JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0036 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des J O, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2024, I412 2217437 3/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte erstmals am 4. Juli 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), der in der Folge im Beschwerdeverfahren rechtskräftig abgewiesen wurde.

2 Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und stellte am 18. August 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG 2005. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 zurück und erließ unter anderem eine Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 9. März 2023 als unbegründet abgewiesen. Der Revisionswerber erhob dagegen Revision an den Verwaltungsgerichtshof, die nach wie vor anhängig ist.

3 Am 11. April 2023 stellte der Revisionswerber neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

4 Mit Bescheid vom 25. Oktober 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Folgeantrag hinsichtlich der Begehren auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und gewährte ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 26. November 2024 zu E 2560/2024 9 ab und trat diese unter einem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 17.10.2024, Ra 2024/20/0607, mwN).

11 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision gegen die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel (vgl. VwGH 23.10.2024, Ra 2024/20/0554, mwN).

13 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 31.5.2024, Ra 2024/20/0286, mwN).

14 In der Revision wird nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Durchführung der Interessenabwägung nach § 9 BFA VG die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien missachtet oder unvertretbar angewendet hätte. Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat es die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers, seine hervorragenden Deutschkenntnisse und die Bemühungen, im Berufsleben Fuß zu fassen gewürdigt. Ebenso hat sich das Verwaltungsgericht mit den Bindungen des Revisionswerbers zu seinem Herkunftsland auseinandergesetzt. Zu Recht hat das Bundesverwaltungsgericht aber auch betont, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden muss, dass ein Fremder wie hier der Revisionswerber, dessen Aufenthalt in Österreich stets unsicher war mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf den Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 29.6.2022, Ra 2021/20/0403; 2.3.2023, Ra 2021/21/0158; 18.12.2023, Ra 2022/17/0169 bis 0172, jeweils mwN).

15 Überdies macht der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung geltend, sein Recht auf ein „Verfahren vor einem gesetzlichen Richter“ sei verletzt worden, weil das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis abermals eine Rückkehrentscheidung erlassen habe, obwohl in dem noch anhängigen Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 über die darin enthaltene Rückkehrentscheidung noch nicht abschließend entschieden worden sei.

16 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und des § 52 Abs. 2 Z 2 FPG die Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich beider Begehren (sowohl jenes auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist (wenn dafür die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen). Damit steht der Erlassung einer Rückkehrentscheidung auch nicht das ansonsten aus der Rechtskraft einer früheren solchen Entscheidung resultierende Wiederholungsverbot entgegen. Insoweit ist nämlich dem Gesetz ein Abgehen von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der „Unwiederholbarkeit“ zu entnehmen (vgl. zum Ganzen ausführlich VwGH 25.10.2023, Ra 2023/20/0125, samt Verweisen auf frühere Judikate). Für eine einschränkende Interpretation des § 52 FPG wie der Revisionswerber in seinen Ausführungen in der Revision meint und somit für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung besteht keine Veranlassung.

17 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2025

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