JudikaturVwGH

Ra 2025/06/0086 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
29. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Dr. M B in S, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 22. März 2023, LVwG 318 31/2023 R19, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der Spruchpunkte I., III. und IV. des Bescheides vom 23. Jänner 2023: Bürgermeister der Gemeinde Nüziders; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich des Spruchpunktes II. des Bescheides vom 23. Jänner 2023: Gemeindevorstand der Gemeinde Nüziders; mitbeteiligte Partei: J GmbH in B; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4Mit Bescheid vom 23. Jänner 2023 wies der Bürgermeister der Gemeinde Nüziders die Einwendungen des Revisionswerbers betreffend die Errichtung einer näher genannten Wohnanlage auf einem Grundstück in N. durch den Mitbeteiligten ab (Spruchpunkt I.), erteilte eine Ausnahme für die Verpflichtung zur Schaffung einer Kinderspielfläche (Spruchpunkt III.) und erteilte in Spruchpunkt IV. dem Mitbeteiligten die Baubewilligung für die Wohnanlage gemäß § 28 Abs. 2 und § 29 Baugesetz (BauG). Mit Spruchpunkt II. wurde eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 35 Abs. 2 Raumplanungsgesetz (RPG) durch den Gemeindevorstand der Gemeinde Nüziders erteilt.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers gegen die oben angeführten Bescheide keine Folge, bestätigte diese und erklärte eine Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst und soweit entscheidungsrelevant aus, der Mitbeteiligten seien neben der verfahrensgegenständlich angefochtenen Baubewilligung (Spruchpunkt IV. des Bescheides vom 23. Jänner 2023)in Spruchpunkt II. des Bescheides vom 23. Jänner 2023 auch Ausnahmen vom Gesamtbebauungsplan der Gemeinde N. hinsichtlich der durchschnittlichen Traufenhöhe (von 7 m auf 7,45 m), der maximalen Traufenhöhe (von 8 m auf 8,26 m) und der Baunutzungszahl (von 50 auf 58,95) gemäß § 35 Abs. 2 RPG erteilt worden. Dieser Bescheid [gemeint wohl: dieser Spruchpunkt] sei rechtskräftig. Das Bauvorhaben halte sowohl die Vorgaben der Ausnahmebewilligung als auch die Mindestabstände (§ 6 BauG) und die Abstandsflächen (§ 5 BauG) zu den Grundstücken des Revisionswerbers ein.

Der Revisionswerber sei Eigentümer von drei Grundstücken, die nicht unmittelbar an das Baugrundstück angrenzten; das nächstgelegene Grundstück des Revisionswerbers befinde sich in einer Entfernung von etwa 8 m, die verfahrensgegenständliche Wohnanlage befinde sich ca. 15 m vom nächstgelegenen Grundstück des Revisionswerbers entfernt. Er könne daher das Nachbarrecht gemäß § 26 Abs. 1 lit. e BauG (die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter von seinem Grundstück entfernt ist) einwenden. Da Nachbarn im Verfahren gemäß § 35 RPG jedoch keine Parteistellung zukomme, sei die Frage der Rechtmäßigkeit einer Ausnahmebewilligung gemäß § 35 RPG fallbezogen die Festlegungen zur Höhe des Bauwerkes im Baubewilligungsverfahren zu prüfen (Hinweis auf VfGH 1.12.2017, G 135/2017, V 83/2017 u.a.).

Soweit der Revisionswerber einwende, die Erteilung der Ausnahmebewilligung sei rechtswidrig, werde dem entgegengehalten, dass der Gemeindevorstand der Gemeinde N. im Verfahren gemäß § 35 Abs. 2 RPG eine ausreichende Grundlagenforschung durchgeführt und schlüssig begründet habe, dass diese Änderung weder den Zielen des Gesamtbebauungsplanes, den in § 2 RPG genannten Raumordnungszielen noch dem räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde N. entgegenstünden; der Gemeindevorstand der Gemeinde N. habe eine Interessenabwägung gemäß § 3 RPG durchgeführt und die Stellungnahme des Revisionswerbers berücksichtigt. Die Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 RPG sei somit rechtmäßig erteilt worden und der Revisionswerber werde nicht in seinem subjektiven Recht gemäß § 26 Abs. 1 lit. e BauG verletzt.

6 Dagegen richtete der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2024, E 1319/2023 9, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Im Ablehnungsbeschluss führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan seien nach einer hinreichenden Grundlagenforschung und Interessenabwägung erlassen worden; die nachvollziehbaren Entscheidungsgrundlagen seien im Verordnungsakt dokumentiert; Hinweise auf Gesetzwidrigkeiten hätten sich aus den vorgelegten Akten nicht ergeben.

7In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Revision wird zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, die „Bescheidbegründung des erstinstanzlichen Bescheides“ weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht von Ermessensentscheidungen, nämlich der Erteilung der Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 bzw. 3 RPG, ab. Der „Bescheid der belangten Behörde“ widerspreche darüber hinaus VfGH 1.12.2017, E 135/2017, V 83/2017 u.a., wonach Nachbarn im Baubewilligungsverfahren die Rechtmäßigkeit einer auf § 35 RPG gestützten Ausnahmebewilligung geltend machen könnten, da ihnen im Verfahren nach § 35 RPG keine Parteistellung zukomme. Diese Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes könne nur so interpretiert werden, dass es den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren freistehe, durch Einwendungen gemäß § 26 Abs. 1 BauG die Einhaltung der angeführten Vorschriften geltend zu machen. Die Baubehörde sei dann verpflichtet, die Einwendungen der Nachbarn inhaltlich zu prüfen und allenfalls die Baubewilligung auch dann zu versagen, wenn sich die Nichteinhaltung der Vorschriften zum Schutz des Nachbarn daraus ergebe, dass die Ausnahmebewilligung beachtet worden sei.

8 Dazu ist zunächst auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG über die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes entscheidet, nicht über einen „Bescheid der belangten Behörde“, weil die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (vgl. etwa VwGH 3.1.2024, Ra 2023/06/0190, Rn. 8, mwN). Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen auf den erstinstanzlichen Bescheid bezieht, wird damit schon aus diesem Grund keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt.

9Das LVwG ging in seinem Erkenntnis davon aus, dass der Revisionswerber fallbezogen im Baubewilligungsverfahren die Rechtmäßigkeit der auf § 35 RPG gestützten Ausnahmebewilligung geltend machen konnte. Dem angefochtenen Erkenntnis zufolge sei die Ausnahmebewilligung gemäß § 35 Abs. 2 RPG rechtmäßig erteilt und der Revisionswerber nicht in seinem subjektivöffentlichen Recht gemäß § 26 Abs. 1 lit. e BauG verletzt worden. Dem tritt der Revisionswerber nicht substantiiert entgegen. Er führt in der Zulässigkeitsbegründung auch nicht aus, mit welchen Einwendungen gemäß § 26 Abs. 1 BauG sich das LVwG hätte auseinandersetzen müssen und legt die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, inwiefern also im Fall eines mängelfreien Verfahrens von einer anderen, für ihn günstigeren Sachverhaltsgrundlage auszugehen gewesen wäre, nicht dar (vgl. etwa VwGH 7.1.2025, Ra 2024/06/0219 bis 0221, Rn. 6, mwN).

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2025