JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0199 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Energierecht
19. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des E P, vertreten durch Mag. Gerhard Moser, Rechtsanwalt in Murau, gegen das am 13. Mai 2025 mündlich verkündete und mit 27. Juni 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, Zl. LVwG 43.19 29/2025 20, betreffend eine Bewilligung nach dem steiermärkischen Starkstromwegegesetz 1971 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: E Steiermark GmbH, vertreten durch die ONZ Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die mitbeteiligte Partei betreibt auf näher genannten Grundstücken das Umspannwerk T. Mit Eingabe vom 24. Juni 2024 beantragte sie die Änderung des Umspannwerks im Wesentlichen durch Erweiterung in Richtung Osten auf den westlichen Teil des angrenzenden, unbebauten, näher genannten, im Alleineigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstücks.

2 Mit Bescheid vom 5. November 2024 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 3 und 7 des Gesetzes vom 10. November 1970 über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf den Bereich des Bundeslandes Steiermark erstrecken (Steiermärkisches Starkstromwegegesetz 1971 StSTWG) die elektrizitätsrechtliche Bau und Betriebsbewilligung für die Generalerneuerung und Erweiterung des Umspannwerkes T (Erweiterung und Erneuerung der bestehenden 110 kV Freiluft Schaltanlage des Umspannwerkes T) und der Neugestaltung der 110 kV Leitungsanbindung in das Umspannwerk T unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen. Die gegen das beantragte Projekt erhobene Einwendung des Revisionswerbers, es bestehe keine Notwendigkeit der Inanspruchnahme seines Grundstücks, die eine Erweiterungsmöglichkeit seines Gewerbebetriebs einschränke, wies die belangte Behörde als unbegründet ab.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht stellte zum Teil disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung nachstehenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Das 110 kV Netz der mitbeteiligten Partei versorge das obere Murtal im näher beschriebenen Bereich. Das 110/30 kV Umspannwerk T stelle dabei einen der wichtigsten zentralen Knotenpunkte zur Versorgung der umliegenden Region dar. Das Umspannwerk sei bereits jetzt an der Leistungsgrenze. Es werde das (n 1) Kriterium nicht mehr durchgängig erfüllt, sodass bei Ausfall eines Betriebsmittels die Leistung nicht mehr abtransportiert werden könne und die Versorgungssicherheit des oberen Murtals auf der 110 kV Ebene gefährdet sei.

Im oberen Murtal seien erneuerbare Erzeugungsanlagen in Planung, welche zusätzliche Leistungskapazitäten erforderten und über das Umspannwerk T als zentraler Knotenpunkt zu laufen hätten. Es lägen bereits eine Vielzahl an Einspeiseanfragen in dem durch das Umspannwerk T versorgten Mittelund Niederspannungsnetz vor, welches sich hauptsächlich aus PVAnlagen von Haushaltskunden in den Niederspannungsnetzen sowie größeren Erzeugungsanlagen in den Mittelspannungsnetzen (Wind, Wasser, PV) zusammensetzten. Für die beantragte Erweiterung bedürfe es jedenfalls einer Fläche von 3.115 m² auf dem insgesamt 5.413 m² großen Grundstück des Revisionswerbers, dessen nördlicher Bereich (zwei Drittel der Fläche) als Aufschließungsgebiet/Industriegebiet und dessen südlicher Teil als Freiland ausgewiesen seien. Die Erweiterung auf den beiden näher genannten Bestandgrundstücken sei aufgrund der bereits jetzt platzeinnehmenden Anlagen nicht möglich. Die beantragte Erweiterung auf dem Grundstück des Revisionswerbers könne entgegen dessen Vorbringen auch nicht „platzsparender“ verwirklicht werden. Der Einwand des Revisionswerbers, die gesamte Anlage könne „auf der grünen Wiese“ im südlichen und/oder westlichen Bereich des Umspannwerks neu hergestellt werden, würde bedeuten, dass eine noch größere Fläche als jene 3.115 m² erforderlich wäre und diese erst akquiriert werden müsste. Eine komplette Neuerrichtung des Umspannwerks wäre mit einem erheblichen zusätzlichen technischen Aufwand verbunden. Es wäre nicht nur die gesamte 110 kV Freiluftschaltanlage an anderer Stelle, sondern auch das Schalthaus mit den darin integrierten 30 kV Schaltanlagen und den integrierten Schutz und Steuerungseinrichtungen für die 110 kV Freiluftschaltanlage neu zu errichten. Sämtliche zum Umspannwerk führenden Leitungsanbindungen müssten neu verlegt, umverlegt, gekürzt oder verlängert werden. Insbesondere wären die dadurch erforderlichen Änderungen von bestehenden 110 kV Freileitungssystemen (neue Leitungstrassen, neue Leitungsstützpunkte) sehr aufwändig. Der Investitionsbedarf für ein solches Neuprojekt wäre zumindest doppelt so hoch wie bei der Realisierung des vorliegenden Vorhabens. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers gäbe es keine konkreten Planungen für eine Erweiterung seines bestehenden Betriebes, dessen Betriebsgelände unmittelbar an die verbleibende Restfläche des für das vorliegende Projekt benötigten Grundstücks des Revisionswerbers angrenze.

