Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Doblinger sowie den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen das am 24. Jänner 2025 verkündete und am 12. März 2025 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW 171/101/17638/2024-20, betreffend vorläufige Suspendierung nach der Dienstordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber steht als D der E in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
2 Mit Bescheid vom 27. November 2024 sprach der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) als Dienstbehörde gemäß § 94 Abs. 1 Z 2 Dienstordnung 1994 (DO 1994) die vorläufige Suspendierung des Revisionswerbers aus, weil er im Verdacht stehe, es unterlassen zu haben, gegenüber Mitarbeitern ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen sowie im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht würden, untergraben könnte, und dem Gebot, im Umgang mit seinen Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzten oder dies bezweckten oder in sonstiger Weise diskriminierend seien, indem er (zusammengefasst) einen namentlich genannten ihm direkt unterstellten Mitarbeiter teilweise über mehrere Jahre hinweg und wiederholt als „Taugenichts“, „Missgeburt“, „Hurenkind“, „Arschloch“, „Schwuchtel“, „Gschissener“, „Trottel“, „Krüppel“ und „faule Sau“ beschimpft habe, ihm gegenüber mehrmals geäußert habe „Du hättest dich nicht vermehren sollen“, „Du solltest schwul werden“, sowie anlässlich eines geäußerten Urlaubswunsches zum ersten Weihnachten mit seinem Kind: „Dein Kind ist genauso deppert wie du, du brauchst nicht daheim bleiben.“ [Spruchpunkte I) A) 1) bis 12)]; einen anderen ihm direkt unterstellten Mitarbeiter ebenso als „deppert“ und „Trottel“ beschimpft und wiederholt ihm gegenüber geäußert habe: „Du wirst nie weiterkommen, jeder Springer ist nach ein paar Wochen besser als du!“, ihn in unangebrachter, provokanter und demütigender Weise gefragt habe, ob er „noch in den Schacht steigen“ könne und ob er „das noch schaffe“, sowie anlässlich des Holens des erstgenannten Mitarbeiters zum Mittagessen gesagt habe: „Du holst nicht den Langen, du holst das Arschloch.“ [Spruchpunkte I) B) 1) bis 5)]; den erstgenannten Mitarbeiter über einen näher angegebenen Zeitraum von etwa fünf Jahren sechs bis siebenmal mit dem Zugstock (Dachlukenöffner), den er selbst als „Erzieher“ bezeichnet habe, mehrfach Schläge auf den Rücken versetzt habe, wobei dieser beim letzten Mal Striemen am Rücken davongetragen habe; ihn immer wieder mit den Worten: „Du brauchst wieder mal den Erzieher!“ bedroht und Drohgebärden mit dem Stock gemacht oder mit dem Stock auf den Tisch geschlagen habe; ihm einmal einen Schlag mit einem Plastiklineal in dessen Genick versetzt habe; ihm Schläge mit dem Dachlukenöffner und dem Plastiklineal angedroht habe; ihm immer wieder Schläge mit einem zusammengedrehten Geschirrtuch auf dessen Oberschenkel versetzt und einmal einen Schlag mit dem Plastiklineal auf dessen Handrücken versetzt habe, wobei er die Handlungen teilweise als „Erziehungsmaßnahmen“ bezeichnet habe [Spruchpunkte II) 1) bis 7)]; von diesem Mitarbeiter willkürlich und ohne sachliche Rechtfertigung Zeitbestätigungen für Arztbesuche in der Dienstzeit verlangt habe, wobei er ihm unterstellt habe, diese gefälscht zu haben; den Turnus der Mitarbeiter willkürlich, ohne sachliche Rechtfertigung und ohne den betreffenden Mitarbeiter vorab zu informieren, teilweise mehrfach verschoben habe, wobei er mitunter respektlos angemerkt habe: „Ja, ich habe es verschoben, gut, dass du es selbst gemerkt hast.“; zu kurzfristigen Urlaubswünschen dieses Mitarbeiters mehrfach gesagt habe: „Schon wieder du Trottel. Das geht mir am Arsch mit dir.“ und einen beantragten Urlaub ohne sachliche Rechtfertigung nicht genehmigt habe, wobei er den Mitarbeiter zuvor aufgefordert habe „lieb bitte bitte“ zu sagen und ihn dann gezwungen habe, den Antrag zu löschen, sowie bei Einsätzen seines Teams zu Gebrechensmeldungen vor Ort willkürlich Ausfahrten mit bloß verringerter Mannschaft verfügt und einen Mitarbeiter „zum Kochen“ in der Dienststelle bestimmt habe [Spruchpunkte III) 1) bis 6)].
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6Wenn nun der Revisionswerber der Darlegung der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der Revision seine, vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung wiedergegebene Verantwortung zugrunde legt, die das Gericht jedoch als äußerst wechselhaft und sich widersprechend und daher nicht geeignet, die Verdachtslage zu entkräften beurteilte (siehe Punkt 2.7. des angefochtenen Erkenntnisses), gehen die Zulässigkeitsausführungen insoweit nicht von dem vom Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis zugrunde gelegten Sachverhalt aus und wird schon deshalb fallbezogen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, die der Verwaltungsgerichtshof bei einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte (vgl. etwa VwGH 21.12.2020, Ra 2020/09/0063; 29.1.2020, Ra 2018/08/0245).
7 Im Übrigen braucht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die vorläufige Suspendierung als sichernde, bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zu treffende Maßnahme noch nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung genügt es vielmehr, wenn gegen den Beschuldigten ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht, die „ihrer Art nach“ geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen.
8Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden; die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen reichen für eine vorläufige Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie die subjektive Tatseite gegeben sein. Allerdings ist eine Suspendierung unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig ist, das heißt auf der Hand liegt, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Dies wäre etwa bei inzwischen eingetretener Verjährung, bei bloßem Bagatellcharakter der zur Last gelegten Tat oder bereits diagnostizierter Schuldunfähigkeit des Beschuldigten der Fall. Ob diese Offenkundigkeit gegeben ist, kann jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. zum Ganzen ausführlich etwa VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251, Rn. 47 ff, mwNzum BDG 1979; siehe VwGH 26.6.2019, Ra 2019/09/0078 zu § 94 DO 1994).
9 Ein relevantes Abweichen von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen im konkreten Einzelfall zeigt der Revisionswerber mit seinem auf einen milieubedingt rauen Umgangston auf der Dienststelle abstellenden Zulässigkeitsvorbringen nicht auf, ging das Verwaltungsgericht im Verdachtsbereich doch von einem über einen solchen hinausgehenden mobbinghaften Verhalten und vor allem von Handgreiflichkeiten aus.
10 Gerade bei Tatbeständen wie Mobbing handelt es sich jedoch vielfach nicht um abgeschlossene Einzeltaten, sondern um die Wiederholung von im Einzelnen nicht als Dienstpflichtverletzung zu wertende Worte oder Taten, die erst in der Summe mehrfacher Einzeläußerungen und handlungen einen Verstoß gegen das Gebot eines achtungsvollen Umgangs mit Vorgesetzten und Mitarbeitern (Mobbingverbot § 18d DO 1994) ergeben (siehe VwGH 26.6.2012, 2011/09/0197zu § 43a BDG 1979, §§ 8, 9 BGlBG).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb die Revision ohne weiteres Verfahrenund daher im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG unter Absehen von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zurückzuweisen war.
Wien, am 28. August 2025