Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 16. August 2023, 1. LVwG 414 7/2023 R6 und 2. LVwG 318 37/2023 R6, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: H AG Co KG in F, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird im Umfang ihrer Anfechtung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses) zurückgewiesen.
Das Land Vorarlberg hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenbegehren des L B in L, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der Amtsrevisionswerberin vom 1. Februar 2023 wurde L. B. (Bauwerber) gemäß den §§ 28 und 29 Baugesetz (BauG) die Baubewilligung für den Umbau des Hotels „F hof“ unter Vorschreibung von Auflagen hinsichtlich der Abstände und Abstandsflächen sowie unter Zulassung einer Ausnahme gemäß § 7 Abs. 1 lit. c und d leg. cit. erteilt. (Die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung in Spruchpunkt II. des Bescheides ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.)
5 In Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses sprach das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) aufgrund der Beschwerde der mitbeteiligten Partei aus: „Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. (Erteilung der Baubewilligung) Folge gegeben und der verfahrenseinleitende Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den Umbau des Hotels F[...]hof als unzulässig zurückgewiesen.“
Eine Revision wurde für unzulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG soweit für das vorliegende Verfahren relevant aus, im gegenständlichen Fall werde ein bestehendes mehrstöckiges Hotelgebäude beinahe zur Gänze abgebrochen und solle nur ein minimaler Anteil an Mauerresten im Sockelgeschoss bestehen bleiben, auf dem das neue Gebäude mit fünf Geschoßen zur Gänze neu errichtet werden solle. Dieses Bauvorhaben stelle gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen „Umbau“ im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. n BauG dar (Hinweis etwa auf VwGH 16.8.2021, Ra 2021/06/0107; 24.3.2010, 2008/06/0120). Mit dem Abbruch des Bestandsgebäudes im beantragten Ausmaß gehe der bestehende Baukonsens unter. Die Errichtung des projektierten Gebäudes stelle somit einen bewilligungspflichtigen Neubau dar, worauf die rechtlichen Vorgaben für die Neuerrichtung eines Gebäudes anzuwenden seien. Da der vorliegende Antrag aber ausdrücklich die Errichtung eines „Umbaus“ des bestehenden Hotels betreffe, sei dieser Antrag als „unzulässig zurückzuweisen“ gewesen.
Darüber hinaus sei aus näher dargestellten Gründen die Erteilung einer Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. d BauG im vorliegenden Fall nicht zulässig, sodass der Bescheid vom 1. Februar 2023 auch aus diesem Grund hinsichtlich Spruchpunkt I. mit Rechtswidrigkeit belastet sei.
6 Die Mitbeteiligte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben. L. B. brachte ebenfalls eine Revisionsbeantwortung ein mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufheben.
7 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Amtsrevisionswerberin zusammengefasst vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu den verfahrensrechtlichen Grundsätzen und näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Mit der Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Bauantrages sei keine Erledigung des gestellten Bauantrages erfolgt. Das LVwG sei der ihm nach § 28 Abs. 2 VwGVG zukommenden Entscheidungspflicht nicht nachgekommen und habe die Angelegenheit, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden gewesen sei, nicht materiell erledigt (Hinweis etwa auf VwGH 25.9.2018, Ra 2018/05/0216; 30.3.2017, Ro 2015/03/0036; 27.5.2020, Ro 2019/09/0009). Bei der Erklärung eines Bauantrages für unzulässig handle es sich im Grunde um eine negative Sachentscheidung. Wenn dem Verfahren ein Parteiantrag zu Grunde liege, komme jedoch eine solche Vorgangsweise nicht in Betracht, der Parteiantrag müsse vielmehr inhaltlich erledigt werden (Hinweis auf VwGH 7.3.2023, Ra 2020/05/0050).
Es sei auch keine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG erfolgt. Offenkundig habe das LVwG das durch den gestellten Bauantrag eingeleitete Baubewilligungsverfahren für unzulässig befunden und damit endgültig beendet. Die Rechtsgrundlage dafür bleibe jedoch völlig im Dunkeln. Es sei auch unklar, wie weiter vorzugehen sei, ob über den verfahrenseinleitenden Bauantrag neuerlich zu entscheiden sei oder ob der Antragsteller einen neuen Bauantrag bei der Baubehörde erster Instanz einbringen müsste. Dem stünde jedoch die Bindungswirkung dieser Entscheidung entgegen (Hinweis auf VwGH 29.7.2015, Ra 2015/07/0034).
Die Verweigerung einer inhaltlichen Entscheidung über den gestellten Bauantrag stelle zudem eine Verletzung des auch verfassungsrechtlich geschützten Rechtes auf den gesetzlichen Richter dar.
8 Mit diesem Vorbringen zeigt die Amtsrevisionswerberin kein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf. Die Revision führt selbst aus, dass die Unzulässigerklärung eines Bauantrages eine negative Sachentscheidung darstellt. Damit kam das LVwG seiner Entscheidungspflicht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG nach. Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses führte das LVwG ausdrücklich § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als Rechtsgrundlage an und brachte damit zum Ausdruck, inhaltlich zu entscheiden.
Entgegen der Ansicht der Amtsrevisionswerberin ist die Entscheidung VwGH 7.3.2023, Ra 2020/05/0050, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in diesem Verfahren den bekämpften Bescheid aufhob und eben nicht inhaltlich über den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung absprach. Im vorliegenden Fall wies das LVwG den verfahrenseinleitenden Antrag hingegen als unzulässig zurück.
Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge tritt die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes an die Stelle des angefochtenen Bescheides (vgl. etwa VwGH 8.3.2021, Ra 2020/01/0178, Rn. 6, mit Hinweisen auf VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032). Aufgrund der Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages ist darüber von der Amtsrevisionswerberin nicht neuerlich zu entscheiden. Einem Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Gebäudes gemäß § 18 Abs. 1 lit. a BauG steht die Bindungswirkung der Entscheidung des LVwG nicht entgegen, weil diese nur die Frage der Bewilligungsfähigkeit eines Umbaus gemäß § 2 Abs. 1 lit. n BauG zum Gegenstand hat.
Auf die Frage, ob das LVwG den Antrag zu Recht zurückwies, war vom Verwaltungsgerichtshof mangels eines entsprechenden Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung nicht einzugehen.
9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
10 Der Ausspruch über den Aufwandersatz an die Mitbeteiligte stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Kostenbegehren des vom Verwaltungsgerichtshof zunächst als mitbeteiligte Partei behandelten L B war zurückzuweisen, weil dieser das hier angefochtene Erkenntnis selbst mit Revision bekämpfte (protokolliert zu Ra 2023/06/0191), weshalb ihm keine Mitbeteiligtenstellung zukommt und er mangels Parteistellung im vorliegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von vornherein keinen Antrag auf Aufwandersatz stellen darf (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2018/11/0100, 0101, Rn. 25, mwN).
Wien, am 3. Jänner 2024