Rechtlich beurteilte das Verwaltungsgericht diesen Sachverhalt zusammengefasst dahin, dass die Generalerneuerung und Erweiterung des Umspannwerks T unumgänglich sei, um die (n 1) Sicherheit im 110 kV Verteilernetz aktuell und auch bei den künftig zu erwartenden Netzbelastungen sicherstellen zu können. Das beantragte Projekt sei zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit erforderlich. Es liege daher im öffentlichen Interesse iSd § 7 StSTWG, eine ausreichende, sichere und preiswerte Stromversorgung zu gewährleisten.

Die Erteilung einer starkstromrechtlichen Bewilligung erfordere nicht die Zustimmung eines unmittelbar betroffenen Grundeigentümers. Vorliegend stelle die Erweiterung des Umspannwerks auf das Grundstück des Revisionswerbers die einzig vertretbare Möglichkeit dar. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, sein verbleibendes „Restgrundstück“ sei wirtschaftlich nicht verwertbar und er könne seinen Betrieb nicht erweitern, obwohl dies für das wirtschaftliche Überleben notwendig sei, sei zu entgegnen, dass keine konkreten Planungen für eine Betriebserweiterung vorlägen und die Restfläche unmittelbar an das Betriebsgelände des Revisionswerbers angrenze. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei der Prüfung des öffentlichen Versorgungsinteresses auf reine Privatinteressen des Grundeigentümers nicht Bedacht zu nehmen. Die Inanspruchnahme des Grundstücks des Revisionswerbers im beantragten Ausmaß sei aus technischer Sicht unbedingt erforderlich. Die geprüften Standortalternativen und eine Neuerrichtung „auf der grünen Wiese“, die mit einem höheren Flächenbedarf an anderer Stelle, einem erheblichen zusätzlichen technischen Aufwand und einem zumindest doppelt so hohen Investitionsbedarf als das beantragte Projekt verbunden wäre, seien deshalb zu verwerfen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision zusammengefasst vor, die teilweise Inanspruchnahme seines Grundstücks für die bewilligte Erweiterung des Umspannwerks mache nicht nur eine Erweiterung seines Tischlereibetriebs in Richtung einer industriellen Produktion unmöglich, sie gefährde auch langfristig dessen Existenz. Diese Umstände seien weder von der belangten Behörde noch vom Verwaltungsgericht gewürdigt und die wechselseitigen Interessen nicht gegenübergestellt worden. Ob derzeit Absichten und Pläne für eine Betriebserweiterung bestünden, sei dabei nicht relevant.

Für die Beurteilung, ob ein öffentliches Interesse an der Erweiterung des Umspannwerks auf dem Grundstück des Revisionswerbers im Hinblick auf eine mögliche Neuerrichtung „in der grünen Wiese“ bestehe, sei eine Gegenüberstellung der konkreten Kosten notwendig. Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Investitionsbedarf für ein Neuprojekt zumindest doppelt so hoch sei wie bei der Realisierung des beantragten Vorhabens, sei nicht ausreichend. Insofern mangle es an ausreichenden Feststellungen für die Annahme eines öffentlichen Interesses am beantragten Projekt.

8In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 7.4.2025, Ra 2025/04/0033 bis 0034, Rn. 8, mwN).

