JudikaturVwGH

Ra 2022/07/0076 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revisionen 1. der D GmbH in B, vertreten durch die Stolz Weiglhofer Russegger Rechtsanwälte GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19 (Ra 2022/07/0076), und 2. des A I in B, vertreten durch Mag. Wolfgang Brandstätter, Rechtsanwalt in 5630 Bad Hofgastein, Tauernstraße 5 (Ra 2022/07/0077), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 20. Juni 2022, 405 1/672/1/71 2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau; mitbeteiligte Partei Marktgemeinde B), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis erteilte das Landesverwaltungsgericht Salzburg (in der Folge: Verwaltungsgericht) in Abweisung von Beschwerden unter anderem der revisionswerbenden Parteien gegen einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau (in der Folge: Bezirkshauptmannschaft) der mitbeteiligten Partei nach Maßgabe von Projektunterlagen und unter Vorschreibung von Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung zur Durchführung von Hochwasserschutzmaßnahmen. Unter einem räumte es der mitbeteiligten Partei gemäß § 60 Abs. 1 lit. c und Abs. 3 sowie § 63 lit. b WRG 1959 auf Grundstücken des Zweitrevisionswerbers die Dienstbarkeit der Errichtung und Erhaltung eines Hochwasserschutzdamms und eines Pumpschachts ein. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 In seiner Begründung legte das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens der revisionswerbenden Parteien die Erfüllung der Bewilligungsvoraussetzungen der Hochwasserschutzmaßnahmen und die Erforderlichkeit der Einräumung einer Dienstbarkeit auf dem Grundstück des Zweitrevisionswerbers dar. Zu dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren von der Erstrevisionswerberin gestellten Antrag auf ausdrückliche Feststellung ihrer Parteistellung führte das Verwaltungsgericht aus, ein solcher Abspruch habe im verwaltungsbehördlichen Verfahren unterbleiben können, weil die Erstrevisionswerberin ohnehin von der Bezirkshauptmannschaft als Partei behandelt und auf ihr Vorbringen eingegangen worden sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die beiden außerordentlichen Revisionen, die wegen ihres sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden wurden.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Zulässigkeit ihrer Revision bringt die Erstrevisionswerberin zunächst vor, sie sei in dem von der Bezirkshauptmannschaft geführten Verfahren nicht beigezogen und ihr sei die Möglichkeit genommen worden, zu den Verfahrensergebnissen Stellung zu nehmen. Über den Antrag, ihr Parteistellung zu gewähren, sei nicht entschieden worden. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft sei ihr wohl „zur Kenntnis“ übermittelt worden. In der Zustellverfügung des Bescheids sei sie jedoch nicht genannt worden.

8 Soweit mit diesem Vorbringen Verfahrensfehler im Verfahren der Bezirkshauptmannschaft geltend gemacht werden, genügt es darauf hinzuweisen, dass allfällige Verfahrensmängel im Verfahren vor der belangten Behörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden (vgl. etwa VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251, mwN). Mit der Behauptung einer Verletzung ihres Parteiengehörs im Verfahren der Bezirkshauptmannschaft vermag die Erstrevisionswerberin daher keine zur Zulässigkeit ihrer Revision führende Mangelhaftigkeit des Beschwerdeverfahrens des Verwaltungsgerichts darzulegen.

9 Eine übergangene Partei eines Mehrparteienverfahrens kann, sobald der Bescheid gegenüber einer Partei erlassen ist, bereits vor der Zustellung des Bescheids an sie ein Rechtsmittel erheben, wobei sie freilich dabei zu erkennen gibt, auf die Zustellung des Bescheids zu verzichten (vgl. VwGH 17.10.2018, Ra 2018/11/0181 bis 0182, mwN). Die Beschwerdelegitimation besteht somit wie sich seit dem Inkrafttreten des VwGVG auch ausdrücklich aus § 7 Abs. 3 VwGVG ergibt selbst dann, wenn die Parteistellung im Verwaltungsverfahren strittig war bzw. die betreffende Person dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogen worden ist (vgl. VwGH 19.10.2023, Ra 2021/02/0097 bis 0098, mwN). Die Klärung der strittigen Parteistellung kann dadurch auch ohne den „Umweg“ über Anträge auf Zuerkennung der Parteistellung bzw. Zustellung des Bescheids erfolgen (vgl. VwGH 29.7.2021, Ra 2020/06/0146 bis 0147, mwN).

10 Im vorliegenden Fall kann somit dahingestellt bleiben, ob eine wirksame Zustellung des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft an die Erstrevisionswerberin erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat ihre Parteistellung in Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung ihre Rechte als Grundeigentümerin nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 jedenfalls angenommen und daher über ihre Beschwerde meritorisch entschieden. Ein gesonderter Abspruch über die Parteistellung war im Sinn der dargestellten Grundsätze daher nicht mehr erforderlich.

11 Die Erstrevisionswerberin bringt im Zuge ihres Zulässigkeitsvorbringens weiters vor, das Projekt sei nicht geeignet, eine „nachhaltige Verbesserung“ zu erzielen. Der Zweitrevisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit seiner Revisionen geltend, das Verwaltungsgericht habe sich hinsichtlich der Einräumung eines Zwangsrechts „nur vage“ mit „alternativen Möglichkeiten im Sinn von gelinderen Mitteln“ auseinandergesetzt und sich auch „nicht ausreichend“ mit der Beeinträchtigung der Liegenschaft des Zweitrevisionswerbers beschäftigt. Tatsächlich sei „genügend natürlicher Retentionsraum“ zur Verfügung gestanden. Dem Antrag des Zweitrevisionswerbers auf Einholung „mehrerer Sachverständigengutachten“ sei nicht gefolgt worden. Bei Einholung weiterer Gutachten und ausreichenden Erhebungen hätte sich ergeben, dass das Projekt nicht zu genehmigen gewesen wäre. Auch fehle Rechtsprechung „zur vollständigen Einpolderungen und Entwertung einer Liegenschaft“ sowie zur „Rechtslage in Salzburg“.

12 Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 10.12.2021, Ra 2020/07/0077, mwN). Werden Verfahrensmängel (wie Begründungs oder Feststellungsmängel) als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0006 bis 0007, mwN).

13 Diesen Anforderungen werden die Revisionen nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht hat dargestellt, aus welchen Gründen es die Voraussetzungen der Bewilligung der gegenständlichen Hochwasserschutzmaßnahmen als gegeben erachtet hat und warum die Einräumung der im Spruch genannten Dienstbarkeit auf den Grundstücken des Zweitrevisionswerbers notwendig und alternativlos sei. Mit ihren bloß pauschalen Behauptungen zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht konkret auf, welche maßgeblichen Umstände insoweit unberücksichtigt gelassen oder unter unrichtig beurteilt worden wären. Soweit die Unterlassung der Einholung weiterer Sachverständigengutachten gerügt wird, wird nicht dargelegt, was sich konkret aus diesen Gutachten ergeben hätte.

14 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2024

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