JudikaturVwGH

Ra 2025/06/0084 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
10. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der V S B in G, vertreten durch Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 24. April 2024, LVwG 30.37 513/2024 11, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz (belangte Behörde) vom 4. Jänner 2024 betreffend eine Übertretung des § 54 iVm § 56 Abs. 1 Steiermärkisches Landes Straßenverwaltungsgesetz 1964 (LStVG. 1964) und die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von € 200,samt Verfahrenskosten nach § 64 VStG sowie einer Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (I.), verpflichtete die Revisionswerberin gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG zur Entrichtung eines Beitrages zum verwaltungsgerichtlichen Strafverfahren in der Höhe von € 40, (II.) und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (III.).

2 Begründend führte das LVwG, soweit hier wesentlich, aus, die Revisionswerberin habe am 2. Juni 2023 an einer Demonstration betreffend den Klimawandel teilgenommen und zu diesem Zweck an diesem Tag zu einer näher genannten Uhrzeit die Fahrbahnen näher bezeichneter öffentlicher Straßen benutzt, wobei sie sich letztlich auf der Fahrbahn einer adressmäßig genannten öffentlichen Straße hingesetzt und versucht habe, sich mit den Händen auf der Fahrbahn festzukleben. Die öffentlichen Straßen, die von der Revisionswerberin zu Demonstrationszwecken benutzt worden seien, indem sie auf den diesbezüglichen Fahrbahnen zu Fuß gegangen sei, stellten jenen Teil der Straße dar, der für den Fahrzeugverkehr bestimmt sei. Die Revisionswerberin habe damit die öffentlichen Straßen nicht im Sinne ihres bestimmungsgemäßen Zweckes, nämlich jenes des fließenden Fahrzeugverkehrs, benutzt.

3 Eine Sondernutzung der Straße, die die Pflicht zur Einholung der privatrechtlichen Zustimmung des Straßenerhalters auslöse, sei jede nicht unter den Gemeingebrauch fallende Benützung der Straße. Es komme nicht darauf an, ob die Benützung eine vorübergehende oder eine dauernde sei; auch geringfügige Sondernutzungen einer öffentlichen Straße ohne Zustimmung seien unzulässig, und zwar sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher Hinsicht. Entscheidend sei nicht, ob der Verkehr beeinträchtigt werden könne, sondern einzig, dass es sich bei der Benützung einer öffentlichen Straße mit Sitzblockaden, Ankleben von Handflächen auf der Fahrbahn udgl. um einen in qualitativer Hinsicht verkehrsfremden Zweck handle.

4 Die Revisionswerberin habe den objektiven Tatbestand des § 56 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 1 LStVG. 1964 erfüllt. Der Schutzzweck des § 54 LStVG. 1964 bestehe in der Erhaltung der Straße zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung ihrer bestimmungsgemäßen Benützung, somit des Gemeingebrauches iSd § 5 LStVG. 1964. § 54 leg. cit ermögliche es der privatwirtschaftlich handelnden Straßenverwaltung, zu prüfen, ob von ihr wahrzunehmende private oder öffentliche Interessen einer besonderen Inanspruchnahme von Straßen entgegenstünden. Dabei habe die Straßenverwaltung nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insofern grundrechtskonform vorzugehen, als die Zustimmung für eine im Zuge einer Versammlung geplante Benützung der Straße grundsätzlich zu erteilen sei (Verweis auf VfGH 23.6.2005, B 1297/04 und 29.9.2008, B 2355/07). Im Erkenntnis vom 23. Juni 2005, B 1297/04, habe der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass § 54 Abs. 1 LStVG. 1964 im Hinblick auf die Verpflichtung der Straßenverwaltung zur grundrechtskonformen Vorgangsweise verfassungsrechtlich unbedenklich sei und dass die Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach dem LStVG. 1964 nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit verletze, wenn für die Benützung einer Straße zu nicht bestimmungsgemäßen Zwecken nicht die Zustimmung der Straßenverwaltung eingeholt worden sei.

5 Im Revisionsfall sei eine Zustimmung der Straßenverwaltung zur Verwendung der im Straferkenntnis näher bezeichneten Straßen bzw. Fahrbahnen von der Revisionswerberin nicht eingeholt worden und auch sonst nicht vorgelegen. Gerichtsbekannt sei, dass es für sämtliche bis zum 5. März 2024 bzw. 25. März 2024 durchgeführten Kundgebungen im Zusammenhang mit Anliegen des Klimaschutzes auf Grundstücken bzw. Fahrbahnen, die öffentliche Straßen im Sinne des § 54 LStVG. 1964 darstellten, weder bei der zuständigen Stelle der Straßenverwaltung der Stadt Graz noch bei jener des Landes Steiermark eine Anfrage hinsichtlich einer Zustimmung nach § 54 LStVG. 1964 gegeben habe.

6 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis von der Revisionswerberin zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde lehnte dieser mit Beschluss vom 25. November 2024, E 2161/2024 10, ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die gerügten Rechtsverletzungen im vorliegenden Fall nur die Folge einer allenfalls grob unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wären. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen seien zur Beantwortung insbesondere der Frage, ob die Entscheidung des LVwG § 54 LStVG. 1964 in jeder Hinsicht entspreche, nicht anzustellen.

