5) fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose und erkennbar auch gegen die durchgeführte Interessenabwägung. Das BVwG habe keine Zukunftsprognose zur Gefährlichkeit des Revisionswerbers getroffen, sondern das Aufenthaltsverbot und dessen Dauer lediglich auf das „massiv belastete Vorleben des Revisionswerbers in der Slowakei“ gestützt. In Österreich sei der Revisionswerber jedoch nie straffällig geworden. Die den Verurteilungen des Revisionswerbers in der Slowakei zugrundeliegenden Tathandlungen, wofür er das Haftübel verspürt habe, lägen außerdem bereits sieben Jahre zurück. Seitdem sei er nicht mehr straffällig geworden. In Österreich habe er mit seiner Familie „ein neues Leben“ begonnen, sich eine „neue Existenz“ aufgebaut und sein Leben dahingehend geordnet, dass er seit eineinhalb Jahren bei demselben Arbeitgeber in Österreich beschäftigt sei. Das BVwG habe diesen Umständen keine (ausreichende) Beachtung geschenkt. Vor diesem Hintergrund sei jedenfalls auch die Dauer des Aufenthaltsverbots unverhältnismäßig.

9 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber jedoch nicht auf, dass dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Gefährdungsprognose nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen und vom BVwG richtig herangezogenenMaßstab des § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) oder in Bezug auf die gemäß § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender, für das Ergebnis der Entscheidung relevanter Fehler unterlaufen wäre.

10Soweit der Revisionswerber ins Treffen führt, dass er die Straftaten nicht in Österreich gesetzt habe, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, dass auch Straftaten, die ausländischen Verurteilungen zugrunde lagen, in die Gefährdungsprognose einbezogen werden dürfen (vgl. etwa VwGH 9.6.2022, Ra 2021/21/0157, Rn. 12, mwN, und darauf Bezug nehmend VwGH 18.1.2024, Ra 2022/21/0168, Rn. 12).

11 Das BVwG stützte sich bei der Gefährdungsprognose tragend auf die unter Rn. 2 genannten, über einen langen Zeitraum begangenen Tathandlungen, die der Verurteilung des Revisionswerbers vom 29. Mai 2017 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten zugrunde lagen. Das ist entgegen der Meinung in der Revision nicht zu beanstanden. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz der vorliegenden Art bereits wiederholt davon ausgegangen, diese stelle auch nach unionsrechtlichen Maßstäbenein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe. Angesichts dessen sei es nicht rechtswidrig, in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG (nunmehr § 67 Abs. 1 FPG) anzunehmen (so bereits VwGH 12.10.2010, 2010/21/0335, mwN, betreffend eine vergleichbare Verurteilung wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren).

12 Soweit der Revisionswerber im Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose noch ins Treffen führt, dass seine Tathandlungen bereits mehr als sieben Jahre zurücklägen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich nach dem Vollzug einer Haftstrafein Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat, wobei dies selbst für den Fall einer erfolgreich absolvierten Therapie gilt (vgl. etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2023/21/0090, Rn. 20, mwN). Angesichts der langjährigen schweren Straffälligkeit des Revisionswerbers im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten, mit denen wie erwähnt eine hohe Wiederholungsgefahr einhergeht, ist es evident, dass ein in der kurzen Zeit von etwa eineinhalb Jahren in Freiheit gezeigtes Wohlverhalten noch nicht als ausreichend angesehen werden kann, um im vorliegenden Fall von einem Wegfall oder auch nur einer maßgeblichen Minderung der Gefährdung ausgehen zu können.

13 Insofern der Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit der Revision noch punktuelle Begründungsmängel in Bezug auf die Gefährdungsprognose wegen dem BVwG unterlaufener Aktenwidrigkeiten geltend macht, ist ihm zu erwidern, dass es sich dabei um keine tragenden, für das Ergebnis in diesem insoweit eindeutigen Fall maßgebliche Unzulänglichkeiten handelt, die deshalb somit mangels Relevanz nicht die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses nach sich zu ziehen haben. Das gilt auch für die Annahme in der Revision, das BVwG habe dem Revisionswerber unterstellt, durch seinen Umzug nach Österreich gegen die strafgerichtlichen Auflagen verstoßen zu haben. Auf diesen zusätzlichen Aspekt kommt es nämlich nicht entscheidungswesentlich an.

14 Dass die vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks des Revisionswerbers nach § 9 BFAVG vorgenommene Interessenabwägung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, zeigt die Revision ebenfalls nicht auf (vgl. zur hierfür bestehenden Maßgeblichkeit des Vertretbarkeitskalküls etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2022/21/0195, Rn. 9, mwN). Das BVwG hat nämlich den in der Revision zugunsten des Revisionswerbers ins Treffen geführten Aspekten, insbesondere dem Umstand, dass er sich seit Ende des Jahres 2023 gemeinsam mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Söhnen durchgehend in Österreich aufhält, und erkennbar auch der ausgeübten Berufstätigkeit, ohnehin ausreichend Rechnung getragen. In Anbetracht der gravierenden Straftaten des Revisionswerbers über einen langen Zeitraum, die mit einer hohen unbedingten Freiheitsstrafe sanktioniert wurden, und des daraus ableitbaren großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von derartigen Suchtgiftdelikten war aber die Beurteilung des BVwG im Rahmen der Interessenabwägung, der Revisionswerber und seine Familienangehörigen hätten eine (befristete) Trennung hinzunehmen, unter Einbeziehung der vom BVwG auch ins Treffen geführten, jedenfalls bestehenden Besuchsmöglichkeiten in der Slowakei zumindest vertretbar. Dabei durfte es überdies berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich und auch jener seiner Kernfamilie erst etwa eineinhalb Jahre andauerte.

15Vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen kann es schließlich auch nicht als unvertretbar angesehen werden, dass das BVwG die Dauer des mit fünf Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes als angemessen beurteilte, zumal es zutreffend darauf verwies, dass § 67 Abs. 3 Z 1 FPG in der vorliegenden Konstellation wegen Verurteilung zu einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe jedenfalls nach nationalem Recht auch die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbot ermöglicht hätte.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 10. April 2025