JudikaturVwGH

Ra 2022/21/0195 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des M D, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2022, G306 2247943 1/8E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der 1982 geborene deutsche Revisionswerber hält sich nach einem Voraufenthalt von Februar 2008 bis August 2015 seit Ende April 2017 durchgehend in Österreich auf. Der ledige Revisionswerber verfügt über keine familiären Bindungen in Österreich. In Deutschland ist er für eine bei ihrer Mutter lebende minderjährige Tochter unterhaltspflichtig.

2Der an Suchtmittel gewöhnte Revisionswerber wurde am 11. November 2020 im Zuge einer Hausdurchsuchung festgenommen und anschließend in Untersuchungshaft genommen. Mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 19. Mai 2021 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG in Form der Bestimmungstäterschaft nach § 12 zweiter Fall StGB, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 dritter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Dem Schuldspruch lag (unter Bedachtnahme auf die Entscheidungsgründe) vor allem zugrunde, dass der Revisionswerber im Zeitraum Jänner 2019 bis November 2020 Suchtgifte (7.000 Gramm Amphetamin sowie jeweils unbekannte Mengen Ecstasy Tabletten und Kokain) im Internet bzw. Darknet auf virtuellen Marktplätzen bestellte und die jeweiligen Drogenlieferanten ersuchte, ihm das Suchtgift im Postweg aus dem Ausland (England und den Niederlanden) nach Österreich zu schicken. Weiters hat er ungefähr 3.000 Gramm Amphetamin und unbekannte Mengen Ecstasy Tabletten an verschiedene Abnehmer verkauft und dafür insgesamt zumindest ca. 15.000 € erhalten. Im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte das Strafgericht als mildernd insbesondere das reumütige Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, den bisher ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers, seine Suchtgiftergebenheit und den Umstand, dass die Taten mit dem sonstigen Verhalten des Revisionswerbers in auffallendem Widerspruch standen. Erschwerend wertete das Strafgericht den langen Tatzeitraum, die teilweise Tatbegehung als Bestimmungstäter, das mehrfache Überschreiten der 25 fachen Grenzmenge sowie das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und Vergehen.

3Im Hinblick auf diese Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 14. September 2021 gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, gewährte ihm in Anwendung des letzten Halbsatzes des § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte gemäß § 18 Abs. 3 BFA VG einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab.

4Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. April 2022 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende nach Ablehnung der Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und deren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 25.8.2022, E 2219/2022 5) fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 Unter diesem Gesichtspunkt wendet sich die Revision mit dem Hinweis auf die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers in Österreich, im Besonderen auf den durchgehenden Aufenthalt seit 28. April 2017, seine in diesem Zeitraum „immer wieder“ bzw. „überwiegend“ ausgeübte Erwerbstätigkeit und die im Bundesgebiet erlangte soziale Integration nur gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung. Sie hätte „selbst unter Bedachtnahme auf die Verurteilung“ zugunsten des Revisionswerbers ausfallen müssen.

9 Dem ist zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage beruht und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgt ist nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 BVG ist (vgl. etwa VwGH 21.3.2024, Ra 2023/21/0188, Rn. 15, mwN).

10 Dass die vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Verwertung des persönlichen Eindrucks nach § 9 BFA VG vorgenommene Interessenabwägung in unvertretbarer Weise erfolgt wäre, zeigt die Revision nicht auf. Das BVwG hat den in der Revision zugunsten des Revisionswerbers ins Treffen geführten Aspekten, insbesondere der Dauer seines Aufenthalts in Österreich, der sozialen Integration und der hier ausgeübten Erwerbstätigkeit ausreichend Rechnung getragen. Dennoch durfte es angesichts des vom Revisionswerber über einen langen Tatzeitraum begangenen Suchtgifthandels und grenzüberschreitenden Suchtgiftschmuggels, der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein besonders verpöntes Fehlverhalten mit hoher Wiederholungsgefahr darstellt, von einem äußerst großen, die privaten Interessen des Revisionswerbers überwiegenden öffentlichen Interesse an der Unterbindung derartiger Straftaten ausgehen. In Anbetracht des vom Revisionswerber ausgehenden in der Revision unbestrittenenhohen Gefährdungspotenzials und des daraus resultierenden massiven öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung erweist sich die Interessenabwägung, bei der nur ein Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers, nicht aber in ein Familienleben zu beurteilen war, somit jedenfalls als vertretbar. Denn es wurde bereits judiziert, dass bei derart schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln selbst ein langjähriger Aufenthalt in Österreich und sogar eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht (vgl. zum Ganzen VwGH 19.5.2022, Ra 2019/21/0396, Rn. 20 bis 23, mwN).

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG aufgezeigt, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 18. Dezember 2024