JudikaturVwGH

Ra 2023/06/0194 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, in der Revisionssache des A S in B, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria Theresien Straße 5/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. August 2023, LVwG 2023/38/1524 8, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Biberwier; mitbeteiligte Partei: Ing. G W in E, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, LL.M. und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 2. Mai 2023, mit welchem dem Mitbeteiligten gemäß § 34 Abs. 6 und 7 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) die Baubewilligung für die geänderte Bauführung des Stallgebäudes auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit im Revisionsfall wesentlich aus, dass für das Baugrundstück nach dem maßgeblichen Flächenwidmungsplan der Gemeinde B. die Flächenwidmung „Sonderfläche Hofstelle § 44 (iVm § 43 Abs. 7 standortgebunden)“ bestehe. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei mit der Widmungskategorie eines Grundstückes als „Sonderfläche“ nach den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 (nunmehr 2022) klargestellt, dass aus den betreffenden rechtlichen Bestimmungen ein Immissionsschutz nicht ableitbar sei (Hinweis auf VwGH 28.5.2020, Ra 2018/06/0245 und 0246). Der Revisionswerber könne daher Einwendungen gemäß § 33 Abs. 1 lit. a TBO 2022 nicht erfolgreich geltend machen, weshalb auch sämtliche zur Frage der Immissionen geltend gemachten Einwendungen zurückzuweisen seien.

6 Der Revisionswerber bringt in seiner Begründung für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision vor, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur gegenständlich zu lösenden Rechtsfrage, ob bei der „Flächenwidmung ‚Sonderfläche Hofstelle‘ im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes, welche mit einem Zusatz konkretisiert ist (nur ‚Wirtschaftsgebäude‘) ein Immissionsschutz verbunden ist, welcher von Nachbarn in einem Bauverfahren iSd TBO 2022 als Einwendung geltend gemacht“ werden könne. Ebenso wenig bestehe Rechtsprechung, ob bei der Flächenwidmung „Sonderfläche Hofstelle nur Wirtschaftsgebäude“ ein Pferdestall samt Reitflächen errichtet und betrieben werden dürfe und ob dadurch in subjektiv öffentliche Rechte des Nachbarn unzulässig eingegriffen werde.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich ein gleichsam allumfassender Immissionsschutz und damit ein Mitspracherecht des Nachbarn hinsichtlich der Flächenwidmung weder § 25 Abs. 3 lit. a TBO 2001 (entspricht inhaltlich § 33 Abs. 3 lit. a TBO 2022) noch anderen Bestimmungen dieses Absatzes entnehmen lässt; ebenso wenig vermittelt eine Sonderflächenwidmung nach § 43 Abs. 1 lit. a TROG 2011 (entspricht inhaltlich § 43 Abs. 1 lit. a TROG 2022) einen generellen Immissionsschutz oder kann aus § 43 Abs. 5 TROG 2011 (entspricht inhaltlich § 43 Abs. 5 TROG 2022) ein Immissionsschutz abgeleitet werden (vgl. VwGH 24.10.2017, Ro 2014/06/0067 und 0069, mwN).

8 Hingegen hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 44 Abs. 5 lit. b TROG 2006 (entspricht inhaltlich § 44 Abs. 8 lit. b TROG 2022) bereits erkannt, dass diese Bestimmung grundsätzlich einen Schutz der Nachbarn vor unzumutbaren Belästigungen gewährt, die von einer im Rahmen von Hofstellen ausgeübten gewerblichen Tätigkeit ausgehen (vgl. VwGH 28.11.2014, 2011/06/0142, und VwGH 23.6.2010, Ra 2010/06/0059). Zwar bezieht sich auch der Revisionswerber auf diese Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes; dass fallbezogen im Rahmen der Hofstelle des Mitbeteiligten eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werden soll, behauptet dieser in seiner Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht und es wurde dies im angefochtenen Erkenntnis auch nicht festgestellt. Dass bzw. gegebenenfalls welche anderen Bestimmungen des § 44 TROG 2022 einen Immissionsschutz vorsehen würden, legt der Revisionswerber nicht dar und ergibt sich aus den betreffenden raumordnungsrechtlichen Bestimmungen auch nicht. Entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht, lässt sich ein Immissionsschutz auch nicht allein aus der Verwendung des Widmungszusatzes „nur Wirtschaftsgebäude“ ableiten. Insoweit ist die Rechtslage eindeutig (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bei klarer Rechtslage etwa VwGH 31.3.2023, Ra 2023/06/0028, mwN).

9 Dem Revisionswerber gelingt es somit nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach er Einwendungen nach § 33 Abs. 1 lit. a TBO 2022 nicht erfolgreich geltend machen könne, aufzuzeigen. Der weiters aufgeworfenen Frage zur Widmungskonformität des gegenständlichen Bauvorhabens kommt daher mangels Mitspracherechtes des Revisionswerbers hinsichtlich der Flächenwidmung keine Relevanz zu.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 4. Jänner 2024

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