9 Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz StSTWG setzt die starkstromrechtliche Bau und Betriebsbewilligung einer elektrischen Leitungsanlage, zu der gemäß § 2 Abs. 1 StSTWG auch Umspannanlagen zählen, voraus, dass die elektrische Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspricht. Die Zustimmung eines unmittelbar vom beantragten Projekt betroffenen Grundeigentümers ist keine Voraussetzung für die Erteilung einer Bau und Betriebsbewilligung gemäß § 7 Abs. 1 StSTWG.

10Das öffentliche Interesse an der Versorgung mit Energie besteht darin, dass die Stromversorgung ausreichend, sicher und preiswert erfolgt (vgl. etwa VwGH 15.10.2020, Ro 2019/04/0021 u.a., Rn. 647, mwN). Den betroffenen Grundeigentümern kommt Parteistellung zu. Sie können daher einerseits die Notwendigkeit der Anlage in Frage stellen sowie andererseits Alternativvorschläge erstatten, mit denen sich die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht auseinandersetzen muss. Hiebei genügt es für die Beurteilung des von einem Konsenswerber behaupteten Versorgungsinteresses, wenn sich die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von der Plausibilität der diesbezüglichen Angaben des Konsenswerbers überzeugt. Im Rahmen ihrer Parteistellung können die Grundeigentümer neben einer drohenden Gefährdung ihrer Gesundheit eine Gefährdung ihres Eigentumsrechtes geltend machen, wobei unter einer solchen Gefährdung nicht eine bloße Minderung des Verkehrswertes, sondern nur eine Substanzvernichtung oder der Verlust der Verwertbarkeit eines Grundstückes im Sinn der zu § 75 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verstehen ist. Hiebei ist ein Verlust der Verwertbarkeit bereits dann anzunehmen, wenn die nach der Verkehrsanschauung übliche bestimmungsgemäße Nutzung oder Verwertung ausgeschlossen ist. Im Übrigen findet im starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverfahren eine klare Trennung zwischen öffentlichen und privaten Interessen statt. Der betroffene Grundeigentümer kann einwenden, es bestehe kein öffentliches Interesse daran, die elektrische Leitungsanlage in einer sein Grundstück berührenden Art oder in der vorgesehenen Weise auszuführen. Dabei liegt ein Mangel des öffentlichen Interesses insbesondere dann vor, wenn sich bei Abwägung aller Interessen eine Leitungstrasse anbietet, die weniger in die Interessen der betroffenen Grundeigentümer eingreift, ohne dass dadurch jedoch öffentliche Interessen verletzt werden (vgl. zu alldem VwGH 9.10.2014, 2013/05/0078, mwN).

11 Ein Abweichen des Verwaltungsgerichts von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vermag der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht darzulegen. Allein der Umstand, dass durch die Inanspruchnahme eines Teils des Grundstücks des Revisionswerbers eine zukünftige Erweiterung seines Betriebes hin zu einer industriellen Produktion nicht mehr möglich und dadurch langfristig der Bestand des Betriebs gefährdet ist, steht der Bewilligung des beantragten Vorhabens nicht entgegen. Vielmehr ist wesentlich, dass die Alternativvorschläge des Revisionswerbers technisch umsetzbar sind und sie nicht oder weniger in seine Interessen eingreifen, ohne dass dadurch öffentliche Interessen verletzt werden. Angesichts des Umstandes, dass die vom Revisionswerber vorgeschlagene Neuerrichtung auf einem anderen Standort mit einem höheren Flächenbedarf, einem erheblichen zusätzlichen technischen Aufwand und einem zumindest doppelt so hohen Investitionsbedarf als das beantragte Projekt verbunden wäre, besteht kein Zweifel, dass diese Alternative dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden, sicheren und preiswerten Stromversorgung widerspricht. Mit dem bloßen Hinweis, es hätte für eine solche Beurteilung einer Gegenüberstellung der konkreten Kosten des beantragten Projekts mit jenem einer Neuerrichtung bedurft, legt der Revisionswerber vorliegend keinen wesentlichen Begründungsmangel dar (vgl. zum im Einzelfall mangelnden Erfordernis einer annähernd ziffernmäßigen Ermittlung des finanziellen Mehraufwandes einer vorgeschlagenen Variante VwGH 23.2.1988, 87/05/0182).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. September 2025