JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0099 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Posch und die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des M B, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2025, W151 2314339 1/8E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Feststellung monatlicher Beitragsgrundlagen nach dem BSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Erledigung der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) vom 25. April 2025 (Feststellung der für den Revisionswerber in der Pensionsversicherung der Bauern hinsichtlich im Einzelnen genannter Zeiträume zugrunde zu legenden monatlichen Beitragsgrundlagen) mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Bescheides als unzulässig zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

2 Als entscheidungswesentlichen Sachverhalt stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, die SVS habe die Erledigung vom 25. April 2025 direkt an den Revisionswerber adressiert und diese sei dem Revisionswerber am 7. Mai 2025 durch Hinterlegung zugestellt worden. Nicht zugestellt worden sei die Erledigung der vom Revisionswerber bevollmächtigten Rechtsvertretung. Die Rechtsvertretung sei bereits während des behördlichen Verfahrens namens des Revisionswerbers eingeschritten, weshalb die SVS von einer Bevollmächtigung nach § 8 Abs. 1 RAO ausgehen hätte müssen. Der Revisionswerber habe die Erledigung vom 25. April 2025 am 18. Mai 2025 seiner Rechtsvertretung per E Mail übermittelt.

3 Zur rechtlichen Würdigung hielt das Bundesverwaltungsgericht insbesondere fest, eine gemäß § 8 Abs. 1 RAO zur umfassenden Parteienvertretung erteilte Vollmacht umfasse auch eine Zustellvollmacht iSd § 9 ZustG. Habe der Parteienvertreter der Behörde seine Bevollmächtigung angezeigt und sich gemäß § 8 Abs. 1 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht berufen, so seien ab diesem Zeitpunkt sämtliche Schriftstücke an den Parteienvertreter zuzustellen (Hinweis auf VwGH 27.6.2013, 2013/07/0035). Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG habe die Behörde, wenn ein Zustellbevollmächtigter bestellt und gesetzlich nichts anderes bestimmt sei, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschehe dies nicht, so gelte die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen sei. Ein tatsächliches Zukommen setze nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes komme. Nicht ausreichend sei die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genüge, dann saniere auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht werde, die fehlende Zustellung nicht (Hinweis auf VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011, und VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026).

4 Die Erledigung der SVS vom 25. April 2025 sei der zu diesem Zeitpunkt zustellbevollmächtigten Rechtsvertretung des Revisionswerbers nicht zugestellt worden und auch nicht tatsächlich zugekommen, sodass eine Heilung des fehlerhaften Zustellvorganges nicht habe eintreten können. Daher sei der von der SVS intendierte Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden und rechtlich nicht zustande gekommen. Werde in solchen Fällen ein Rechtsmittel erhoben, reiche die Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, der vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtene Bescheid sei dem Revisionswerber zugestellt worden und dieser habe den Bescheid seinem rechtsfreundlichen Vertreter weitergeleitet. Nach der Ansicht des Revisionswerbers sei daher der Zustellmangel geheilt und von einer rechtswirksamen Zustellung auszugehen. Der angefochtene Beschluss widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

9 Dem ist zu entgegnen, dass gemäß § 9 Abs. 3 ZustG die Behörde im Fall der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen hat. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Nach der bereits vom Bundesverwaltungsgericht zutreffend referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026, mwN) kann etwa der Umstand, dass dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich eine Kopie eines Bescheides zukommt, der im Original nicht dem im Verfahren ausgewiesenen Vertreter der Partei, sondern der Partei selbst zugestellt wurde, den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen.

10 Der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Sachverhaltsfeststellung, dass der Revisionswerber die an ihn selbst adressierte und zugestellte Erledigung seinem Zustellungsbevollmächtigten mit E Mail (und damit nicht im Original) weitergeleitet habe, tritt die Revision nicht (unter Geltendmachung eines diesbezüglichen Verfahrensmangels) entgegen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes legt die Revision somit nicht dar.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2025

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