7 Mit weiterem Beschluss vom 8. Jänner 2025, E 2161/2024-12, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, die Frage, „ob die Verhängung einer Geldstrafe nach § 54 i.V.m § 56 Stmk LStVG 1964 gegen ‚einfache‘ Versammlungsteilnehmer:innen gesetzlich gedeckt ist bzw. einer verfassungskonformen Auslegung des § 54 leg. cit. entspricht“, sei vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht erörtert worden. Es gehe darum, wer für die Einholung der erforderlichen Bewilligung im Falle der Abhaltung von Versammlungen verantwortlich sei; zu beurteilen sei, wer Normadressat der Vorschrift sei. Mit näherer Begründung und Verweis auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum „Kernbereich“ der Versammlungsfreiheit wird sodann ausgeführt, die Kompetenz zur Lösung der angesprochenen Rechtsfrage bzw. „der Frage der verfassungskonformen Interpretation“ des § 54 LStVG. 1964 liege beim Verwaltungsgerichtshof.

9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Vorauszuschicken ist, dass die verfahrensgegenständliche Bestrafung nach § 54 Abs. 1 iVm § 56 Abs. 1 LStVG. 1964 keine Angelegenheit des Kernbereiches der Versammlungsfreiheit (wie die Untersagung oder Auflösung einer Versammlung) darstellt, die gemäß Art. 133 Abs. 5 BVG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen wäre (vgl. zur diesbezüglichen Abgrenzung betreffend eine Rechtssache nach dem Versammlungsgesetz 1953 etwa VwGH 29.9.2021, Ra 2021/01/0181, mit Hinweis u.a. auf VwGH 27.2.2018, Ra 2017/01/0105 sowie VwGH 18.10.2022, Ra 2022/01/0276). Im gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG ausgeführten Revisionspunkt der Revision erachtet sich Revisionswerberin in ihrem „einfachgesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtbestrafung“ verletzt.

14Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit der Revision vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe die Frage, ob die Verhängung einer Geldstrafe nach § 54 iVm § 56 LStVG. 1964 gegen eine „einfache Versammlungsteilnehmerin“ gesetzlich gedeckt sei, noch nicht beantwortet, bzw. es sei zu beurteilen, wer Normadressat der Vorschrift sei, kann diesbezüglich auf den insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut verwiesen werden (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bei klarer Rechtslage etwa VwGH 4.1.2024, Ra 2023/06/0194, mwN):

15 Gemäß § 54 Abs. 1 erster Satz LStVG. 1964 bedarf jede Benützung von Straßen und der dazugehörigen Anlagen für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck der Zustimmung der Straßenverwaltung. Gemäß § 56 Abs. 1 erster Satz leg. cit. sind Übertretungen (unter anderem) des § 54 leg. cit. als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 2.180, , im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen, zu bestrafen. Verwaltungsrechtlich strafbar ist daher in der Zusammenschau der genannten beiden Gesetzesbestimmungen derjenige, der ohne Zustimmung der Straßenverwaltung eine Straße bzw. eine dazugehörige Anlage für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck benützt.

16 Nach der (auch vom LVwG herangezogenen) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist § 54 Abs. 1 LStVG. 1964, dessen Nichteinhaltung gemäß § 56 Abs. 1 leg. cit. mit einer Ordnungsstrafe bedroht ist, im Ergebnis verfassungsrechtlich unbedenklich, da die privatwirtschaftlich handelnde Straßenverwaltung bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmung jedenfalls zu einem grundrechtskonformen Vorgehen verpflichtet ist (vgl. VfGH 23.6.2005, B 1297/04 = VfSlg. 17.600 und VfGH 29.9.2008, B 2355/07 = VfSlg. 18.560).

17 Fallbezogen führte das LVwG im angefochtenen Erkenntnis aus, die Revisionswerberin habe durch ihr im Erkenntnis näher beschriebenes Verhalten öffentliche Straßen zum Tatzeitpunkt nicht im Sinne ihres bestimmungsgemäßen Zweckes benutzt. Eine Zustimmung der Straßenverwaltung zur Verwendung der näher bezeichneten Straßen bzw. Fahrbahnen sei von der Revisionswerberin nicht eingeholt worden und auch sonst nicht vorgelegen; für sämtliche, bis zu näher genannten (den Tatzeitpunkt einschließenden) Zeitpunkten durchgeführte Kundgebungen im Zusammenhang mit Anliegen des Klimaschutzes auf Grundstücken bzw. Fahrbahnen, die öffentliche Straßen im Sinne des § 54 LStVG. 1964 darstellten, habe es weder bei der zuständigen Stelle der Straßenverwaltung der Stadt Graz noch bei jener des Landes Steiermark Anfragen in Bezug auf eine Zustimmung nach § 54 LStVG. 1964 gegeben.

18 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird weder bestritten, dass die Revisionswerberin die in Rede stehenden öffentlichen Straßen zum Tatzeitpunkt nicht im Sinne ihres bestimmungsgemäßen Zweckes benutzt habe, noch wird vorgebracht, es wäre für den Tatzeitpunkt eine Zustimmung der Straßenverwaltung im Sinne des § 54 Abs. 1 erster Satz LVStG. 1964 vorgelegen oder ein diesbezügliches Ansuchen an die zuständige Straßenverwaltung gestellt gewesen. Auf die Frage, ob eine Zustimmung nach der genannten Gesetzesbestimmung von der Revisionswerberin selbst einzuholen gewesen wäre, kommt es fallbezogen nicht an, da das Gesetz seinem eindeutigen Wortlaut zufolge (nur) darauf abstellt, dass eine Zustimmung der Straßenverwaltung zur Benützung der Straßen (bzw. der dazugehörigen Anlagen) für einen anderen als den bestimmungsgemäßen Zweck nicht vorliegt, was nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis der Fall war.

19 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. April 2025